nichts mehr thun, wenn man den Schwanz nicht sähe, wohlwissend, daß man ihn um dessen Schönheit willen fängt. Aber es betrügt sich. Man erlegt es mit einem giftigen Pfeil, schneidet den Schwanz ihm ab, und nimmt seine Haut; das Fleisch läßt man liegen." Auf diesen alten Schriftsteller folgen Marco Polo, Nicolo di Conti, Belon, Pennant und andere Reisende, bis später Pallas eine ausführlichere Beschreibung, wenn auch nur des zahmen Jak, uns gibt. Erst in der neuen und neuesten Zeit haben uns die Reisenden Stewart, Turner, Moorcroft, Herbert, Gerard, Hamilton, Smith und unsere berühmten Landsleute, die Gebrüder von Schlagint- weit, genauer mit dem "Poephagus" der Alten bekannt gemacht. Nachdem zahme Jaks in unseren Thiergärten eingeführt wurden, konnten auch Beobachtungen über diese angestellt werden.
Jn den meisten Ländern, wo man den zahmen Jak hält, kommt auch noch sein Stammvater wild vor, immer aber nur auf den höchsten Alpenweiden der Gebirge in wirklich erstaunlichen Höhen. "Die Gegend", sagt Schlagintweit, "wo man den Jak und den Kiang oder das wilde Pferd findet, ist in thierkundlicher Hinsicht eine der merkwürdigsten der Erde. Diese weiten Hochebenen, obwohl im Sommer frei von Schnee und Eis, sind doch Nichts als eine Wüste das ganze Jahr hindurch; ja, ihre Pflanzenwelt ist noch geringer, als die zwischen Suez und Kairo in Egypten. Nichtsdestoweniger sind diese hohen und unfruchtbaren Gegenden von zahlreichen Truppen großer Vierfüßler bevölkert. Neben den schon erwähnten (Jak und Kiang) findet man in Menge zahlreiche Arten von wilden Antilopen, eine kleine Zahl von hundeähnlichen Thieren (Schakale?), namentlich aber Füchse und auch Hasen. Die Pflanzenfresser finden dort ihre Nahrung nur, indem sie auf großen Räu- men umherziehen, auf denen sie blos sehr wenige fruchtbare Stellen finden, da bei weitem der größte Theil der Oberfläche alles Pflanzenwuchses bar ist." --
"Oft bemerkt man längs der kahlen Abhänge der Berge oder die hohlen, unausgetrockneten See- becken hindurch die zahlreichen Spuren wilder Thiere, die, einer bestimmten Richtung folgend, Kara- vauenpfaden gleichen. Bei dem stets so großen Futtermangel werden sie auch für Reisende sehr wichtig, die sich veranlaßt sehen, ihnen zu folgen, um ihren erschlafften Thieren Rast, wenn auch an einem nur spärlichen Futterplatze, zu geben."
"Unter den Verbreitungskreisen der größeren Säugethiere ist jener des Jak einer der beschränkte- sten. Mehr, als bei anderen Thieren, hängt sein Vorkommen wesentlich von einem Klima ab, welches zunächst trocken und von mäßiger Sonnenwärme ist. Als größte Höhen, in denen wir den Jak in außergewöhnlichen Fällen beobachteten, sind 19,700 bis 19,800 englische Fuß zu nennen. Es sind dies Höhen nicht nur weit über der Grenze des Pflanzenwuchses, sondern in den bezüglichen Gegenden noch mehr als Tausend Fuß über der Schneegrenze."
Ein ziemlich beträchtlicher Theil von Mittelasien ist es, wo der Jak noch gegenwärtig wild vor- kommt. Man findet ihn namentlich in den höheren Theilen der Mongolei, Tibets und Turkistans. Jm eigentlichen Himalaya, auf dessen Klima die indische Regenzeit so vielen Einfluß hat, kommt der Jak im wilden Zustande nicht mehr vor, und auch im nördlichen China ist er ziemlich selten. Unter 8000 Fuß über dem Meere scheint er gar nicht leben zu können; selbst der gezähmte beweist deutlich genug, wie unangenehm ihm ein höherer Wärmegrad, als der in seinen Höhen herrschende, ist. Ein solches Vorkommen eines Ochsen hat unzweifelhaft etwas außerordentlich Aufsallendes, weil es dem ganzen Wesen der übrigen Rinder widerspricht. Es muß daran erinnert werden, daß in jenen Höhen der Luftdruck auf die Hälfte des am Meeresstrande herrschenden herabgesunken ist. Unter solchen Umständen gefällt sich wohl ein Vogel, aber kaum noch ein anderes Säugethier; denn nicht einmal das Lama steigt ohne Beschwerde zu ähnlichen Höhen empor.
Die Bewegungen des Jak haben, wie Pallas sagt, etwas Muthiges und Unerwartetes. Sein Gang ist ziemlich schnell und sein Lauf im Galopp, wenn auch unbeholfen erscheinend, doch sehr för- dernd. Die Sinne scheinen gut ausgebildet zu sein, wenigstens beweist der Jak durch eilige Flucht, daß er Feinde schon von fern wahrnimmt. Er gehört zu den scheuesten aller Thiere. "So oft wir Gelegenheit hatten," sagt Schlagintweit, "Jaks in wildem Zustande zu sehen, fanden wir sie
Der Jak oder grunzende Ochs.
nichts mehr thun, wenn man den Schwanz nicht ſähe, wohlwiſſend, daß man ihn um deſſen Schönheit willen fängt. Aber es betrügt ſich. Man erlegt es mit einem giftigen Pfeil, ſchneidet den Schwanz ihm ab, und nimmt ſeine Haut; das Fleiſch läßt man liegen.‟ Auf dieſen alten Schriftſteller folgen Marco Polo, Nicolo di Conti, Belon, Pennant und andere Reiſende, bis ſpäter Pallas eine ausführlichere Beſchreibung, wenn auch nur des zahmen Jak, uns gibt. Erſt in der neuen und neueſten Zeit haben uns die Reiſenden Stewart, Turner, Moorcroft, Herbert, Gerard, Hamilton, Smith und unſere berühmten Landsleute, die Gebrüder von Schlagint- weit, genauer mit dem „Poëphagus‟ der Alten bekannt gemacht. Nachdem zahme Jaks in unſeren Thiergärten eingeführt wurden, konnten auch Beobachtungen über dieſe angeſtellt werden.
Jn den meiſten Ländern, wo man den zahmen Jak hält, kommt auch noch ſein Stammvater wild vor, immer aber nur auf den höchſten Alpenweiden der Gebirge in wirklich erſtaunlichen Höhen. „Die Gegend‟, ſagt Schlagintweit, „wo man den Jak und den Kiang oder das wilde Pferd findet, iſt in thierkundlicher Hinſicht eine der merkwürdigſten der Erde. Dieſe weiten Hochebenen, obwohl im Sommer frei von Schnee und Eis, ſind doch Nichts als eine Wüſte das ganze Jahr hindurch; ja, ihre Pflanzenwelt iſt noch geringer, als die zwiſchen Suez und Kairo in Egypten. Nichtsdeſtoweniger ſind dieſe hohen und unfruchtbaren Gegenden von zahlreichen Truppen großer Vierfüßler bevölkert. Neben den ſchon erwähnten (Jak und Kiang) findet man in Menge zahlreiche Arten von wilden Antilopen, eine kleine Zahl von hundeähnlichen Thieren (Schakale?), namentlich aber Füchſe und auch Haſen. Die Pflanzenfreſſer finden dort ihre Nahrung nur, indem ſie auf großen Räu- men umherziehen, auf denen ſie blos ſehr wenige fruchtbare Stellen finden, da bei weitem der größte Theil der Oberfläche alles Pflanzenwuchſes bar iſt.‟ —
„Oft bemerkt man längs der kahlen Abhänge der Berge oder die hohlen, unausgetrockneten See- becken hindurch die zahlreichen Spuren wilder Thiere, die, einer beſtimmten Richtung folgend, Kara- vauenpfaden gleichen. Bei dem ſtets ſo großen Futtermangel werden ſie auch für Reiſende ſehr wichtig, die ſich veranlaßt ſehen, ihnen zu folgen, um ihren erſchlafften Thieren Raſt, wenn auch an einem nur ſpärlichen Futterplatze, zu geben.‟
„Unter den Verbreitungskreiſen der größeren Säugethiere iſt jener des Jak einer der beſchränkte- ſten. Mehr, als bei anderen Thieren, hängt ſein Vorkommen weſentlich von einem Klima ab, welches zunächſt trocken und von mäßiger Sonnenwärme iſt. Als größte Höhen, in denen wir den Jak in außergewöhnlichen Fällen beobachteten, ſind 19,700 bis 19,800 engliſche Fuß zu nennen. Es ſind dies Höhen nicht nur weit über der Grenze des Pflanzenwuchſes, ſondern in den bezüglichen Gegenden noch mehr als Tauſend Fuß über der Schneegrenze.‟
Ein ziemlich beträchtlicher Theil von Mittelaſien iſt es, wo der Jak noch gegenwärtig wild vor- kommt. Man findet ihn namentlich in den höheren Theilen der Mongolei, Tibets und Turkiſtans. Jm eigentlichen Himalaya, auf deſſen Klima die indiſche Regenzeit ſo vielen Einfluß hat, kommt der Jak im wilden Zuſtande nicht mehr vor, und auch im nördlichen China iſt er ziemlich ſelten. Unter 8000 Fuß über dem Meere ſcheint er gar nicht leben zu können; ſelbſt der gezähmte beweiſt deutlich genug, wie unangenehm ihm ein höherer Wärmegrad, als der in ſeinen Höhen herrſchende, iſt. Ein ſolches Vorkommen eines Ochſen hat unzweifelhaft etwas außerordentlich Aufſallendes, weil es dem ganzen Weſen der übrigen Rinder widerſpricht. Es muß daran erinnert werden, daß in jenen Höhen der Luftdruck auf die Hälfte des am Meeresſtrande herrſchenden herabgeſunken iſt. Unter ſolchen Umſtänden gefällt ſich wohl ein Vogel, aber kaum noch ein anderes Säugethier; denn nicht einmal das Lama ſteigt ohne Beſchwerde zu ähnlichen Höhen empor.
Die Bewegungen des Jak haben, wie Pallas ſagt, etwas Muthiges und Unerwartetes. Sein Gang iſt ziemlich ſchnell und ſein Lauf im Galopp, wenn auch unbeholfen erſcheinend, doch ſehr för- dernd. Die Sinne ſcheinen gut ausgebildet zu ſein, wenigſtens beweiſt der Jak durch eilige Flucht, daß er Feinde ſchon von fern wahrnimmt. Er gehört zu den ſcheueſten aller Thiere. „So oft wir Gelegenheit hatten,‟ ſagt Schlagintweit, „Jaks in wildem Zuſtande zu ſehen, fanden wir ſie
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[621/0653]
Der Jak oder grunzende Ochs.
nichts mehr thun, wenn man den Schwanz nicht ſähe, wohlwiſſend, daß man ihn um deſſen Schönheit
willen fängt. Aber es betrügt ſich. Man erlegt es mit einem giftigen Pfeil, ſchneidet den Schwanz
ihm ab, und nimmt ſeine Haut; das Fleiſch läßt man liegen.‟ Auf dieſen alten Schriftſteller folgen
Marco Polo, Nicolo di Conti, Belon, Pennant und andere Reiſende, bis ſpäter
Pallas eine ausführlichere Beſchreibung, wenn auch nur des zahmen Jak, uns gibt. Erſt in der
neuen und neueſten Zeit haben uns die Reiſenden Stewart, Turner, Moorcroft, Herbert,
Gerard, Hamilton, Smith und unſere berühmten Landsleute, die Gebrüder von Schlagint-
weit, genauer mit dem „Poëphagus‟ der Alten bekannt gemacht. Nachdem zahme Jaks in
unſeren Thiergärten eingeführt wurden, konnten auch Beobachtungen über dieſe angeſtellt werden.
Jn den meiſten Ländern, wo man den zahmen Jak hält, kommt auch noch ſein Stammvater wild
vor, immer aber nur auf den höchſten Alpenweiden der Gebirge in wirklich erſtaunlichen Höhen. „Die
Gegend‟, ſagt Schlagintweit, „wo man den Jak und den Kiang oder das wilde Pferd findet,
iſt in thierkundlicher Hinſicht eine der merkwürdigſten der Erde. Dieſe weiten Hochebenen, obwohl
im Sommer frei von Schnee und Eis, ſind doch Nichts als eine Wüſte das ganze Jahr hindurch; ja,
ihre Pflanzenwelt iſt noch geringer, als die zwiſchen Suez und Kairo in Egypten. Nichtsdeſtoweniger
ſind dieſe hohen und unfruchtbaren Gegenden von zahlreichen Truppen großer Vierfüßler bevölkert.
Neben den ſchon erwähnten (Jak und Kiang) findet man in Menge zahlreiche Arten von wilden
Antilopen, eine kleine Zahl von hundeähnlichen Thieren (Schakale?), namentlich aber Füchſe
und auch Haſen. Die Pflanzenfreſſer finden dort ihre Nahrung nur, indem ſie auf großen Räu-
men umherziehen, auf denen ſie blos ſehr wenige fruchtbare Stellen finden, da bei weitem der größte
Theil der Oberfläche alles Pflanzenwuchſes bar iſt.‟ —
„Oft bemerkt man längs der kahlen Abhänge der Berge oder die hohlen, unausgetrockneten See-
becken hindurch die zahlreichen Spuren wilder Thiere, die, einer beſtimmten Richtung folgend, Kara-
vauenpfaden gleichen. Bei dem ſtets ſo großen Futtermangel werden ſie auch für Reiſende ſehr
wichtig, die ſich veranlaßt ſehen, ihnen zu folgen, um ihren erſchlafften Thieren Raſt, wenn auch an
einem nur ſpärlichen Futterplatze, zu geben.‟
„Unter den Verbreitungskreiſen der größeren Säugethiere iſt jener des Jak einer der beſchränkte-
ſten. Mehr, als bei anderen Thieren, hängt ſein Vorkommen weſentlich von einem Klima ab, welches
zunächſt trocken und von mäßiger Sonnenwärme iſt. Als größte Höhen, in denen wir den Jak in
außergewöhnlichen Fällen beobachteten, ſind 19,700 bis 19,800 engliſche Fuß zu nennen. Es ſind
dies Höhen nicht nur weit über der Grenze des Pflanzenwuchſes, ſondern in den bezüglichen Gegenden
noch mehr als Tauſend Fuß über der Schneegrenze.‟
Ein ziemlich beträchtlicher Theil von Mittelaſien iſt es, wo der Jak noch gegenwärtig wild vor-
kommt. Man findet ihn namentlich in den höheren Theilen der Mongolei, Tibets und Turkiſtans.
Jm eigentlichen Himalaya, auf deſſen Klima die indiſche Regenzeit ſo vielen Einfluß hat, kommt der
Jak im wilden Zuſtande nicht mehr vor, und auch im nördlichen China iſt er ziemlich ſelten. Unter
8000 Fuß über dem Meere ſcheint er gar nicht leben zu können; ſelbſt der gezähmte beweiſt deutlich
genug, wie unangenehm ihm ein höherer Wärmegrad, als der in ſeinen Höhen herrſchende, iſt. Ein
ſolches Vorkommen eines Ochſen hat unzweifelhaft etwas außerordentlich Aufſallendes, weil es dem
ganzen Weſen der übrigen Rinder widerſpricht. Es muß daran erinnert werden, daß in jenen Höhen
der Luftdruck auf die Hälfte des am Meeresſtrande herrſchenden herabgeſunken iſt. Unter ſolchen
Umſtänden gefällt ſich wohl ein Vogel, aber kaum noch ein anderes Säugethier; denn nicht einmal
das Lama ſteigt ohne Beſchwerde zu ähnlichen Höhen empor.
Die Bewegungen des Jak haben, wie Pallas ſagt, etwas Muthiges und Unerwartetes. Sein
Gang iſt ziemlich ſchnell und ſein Lauf im Galopp, wenn auch unbeholfen erſcheinend, doch ſehr för-
dernd. Die Sinne ſcheinen gut ausgebildet zu ſein, wenigſtens beweiſt der Jak durch eilige Flucht,
daß er Feinde ſchon von fern wahrnimmt. Er gehört zu den ſcheueſten aller Thiere. „So oft wir
Gelegenheit hatten,‟ ſagt Schlagintweit, „Jaks in wildem Zuſtande zu ſehen, fanden wir ſie
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 621. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/653>, abgerufen am 23.11.2024.
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