werden könnte, ist gänzlich unerklärbar, da man durchaus nicht im Stande ist zu begreifen, wie durch derlei Einwirkungen sogar eine Vermehrung der Wirbel stattfinden könne. Man muß sich hier von den alten Gewohnheiten und von einem übererbten Vorurtheil lossagen und kommt sicherlich bald zu der Ansicht, daß, wie bei den meisten übrigen Hausthieren, auch beim zahmen Schafe eine größere Anzahl von Stammarten angenommen werden müsse."
Außer dem gemeinen Mufflon sind es nach Fitzinger's Meinung zehn Arten, in welche un- ser Hausschaf zerfällt: das Fettsteißschaf, das Stummelschwanzschaf, das kurzschwänzige, das Zackel-, das Land-, das Fettschwanz-, das langschwänzige, das Hanger-, das langbeinige und das Mähnenschaf. Von allen diesen werden nur der Mufflon und das kurzschwänzige Schaf noch in wildem Zustande angetroffen. Unter diesen Hauptformen oder Arten verdienen einige besonderer Beachtung. Als das edelste von allen wird bekanntlich das Merinoschaf betrachtet; ihm danken wir, so zu sagen, unsere jetzigen Schafherden. Noch im vorigen Jahrhun-
[Abbildung]
Das Merinoschaf (Ovis aries).
dert bezeugten unsere Hausschafe, wie vernachlässigt sie waren: sie ähnelten dem Schafe, welches man gegenwärtig noch in den schottischen Hochlanden antrifft, wo es mehr des Fleisches und Felles, als der Wolle wegen gezüchtet wird. Ende des vorigen Jahrhunderts begann man die Veredelung un- serer deutschen Schafe durch die eingeführten spanischen Merinos, und von dieser Zeit an sind nach und nach unsere Herden gänzlich umgewandelt worden.
Man nimmt an, daß das Merinoschaf (Ovis aries) ursprünglich in Nordafrika zu Hause gewesen ist und seinen Namen führt, weil es über das Meer gebracht wurde; einige Naturforscher aber sind geneigt, es als eine schon seit undenklichen Zeiten in Spanien und Portugal heimische Art zu betrachten. Unser Thier zeichnet sich vor Allem durch seine außerordentlich feine Wolle aus. Es ist von mittlerer Größe und voll und schwer gebaut, der Kopf ist groß, stumpf an der Schnauze, plattstirnig, längs des Nasenrückens gewölbt. Die Augen sind klein, die Thränengruben groß, die Ohren mittellang, schmal zugespitzt. Nur die Widder tragen Gehörne, meist sehr starke, bis zwei
Die Schafe. — Das Merinoſchaf.
werden könnte, iſt gänzlich unerklärbar, da man durchaus nicht im Stande iſt zu begreifen, wie durch derlei Einwirkungen ſogar eine Vermehrung der Wirbel ſtattfinden könne. Man muß ſich hier von den alten Gewohnheiten und von einem übererbten Vorurtheil losſagen und kommt ſicherlich bald zu der Anſicht, daß, wie bei den meiſten übrigen Hausthieren, auch beim zahmen Schafe eine größere Anzahl von Stammarten angenommen werden müſſe.‟
Außer dem gemeinen Mufflon ſind es nach Fitzinger’s Meinung zehn Arten, in welche un- ſer Hausſchaf zerfällt: das Fettſteißſchaf, das Stummelſchwanzſchaf, das kurzſchwänzige, das Zackel-, das Land-, das Fettſchwanz-, das langſchwänzige, das Hanger-, das langbeinige und das Mähnenſchaf. Von allen dieſen werden nur der Mufflon und das kurzſchwänzige Schaf noch in wildem Zuſtande angetroffen. Unter dieſen Hauptformen oder Arten verdienen einige beſonderer Beachtung. Als das edelſte von allen wird bekanntlich das Merinoſchaf betrachtet; ihm danken wir, ſo zu ſagen, unſere jetzigen Schafherden. Noch im vorigen Jahrhun-
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Das Merinoſchaf (Ovis aries).
dert bezeugten unſere Hausſchafe, wie vernachläſſigt ſie waren: ſie ähnelten dem Schafe, welches man gegenwärtig noch in den ſchottiſchen Hochlanden antrifft, wo es mehr des Fleiſches und Felles, als der Wolle wegen gezüchtet wird. Ende des vorigen Jahrhunderts begann man die Veredelung un- ſerer deutſchen Schafe durch die eingeführten ſpaniſchen Merinos, und von dieſer Zeit an ſind nach und nach unſere Herden gänzlich umgewandelt worden.
Man nimmt an, daß das Merinoſchaf (Ovis aries) urſprünglich in Nordafrika zu Hauſe geweſen iſt und ſeinen Namen führt, weil es über das Meer gebracht wurde; einige Naturforſcher aber ſind geneigt, es als eine ſchon ſeit undenklichen Zeiten in Spanien und Portugal heimiſche Art zu betrachten. Unſer Thier zeichnet ſich vor Allem durch ſeine außerordentlich feine Wolle aus. Es iſt von mittlerer Größe und voll und ſchwer gebaut, der Kopf iſt groß, ſtumpf an der Schnauze, plattſtirnig, längs des Naſenrückens gewölbt. Die Augen ſind klein, die Thränengruben groß, die Ohren mittellang, ſchmal zugeſpitzt. Nur die Widder tragen Gehörne, meiſt ſehr ſtarke, bis zwei
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Die Schafe. — Das Merinoſchaf.
werden könnte, iſt gänzlich unerklärbar, da man durchaus nicht im Stande iſt zu begreifen, wie
durch derlei Einwirkungen ſogar eine Vermehrung der Wirbel ſtattfinden könne. Man muß ſich hier
von den alten Gewohnheiten und von einem übererbten Vorurtheil losſagen und kommt ſicherlich bald
zu der Anſicht, daß, wie bei den meiſten übrigen Hausthieren, auch beim zahmen Schafe eine größere
Anzahl von Stammarten angenommen werden müſſe.‟
Außer dem gemeinen Mufflon ſind es nach Fitzinger’s Meinung zehn Arten, in welche un-
ſer Hausſchaf zerfällt: das Fettſteißſchaf, das Stummelſchwanzſchaf, das kurzſchwänzige,
das Zackel-, das Land-, das Fettſchwanz-, das langſchwänzige, das Hanger-, das
langbeinige und das Mähnenſchaf. Von allen dieſen werden nur der Mufflon und das
kurzſchwänzige Schaf noch in wildem Zuſtande angetroffen. Unter dieſen Hauptformen oder Arten
verdienen einige beſonderer Beachtung. Als das edelſte von allen wird bekanntlich das Merinoſchaf
betrachtet; ihm danken wir, ſo zu ſagen, unſere jetzigen Schafherden. Noch im vorigen Jahrhun-
[Abbildung Das Merinoſchaf (Ovis aries).]
dert bezeugten unſere Hausſchafe, wie vernachläſſigt ſie waren: ſie ähnelten dem Schafe, welches man
gegenwärtig noch in den ſchottiſchen Hochlanden antrifft, wo es mehr des Fleiſches und Felles, als
der Wolle wegen gezüchtet wird. Ende des vorigen Jahrhunderts begann man die Veredelung un-
ſerer deutſchen Schafe durch die eingeführten ſpaniſchen Merinos, und von dieſer Zeit an ſind nach
und nach unſere Herden gänzlich umgewandelt worden.
Man nimmt an, daß das Merinoſchaf (Ovis aries) urſprünglich in Nordafrika zu Hauſe
geweſen iſt und ſeinen Namen führt, weil es über das Meer gebracht wurde; einige Naturforſcher
aber ſind geneigt, es als eine ſchon ſeit undenklichen Zeiten in Spanien und Portugal heimiſche Art
zu betrachten. Unſer Thier zeichnet ſich vor Allem durch ſeine außerordentlich feine Wolle aus. Es
iſt von mittlerer Größe und voll und ſchwer gebaut, der Kopf iſt groß, ſtumpf an der Schnauze,
plattſtirnig, längs des Naſenrückens gewölbt. Die Augen ſind klein, die Thränengruben groß, die
Ohren mittellang, ſchmal zugeſpitzt. Nur die Widder tragen Gehörne, meiſt ſehr ſtarke, bis zwei
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 610. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/640>, abgerufen am 23.11.2024.
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