Hörner, den Mangel an Thränengruben und die vier Zitzen des Weibchens. Das Fell ist oft sehr eigenthümlich gezeichnet, wie ein Blick auf unsere Abbildung des Kudu zur Genüge darthut.
Einige Naturforscher glauben, daß der im Norden wohnende Agaseen oder Tedal eine andere Art als der eigentliche Kudu ist; sie sind aber nicht im Stande, ihre Ansicht durch schlagende Belege zu beweisen. Wir dürfen annehmen, daß der Kudu in dem größten Theile Afrikas vorkommt und zwar merkwürdiger Weise in den verschiedensten Oertlichkeiten, ganz nach Art unseres Roth- wilds. Jn früheren Zeiten war er im Vorgebirge der guten Hoffnung häufig; jetzt ist er dort ver- drängt. Noch immer aber kommt er von dem Orangflusse an bis nach Nordabissinien hinab, von hier durch Taka und Kordofahn bis nach dem fernen Westen gegen Guinea hin vor.
Der Kudu ist eine äußerst stattliche und sehr große Antilope. Unser Edelhirsch erscheint ihm gegenüber als ein wahrer Zwerg und selbst der Elch dürfte ihm in der Größe noch nicht gleichkom- men. Erwachsene Männchen messen von der Nase bis zur Spitze des 11/2 Fuß langen Schwanzes zehn volle Fuß. Das Weibchen ist immer bedeutend kleiner; doch maß ein von mir untersuchtes Altthier immer noch seine acht Fuß in der Länge und fast fünf Fuß Höhe am Widerrist. Aber nicht blos die Größe zeichnet diese Antilope aus, sondern auch die schöne Gestalt, das wirklich prachtvolle Gehörn und endlich die feine Zeichnung des Felles. Hinsichtlich des Leibesbaues erinnert der Kudu in vieler Hinsicht an den Hirsch. Der Leib ist untersetzt, der Hals mittellang, der Kopf ziemlich kurz, an der Stirn breit, vorn zugespitzt; die Oberlippe ist behaart bis auf die Furche; die Augen sind groß, die Ohren länger als der halbe Kopf. Jhm verleiht das Gehörn einen herrlichen Schmuck. Es gehört zu den größten, welche irgend eine Antilope trägt. Schon bei mittelalten Böcken messen die einzelnen Stan- gen in gerader Linie von der Spitze zur Wurzel über zwei Fuß, bei sehr alten aber erreichen sie beinahe das Doppelte dieser Länge. Man begreift wirklich kaum, wie das Thier im Stande ist, die Last des Kopf- schmuckes zu schleppen, oder, wie es ihm möglich wird, mit solchen Hörnern durch das Dickicht eines Buschwaldes zu flüchten. Von der Wurzel aus richtet sich das Gehörn schief nach hinten und mehr oder weniger weit nach auswärts. Bei einigen Gehörnen stehen die Spitzen drei Fuß weit von ein- ander. Unsere Abbildung zeigt die eigenthümlichen Schraubenwindungen der Stange: ich will nur bemerken, daß sie immer an derselben Stelle sich finden, die erste etwa im ersten, die zweite unge- fähr im zweiten Drittel der Länge. Auch die Spitzen sind etwas schraubenartig nach Außen gewen- det, bei alten Thieren mehr als bei jungen. An der Wurzel der Hörner beginnt ein scharfkantiger Kiel, welcher in seinem Verlauf dem Schraubengange folgt und erst gegen die vollkommen runde Spitze hin sich verliert. Die kurze, glatt anliegende, etwas rauhe Behaarung verlängert sich auf der Firste des Halses und Rückens, beim Bock auch an dem Kinn bis unter die Brust herab zur Mähne. Ein schwer zu beschreibendes röthliches Braungrau ist die Grundfärbung; die hinteren Theile des Bauches und die inneren Seiten der Läufe sind weißlichgrau; die Nackenmähne ist dunkelbraun oder schwarz, bei sehr alten Thieren aber wenigstens längs des ganzen Vorderhalfes weißgrau. Der Schwanz ist oben dunkelbraun, unten weiß und an der Quaste schwarz. Röthliche Kreise umgeben die Augen. Von jener Grundfärbung heben sich scharf weiße Streifen ab, meist sieben oder neun an der Zahl, von denen einige sich gabeln. Sie verlaufen in gleichen Abständen längs der Seite von dem Rücken nach unten. Zwischen beiden Augen liegt ein nach der Schnauzspitze zugekehrter, ähnlich gefärbter Halbmond. Bei dem Weibchen sind alle Streifen schwächer und blässer; junge Thiere sollen eine größere Anzahl derselben zeigen als alte.
Wie es scheint, bewohnt der Kudu ausschließlich den Wald, am liebsten jene in Afrika so häu- sigen, dornigen Buschwälder. Jn Habesch zieht er die Gebirge entschieden der Ebene vor, während er in den Barkaländern, in Kordofahn und am Kap auch in dieser getroffen wird. Wir fanden ihn in den Bogosländern erst in einer Höhe von mindestens 2000 Fuß über dem Meere und bis zu 7000 Fuß hinauf, immer an den Bergwänden, wo er zwischen den grünen Mimosen majestä- tisch dahin schritt. Die starken Böcke leben einzeln; die Thiere dagegen vereinigen sich gern in schwache Trupps von vier bis sechs Stück. Südafrikanische Jäger wollen beobachtet haben, daß
Der Kudu.
Hörner, den Mangel an Thränengruben und die vier Zitzen des Weibchens. Das Fell iſt oft ſehr eigenthümlich gezeichnet, wie ein Blick auf unſere Abbildung des Kudu zur Genüge darthut.
Einige Naturforſcher glauben, daß der im Norden wohnende Agaſeen oder Tedal eine andere Art als der eigentliche Kudu iſt; ſie ſind aber nicht im Stande, ihre Anſicht durch ſchlagende Belege zu beweiſen. Wir dürfen annehmen, daß der Kudu in dem größten Theile Afrikas vorkommt und zwar merkwürdiger Weiſe in den verſchiedenſten Oertlichkeiten, ganz nach Art unſeres Roth- wilds. Jn früheren Zeiten war er im Vorgebirge der guten Hoffnung häufig; jetzt iſt er dort ver- drängt. Noch immer aber kommt er von dem Orangfluſſe an bis nach Nordabiſſinien hinab, von hier durch Taka und Kordofahn bis nach dem fernen Weſten gegen Guinea hin vor.
Der Kudu iſt eine äußerſt ſtattliche und ſehr große Antilope. Unſer Edelhirſch erſcheint ihm gegenüber als ein wahrer Zwerg und ſelbſt der Elch dürfte ihm in der Größe noch nicht gleichkom- men. Erwachſene Männchen meſſen von der Naſe bis zur Spitze des 1½ Fuß langen Schwanzes zehn volle Fuß. Das Weibchen iſt immer bedeutend kleiner; doch maß ein von mir unterſuchtes Altthier immer noch ſeine acht Fuß in der Länge und faſt fünf Fuß Höhe am Widerriſt. Aber nicht blos die Größe zeichnet dieſe Antilope aus, ſondern auch die ſchöne Geſtalt, das wirklich prachtvolle Gehörn und endlich die feine Zeichnung des Felles. Hinſichtlich des Leibesbaues erinnert der Kudu in vieler Hinſicht an den Hirſch. Der Leib iſt unterſetzt, der Hals mittellang, der Kopf ziemlich kurz, an der Stirn breit, vorn zugeſpitzt; die Oberlippe iſt behaart bis auf die Furche; die Augen ſind groß, die Ohren länger als der halbe Kopf. Jhm verleiht das Gehörn einen herrlichen Schmuck. Es gehört zu den größten, welche irgend eine Antilope trägt. Schon bei mittelalten Böcken meſſen die einzelnen Stan- gen in gerader Linie von der Spitze zur Wurzel über zwei Fuß, bei ſehr alten aber erreichen ſie beinahe das Doppelte dieſer Länge. Man begreift wirklich kaum, wie das Thier im Stande iſt, die Laſt des Kopf- ſchmuckes zu ſchleppen, oder, wie es ihm möglich wird, mit ſolchen Hörnern durch das Dickicht eines Buſchwaldes zu flüchten. Von der Wurzel aus richtet ſich das Gehörn ſchief nach hinten und mehr oder weniger weit nach auswärts. Bei einigen Gehörnen ſtehen die Spitzen drei Fuß weit von ein- ander. Unſere Abbildung zeigt die eigenthümlichen Schraubenwindungen der Stange: ich will nur bemerken, daß ſie immer an derſelben Stelle ſich finden, die erſte etwa im erſten, die zweite unge- fähr im zweiten Drittel der Länge. Auch die Spitzen ſind etwas ſchraubenartig nach Außen gewen- det, bei alten Thieren mehr als bei jungen. An der Wurzel der Hörner beginnt ein ſcharfkantiger Kiel, welcher in ſeinem Verlauf dem Schraubengange folgt und erſt gegen die vollkommen runde Spitze hin ſich verliert. Die kurze, glatt anliegende, etwas rauhe Behaarung verlängert ſich auf der Firſte des Halſes und Rückens, beim Bock auch an dem Kinn bis unter die Bruſt herab zur Mähne. Ein ſchwer zu beſchreibendes röthliches Braungrau iſt die Grundfärbung; die hinteren Theile des Bauches und die inneren Seiten der Läufe ſind weißlichgrau; die Nackenmähne iſt dunkelbraun oder ſchwarz, bei ſehr alten Thieren aber wenigſtens längs des ganzen Vorderhalfes weißgrau. Der Schwanz iſt oben dunkelbraun, unten weiß und an der Quaſte ſchwarz. Röthliche Kreiſe umgeben die Augen. Von jener Grundfärbung heben ſich ſcharf weiße Streifen ab, meiſt ſieben oder neun an der Zahl, von denen einige ſich gabeln. Sie verlaufen in gleichen Abſtänden längs der Seite von dem Rücken nach unten. Zwiſchen beiden Augen liegt ein nach der Schnauzſpitze zugekehrter, ähnlich gefärbter Halbmond. Bei dem Weibchen ſind alle Streifen ſchwächer und bläſſer; junge Thiere ſollen eine größere Anzahl derſelben zeigen als alte.
Wie es ſcheint, bewohnt der Kudu ausſchließlich den Wald, am liebſten jene in Afrika ſo häu- ſigen, dornigen Buſchwälder. Jn Habeſch zieht er die Gebirge entſchieden der Ebene vor, während er in den Barkaländern, in Kordofahn und am Kap auch in dieſer getroffen wird. Wir fanden ihn in den Bogosländern erſt in einer Höhe von mindeſtens 2000 Fuß über dem Meere und bis zu 7000 Fuß hinauf, immer an den Bergwänden, wo er zwiſchen den grünen Mimoſen majeſtä- tiſch dahin ſchritt. Die ſtarken Böcke leben einzeln; die Thiere dagegen vereinigen ſich gern in ſchwache Trupps von vier bis ſechs Stück. Südafrikaniſche Jäger wollen beobachtet haben, daß
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0571"n="541"/><fwplace="top"type="header">Der Kudu.</fw><lb/>
Hörner, den Mangel an Thränengruben und die vier Zitzen des Weibchens. Das Fell iſt oft ſehr<lb/>
eigenthümlich gezeichnet, wie ein Blick auf unſere Abbildung des Kudu zur Genüge darthut.</p><lb/><p>Einige Naturforſcher glauben, daß der im Norden wohnende <hirendition="#g">Agaſeen</hi> oder <hirendition="#g">Tedal</hi> eine<lb/>
andere Art als der eigentliche Kudu iſt; ſie ſind aber nicht im Stande, ihre Anſicht durch ſchlagende<lb/>
Belege zu beweiſen. Wir dürfen annehmen, daß der Kudu in dem größten Theile Afrikas vorkommt<lb/>
und zwar merkwürdiger Weiſe in den verſchiedenſten Oertlichkeiten, ganz nach Art unſeres Roth-<lb/>
wilds. Jn früheren Zeiten war er im Vorgebirge der guten Hoffnung häufig; jetzt iſt er dort ver-<lb/>
drängt. Noch immer aber kommt er von dem Orangfluſſe an bis nach Nordabiſſinien hinab, von hier<lb/>
durch Taka und Kordofahn bis nach dem fernen Weſten gegen Guinea hin vor.</p><lb/><p>Der Kudu iſt eine äußerſt ſtattliche und ſehr große Antilope. Unſer <hirendition="#g">Edelhirſch</hi> erſcheint ihm<lb/>
gegenüber als ein wahrer Zwerg und ſelbſt der <hirendition="#g">Elch</hi> dürfte ihm in der Größe noch nicht gleichkom-<lb/>
men. Erwachſene Männchen meſſen von der Naſe bis zur Spitze des 1½ Fuß langen Schwanzes<lb/>
zehn volle Fuß. Das Weibchen iſt immer bedeutend kleiner; doch maß ein von mir unterſuchtes<lb/>
Altthier immer noch ſeine acht Fuß in der Länge und faſt fünf Fuß Höhe am Widerriſt. Aber nicht<lb/>
blos die Größe zeichnet dieſe Antilope aus, ſondern auch die ſchöne Geſtalt, das wirklich prachtvolle<lb/>
Gehörn und endlich die feine Zeichnung des Felles. Hinſichtlich des Leibesbaues erinnert der Kudu in<lb/>
vieler Hinſicht an den Hirſch. Der Leib iſt unterſetzt, der Hals mittellang, der Kopf ziemlich kurz, an<lb/>
der Stirn breit, vorn zugeſpitzt; die Oberlippe iſt behaart bis auf die Furche; die Augen ſind groß, die<lb/>
Ohren länger als der halbe Kopf. Jhm verleiht das Gehörn einen herrlichen Schmuck. Es gehört zu<lb/>
den größten, welche irgend eine Antilope trägt. Schon bei mittelalten Böcken meſſen die einzelnen Stan-<lb/>
gen in gerader Linie von der Spitze zur Wurzel über zwei Fuß, bei ſehr alten aber erreichen ſie beinahe<lb/>
das Doppelte dieſer Länge. Man begreift wirklich kaum, wie das Thier im Stande iſt, die Laſt des Kopf-<lb/>ſchmuckes zu ſchleppen, oder, wie es ihm möglich wird, mit ſolchen Hörnern durch das Dickicht eines<lb/>
Buſchwaldes zu flüchten. Von der Wurzel aus richtet ſich das Gehörn ſchief nach hinten und mehr<lb/>
oder weniger weit nach auswärts. Bei einigen Gehörnen ſtehen die Spitzen drei Fuß weit von ein-<lb/>
ander. Unſere Abbildung zeigt die eigenthümlichen Schraubenwindungen der Stange: ich will nur<lb/>
bemerken, daß ſie immer an derſelben Stelle ſich finden, die erſte etwa im erſten, die zweite unge-<lb/>
fähr im zweiten Drittel der Länge. Auch die Spitzen ſind etwas ſchraubenartig nach Außen gewen-<lb/>
det, bei alten Thieren mehr als bei jungen. An der Wurzel der Hörner beginnt ein ſcharfkantiger<lb/>
Kiel, welcher in ſeinem Verlauf dem Schraubengange folgt und erſt gegen die vollkommen runde<lb/>
Spitze hin ſich verliert. Die kurze, glatt anliegende, etwas rauhe Behaarung verlängert ſich auf<lb/>
der Firſte des Halſes und Rückens, beim Bock auch an dem Kinn bis unter die Bruſt herab zur<lb/>
Mähne. Ein ſchwer zu beſchreibendes röthliches Braungrau iſt die Grundfärbung; die hinteren Theile<lb/>
des Bauches und die inneren Seiten der Läufe ſind weißlichgrau; die Nackenmähne iſt dunkelbraun<lb/>
oder ſchwarz, bei ſehr alten Thieren aber wenigſtens längs des ganzen Vorderhalfes weißgrau. Der<lb/>
Schwanz iſt oben dunkelbraun, unten weiß und an der Quaſte ſchwarz. Röthliche Kreiſe umgeben<lb/>
die Augen. Von jener Grundfärbung heben ſich ſcharf weiße Streifen ab, meiſt ſieben oder neun<lb/>
an der Zahl, von denen einige ſich gabeln. Sie verlaufen in gleichen Abſtänden längs der Seite von<lb/>
dem Rücken nach unten. Zwiſchen beiden Augen liegt ein nach der Schnauzſpitze zugekehrter, ähnlich<lb/>
gefärbter Halbmond. Bei dem Weibchen ſind alle Streifen ſchwächer und bläſſer; junge Thiere ſollen<lb/>
eine größere Anzahl derſelben zeigen als alte.</p><lb/><p>Wie es ſcheint, bewohnt der Kudu ausſchließlich den Wald, am liebſten jene in Afrika ſo häu-<lb/>ſigen, dornigen Buſchwälder. Jn Habeſch zieht er die Gebirge entſchieden der Ebene vor, während<lb/>
er in den Barkaländern, in Kordofahn und am Kap auch in dieſer getroffen wird. Wir fanden ihn<lb/>
in den Bogosländern erſt in einer Höhe von mindeſtens 2000 Fuß über dem Meere und bis zu<lb/>
7000 Fuß hinauf, <hirendition="#g">immer an den Bergwänden,</hi> wo er zwiſchen den grünen Mimoſen majeſtä-<lb/>
tiſch dahin ſchritt. Die ſtarken Böcke leben einzeln; die Thiere dagegen vereinigen ſich gern in<lb/>ſchwache Trupps von vier bis ſechs Stück. Südafrikaniſche Jäger wollen beobachtet haben, daß<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[541/0571]
Der Kudu.
Hörner, den Mangel an Thränengruben und die vier Zitzen des Weibchens. Das Fell iſt oft ſehr
eigenthümlich gezeichnet, wie ein Blick auf unſere Abbildung des Kudu zur Genüge darthut.
Einige Naturforſcher glauben, daß der im Norden wohnende Agaſeen oder Tedal eine
andere Art als der eigentliche Kudu iſt; ſie ſind aber nicht im Stande, ihre Anſicht durch ſchlagende
Belege zu beweiſen. Wir dürfen annehmen, daß der Kudu in dem größten Theile Afrikas vorkommt
und zwar merkwürdiger Weiſe in den verſchiedenſten Oertlichkeiten, ganz nach Art unſeres Roth-
wilds. Jn früheren Zeiten war er im Vorgebirge der guten Hoffnung häufig; jetzt iſt er dort ver-
drängt. Noch immer aber kommt er von dem Orangfluſſe an bis nach Nordabiſſinien hinab, von hier
durch Taka und Kordofahn bis nach dem fernen Weſten gegen Guinea hin vor.
Der Kudu iſt eine äußerſt ſtattliche und ſehr große Antilope. Unſer Edelhirſch erſcheint ihm
gegenüber als ein wahrer Zwerg und ſelbſt der Elch dürfte ihm in der Größe noch nicht gleichkom-
men. Erwachſene Männchen meſſen von der Naſe bis zur Spitze des 1½ Fuß langen Schwanzes
zehn volle Fuß. Das Weibchen iſt immer bedeutend kleiner; doch maß ein von mir unterſuchtes
Altthier immer noch ſeine acht Fuß in der Länge und faſt fünf Fuß Höhe am Widerriſt. Aber nicht
blos die Größe zeichnet dieſe Antilope aus, ſondern auch die ſchöne Geſtalt, das wirklich prachtvolle
Gehörn und endlich die feine Zeichnung des Felles. Hinſichtlich des Leibesbaues erinnert der Kudu in
vieler Hinſicht an den Hirſch. Der Leib iſt unterſetzt, der Hals mittellang, der Kopf ziemlich kurz, an
der Stirn breit, vorn zugeſpitzt; die Oberlippe iſt behaart bis auf die Furche; die Augen ſind groß, die
Ohren länger als der halbe Kopf. Jhm verleiht das Gehörn einen herrlichen Schmuck. Es gehört zu
den größten, welche irgend eine Antilope trägt. Schon bei mittelalten Böcken meſſen die einzelnen Stan-
gen in gerader Linie von der Spitze zur Wurzel über zwei Fuß, bei ſehr alten aber erreichen ſie beinahe
das Doppelte dieſer Länge. Man begreift wirklich kaum, wie das Thier im Stande iſt, die Laſt des Kopf-
ſchmuckes zu ſchleppen, oder, wie es ihm möglich wird, mit ſolchen Hörnern durch das Dickicht eines
Buſchwaldes zu flüchten. Von der Wurzel aus richtet ſich das Gehörn ſchief nach hinten und mehr
oder weniger weit nach auswärts. Bei einigen Gehörnen ſtehen die Spitzen drei Fuß weit von ein-
ander. Unſere Abbildung zeigt die eigenthümlichen Schraubenwindungen der Stange: ich will nur
bemerken, daß ſie immer an derſelben Stelle ſich finden, die erſte etwa im erſten, die zweite unge-
fähr im zweiten Drittel der Länge. Auch die Spitzen ſind etwas ſchraubenartig nach Außen gewen-
det, bei alten Thieren mehr als bei jungen. An der Wurzel der Hörner beginnt ein ſcharfkantiger
Kiel, welcher in ſeinem Verlauf dem Schraubengange folgt und erſt gegen die vollkommen runde
Spitze hin ſich verliert. Die kurze, glatt anliegende, etwas rauhe Behaarung verlängert ſich auf
der Firſte des Halſes und Rückens, beim Bock auch an dem Kinn bis unter die Bruſt herab zur
Mähne. Ein ſchwer zu beſchreibendes röthliches Braungrau iſt die Grundfärbung; die hinteren Theile
des Bauches und die inneren Seiten der Läufe ſind weißlichgrau; die Nackenmähne iſt dunkelbraun
oder ſchwarz, bei ſehr alten Thieren aber wenigſtens längs des ganzen Vorderhalfes weißgrau. Der
Schwanz iſt oben dunkelbraun, unten weiß und an der Quaſte ſchwarz. Röthliche Kreiſe umgeben
die Augen. Von jener Grundfärbung heben ſich ſcharf weiße Streifen ab, meiſt ſieben oder neun
an der Zahl, von denen einige ſich gabeln. Sie verlaufen in gleichen Abſtänden längs der Seite von
dem Rücken nach unten. Zwiſchen beiden Augen liegt ein nach der Schnauzſpitze zugekehrter, ähnlich
gefärbter Halbmond. Bei dem Weibchen ſind alle Streifen ſchwächer und bläſſer; junge Thiere ſollen
eine größere Anzahl derſelben zeigen als alte.
Wie es ſcheint, bewohnt der Kudu ausſchließlich den Wald, am liebſten jene in Afrika ſo häu-
ſigen, dornigen Buſchwälder. Jn Habeſch zieht er die Gebirge entſchieden der Ebene vor, während
er in den Barkaländern, in Kordofahn und am Kap auch in dieſer getroffen wird. Wir fanden ihn
in den Bogosländern erſt in einer Höhe von mindeſtens 2000 Fuß über dem Meere und bis zu
7000 Fuß hinauf, immer an den Bergwänden, wo er zwiſchen den grünen Mimoſen majeſtä-
tiſch dahin ſchritt. Die ſtarken Böcke leben einzeln; die Thiere dagegen vereinigen ſich gern in
ſchwache Trupps von vier bis ſechs Stück. Südafrikaniſche Jäger wollen beobachtet haben, daß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/571>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.