Die Nomaden der Steppe fangen ab und zu eine der bei ihnen lebenden Arten und bringen sie in die Stadt, um sie den Vornehmen des Landes oder den Europäern zum Kauf anzubieten. Auf diese Weise habe ich während meines Aufenthalts in Afrika mehrere erhalten. Jch kann die Gefange- nen nicht besonders rühmen. Sie sind träge, langweilig und unverträglich. Die Gefangenschaft halten sie leicht aus; sie lernen auch ihren Pfleger kennen und gewöhnen sich an ihn; niemals aber darf er ihnen ganz trauen, weil sie ihre Hörner zuweilen, gleichsam des Spaßes wegen, in höchst gefährlicher Weise zu gebrauchen pflegen. Mit anderen Thieren darf man sie nicht zusammenhalten: sie bemäch- tigen sich in kurzer Zeit der Herrschaft über das andere Vieh und mißhandeln dasselbe in abscheulicher Weise. Auch unter sich fangen sie ab und zu einmal Streit an und stoßen sich dann recht tüchtig. Dabei sind sie störrig und lassen sich nur mit größter Mühe fortschaffen. Noch heute gedenke ich eini- ger Tage meines Reiselebens mit wahrem Unmuthe. Wir hatten ein Thier der nubischen Art (Oryx leu- coryx) in Obeid erhalten und wollten dasselbe gern mit nach Chartum nehmen. Das Einfachste würde natürlich gewesen sein, es an den Hörnern zu binden und neben dem Kamele laufen zu lassen, allein das gute Thier wollte nicht mit uns spazieren, und die Araber versicherten einstimmig, daß das "junge Rind der Steppe" noch gar nicht marschfähig wäre. Jetzt erhielt einer unserer Diener den Auftrag, das große unbehilfliche Geschöpf mit sich auf das Kamel zu nehmen. Ein Teppich wurde zu diesem Zwecke der Antilope um den Leib geschnürt und dann am Sattel befestigt. Der Oryx schien über diese Art der Fortschaffung äußerst entrüstet zu sein und stieß den Diener und das Kamel mit seinen spitzen Hörnern. Das Reitthier, welches anfänglich blos murrte, bekam endlich eine so ungewohnte Behandlung satt und ging durch. Nun versuchte ich, die Antilope weiter zu schaffen, und bekam anstatt unseres Ali die Hornstöße. Es wurde ein erneuter Versuch gemacht, das Steppen- rind zum Gehen zu bringen; doch er scheiterte an dessen Störrigkeit. Nochmals wurde das Thier aufs Kamel gebracht, und schon glaubte ich, daß jetzt Alles gut gehen würde, als der Oryx plötzlich aus seiner Umhüllung heraussprang und mit raschen Schritten davon eilte. Wir setzten ihm nach, waren aber nicht im Stande, ihn wieder zu erlangen. Er fühlte seine Freiheit viel zu sehr, als daß er sich von neuem in unsere Gewalt begeben hätte.
Jn der Neuzeit ist die nubische Säbelantilope oft nach Europa gekommen und hat sich in den Thiergärten recht wohl erhalten, sich auch ohne besondere Schwierigkeiten hier fortgepflanzt. Weit feltener sieht man den Passan und noch viel weniger die Beisa, welche gegenwärtig noch den meisten Museen fehlt.
Man benutzt Fleisch und Fell der Oryxantilope in der gewöhnlichen Weise. Die geraden Hör- ner des Passan und der Beisa aber werden oft als Lanzenspitzen verwendet. Man wartet, bis die Hornschalen bei beginnender Fäulniß sich von dem starken Zapfen lösen, zieht sie dann ab, setzt sie auf gewöhnliche Lanzenstäbe, und die Waffe ist fertig. Die Europäer am Kap lassen die Hörner auch wohl poliren und mit silbernen Knöpfen versehen; dann gebrauchen sie dieselben als Spazierstöcke.
Die Mendesantilopen (Addax) schließen sich den Oryxböcken am nächsten an. Jhre leichten schraubenförmig oder leierförmig gewundenen, der Länge nach geringelten, schlanken und langen Hörner geben das einzige Unterscheidungsmerkmal, und viele Naturforscher reihen unser Thier deshalb ohne wei- teres den vorigen an. Auf den egyptischen Denkmälern findet sich die nubische Mendesantilope (Addax nasomaculatus) mehrfach dargestellt. Die Mendeshörner, welche den Kopf der Götterbil- der, der Priester und Könige des alten Egyptenlandes schmücken, sind dem Gehörn dieser Antilope nachgebildet. Von Egypten aus hat sich der Ruhm des Thieres weiter verbreitet. Schon die alten Griechen und Römer kannten es recht gut. Plinius erwähnt es unter dem griechischen Namen "Strepsiceros" und unter dem lateinischen Addax, welcher letztere seit uralten Zeiten der Landes- name dieser Antilope sein muß, weil sie heute noch von den Arabern Abu-Addas genannt wird.
Die Antilopen. — Die Beiſa. Die Mendesantilopen.
Die Nomaden der Steppe fangen ab und zu eine der bei ihnen lebenden Arten und bringen ſie in die Stadt, um ſie den Vornehmen des Landes oder den Europäern zum Kauf anzubieten. Auf dieſe Weiſe habe ich während meines Aufenthalts in Afrika mehrere erhalten. Jch kann die Gefange- nen nicht beſonders rühmen. Sie ſind träge, langweilig und unverträglich. Die Gefangenſchaft halten ſie leicht aus; ſie lernen auch ihren Pfleger kennen und gewöhnen ſich an ihn; niemals aber darf er ihnen ganz trauen, weil ſie ihre Hörner zuweilen, gleichſam des Spaßes wegen, in höchſt gefährlicher Weiſe zu gebrauchen pflegen. Mit anderen Thieren darf man ſie nicht zuſammenhalten: ſie bemäch- tigen ſich in kurzer Zeit der Herrſchaft über das andere Vieh und mißhandeln daſſelbe in abſcheulicher Weiſe. Auch unter ſich fangen ſie ab und zu einmal Streit an und ſtoßen ſich dann recht tüchtig. Dabei ſind ſie ſtörrig und laſſen ſich nur mit größter Mühe fortſchaffen. Noch heute gedenke ich eini- ger Tage meines Reiſelebens mit wahrem Unmuthe. Wir hatten ein Thier der nubiſchen Art (Oryx leu- coryx) in Obëid erhalten und wollten daſſelbe gern mit nach Chartum nehmen. Das Einfachſte würde natürlich geweſen ſein, es an den Hörnern zu binden und neben dem Kamele laufen zu laſſen, allein das gute Thier wollte nicht mit uns ſpazieren, und die Araber verſicherten einſtimmig, daß das „junge Rind der Steppe‟ noch gar nicht marſchfähig wäre. Jetzt erhielt einer unſerer Diener den Auftrag, das große unbehilfliche Geſchöpf mit ſich auf das Kamel zu nehmen. Ein Teppich wurde zu dieſem Zwecke der Antilope um den Leib geſchnürt und dann am Sattel befeſtigt. Der Oryx ſchien über dieſe Art der Fortſchaffung äußerſt entrüſtet zu ſein und ſtieß den Diener und das Kamel mit ſeinen ſpitzen Hörnern. Das Reitthier, welches anfänglich blos murrte, bekam endlich eine ſo ungewohnte Behandlung ſatt und ging durch. Nun verſuchte ich, die Antilope weiter zu ſchaffen, und bekam anſtatt unſeres Ali die Hornſtöße. Es wurde ein erneuter Verſuch gemacht, das Steppen- rind zum Gehen zu bringen; doch er ſcheiterte an deſſen Störrigkeit. Nochmals wurde das Thier aufs Kamel gebracht, und ſchon glaubte ich, daß jetzt Alles gut gehen würde, als der Oryx plötzlich aus ſeiner Umhüllung herausſprang und mit raſchen Schritten davon eilte. Wir ſetzten ihm nach, waren aber nicht im Stande, ihn wieder zu erlangen. Er fühlte ſeine Freiheit viel zu ſehr, als daß er ſich von neuem in unſere Gewalt begeben hätte.
Jn der Neuzeit iſt die nubiſche Säbelantilope oft nach Europa gekommen und hat ſich in den Thiergärten recht wohl erhalten, ſich auch ohne beſondere Schwierigkeiten hier fortgepflanzt. Weit feltener ſieht man den Paſſan und noch viel weniger die Beiſa, welche gegenwärtig noch den meiſten Muſeen fehlt.
Man benutzt Fleiſch und Fell der Oryxantilope in der gewöhnlichen Weiſe. Die geraden Hör- ner des Paſſan und der Beiſa aber werden oft als Lanzenſpitzen verwendet. Man wartet, bis die Hornſchalen bei beginnender Fäulniß ſich von dem ſtarken Zapfen löſen, zieht ſie dann ab, ſetzt ſie auf gewöhnliche Lanzenſtäbe, und die Waffe iſt fertig. Die Europäer am Kap laſſen die Hörner auch wohl poliren und mit ſilbernen Knöpfen verſehen; dann gebrauchen ſie dieſelben als Spazierſtöcke.
Die Mendesantilopen (Addax) ſchließen ſich den Oryxböcken am nächſten an. Jhre leichten ſchraubenförmig oder leierförmig gewundenen, der Länge nach geringelten, ſchlanken und langen Hörner geben das einzige Unterſcheidungsmerkmal, und viele Naturforſcher reihen unſer Thier deshalb ohne wei- teres den vorigen an. Auf den egyptiſchen Denkmälern findet ſich die nubiſche Mendesantilope (Addax nasomaculatus) mehrfach dargeſtellt. Die Mendeshörner, welche den Kopf der Götterbil- der, der Prieſter und Könige des alten Egyptenlandes ſchmücken, ſind dem Gehörn dieſer Antilope nachgebildet. Von Egypten aus hat ſich der Ruhm des Thieres weiter verbreitet. Schon die alten Griechen und Römer kannten es recht gut. Plinius erwähnt es unter dem griechiſchen Namen „Strepſiceros‟ und unter dem lateiniſchen Addax, welcher letztere ſeit uralten Zeiten der Landes- name dieſer Antilope ſein muß, weil ſie heute noch von den Arabern Abu-Addas genannt wird.
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Die Antilopen. — Die Beiſa. Die Mendesantilopen.
Die Nomaden der Steppe fangen ab und zu eine der bei ihnen lebenden Arten und bringen ſie
in die Stadt, um ſie den Vornehmen des Landes oder den Europäern zum Kauf anzubieten. Auf
dieſe Weiſe habe ich während meines Aufenthalts in Afrika mehrere erhalten. Jch kann die Gefange-
nen nicht beſonders rühmen. Sie ſind träge, langweilig und unverträglich. Die Gefangenſchaft halten
ſie leicht aus; ſie lernen auch ihren Pfleger kennen und gewöhnen ſich an ihn; niemals aber darf er
ihnen ganz trauen, weil ſie ihre Hörner zuweilen, gleichſam des Spaßes wegen, in höchſt gefährlicher
Weiſe zu gebrauchen pflegen. Mit anderen Thieren darf man ſie nicht zuſammenhalten: ſie bemäch-
tigen ſich in kurzer Zeit der Herrſchaft über das andere Vieh und mißhandeln daſſelbe in abſcheulicher
Weiſe. Auch unter ſich fangen ſie ab und zu einmal Streit an und ſtoßen ſich dann recht tüchtig.
Dabei ſind ſie ſtörrig und laſſen ſich nur mit größter Mühe fortſchaffen. Noch heute gedenke ich eini-
ger Tage meines Reiſelebens mit wahrem Unmuthe. Wir hatten ein Thier der nubiſchen Art (Oryx leu-
coryx) in Obëid erhalten und wollten daſſelbe gern mit nach Chartum nehmen. Das Einfachſte
würde natürlich geweſen ſein, es an den Hörnern zu binden und neben dem Kamele laufen zu laſſen,
allein das gute Thier wollte nicht mit uns ſpazieren, und die Araber verſicherten einſtimmig, daß das
„junge Rind der Steppe‟ noch gar nicht marſchfähig wäre. Jetzt erhielt einer unſerer Diener den
Auftrag, das große unbehilfliche Geſchöpf mit ſich auf das Kamel zu nehmen. Ein Teppich
wurde zu dieſem Zwecke der Antilope um den Leib geſchnürt und dann am Sattel befeſtigt. Der
Oryx ſchien über dieſe Art der Fortſchaffung äußerſt entrüſtet zu ſein und ſtieß den Diener und das
Kamel mit ſeinen ſpitzen Hörnern. Das Reitthier, welches anfänglich blos murrte, bekam endlich eine
ſo ungewohnte Behandlung ſatt und ging durch. Nun verſuchte ich, die Antilope weiter zu ſchaffen,
und bekam anſtatt unſeres Ali die Hornſtöße. Es wurde ein erneuter Verſuch gemacht, das Steppen-
rind zum Gehen zu bringen; doch er ſcheiterte an deſſen Störrigkeit. Nochmals wurde das Thier aufs
Kamel gebracht, und ſchon glaubte ich, daß jetzt Alles gut gehen würde, als der Oryx plötzlich aus
ſeiner Umhüllung herausſprang und mit raſchen Schritten davon eilte. Wir ſetzten ihm nach, waren
aber nicht im Stande, ihn wieder zu erlangen. Er fühlte ſeine Freiheit viel zu ſehr, als daß er ſich
von neuem in unſere Gewalt begeben hätte.
Jn der Neuzeit iſt die nubiſche Säbelantilope oft nach Europa gekommen und hat ſich in den
Thiergärten recht wohl erhalten, ſich auch ohne beſondere Schwierigkeiten hier fortgepflanzt. Weit
feltener ſieht man den Paſſan und noch viel weniger die Beiſa, welche gegenwärtig noch den meiſten
Muſeen fehlt.
Man benutzt Fleiſch und Fell der Oryxantilope in der gewöhnlichen Weiſe. Die geraden Hör-
ner des Paſſan und der Beiſa aber werden oft als Lanzenſpitzen verwendet. Man wartet, bis die
Hornſchalen bei beginnender Fäulniß ſich von dem ſtarken Zapfen löſen, zieht ſie dann ab, ſetzt ſie
auf gewöhnliche Lanzenſtäbe, und die Waffe iſt fertig. Die Europäer am Kap laſſen die Hörner auch
wohl poliren und mit ſilbernen Knöpfen verſehen; dann gebrauchen ſie dieſelben als Spazierſtöcke.
Die Mendesantilopen (Addax) ſchließen ſich den Oryxböcken am nächſten an. Jhre leichten
ſchraubenförmig oder leierförmig gewundenen, der Länge nach geringelten, ſchlanken und langen Hörner
geben das einzige Unterſcheidungsmerkmal, und viele Naturforſcher reihen unſer Thier deshalb ohne wei-
teres den vorigen an. Auf den egyptiſchen Denkmälern findet ſich die nubiſche Mendesantilope
(Addax nasomaculatus) mehrfach dargeſtellt. Die Mendeshörner, welche den Kopf der Götterbil-
der, der Prieſter und Könige des alten Egyptenlandes ſchmücken, ſind dem Gehörn dieſer Antilope
nachgebildet. Von Egypten aus hat ſich der Ruhm des Thieres weiter verbreitet. Schon die alten
Griechen und Römer kannten es recht gut. Plinius erwähnt es unter dem griechiſchen Namen
„Strepſiceros‟ und unter dem lateiniſchen Addax, welcher letztere ſeit uralten Zeiten der Landes-
name dieſer Antilope ſein muß, weil ſie heute noch von den Arabern Abu-Addas genannt wird.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/582>, abgerufen am 23.11.2024.
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