Das Wildpret dieses Schafs gilt als höchst schmackhaft. Aus dem Felle werden warme Winterkleider und Decken bereitet, aus den Hörnern Becher, Löffel und dergleichen Hausgeräthe ver- fertigt. Zur Zeit Marco Polo's sollen die Kirghisen manchmal so viele Argalis erbeutet haben, daß sie nicht blos große Haufen der Hörner als Siegeszeichen aufschichten, sondern mit ihnen sogar ein Lager umzäunen konnten, ganz in der Weise, wie die innerafrikanischen Fürsten ihre Paläste mit Elefantenzähnen zu umgeben pflegen.
Jung eingefangene Argalis sollen sich zähmen lassen; es muß aber sehr schwer sein, sie zu er- halten und fortzuschaffen; denn bisjetzt haben wir noch keins dieser gewaltigen Thiere lebend in Eu- ropa zu sehen bekommen. Seine Haltung dürfte hier nicht auf Schwierigkeiten stoßen, und seine Einbürgerung auf geschützten Alpen thierfreundlicher Besitzer würde zweifellos zu bewerkstelligen sein.
Das Wildschaf Amerikas, Big-Horn (Dickhorn) genannt (Caprovis montana), ist ein dem Argali sehr nahe stehendes Thier von ungefähr derselben Größe; es ist auch mit dem letztgenannten sehr oft verwechselt worden. Erst in der Reuzeit hat man erfahren, daß es nicht auf Amerika be- schränkt ist, sondern außerdem in Kamtschatka vorkommt. Das Wildschaf dieses Landes hielt man früher für den Argali, und daher rühren die Verwechselungen der beiden, wohl unterschiedenen Ar- ten. Richardson und nach ihm Audubon geben an, daß das Dickhorn vom 68. Grad nördlicher Breite an bis ungefähr zum 40. hinab das Felsgebirge bewohnt und östlich von ihm nicht gefunden wird. Dagegen lebt es westlich dieses Gebirges in allen Landstrecken, welche man kennen lernte, na- mentlich auch in Kalifornien, und es ist durchaus nicht unmöglich, daß es von Amerika aus Kamt- schatka bevölkerte, wie schon Cuvier annahm. Zur Zeit belebt es die wildesten und unzugänglichsten Gebirgsstrecken gedachter Gegenden, namentlich aber einen Theil des Felsgebirges, welcher von den französischen Jägern und Canadiern mauvaises terres genannt worden ist. Audubon gibt eine sehr ausführliche Beschreibung dieses öden Landstriches, dessen Bergzacken er mit Zuckerhüten vergleicht, welche theilweise stehen, theilweise aber umgefallen oder in Brocken zerschlagen sind und eine Wildniß bilden, wie sie ein Gebirge nur aufweisen kann. Die kegelförmigen Berge steigen schroff mehrere hundert Fuß hoch über die Ebene empor, auf welcher sie fußen und sind dem Meuschen nur hier und da zugänglich. Das Wasser hat in ihnen entsetzlich gewüthet, und jeder Regenguß macht eine Be- steigung unmöglich. An einzelnen Stellen findet sich ein dürftiger Baumschlag, unter dessen Schutz dann sastiges Gras emporwächst, an anderen gewahrt man tiefe Höhlen und hier und da Sulzen, in denen vom Regen ausgelaugtes Salz massenhaft abgelagert wird. Die Wildschafe finden gerade in einem so beschaffenen Gebirge Alles, was sie für ihr Leben beanspruchen. Sie bilden sich Wege auf den schmalen Gesimsen, welche sich an den Kegelbergen dahinziehen und sind so im Stande, auch die steilsten Wände auszunutzen; die Höhlen und Grotten gewähren ihnen erwünschte Lagerplätze, das saftige Gras eine ihnen zusagende Weide und die salzhaltigen Stellen endlich Befriedigung eines Be- dürfnisses, welches, wie wir sahen, allen Wiederkäuern überhaupt gemeinsam ist. Daß sie, seitdem sie den Menschen kennen gelernt, die wildesten Theile dieser Wildniß bevorzugen, ist selbstverständ- lich; demungeachtet kann man sie noch häufig genug wenigstens sehen, wenn man mit dem Dampf- bot die Zuflüsse des "Vaters der Ströme" befährt. So sah Prinz Max von Wied die ersten dieser Thiere auf der Spitze eines hohen Uferfelsens stehen, von welchem herab sie ruhig das im Strome dahinbrausende Dampfschiff betrachteten, auf welchem dieser ausgezeichnete Naturforscher sich befand.
Die Nachrichten, welche wir über das Dickhorn erhalten haben, sind dürftig genug, zumal was die Lebensweise desselben anlangt. Der erste Bericht Richardson's ist in letzter Hinsicht immer noch maßgebend; weder der Prinz noch Audubon wissen ihm Wesentliches hinzuzufügen. Die Leibes- beschreibung dagegen läßt Nichts zu wünschen übrig, namentlich seitdem Radde das Dickhorn mit dem Argali verglichen und die Unterschiede zwischen beiden Thieren hervorgehoben hat. Erwachsene Böcke des nordamerikanischen Bergschafes erreichen nach Richardson und Audubon eine Länge von
Die Schafe. — Das Big-Horn oder Dickhorn.
Das Wildpret dieſes Schafs gilt als höchſt ſchmackhaft. Aus dem Felle werden warme Winterkleider und Decken bereitet, aus den Hörnern Becher, Löffel und dergleichen Hausgeräthe ver- fertigt. Zur Zeit Marco Polo’s ſollen die Kirghiſen manchmal ſo viele Argalis erbeutet haben, daß ſie nicht blos große Haufen der Hörner als Siegeszeichen aufſchichten, ſondern mit ihnen ſogar ein Lager umzäunen konnten, ganz in der Weiſe, wie die innerafrikaniſchen Fürſten ihre Paläſte mit Elefantenzähnen zu umgeben pflegen.
Jung eingefangene Argalis ſollen ſich zähmen laſſen; es muß aber ſehr ſchwer ſein, ſie zu er- halten und fortzuſchaffen; denn bisjetzt haben wir noch keins dieſer gewaltigen Thiere lebend in Eu- ropa zu ſehen bekommen. Seine Haltung dürfte hier nicht auf Schwierigkeiten ſtoßen, und ſeine Einbürgerung auf geſchützten Alpen thierfreundlicher Beſitzer würde zweifellos zu bewerkſtelligen ſein.
Das Wildſchaf Amerikas, Big-Horn (Dickhorn) genannt (Caprovis montana), iſt ein dem Argali ſehr nahe ſtehendes Thier von ungefähr derſelben Größe; es iſt auch mit dem letztgenannten ſehr oft verwechſelt worden. Erſt in der Reuzeit hat man erfahren, daß es nicht auf Amerika be- ſchränkt iſt, ſondern außerdem in Kamtſchatka vorkommt. Das Wildſchaf dieſes Landes hielt man früher für den Argali, und daher rühren die Verwechſelungen der beiden, wohl unterſchiedenen Ar- ten. Richardſon und nach ihm Audubon geben an, daß das Dickhorn vom 68. Grad nördlicher Breite an bis ungefähr zum 40. hinab das Felsgebirge bewohnt und öſtlich von ihm nicht gefunden wird. Dagegen lebt es weſtlich dieſes Gebirges in allen Landſtrecken, welche man kennen lernte, na- mentlich auch in Kalifornien, und es iſt durchaus nicht unmöglich, daß es von Amerika aus Kamt- ſchatka bevölkerte, wie ſchon Cuvier annahm. Zur Zeit belebt es die wildeſten und unzugänglichſten Gebirgsſtrecken gedachter Gegenden, namentlich aber einen Theil des Felsgebirges, welcher von den franzöſiſchen Jägern und Canadiern mauvaises terres genannt worden iſt. Audubon gibt eine ſehr ausführliche Beſchreibung dieſes öden Landſtriches, deſſen Bergzacken er mit Zuckerhüten vergleicht, welche theilweiſe ſtehen, theilweiſe aber umgefallen oder in Brocken zerſchlagen ſind und eine Wildniß bilden, wie ſie ein Gebirge nur aufweiſen kann. Die kegelförmigen Berge ſteigen ſchroff mehrere hundert Fuß hoch über die Ebene empor, auf welcher ſie fußen und ſind dem Meuſchen nur hier und da zugänglich. Das Waſſer hat in ihnen entſetzlich gewüthet, und jeder Regenguß macht eine Be- ſteigung unmöglich. An einzelnen Stellen findet ſich ein dürftiger Baumſchlag, unter deſſen Schutz dann ſaſtiges Gras emporwächſt, an anderen gewahrt man tiefe Höhlen und hier und da Sulzen, in denen vom Regen ausgelaugtes Salz maſſenhaft abgelagert wird. Die Wildſchafe finden gerade in einem ſo beſchaffenen Gebirge Alles, was ſie für ihr Leben beanſpruchen. Sie bilden ſich Wege auf den ſchmalen Geſimſen, welche ſich an den Kegelbergen dahinziehen und ſind ſo im Stande, auch die ſteilſten Wände auszunutzen; die Höhlen und Grotten gewähren ihnen erwünſchte Lagerplätze, das ſaftige Gras eine ihnen zuſagende Weide und die ſalzhaltigen Stellen endlich Befriedigung eines Be- dürfniſſes, welches, wie wir ſahen, allen Wiederkäuern überhaupt gemeinſam iſt. Daß ſie, ſeitdem ſie den Menſchen kennen gelernt, die wildeſten Theile dieſer Wildniß bevorzugen, iſt ſelbſtverſtänd- lich; demungeachtet kann man ſie noch häufig genug wenigſtens ſehen, wenn man mit dem Dampf- bot die Zuflüſſe des „Vaters der Ströme‟ befährt. So ſah Prinz Max von Wied die erſten dieſer Thiere auf der Spitze eines hohen Uferfelſens ſtehen, von welchem herab ſie ruhig das im Strome dahinbrauſende Dampfſchiff betrachteten, auf welchem dieſer ausgezeichnete Naturforſcher ſich befand.
Die Nachrichten, welche wir über das Dickhorn erhalten haben, ſind dürftig genug, zumal was die Lebensweiſe deſſelben anlangt. Der erſte Bericht Richardſon’s iſt in letzter Hinſicht immer noch maßgebend; weder der Prinz noch Audubon wiſſen ihm Weſentliches hinzuzufügen. Die Leibes- beſchreibung dagegen läßt Nichts zu wünſchen übrig, namentlich ſeitdem Radde das Dickhorn mit dem Argali verglichen und die Unterſchiede zwiſchen beiden Thieren hervorgehoben hat. Erwachſene Böcke des nordamerikaniſchen Bergſchafes erreichen nach Richardſon und Audubon eine Länge von
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Die Schafe. — Das Big-Horn oder Dickhorn.
Das Wildpret dieſes Schafs gilt als höchſt ſchmackhaft. Aus dem Felle werden warme
Winterkleider und Decken bereitet, aus den Hörnern Becher, Löffel und dergleichen Hausgeräthe ver-
fertigt. Zur Zeit Marco Polo’s ſollen die Kirghiſen manchmal ſo viele Argalis erbeutet haben,
daß ſie nicht blos große Haufen der Hörner als Siegeszeichen aufſchichten, ſondern mit ihnen ſogar
ein Lager umzäunen konnten, ganz in der Weiſe, wie die innerafrikaniſchen Fürſten ihre Paläſte mit
Elefantenzähnen zu umgeben pflegen.
Jung eingefangene Argalis ſollen ſich zähmen laſſen; es muß aber ſehr ſchwer ſein, ſie zu er-
halten und fortzuſchaffen; denn bisjetzt haben wir noch keins dieſer gewaltigen Thiere lebend in Eu-
ropa zu ſehen bekommen. Seine Haltung dürfte hier nicht auf Schwierigkeiten ſtoßen, und ſeine
Einbürgerung auf geſchützten Alpen thierfreundlicher Beſitzer würde zweifellos zu bewerkſtelligen ſein.
Das Wildſchaf Amerikas, Big-Horn (Dickhorn) genannt (Caprovis montana), iſt ein dem
Argali ſehr nahe ſtehendes Thier von ungefähr derſelben Größe; es iſt auch mit dem letztgenannten
ſehr oft verwechſelt worden. Erſt in der Reuzeit hat man erfahren, daß es nicht auf Amerika be-
ſchränkt iſt, ſondern außerdem in Kamtſchatka vorkommt. Das Wildſchaf dieſes Landes hielt man
früher für den Argali, und daher rühren die Verwechſelungen der beiden, wohl unterſchiedenen Ar-
ten. Richardſon und nach ihm Audubon geben an, daß das Dickhorn vom 68. Grad nördlicher
Breite an bis ungefähr zum 40. hinab das Felsgebirge bewohnt und öſtlich von ihm nicht gefunden
wird. Dagegen lebt es weſtlich dieſes Gebirges in allen Landſtrecken, welche man kennen lernte, na-
mentlich auch in Kalifornien, und es iſt durchaus nicht unmöglich, daß es von Amerika aus Kamt-
ſchatka bevölkerte, wie ſchon Cuvier annahm. Zur Zeit belebt es die wildeſten und unzugänglichſten
Gebirgsſtrecken gedachter Gegenden, namentlich aber einen Theil des Felsgebirges, welcher von den
franzöſiſchen Jägern und Canadiern mauvaises terres genannt worden iſt. Audubon gibt eine ſehr
ausführliche Beſchreibung dieſes öden Landſtriches, deſſen Bergzacken er mit Zuckerhüten vergleicht,
welche theilweiſe ſtehen, theilweiſe aber umgefallen oder in Brocken zerſchlagen ſind und eine Wildniß
bilden, wie ſie ein Gebirge nur aufweiſen kann. Die kegelförmigen Berge ſteigen ſchroff mehrere
hundert Fuß hoch über die Ebene empor, auf welcher ſie fußen und ſind dem Meuſchen nur hier und
da zugänglich. Das Waſſer hat in ihnen entſetzlich gewüthet, und jeder Regenguß macht eine Be-
ſteigung unmöglich. An einzelnen Stellen findet ſich ein dürftiger Baumſchlag, unter deſſen Schutz
dann ſaſtiges Gras emporwächſt, an anderen gewahrt man tiefe Höhlen und hier und da Sulzen, in
denen vom Regen ausgelaugtes Salz maſſenhaft abgelagert wird. Die Wildſchafe finden gerade in
einem ſo beſchaffenen Gebirge Alles, was ſie für ihr Leben beanſpruchen. Sie bilden ſich Wege auf
den ſchmalen Geſimſen, welche ſich an den Kegelbergen dahinziehen und ſind ſo im Stande, auch die
ſteilſten Wände auszunutzen; die Höhlen und Grotten gewähren ihnen erwünſchte Lagerplätze, das
ſaftige Gras eine ihnen zuſagende Weide und die ſalzhaltigen Stellen endlich Befriedigung eines Be-
dürfniſſes, welches, wie wir ſahen, allen Wiederkäuern überhaupt gemeinſam iſt. Daß ſie, ſeitdem
ſie den Menſchen kennen gelernt, die wildeſten Theile dieſer Wildniß bevorzugen, iſt ſelbſtverſtänd-
lich; demungeachtet kann man ſie noch häufig genug wenigſtens ſehen, wenn man mit dem Dampf-
bot die Zuflüſſe des „Vaters der Ströme‟ befährt. So ſah Prinz Max von Wied die erſten
dieſer Thiere auf der Spitze eines hohen Uferfelſens ſtehen, von welchem herab ſie ruhig das im
Strome dahinbrauſende Dampfſchiff betrachteten, auf welchem dieſer ausgezeichnete Naturforſcher
ſich befand.
Die Nachrichten, welche wir über das Dickhorn erhalten haben, ſind dürftig genug, zumal was
die Lebensweiſe deſſelben anlangt. Der erſte Bericht Richardſon’s iſt in letzter Hinſicht immer noch
maßgebend; weder der Prinz noch Audubon wiſſen ihm Weſentliches hinzuzufügen. Die Leibes-
beſchreibung dagegen läßt Nichts zu wünſchen übrig, namentlich ſeitdem Radde das Dickhorn mit
dem Argali verglichen und die Unterſchiede zwiſchen beiden Thieren hervorgehoben hat. Erwachſene
Böcke des nordamerikaniſchen Bergſchafes erreichen nach Richardſon und Audubon eine Länge von
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 606. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/636>, abgerufen am 23.11.2024.
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