"Die einzige noch übrige reine Steinziege, die vom Bastardbocke und von der bösartigen Bastard- ziege viele Mißhandlungen zu erdulden hatte, ging im Winter des Jahres 1825 an einem Lungen- leiden zu Grunde und mit Thränen in den Augen brachte der Gemsenjäger, der dieser Zucht zu warten hatte, die Nachricht von ihrem Tode ins Thal. Der Bastardbock hatte bereits eine zahlreiche Nach- kommenschaft mit den Hausziegen der Aelpler erzeugt, die sich vorzüglich darin gesiel, die höchsten Stellen in dem ihr zugewiesenen Bezirke zu erklettern. Oft erstiegen einzelne dieser Thiere Punkte, von denen sie bisweilen nicht mehr allein und ohne menschliche Hilfe herabzusteigen wagten. So er- kletterte eine der Bastardziegen einmal einen Thurm, auf dem sie, aus Scheu vor einem Sturze, durch drei volle Tage verweilte, bis man sie endlich mit großer Mühe herabholte. Die endlosen Klagen, die von den Bewohnern des Sareten-Thales über den Bastardbock einliefen, hatten zur Folge, daß man ihn sammt der Bastardziege auf die Grimselalpe versetzte. Da er aber auch dort allerlei Unfug trieb, mußte er endlich getödtet werden, und die alte Bastardziege auf der Grimsel ging in der Folge ein. Die Nachkommen, welche er aus der Paarung mit Hausziegen im Berner Oberlande zurückließ, zeichneten sich bei Zunnahme des Alters gleichfalls durch besondere Wildheit aus. So lange sie noch jung waren, belustigten sie die Sennen durch ihre muthwilligen Sprünge und Geberden; als sie aber älter und kräftiger wurden, fielen sie den Eigenthümern ihrer Mütter zur Last und wurden sämmtlich geschlachtet. So endete die Berner Steinbockzucht, ohne daß der heabsichtigte Zweck durch sie erreicht werden konnte."
Es ist eine wahre Frende für den Thierfreund, daß die spanischen Steinböcke bis jetzt dem Schick- sale ihrer Verwandten auf den Alpen nicht entgegen gehen. Noch sind auf allen Hochgebirgen der iberischen Halbinsel die stolzen Thiere verbreitet und an manchen Orten sogar noch ziemlich häufig. Mit Sicherheit ist der spanische Steinbock noch zu finden in den eigentlichen Pyrenäen und allen von ihnen auslaufenden Hochketten, in den Sierras Guadarama und Degredos, sowie in der Fort- setzung des Gebirges in der Sierra Estrella, einzeln auch in den andalusischen Gebirgen, nament- lich in den Sierras de Ronda, von Malaga Nevada und Anjanilla, endlich in den Sierras Morena, Sagua und auf den menschenleeren Hochebenen von Cuenca. Alle spanischen Jäger kennen das stolze Wild, welches der Landesname Cabramontes trefflich bezeichnet, und noch in allen Gebirgsdörfern findet man Beutezeichen seiner Jagd, Gehörne, welche in die Mauern eingefügt wurden. Leider thut die verabscheuungswürdige Bubenjägerei der Spanier ihr Möglichstes, die Ver- tilgung des edelen Thieres zu bewerkstelligen. Obwohl die Gesetze nach der gestatteten Jagdzeit die Hegung der Thiere gebieten, denkt doch Niemand daran, die letztere einzuhalten, sondern jeder Jäger schießt alte und junge Böcke, trächtige und gelte gehende Ziegen zusammen, wie sie ihm eben vor's Rohr kommen. Das hat denn auch bereits zur Folge gehabt, daß die Steinböcke der Sierra Nevada bald unter die gewesenen Thiere gezählt werden müssen, während sie früher dort häufig waren. Der bedeutende Gewinn der Jagd, welcher mindestens 12 Thaler unseres Geldes abwirft, gilt dem Spa- nier mehr als jede andere Rücksicht.
Gegenwärtig scheint der Steinbock noch im spanischen Mittelgebirge, namentlich in der Sierra de Credos häufig zu sein. Hier sah Graells im April 1851 noch Rudel von 50 bis 60 Stück, und die von seinem Sommerausfluge mitgebrachten Böcke, welche eine Zierde des Museums von Madrid bilden, geben Zeugniß, daß die Thiere dort noch ein hohes Alter erreichen. Die Schwierigkeit der Jagd verhindert glücklicher Weise jeden Lassen, in dem Hochgebirge umher zu streifen, und die meisten Spanier führen jetzt noch so schlechte Gewehre, daß schon ein ganz vorzüglicher Jäger dazu gehört, um einen Steinbock zu erlegen.
Es ist eigenthümlich, daß der spanische Steinbock im Norden in der Nähe der Schneefelder lebt, während er im Süden mehr das Mittelgebirge bevorzugt, und dieser Unterschied in der Lebensweise würde allerdings auch für Artverschiedenheit beider Thiere sprechen.
Jn den ersten Tagen des Novembers 1856 machte ich mit meinem Bruder und dem Dr.Apetz unter Leitung eines eingeborenen Steinbockjägers den vergeblichen Versuch, mich eines der auf der
Die Ziegen. — Der Alpenſteinbock.
„Die einzige noch übrige reine Steinziege, die vom Baſtardbocke und von der bösartigen Baſtard- ziege viele Mißhandlungen zu erdulden hatte, ging im Winter des Jahres 1825 an einem Lungen- leiden zu Grunde und mit Thränen in den Augen brachte der Gemſenjäger, der dieſer Zucht zu warten hatte, die Nachricht von ihrem Tode ins Thal. Der Baſtardbock hatte bereits eine zahlreiche Nach- kommenſchaft mit den Hausziegen der Aelpler erzeugt, die ſich vorzüglich darin geſiel, die höchſten Stellen in dem ihr zugewieſenen Bezirke zu erklettern. Oft erſtiegen einzelne dieſer Thiere Punkte, von denen ſie bisweilen nicht mehr allein und ohne menſchliche Hilfe herabzuſteigen wagten. So er- kletterte eine der Baſtardziegen einmal einen Thurm, auf dem ſie, aus Scheu vor einem Sturze, durch drei volle Tage verweilte, bis man ſie endlich mit großer Mühe herabholte. Die endloſen Klagen, die von den Bewohnern des Sareten-Thales über den Baſtardbock einliefen, hatten zur Folge, daß man ihn ſammt der Baſtardziege auf die Grimſelalpe verſetzte. Da er aber auch dort allerlei Unfug trieb, mußte er endlich getödtet werden, und die alte Baſtardziege auf der Grimſel ging in der Folge ein. Die Nachkommen, welche er aus der Paarung mit Hausziegen im Berner Oberlande zurückließ, zeichneten ſich bei Zunnahme des Alters gleichfalls durch beſondere Wildheit aus. So lange ſie noch jung waren, beluſtigten ſie die Sennen durch ihre muthwilligen Sprünge und Geberden; als ſie aber älter und kräftiger wurden, fielen ſie den Eigenthümern ihrer Mütter zur Laſt und wurden ſämmtlich geſchlachtet. So endete die Berner Steinbockzucht, ohne daß der heabſichtigte Zweck durch ſie erreicht werden konnte.‟
Es iſt eine wahre Frende für den Thierfreund, daß die ſpaniſchen Steinböcke bis jetzt dem Schick- ſale ihrer Verwandten auf den Alpen nicht entgegen gehen. Noch ſind auf allen Hochgebirgen der iberiſchen Halbinſel die ſtolzen Thiere verbreitet und an manchen Orten ſogar noch ziemlich häufig. Mit Sicherheit iſt der ſpaniſche Steinbock noch zu finden in den eigentlichen Pyrenäen und allen von ihnen auslaufenden Hochketten, in den Sierras Guadarama und Degredos, ſowie in der Fort- ſetzung des Gebirges in der Sierra Eſtrella, einzeln auch in den andaluſiſchen Gebirgen, nament- lich in den Sierras de Ronda, von Malaga Nevada und Anjanilla, endlich in den Sierras Morena, Sagua und auf den menſchenleeren Hochebenen von Cuenca. Alle ſpaniſchen Jäger kennen das ſtolze Wild, welches der Landesname Cabramontes trefflich bezeichnet, und noch in allen Gebirgsdörfern findet man Beutezeichen ſeiner Jagd, Gehörne, welche in die Mauern eingefügt wurden. Leider thut die verabſcheuungswürdige Bubenjägerei der Spanier ihr Möglichſtes, die Ver- tilgung des edelen Thieres zu bewerkſtelligen. Obwohl die Geſetze nach der geſtatteten Jagdzeit die Hegung der Thiere gebieten, denkt doch Niemand daran, die letztere einzuhalten, ſondern jeder Jäger ſchießt alte und junge Böcke, trächtige und gelte gehende Ziegen zuſammen, wie ſie ihm eben vor’s Rohr kommen. Das hat denn auch bereits zur Folge gehabt, daß die Steinböcke der Sierra Nevada bald unter die geweſenen Thiere gezählt werden müſſen, während ſie früher dort häufig waren. Der bedeutende Gewinn der Jagd, welcher mindeſtens 12 Thaler unſeres Geldes abwirft, gilt dem Spa- nier mehr als jede andere Rückſicht.
Gegenwärtig ſcheint der Steinbock noch im ſpaniſchen Mittelgebirge, namentlich in der Sierra de Credos häufig zu ſein. Hier ſah Graëlls im April 1851 noch Rudel von 50 bis 60 Stück, und die von ſeinem Sommerausfluge mitgebrachten Böcke, welche eine Zierde des Muſeums von Madrid bilden, geben Zeugniß, daß die Thiere dort noch ein hohes Alter erreichen. Die Schwierigkeit der Jagd verhindert glücklicher Weiſe jeden Laſſen, in dem Hochgebirge umher zu ſtreifen, und die meiſten Spanier führen jetzt noch ſo ſchlechte Gewehre, daß ſchon ein ganz vorzüglicher Jäger dazu gehört, um einen Steinbock zu erlegen.
Es iſt eigenthümlich, daß der ſpaniſche Steinbock im Norden in der Nähe der Schneefelder lebt, während er im Süden mehr das Mittelgebirge bevorzugt, und dieſer Unterſchied in der Lebensweiſe würde allerdings auch für Artverſchiedenheit beider Thiere ſprechen.
Jn den erſten Tagen des Novembers 1856 machte ich mit meinem Bruder und dem Dr.Apetz unter Leitung eines eingeborenen Steinbockjägers den vergeblichen Verſuch, mich eines der auf der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0606"n="576"/><fwplace="top"type="header">Die Ziegen. — Der Alpenſteinbock.</fw><lb/><p>„Die einzige noch übrige reine Steinziege, die vom Baſtardbocke und von der bösartigen Baſtard-<lb/>
ziege viele Mißhandlungen zu erdulden hatte, ging im Winter des Jahres 1825 an einem Lungen-<lb/>
leiden zu Grunde und mit Thränen in den Augen brachte der Gemſenjäger, der dieſer Zucht zu warten<lb/>
hatte, die Nachricht von ihrem Tode ins Thal. Der Baſtardbock hatte bereits eine zahlreiche Nach-<lb/>
kommenſchaft mit den Hausziegen der Aelpler erzeugt, die ſich vorzüglich darin geſiel, die höchſten<lb/>
Stellen in dem ihr zugewieſenen Bezirke zu erklettern. Oft erſtiegen einzelne dieſer Thiere Punkte,<lb/>
von denen ſie bisweilen nicht mehr allein und ohne menſchliche Hilfe herabzuſteigen wagten. So er-<lb/>
kletterte eine der Baſtardziegen einmal einen Thurm, auf dem ſie, aus Scheu vor einem Sturze, durch<lb/>
drei volle Tage verweilte, bis man ſie endlich mit großer Mühe herabholte. Die endloſen Klagen,<lb/>
die von den Bewohnern des Sareten-Thales über den Baſtardbock einliefen, hatten zur Folge, daß<lb/>
man ihn ſammt der Baſtardziege auf die Grimſelalpe verſetzte. Da er aber auch dort allerlei Unfug<lb/>
trieb, mußte er endlich getödtet werden, und die alte Baſtardziege auf der Grimſel ging in der Folge<lb/>
ein. Die Nachkommen, welche er aus der Paarung mit Hausziegen im Berner Oberlande zurückließ,<lb/>
zeichneten ſich bei Zunnahme des Alters gleichfalls durch beſondere Wildheit aus. So lange ſie noch<lb/>
jung waren, beluſtigten ſie die Sennen durch ihre muthwilligen Sprünge und Geberden; als ſie aber<lb/>
älter und kräftiger wurden, fielen ſie den Eigenthümern ihrer Mütter zur Laſt und wurden ſämmtlich<lb/>
geſchlachtet. So endete die Berner Steinbockzucht, ohne daß der heabſichtigte Zweck durch ſie erreicht<lb/>
werden konnte.‟</p><lb/><p>Es iſt eine wahre Frende für den Thierfreund, daß die ſpaniſchen Steinböcke bis jetzt dem Schick-<lb/>ſale ihrer Verwandten auf den Alpen nicht entgegen gehen. Noch ſind auf allen Hochgebirgen der<lb/>
iberiſchen Halbinſel die ſtolzen Thiere verbreitet und an manchen Orten ſogar noch ziemlich häufig.<lb/>
Mit Sicherheit iſt der ſpaniſche Steinbock noch zu finden in den eigentlichen Pyrenäen und allen von<lb/>
ihnen auslaufenden Hochketten, in den Sierras <hirendition="#g">Guadarama</hi> und <hirendition="#g">Degredos,</hi>ſowie in der Fort-<lb/>ſetzung des Gebirges in der <hirendition="#g">Sierra Eſtrella,</hi> einzeln auch in den andaluſiſchen Gebirgen, nament-<lb/>
lich in den <hirendition="#g">Sierras de Ronda,</hi> von <hirendition="#g">Malaga Nevada</hi> und <hirendition="#g">Anjanilla,</hi> endlich in den<lb/>
Sierras <hirendition="#g">Morena, Sagua</hi> und auf den menſchenleeren Hochebenen von Cuenca. Alle ſpaniſchen<lb/>
Jäger kennen das ſtolze Wild, welches der Landesname Cabramontes trefflich bezeichnet, und noch in<lb/>
allen Gebirgsdörfern findet man Beutezeichen ſeiner Jagd, Gehörne, welche in die Mauern eingefügt<lb/>
wurden. Leider thut die verabſcheuungswürdige Bubenjägerei der Spanier ihr Möglichſtes, die Ver-<lb/>
tilgung des edelen Thieres zu bewerkſtelligen. Obwohl die Geſetze nach der geſtatteten Jagdzeit die<lb/>
Hegung der Thiere gebieten, denkt doch Niemand daran, die letztere einzuhalten, ſondern jeder Jäger<lb/>ſchießt alte und junge Böcke, trächtige und gelte gehende Ziegen zuſammen, wie ſie ihm eben vor’s<lb/>
Rohr kommen. Das hat denn auch bereits zur Folge gehabt, daß die Steinböcke der Sierra Nevada<lb/>
bald unter die geweſenen Thiere gezählt werden müſſen, während ſie früher dort häufig waren. Der<lb/>
bedeutende Gewinn der Jagd, welcher mindeſtens 12 Thaler unſeres Geldes abwirft, gilt dem Spa-<lb/>
nier mehr als jede andere Rückſicht.</p><lb/><p>Gegenwärtig ſcheint der Steinbock noch im ſpaniſchen Mittelgebirge, namentlich in der Sierra de<lb/>
Credos häufig zu ſein. Hier ſah <hirendition="#g">Gra<hirendition="#aq">ë</hi>lls</hi> im April 1851 noch Rudel von 50 bis 60 Stück, und<lb/>
die von ſeinem Sommerausfluge mitgebrachten Böcke, welche eine Zierde des Muſeums von Madrid<lb/>
bilden, geben Zeugniß, daß die Thiere dort noch ein hohes Alter erreichen. Die Schwierigkeit der<lb/>
Jagd verhindert glücklicher Weiſe jeden Laſſen, in dem Hochgebirge umher zu ſtreifen, und die meiſten<lb/>
Spanier führen jetzt noch ſo ſchlechte Gewehre, daß ſchon ein ganz vorzüglicher Jäger dazu gehört, um<lb/>
einen Steinbock zu erlegen.</p><lb/><p>Es iſt eigenthümlich, daß der ſpaniſche Steinbock im Norden in der Nähe der Schneefelder lebt,<lb/>
während er im Süden mehr das Mittelgebirge bevorzugt, und dieſer Unterſchied in der Lebensweiſe<lb/>
würde allerdings auch für Artverſchiedenheit beider Thiere ſprechen.</p><lb/><p>Jn den erſten Tagen des Novembers 1856 machte ich mit meinem Bruder und dem <hirendition="#aq">Dr.</hi><hirendition="#g">Apetz</hi><lb/>
unter Leitung eines eingeborenen Steinbockjägers den vergeblichen Verſuch, mich eines der auf der<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[576/0606]
Die Ziegen. — Der Alpenſteinbock.
„Die einzige noch übrige reine Steinziege, die vom Baſtardbocke und von der bösartigen Baſtard-
ziege viele Mißhandlungen zu erdulden hatte, ging im Winter des Jahres 1825 an einem Lungen-
leiden zu Grunde und mit Thränen in den Augen brachte der Gemſenjäger, der dieſer Zucht zu warten
hatte, die Nachricht von ihrem Tode ins Thal. Der Baſtardbock hatte bereits eine zahlreiche Nach-
kommenſchaft mit den Hausziegen der Aelpler erzeugt, die ſich vorzüglich darin geſiel, die höchſten
Stellen in dem ihr zugewieſenen Bezirke zu erklettern. Oft erſtiegen einzelne dieſer Thiere Punkte,
von denen ſie bisweilen nicht mehr allein und ohne menſchliche Hilfe herabzuſteigen wagten. So er-
kletterte eine der Baſtardziegen einmal einen Thurm, auf dem ſie, aus Scheu vor einem Sturze, durch
drei volle Tage verweilte, bis man ſie endlich mit großer Mühe herabholte. Die endloſen Klagen,
die von den Bewohnern des Sareten-Thales über den Baſtardbock einliefen, hatten zur Folge, daß
man ihn ſammt der Baſtardziege auf die Grimſelalpe verſetzte. Da er aber auch dort allerlei Unfug
trieb, mußte er endlich getödtet werden, und die alte Baſtardziege auf der Grimſel ging in der Folge
ein. Die Nachkommen, welche er aus der Paarung mit Hausziegen im Berner Oberlande zurückließ,
zeichneten ſich bei Zunnahme des Alters gleichfalls durch beſondere Wildheit aus. So lange ſie noch
jung waren, beluſtigten ſie die Sennen durch ihre muthwilligen Sprünge und Geberden; als ſie aber
älter und kräftiger wurden, fielen ſie den Eigenthümern ihrer Mütter zur Laſt und wurden ſämmtlich
geſchlachtet. So endete die Berner Steinbockzucht, ohne daß der heabſichtigte Zweck durch ſie erreicht
werden konnte.‟
Es iſt eine wahre Frende für den Thierfreund, daß die ſpaniſchen Steinböcke bis jetzt dem Schick-
ſale ihrer Verwandten auf den Alpen nicht entgegen gehen. Noch ſind auf allen Hochgebirgen der
iberiſchen Halbinſel die ſtolzen Thiere verbreitet und an manchen Orten ſogar noch ziemlich häufig.
Mit Sicherheit iſt der ſpaniſche Steinbock noch zu finden in den eigentlichen Pyrenäen und allen von
ihnen auslaufenden Hochketten, in den Sierras Guadarama und Degredos, ſowie in der Fort-
ſetzung des Gebirges in der Sierra Eſtrella, einzeln auch in den andaluſiſchen Gebirgen, nament-
lich in den Sierras de Ronda, von Malaga Nevada und Anjanilla, endlich in den
Sierras Morena, Sagua und auf den menſchenleeren Hochebenen von Cuenca. Alle ſpaniſchen
Jäger kennen das ſtolze Wild, welches der Landesname Cabramontes trefflich bezeichnet, und noch in
allen Gebirgsdörfern findet man Beutezeichen ſeiner Jagd, Gehörne, welche in die Mauern eingefügt
wurden. Leider thut die verabſcheuungswürdige Bubenjägerei der Spanier ihr Möglichſtes, die Ver-
tilgung des edelen Thieres zu bewerkſtelligen. Obwohl die Geſetze nach der geſtatteten Jagdzeit die
Hegung der Thiere gebieten, denkt doch Niemand daran, die letztere einzuhalten, ſondern jeder Jäger
ſchießt alte und junge Böcke, trächtige und gelte gehende Ziegen zuſammen, wie ſie ihm eben vor’s
Rohr kommen. Das hat denn auch bereits zur Folge gehabt, daß die Steinböcke der Sierra Nevada
bald unter die geweſenen Thiere gezählt werden müſſen, während ſie früher dort häufig waren. Der
bedeutende Gewinn der Jagd, welcher mindeſtens 12 Thaler unſeres Geldes abwirft, gilt dem Spa-
nier mehr als jede andere Rückſicht.
Gegenwärtig ſcheint der Steinbock noch im ſpaniſchen Mittelgebirge, namentlich in der Sierra de
Credos häufig zu ſein. Hier ſah Graëlls im April 1851 noch Rudel von 50 bis 60 Stück, und
die von ſeinem Sommerausfluge mitgebrachten Böcke, welche eine Zierde des Muſeums von Madrid
bilden, geben Zeugniß, daß die Thiere dort noch ein hohes Alter erreichen. Die Schwierigkeit der
Jagd verhindert glücklicher Weiſe jeden Laſſen, in dem Hochgebirge umher zu ſtreifen, und die meiſten
Spanier führen jetzt noch ſo ſchlechte Gewehre, daß ſchon ein ganz vorzüglicher Jäger dazu gehört, um
einen Steinbock zu erlegen.
Es iſt eigenthümlich, daß der ſpaniſche Steinbock im Norden in der Nähe der Schneefelder lebt,
während er im Süden mehr das Mittelgebirge bevorzugt, und dieſer Unterſchied in der Lebensweiſe
würde allerdings auch für Artverſchiedenheit beider Thiere ſprechen.
Jn den erſten Tagen des Novembers 1856 machte ich mit meinem Bruder und dem Dr. Apetz
unter Leitung eines eingeborenen Steinbockjägers den vergeblichen Verſuch, mich eines der auf der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 576. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/606>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.