welches die ganze Oberseite deckt; die Unterseite und Jnnenseite der Schenkel dagegen sind weiß, und auch an der Vorderseite des Halses, unter der Kehle, steht ein weißlicher Fleck, welcher dann durch eine röthliche Querbinde von der weißen Vorderbrust geschieden wird. Sehr hübsch ist der Kopf gezeichnet. Die Stirn und die Umgebung der Augen, ein Streifen, welcher hinter den Hörnern beginnt und zwischen Augen und Ohren herabläuft, sind fahlgelbröthlich, wie Milchkaffee, die Seiten des Kopfes, ein etwa fingerbreiter Rand der Oberlippe, die Unterlippe und die Kehle pflegen lichter gelblich- weiß zu sein: der Nasenrücken dagegen ist dunkel röthlichbraun, und ein ebenso gefärbter Streifen zieht sich zu beiden Seiten bis gegen die weiße Binde herab, welche die Oberlippe begrenzt; die Stirn ist wiederum weißlich und gelbbraun gemischt, die Gegend hinter dem Gehör und der ganze Hinterkopf sind ebenfalls sehr licht gefärbt. Das Gehör ist außen mit hellfahlrothem Haar bedeckt, welches nach der Spitze hin dunkelt. Die Behaarung der Jnnenseite ist weiß. Außerdem schmückt ein kleiner, schwärzlicher Flecken auf weißem Grunde, welcher über dem Auge steht, den ohnehin so bunt gezeich- neten Kopf. Hörner und Hufe sind schwarz. Auch das kleinere und schwächere weibliche Thier ist gehörnt, die Hörner aber sind immer nur sehr klein, höchstens zwei bis drei Zoll lang, und fehlen nicht selten gänzlich. Jn der Färbung unterscheidet es sich nicht vom Bock.
Wir haben durch Richardson, Audubon, Spencer Baird und den Prinzen Mar von Wied ausführliche Berichte über die Gabelgemse erhalten und dürfen uns deshalb einer ziem- lich genauen Kenntniß des Thieres rühmen. Jch lege dem Nachfolgenden ausschließlich die Angaben des Prinzen von Wied und Audubon's zu Grunde.
Die Gabelgemse verbreitet sich weit über Nordamerika. Namentlich der Nordwesten ist ihre Heimat. Richardson fand sie noch unter dem 53. Grad der Breite, am nördlichen Arm des Seskatchewan auf, und alle Reisenden, welche Mejiko durchforschten, trafen sie dort in zahlreichen Scharen an. Neuerdings hat man sie als einen Bewohner Kaliforniens kennen gelernt. Jhre bevorzugten Wohnplätze sind die weiten Ebenen, welche uns unter dem Namen der Prairien bekannt geworden sind, und hier hauptsächlich die dürren, steinigten Strecken, obgleich sie auch in den spärlich bewaldeten Niederungen oder längs der reichen Flußufer nicht fehlt. Sie hält sich, nach anderer Antilopen Art, in Trupps und Rudeln auf. Die alten Böcke pflegen zu einsiedlern und vereinigen sich höchstens mit einigen wenigen ihres Geschlechts; die Thiere und die Jungen hingegen bilden oft förmliche Herden von dreißig, vierzig und selbst hundert Stücken, im Herbst und Winter stärkere, als im Frühling und Sommer. Diese Rudel pflegen dann die Ebenen, wo die kalten Winde sie beläftigen oder der tiefe Schnee ihnen das Aufdecken ihrer Nahrung erschwert, zu ver- lassen und dafür die Hügelkette aufzusuchen, deren Schluchten ihnen geschützte Weideplätze bieten. Gegen den Winter hin durchwandern sie weite Strecken; im Frühjahre kehren sie in kleinen Trupps wieder zu den Sommerständen zurück. Einzelne Stücke nehmen gewöhnlich ihren Stand auf kleinen Hügeln, von denen sie eine weite Ausschau haben. Hier sieht man sie beim Durch- reisen der Prairien von weitem stehen und noch häufiger liegen, vorausgesetzt natürlich, daß man mit den Sitten der Thiere vertraut ist und sie aufzufinden versteht; denn gewöhnlich sieht die Gabel- gemse den Jäger früher, als dieser sie.
Alle Reisenden stimmen überein in der Bewunderung der Schnelligkeit und Gewandtheit dieser Antilopen. Es fehlen ihnen andere Mitglieder der leichtfüßigen Familie zur Vergleichung, und des- halb dürfen wir es ihnen nicht verdenken, wenn sie den Kabri als das schnellste aller Thiere bezeichnen. Dies ist nun wohl nicht der Fall; es werden sich den Gabelgemsen auch andere Antilo- pen als ebenbürtig erweisen: unter den Thieren der Prairie aber nehmen sie, was die Bewegungs- fähigkeit anlangt, unzweifelhaft den ersten Rang ein. Sie jagen wie der Sturmwind über die Ebene und dabei mit einer Anmuth und Leichtigkeit, welche in Erstaunen setzt. Jhr Gang ist ein langsamer, etwas würdevoller Schritt; ihr Trott ist zierlich und anmuthig, ihr Galopp oder ihre Flucht leicht und unvergleichlich schnell. Sie bewegen sich längs der Hügel, bergauf oder bergab, mit derselben Ge- wandtheit und Sicherheit, wie auf der Ebene und schnellen ihre federnden Läufe so rasch nach einander
Die Gabelgemſe.
welches die ganze Oberſeite deckt; die Unterſeite und Jnnenſeite der Schenkel dagegen ſind weiß, und auch an der Vorderſeite des Halſes, unter der Kehle, ſteht ein weißlicher Fleck, welcher dann durch eine röthliche Querbinde von der weißen Vorderbruſt geſchieden wird. Sehr hübſch iſt der Kopf gezeichnet. Die Stirn und die Umgebung der Augen, ein Streifen, welcher hinter den Hörnern beginnt und zwiſchen Augen und Ohren herabläuft, ſind fahlgelbröthlich, wie Milchkaffee, die Seiten des Kopfes, ein etwa fingerbreiter Rand der Oberlippe, die Unterlippe und die Kehle pflegen lichter gelblich- weiß zu ſein: der Naſenrücken dagegen iſt dunkel röthlichbraun, und ein ebenſo gefärbter Streifen zieht ſich zu beiden Seiten bis gegen die weiße Binde herab, welche die Oberlippe begrenzt; die Stirn iſt wiederum weißlich und gelbbraun gemiſcht, die Gegend hinter dem Gehör und der ganze Hinterkopf ſind ebenfalls ſehr licht gefärbt. Das Gehör iſt außen mit hellfahlrothem Haar bedeckt, welches nach der Spitze hin dunkelt. Die Behaarung der Jnnenſeite iſt weiß. Außerdem ſchmückt ein kleiner, ſchwärzlicher Flecken auf weißem Grunde, welcher über dem Auge ſteht, den ohnehin ſo bunt gezeich- neten Kopf. Hörner und Hufe ſind ſchwarz. Auch das kleinere und ſchwächere weibliche Thier iſt gehörnt, die Hörner aber ſind immer nur ſehr klein, höchſtens zwei bis drei Zoll lang, und fehlen nicht ſelten gänzlich. Jn der Färbung unterſcheidet es ſich nicht vom Bock.
Wir haben durch Richardſon, Audubon, Spencer Baird und den Prinzen Mar von Wied ausführliche Berichte über die Gabelgemſe erhalten und dürfen uns deshalb einer ziem- lich genauen Kenntniß des Thieres rühmen. Jch lege dem Nachfolgenden ausſchließlich die Angaben des Prinzen von Wied und Audubon’s zu Grunde.
Die Gabelgemſe verbreitet ſich weit über Nordamerika. Namentlich der Nordweſten iſt ihre Heimat. Richardſon fand ſie noch unter dem 53. Grad der Breite, am nördlichen Arm des Seskatchewan auf, und alle Reiſenden, welche Mejiko durchforſchten, trafen ſie dort in zahlreichen Scharen an. Neuerdings hat man ſie als einen Bewohner Kaliforniens kennen gelernt. Jhre bevorzugten Wohnplätze ſind die weiten Ebenen, welche uns unter dem Namen der Prairien bekannt geworden ſind, und hier hauptſächlich die dürren, ſteinigten Strecken, obgleich ſie auch in den ſpärlich bewaldeten Niederungen oder längs der reichen Flußufer nicht fehlt. Sie hält ſich, nach anderer Antilopen Art, in Trupps und Rudeln auf. Die alten Böcke pflegen zu einſiedlern und vereinigen ſich höchſtens mit einigen wenigen ihres Geſchlechts; die Thiere und die Jungen hingegen bilden oft förmliche Herden von dreißig, vierzig und ſelbſt hundert Stücken, im Herbſt und Winter ſtärkere, als im Frühling und Sommer. Dieſe Rudel pflegen dann die Ebenen, wo die kalten Winde ſie beläftigen oder der tiefe Schnee ihnen das Aufdecken ihrer Nahrung erſchwert, zu ver- laſſen und dafür die Hügelkette aufzuſuchen, deren Schluchten ihnen geſchützte Weideplätze bieten. Gegen den Winter hin durchwandern ſie weite Strecken; im Frühjahre kehren ſie in kleinen Trupps wieder zu den Sommerſtänden zurück. Einzelne Stücke nehmen gewöhnlich ihren Stand auf kleinen Hügeln, von denen ſie eine weite Ausſchau haben. Hier ſieht man ſie beim Durch- reiſen der Prairien von weitem ſtehen und noch häufiger liegen, vorausgeſetzt natürlich, daß man mit den Sitten der Thiere vertraut iſt und ſie aufzufinden verſteht; denn gewöhnlich ſieht die Gabel- gemſe den Jäger früher, als dieſer ſie.
Alle Reiſenden ſtimmen überein in der Bewunderung der Schnelligkeit und Gewandtheit dieſer Antilopen. Es fehlen ihnen andere Mitglieder der leichtfüßigen Familie zur Vergleichung, und des- halb dürfen wir es ihnen nicht verdenken, wenn ſie den Kabri als das ſchnellſte aller Thiere bezeichnen. Dies iſt nun wohl nicht der Fall; es werden ſich den Gabelgemſen auch andere Antilo- pen als ebenbürtig erweiſen: unter den Thieren der Prairie aber nehmen ſie, was die Bewegungs- fähigkeit anlangt, unzweifelhaft den erſten Rang ein. Sie jagen wie der Sturmwind über die Ebene und dabei mit einer Anmuth und Leichtigkeit, welche in Erſtaunen ſetzt. Jhr Gang iſt ein langſamer, etwas würdevoller Schritt; ihr Trott iſt zierlich und anmuthig, ihr Galopp oder ihre Flucht leicht und unvergleichlich ſchnell. Sie bewegen ſich längs der Hügel, bergauf oder bergab, mit derſelben Ge- wandtheit und Sicherheit, wie auf der Ebene und ſchnellen ihre federnden Läufe ſo raſch nach einander
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[537/0567]
Die Gabelgemſe.
welches die ganze Oberſeite deckt; die Unterſeite und Jnnenſeite der Schenkel dagegen ſind weiß, und
auch an der Vorderſeite des Halſes, unter der Kehle, ſteht ein weißlicher Fleck, welcher dann durch eine
röthliche Querbinde von der weißen Vorderbruſt geſchieden wird. Sehr hübſch iſt der Kopf gezeichnet.
Die Stirn und die Umgebung der Augen, ein Streifen, welcher hinter den Hörnern beginnt und
zwiſchen Augen und Ohren herabläuft, ſind fahlgelbröthlich, wie Milchkaffee, die Seiten des Kopfes,
ein etwa fingerbreiter Rand der Oberlippe, die Unterlippe und die Kehle pflegen lichter gelblich-
weiß zu ſein: der Naſenrücken dagegen iſt dunkel röthlichbraun, und ein ebenſo gefärbter Streifen
zieht ſich zu beiden Seiten bis gegen die weiße Binde herab, welche die Oberlippe begrenzt; die Stirn
iſt wiederum weißlich und gelbbraun gemiſcht, die Gegend hinter dem Gehör und der ganze Hinterkopf
ſind ebenfalls ſehr licht gefärbt. Das Gehör iſt außen mit hellfahlrothem Haar bedeckt, welches nach
der Spitze hin dunkelt. Die Behaarung der Jnnenſeite iſt weiß. Außerdem ſchmückt ein kleiner,
ſchwärzlicher Flecken auf weißem Grunde, welcher über dem Auge ſteht, den ohnehin ſo bunt gezeich-
neten Kopf. Hörner und Hufe ſind ſchwarz. Auch das kleinere und ſchwächere weibliche Thier iſt
gehörnt, die Hörner aber ſind immer nur ſehr klein, höchſtens zwei bis drei Zoll lang, und fehlen
nicht ſelten gänzlich. Jn der Färbung unterſcheidet es ſich nicht vom Bock.
Wir haben durch Richardſon, Audubon, Spencer Baird und den Prinzen Mar
von Wied ausführliche Berichte über die Gabelgemſe erhalten und dürfen uns deshalb einer ziem-
lich genauen Kenntniß des Thieres rühmen. Jch lege dem Nachfolgenden ausſchließlich die Angaben
des Prinzen von Wied und Audubon’s zu Grunde.
Die Gabelgemſe verbreitet ſich weit über Nordamerika. Namentlich der Nordweſten iſt ihre
Heimat. Richardſon fand ſie noch unter dem 53. Grad der Breite, am nördlichen Arm
des Seskatchewan auf, und alle Reiſenden, welche Mejiko durchforſchten, trafen ſie dort in
zahlreichen Scharen an. Neuerdings hat man ſie als einen Bewohner Kaliforniens kennen gelernt.
Jhre bevorzugten Wohnplätze ſind die weiten Ebenen, welche uns unter dem Namen der Prairien
bekannt geworden ſind, und hier hauptſächlich die dürren, ſteinigten Strecken, obgleich ſie auch in
den ſpärlich bewaldeten Niederungen oder längs der reichen Flußufer nicht fehlt. Sie hält ſich, nach
anderer Antilopen Art, in Trupps und Rudeln auf. Die alten Böcke pflegen zu einſiedlern und
vereinigen ſich höchſtens mit einigen wenigen ihres Geſchlechts; die Thiere und die Jungen hingegen
bilden oft förmliche Herden von dreißig, vierzig und ſelbſt hundert Stücken, im Herbſt und Winter
ſtärkere, als im Frühling und Sommer. Dieſe Rudel pflegen dann die Ebenen, wo die kalten
Winde ſie beläftigen oder der tiefe Schnee ihnen das Aufdecken ihrer Nahrung erſchwert, zu ver-
laſſen und dafür die Hügelkette aufzuſuchen, deren Schluchten ihnen geſchützte Weideplätze bieten.
Gegen den Winter hin durchwandern ſie weite Strecken; im Frühjahre kehren ſie in kleinen
Trupps wieder zu den Sommerſtänden zurück. Einzelne Stücke nehmen gewöhnlich ihren Stand
auf kleinen Hügeln, von denen ſie eine weite Ausſchau haben. Hier ſieht man ſie beim Durch-
reiſen der Prairien von weitem ſtehen und noch häufiger liegen, vorausgeſetzt natürlich, daß man
mit den Sitten der Thiere vertraut iſt und ſie aufzufinden verſteht; denn gewöhnlich ſieht die Gabel-
gemſe den Jäger früher, als dieſer ſie.
Alle Reiſenden ſtimmen überein in der Bewunderung der Schnelligkeit und Gewandtheit dieſer
Antilopen. Es fehlen ihnen andere Mitglieder der leichtfüßigen Familie zur Vergleichung, und des-
halb dürfen wir es ihnen nicht verdenken, wenn ſie den Kabri als das ſchnellſte aller Thiere
bezeichnen. Dies iſt nun wohl nicht der Fall; es werden ſich den Gabelgemſen auch andere Antilo-
pen als ebenbürtig erweiſen: unter den Thieren der Prairie aber nehmen ſie, was die Bewegungs-
fähigkeit anlangt, unzweifelhaft den erſten Rang ein. Sie jagen wie der Sturmwind über die Ebene
und dabei mit einer Anmuth und Leichtigkeit, welche in Erſtaunen ſetzt. Jhr Gang iſt ein langſamer,
etwas würdevoller Schritt; ihr Trott iſt zierlich und anmuthig, ihr Galopp oder ihre Flucht leicht
und unvergleichlich ſchnell. Sie bewegen ſich längs der Hügel, bergauf oder bergab, mit derſelben Ge-
wandtheit und Sicherheit, wie auf der Ebene und ſchnellen ihre federnden Läufe ſo raſch nach einander
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/567>, abgerufen am 16.07.2024.
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