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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Ziegen. -- Die innerafrikanische Zwergziege.
Nichts, am zweiten wurde ein Bock geschossen, dessen Magen eine Bezoarkugel enthielt. Nach vier-
tägiger Jagd hatte man deren zwei erbeutet, und hierin bestand der ganze Gewinn der Jagd. --

Die meisten Thierkundigen sind geneigt, unsere Hausziege und ihre sämmtlichen Ver-
wandten, welche in der Genossenschaft des Menschen leben, von der Bezoarziege abzuleiten, obgleich
hierbei natürlich dieselben Bedenken hinsichtlich der verschiedenen Körpergestaltung und der nicht zu er-
klärenden Verbreitung in Betracht kommt. Wir dürfen wohl die gegnerische Ansicht vertreten und
annehmen, daß die gezähmten Ziegen von mehreren Arten wilder herrühren,
und dann durch verschiedene Kreuzungen zu Dem wurden, was sie sind. Von dem allgemeinen
Gepräge entfernen sich einige Formen ziemlich weit. Es gibt auch bei den Ziegen Rassen, welche
man ohne weiteres für Arten erklären würde, hätte man es eben nicht mit Hausthieren zu thun.
Fitzinger, dem wir wiederholt gefolgt sind, nimmt an, daß zwölf Rassen oder Formen, wie man
will, eigene Arten bilden. Es sind Dies die gemeine europäische Hausziege, die ber-
berische,
die Sudahn-, die platthörnige, die Zwerg-, die Angora-, die Kaschmir-,
die zottige, die nepalische, die egyptische, die Mamber- und die thebaische Ziege.
Jch versuche, die auffallendsten Formen, Rassen oder Arten unter den Genannten auszuwählen,
um dem Leser ein eigenes Urtheil hinsichtlich der Verschiedenheit der Ziegen zu ermöglichen. Ueber
unsere deutsche oder die schweizerische Hausziege brauche ich wohl kaum Etwas zu sagen, da Jeder-
mann sie allezeit beobachten kann. Weniger häufig gewahrt man die Uebrigen, welche gegenwärtig
immer noch beinahe das ausschließliche Eigenthum der Thiergärten sind.

Wir beginnen mit den Zwergen der ganzen Gesellschaft, welche sich in mehreren Rassen oder
Arten im Jnneren Afrikas oder in Jndien finden. Sie haben kaum die halbe Größe unserer Haus-
ziege. Die innerafrikanische Zwergziege (Hircus reversus), welche unser Bild darstellt, ist
nur 2 Fuß lang und am Widerrist etwas über 11/2 Fuß hoch und höchstens 46 Pfund schwer. Jhr
Leibesbau ist gedrungen, die Beine sind kurz und stark, der verhältnißmäßig breite Kopf trägt bei
beiden Geschlechtern kurze, kaum fingerlange Hörner, welche sich von der Wurzel an sanft nach rück-
und auswärts biegen und am oberen Drittel wieder schwach nach vorwärts krümmen. Die ziemlich
kurze, aber dichte Behaarung zeigt gewöhnlich dunkle Färbungen; Schwarz und Röthlichfahl im Ge-
misch sind vorherrschend. Oft ist der ganze Leib auf dunklem Grunde weiß gefleckt oder getupft. Der
Schädel, der Hinterkopf, der Nasenrücken und ein Streifen, welcher sich über den Rücken hinweg-
zieht, sind gewöhnlich schwarz, die Seiten weißlichfahl. Von der Kehle zieht sich eine schwarze Binde
bis zur Brust herab, wo sie sich theilt und über die Schultern weg bis zum Widerrist läuft. Die
Unter- und Jnnenseite ist schwarz bis auf eine breite weiße Binde, welche über die Mitte des
Bauches verläuft. Röthlichgelbbraune und ganz schwarze Zwergziegen sind selten.

Wie weit diese kleine, schmucke Ziege und ihre Verwandten im Jnneren Afrikas verbreitet sind,
kann zur Zeit noch nicht bestimmt werden. Vielleicht dürfen wir als Heimatskreis alle Länder
annehmen, welche zwischen dem weißen Flusse und dem Riger liegen. An dem erstgenannten
Strome fand ich sie häufig in großer Anzahl als Hausthier. Sie lebt dort fast in denselben unab-
hängigen Verhältnissen, wie unsere Alpenziege in ihrem Gebiete. Jch lernte sie als ein höchst beweg-
liches, geschicktes, munteres und kluges Geschöpf kennen, und sah an ihr zum ersten Male zu
meiner nicht geringen Verwunderung, daß Wiederkäuer auch Bäume besteigen können. Ganz aller-
liebst sah es aus, wenn auf dem Wipfel einer größeren Mimose des Urwaldes fünf bis zehn
solcher kleinen Ziegen weideten. Jrgend ein schief geneigter Stamm hatte der Herde das Hinauf-
klettern ermöglicht, und nun war es auf den Aesten und Zweigen weiter gegangen. Oft sah man
das kühne Geschöpf in Stellungen, welche man nach unseren Erfahrungen für geradezu unmöglich
halten möchte. Mit jedem einzelnen Fuße stand die Ziege auf einem Zweige, und diese Zweige
mochten schaukeln, wie sie wollten: sie wußte sich im Gleichgewicht zu erhalten und dehnte und reckte
den Hals soviel als möglich, um den saftigen Mimosenblättern beizukommen.

Die Ziegen. — Die innerafrikaniſche Zwergziege.
Nichts, am zweiten wurde ein Bock geſchoſſen, deſſen Magen eine Bezoarkugel enthielt. Nach vier-
tägiger Jagd hatte man deren zwei erbeutet, und hierin beſtand der ganze Gewinn der Jagd. —

Die meiſten Thierkundigen ſind geneigt, unſere Hausziege und ihre ſämmtlichen Ver-
wandten, welche in der Genoſſenſchaft des Menſchen leben, von der Bezoarziege abzuleiten, obgleich
hierbei natürlich dieſelben Bedenken hinſichtlich der verſchiedenen Körpergeſtaltung und der nicht zu er-
klärenden Verbreitung in Betracht kommt. Wir dürfen wohl die gegneriſche Anſicht vertreten und
annehmen, daß die gezähmten Ziegen von mehreren Arten wilder herrühren,
und dann durch verſchiedene Kreuzungen zu Dem wurden, was ſie ſind. Von dem allgemeinen
Gepräge entfernen ſich einige Formen ziemlich weit. Es gibt auch bei den Ziegen Raſſen, welche
man ohne weiteres für Arten erklären würde, hätte man es eben nicht mit Hausthieren zu thun.
Fitzinger, dem wir wiederholt gefolgt ſind, nimmt an, daß zwölf Raſſen oder Formen, wie man
will, eigene Arten bilden. Es ſind Dies die gemeine europäiſche Hausziege, die ber-
beriſche,
die Sudahn-, die platthörnige, die Zwerg-, die Angora-, die Kaſchmir-,
die zottige, die nepaliſche, die egyptiſche, die Mamber- und die thebaiſche Ziege.
Jch verſuche, die auffallendſten Formen, Raſſen oder Arten unter den Genannten auszuwählen,
um dem Leſer ein eigenes Urtheil hinſichtlich der Verſchiedenheit der Ziegen zu ermöglichen. Ueber
unſere deutſche oder die ſchweizeriſche Hausziege brauche ich wohl kaum Etwas zu ſagen, da Jeder-
mann ſie allezeit beobachten kann. Weniger häufig gewahrt man die Uebrigen, welche gegenwärtig
immer noch beinahe das ausſchließliche Eigenthum der Thiergärten ſind.

Wir beginnen mit den Zwergen der ganzen Geſellſchaft, welche ſich in mehreren Raſſen oder
Arten im Jnneren Afrikas oder in Jndien finden. Sie haben kaum die halbe Größe unſerer Haus-
ziege. Die innerafrikaniſche Zwergziege (Hircus reversus), welche unſer Bild darſtellt, iſt
nur 2 Fuß lang und am Widerriſt etwas über 1½ Fuß hoch und höchſtens 46 Pfund ſchwer. Jhr
Leibesbau iſt gedrungen, die Beine ſind kurz und ſtark, der verhältnißmäßig breite Kopf trägt bei
beiden Geſchlechtern kurze, kaum fingerlange Hörner, welche ſich von der Wurzel an ſanft nach rück-
und auswärts biegen und am oberen Drittel wieder ſchwach nach vorwärts krümmen. Die ziemlich
kurze, aber dichte Behaarung zeigt gewöhnlich dunkle Färbungen; Schwarz und Röthlichfahl im Ge-
miſch ſind vorherrſchend. Oft iſt der ganze Leib auf dunklem Grunde weiß gefleckt oder getupft. Der
Schädel, der Hinterkopf, der Naſenrücken und ein Streifen, welcher ſich über den Rücken hinweg-
zieht, ſind gewöhnlich ſchwarz, die Seiten weißlichfahl. Von der Kehle zieht ſich eine ſchwarze Binde
bis zur Bruſt herab, wo ſie ſich theilt und über die Schultern weg bis zum Widerriſt läuft. Die
Unter- und Jnnenſeite iſt ſchwarz bis auf eine breite weiße Binde, welche über die Mitte des
Bauches verläuft. Röthlichgelbbraune und ganz ſchwarze Zwergziegen ſind ſelten.

Wie weit dieſe kleine, ſchmucke Ziege und ihre Verwandten im Jnneren Afrikas verbreitet ſind,
kann zur Zeit noch nicht beſtimmt werden. Vielleicht dürfen wir als Heimatskreis alle Länder
annehmen, welche zwiſchen dem weißen Fluſſe und dem Riger liegen. An dem erſtgenannten
Strome fand ich ſie häufig in großer Anzahl als Hausthier. Sie lebt dort faſt in denſelben unab-
hängigen Verhältniſſen, wie unſere Alpenziege in ihrem Gebiete. Jch lernte ſie als ein höchſt beweg-
liches, geſchicktes, munteres und kluges Geſchöpf kennen, und ſah an ihr zum erſten Male zu
meiner nicht geringen Verwunderung, daß Wiederkäuer auch Bäume beſteigen können. Ganz aller-
liebſt ſah es aus, wenn auf dem Wipfel einer größeren Mimoſe des Urwaldes fünf bis zehn
ſolcher kleinen Ziegen weideten. Jrgend ein ſchief geneigter Stamm hatte der Herde das Hinauf-
klettern ermöglicht, und nun war es auf den Aeſten und Zweigen weiter gegangen. Oft ſah man
das kühne Geſchöpf in Stellungen, welche man nach unſeren Erfahrungen für geradezu unmöglich
halten möchte. Mit jedem einzelnen Fuße ſtand die Ziege auf einem Zweige, und dieſe Zweige
mochten ſchaukeln, wie ſie wollten: ſie wußte ſich im Gleichgewicht zu erhalten und dehnte und reckte
den Hals ſoviel als möglich, um den ſaftigen Mimoſenblättern beizukommen.

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[580/0610] Die Ziegen. — Die innerafrikaniſche Zwergziege. Nichts, am zweiten wurde ein Bock geſchoſſen, deſſen Magen eine Bezoarkugel enthielt. Nach vier- tägiger Jagd hatte man deren zwei erbeutet, und hierin beſtand der ganze Gewinn der Jagd. — Die meiſten Thierkundigen ſind geneigt, unſere Hausziege und ihre ſämmtlichen Ver- wandten, welche in der Genoſſenſchaft des Menſchen leben, von der Bezoarziege abzuleiten, obgleich hierbei natürlich dieſelben Bedenken hinſichtlich der verſchiedenen Körpergeſtaltung und der nicht zu er- klärenden Verbreitung in Betracht kommt. Wir dürfen wohl die gegneriſche Anſicht vertreten und annehmen, daß die gezähmten Ziegen von mehreren Arten wilder herrühren, und dann durch verſchiedene Kreuzungen zu Dem wurden, was ſie ſind. Von dem allgemeinen Gepräge entfernen ſich einige Formen ziemlich weit. Es gibt auch bei den Ziegen Raſſen, welche man ohne weiteres für Arten erklären würde, hätte man es eben nicht mit Hausthieren zu thun. Fitzinger, dem wir wiederholt gefolgt ſind, nimmt an, daß zwölf Raſſen oder Formen, wie man will, eigene Arten bilden. Es ſind Dies die gemeine europäiſche Hausziege, die ber- beriſche, die Sudahn-, die platthörnige, die Zwerg-, die Angora-, die Kaſchmir-, die zottige, die nepaliſche, die egyptiſche, die Mamber- und die thebaiſche Ziege. Jch verſuche, die auffallendſten Formen, Raſſen oder Arten unter den Genannten auszuwählen, um dem Leſer ein eigenes Urtheil hinſichtlich der Verſchiedenheit der Ziegen zu ermöglichen. Ueber unſere deutſche oder die ſchweizeriſche Hausziege brauche ich wohl kaum Etwas zu ſagen, da Jeder- mann ſie allezeit beobachten kann. Weniger häufig gewahrt man die Uebrigen, welche gegenwärtig immer noch beinahe das ausſchließliche Eigenthum der Thiergärten ſind. Wir beginnen mit den Zwergen der ganzen Geſellſchaft, welche ſich in mehreren Raſſen oder Arten im Jnneren Afrikas oder in Jndien finden. Sie haben kaum die halbe Größe unſerer Haus- ziege. Die innerafrikaniſche Zwergziege (Hircus reversus), welche unſer Bild darſtellt, iſt nur 2 Fuß lang und am Widerriſt etwas über 1½ Fuß hoch und höchſtens 46 Pfund ſchwer. Jhr Leibesbau iſt gedrungen, die Beine ſind kurz und ſtark, der verhältnißmäßig breite Kopf trägt bei beiden Geſchlechtern kurze, kaum fingerlange Hörner, welche ſich von der Wurzel an ſanft nach rück- und auswärts biegen und am oberen Drittel wieder ſchwach nach vorwärts krümmen. Die ziemlich kurze, aber dichte Behaarung zeigt gewöhnlich dunkle Färbungen; Schwarz und Röthlichfahl im Ge- miſch ſind vorherrſchend. Oft iſt der ganze Leib auf dunklem Grunde weiß gefleckt oder getupft. Der Schädel, der Hinterkopf, der Naſenrücken und ein Streifen, welcher ſich über den Rücken hinweg- zieht, ſind gewöhnlich ſchwarz, die Seiten weißlichfahl. Von der Kehle zieht ſich eine ſchwarze Binde bis zur Bruſt herab, wo ſie ſich theilt und über die Schultern weg bis zum Widerriſt läuft. Die Unter- und Jnnenſeite iſt ſchwarz bis auf eine breite weiße Binde, welche über die Mitte des Bauches verläuft. Röthlichgelbbraune und ganz ſchwarze Zwergziegen ſind ſelten. Wie weit dieſe kleine, ſchmucke Ziege und ihre Verwandten im Jnneren Afrikas verbreitet ſind, kann zur Zeit noch nicht beſtimmt werden. Vielleicht dürfen wir als Heimatskreis alle Länder annehmen, welche zwiſchen dem weißen Fluſſe und dem Riger liegen. An dem erſtgenannten Strome fand ich ſie häufig in großer Anzahl als Hausthier. Sie lebt dort faſt in denſelben unab- hängigen Verhältniſſen, wie unſere Alpenziege in ihrem Gebiete. Jch lernte ſie als ein höchſt beweg- liches, geſchicktes, munteres und kluges Geſchöpf kennen, und ſah an ihr zum erſten Male zu meiner nicht geringen Verwunderung, daß Wiederkäuer auch Bäume beſteigen können. Ganz aller- liebſt ſah es aus, wenn auf dem Wipfel einer größeren Mimoſe des Urwaldes fünf bis zehn ſolcher kleinen Ziegen weideten. Jrgend ein ſchief geneigter Stamm hatte der Herde das Hinauf- klettern ermöglicht, und nun war es auf den Aeſten und Zweigen weiter gegangen. Oft ſah man das kühne Geſchöpf in Stellungen, welche man nach unſeren Erfahrungen für geradezu unmöglich halten möchte. Mit jedem einzelnen Fuße ſtand die Ziege auf einem Zweige, und dieſe Zweige mochten ſchaukeln, wie ſie wollten: ſie wußte ſich im Gleichgewicht zu erhalten und dehnte und reckte den Hals ſoviel als möglich, um den ſaftigen Mimoſenblättern beizukommen.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/610>, abgerufen am 23.11.2024.