Die Antilopen. -- Zwergböckchen. Der Beni Jsrael oder Atro.
Buschwälder emporsteigen, um sich an höheren Aesten zu äßen. Mir hat diese Angabe durchaus nichts Auffallendes, weil ich das Baumklettern der Wiederkäuer wiederholt und zwar von den kleinen Ziegen des Jnneren Afrikas gesehen habe.
Auch der Beni Jsrael schlägt sich, wie die Gazelle, seichte Kessel aus, in denen er seine Losung absetzt. Diese, in Gestalt, Größe und Farbe Hasenschroten gleich, gibt dem Jäger ebenfalls den sichersten Anhaltspunkt zu der nicht unwichtigen Bestimmung, ob das Pärchen, von welchem der Kessel herrührt, noch zu finden sein wird oder bereits getödtet, bezüglich vertrieben wurde. Gewöhn- lich findet sich ein solcher Abort der reinlichen Thiere zwischen zwei dichteren Büschen, unweit der Laube, welche den Lieblingsaufenthalt bildet.
Ueber die Fortpflanzung der Zwergantilope sind bisher nur sehr dürftige Angaben gemacht worden. Auch ich erfuhr wenig. Wann das Zwergböckchen Abissiniens auf die Brunst tritt, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, ebensowenig auch, wie lange das Thier hochbeschlagen geht. Ein abissinischer Jäger erzählte mir, daß zur Zeit der Brunst, welche zu Ende der großen Regenzeit fal- len soll, die Böcke ihre Hörnchen, so klein diese auch sind, mit großer Wuth und viel Nachdruck zu gebrauchen wissen; doch muß ich hierbei wiederholen, daß die Abissinier nicht eben die zuverlässigsten Erzähler sind, weil sie den Leuten gar zu gern nach dem Munde reden, alle Fragen ohne weiteres bejahen und die Antwort auch noch mit hübschen Geschichtchen ausschmücken. Unter den Hunderten der Beni Jsrael, welche ich sah, habe ich auch nicht einen einzigen überzähligen Bock beobachtet. Ueberall und immer bemerkte ich nur Pärchen: -- woher sollen also die Kämpfer kommen? Ehren- berg gibt den Monat Mai als Satzzeit des Beni Jsrael an; ich habe aber bereits im März und häufiger im April Junge bei den Pärchen gesehen. Jn der zweiten Hälfte des März waren fast alle Ricken, welche ich, zu meinem größten Bedauern, erlegte, hochbeschlagen; im April sah ich die Pär- chen mit ihren Sprößlingen und erhielt selbst ein vor wenig Tagen gesetztes Kälbchen.
Es scheint, daß in Habesch nur die jungen, eben gesetzten und noch unbehilflichen Beni Jsrael gefangen werden; wenigstens konnte ich, ohngeachtet meiner Bemühungen, erwachsene Thiere nicht erhalten. Die Kaffern dagegen legen ihren Zwergböckchen Schlingen in den Weg, welche durch einen der Läufe der Antilopen zugezogen werden, oder stellen ihnen, wenn es ihnen nur um das Wildpret zu thun ist, solche, welche ein Schnellgalgen zuschnürt. Man biegt zu diesem Ende einen Baum um, bindet an ihn die Schlinge, stellt sie in einen der leicht erkenntlichen Gänge im dichten Gebüsch und richtet einen Pflock so, daß er von dem laufenden Wilde weggestoßen wird. Der Hals desselben steckt dann bereits in der Schlinge; der Baum richtet sich plötzlich auf, der arme Schelm baumelt und ist nach ein Paar Minuten eine Leiche.
Wenn man erst die Sitten des Beni Jsrael kennen gelernt hat, ist seine Jagd ebenso einfach als ergiebig. Zwei Jäger brauchen sich keine große Mühe zu geben. Der Eine folgt dem satzweise dahinflüchtenden Pärchen, der Andere bleibt dort stehen, von wo es aufging. Oft genug kommt der Verfolgende zum Schuß, sicher Der, welcher sich anstellt. Jst die Jagdgesellschaft größer, so bildet sie einen einfachen Halbmond und läßt durch Treiber oder durch Hunde den Buschrand an beiden Ufern des Regenstroms absuchen. Nach einigen Schüssen geht der Beni Jsrael dann regelmäßig rückwärts und muß die Schützenlinie kreuzen. An Orten, wo er noch keine Nachstellungen erfuhr, bleibt er häufig ruhig auf den Blößen in der Dickung stehen, vielleicht, weil er seine Gleichfärbigkeit mit der Umgebung zu hoch schätzt. Jm Anfang meiner Jagden gebrauchte ich die Büchse, später das Schrotgewehr, und dieses ist auch die einzige geeignete Waffe zur Jagd unseres Thierchens. Ganz abgesehen, daß der Zwerg, wenn er selbst nur auf 70 oder 80 Schritte draußen steht, mit der Büchse schon auf das Korn genommen sein will, hat der Jäger selten Freude, wenn er seine Lieb- lingswaffe benutzte; denn die Kugel reißt fast regelmäßig ein so ungeheures Loch in den kleinen Kör- per, daß er das erlegte Wild nicht gern mehr ansehen mag. Das Schrotgewehr kommt übrigens auch zu seinem Rechte; denn eine in voller Flucht dahinjagende Zwergantilope ist vor jedem Sonntags- schützen sicher: sie verlangt ein sehr gutes Auge und eine geübte Hand. Zudem wimmeln dieselben
Die Antilopen. — Zwergböckchen. Der Beni Jſrael oder Atro.
Buſchwälder emporſteigen, um ſich an höheren Aeſten zu äßen. Mir hat dieſe Angabe durchaus nichts Auffallendes, weil ich das Baumklettern der Wiederkäuer wiederholt und zwar von den kleinen Ziegen des Jnneren Afrikas geſehen habe.
Auch der Beni Jſrael ſchlägt ſich, wie die Gazelle, ſeichte Keſſel aus, in denen er ſeine Loſung abſetzt. Dieſe, in Geſtalt, Größe und Farbe Haſenſchroten gleich, gibt dem Jäger ebenfalls den ſicherſten Anhaltspunkt zu der nicht unwichtigen Beſtimmung, ob das Pärchen, von welchem der Keſſel herrührt, noch zu finden ſein wird oder bereits getödtet, bezüglich vertrieben wurde. Gewöhn- lich findet ſich ein ſolcher Abort der reinlichen Thiere zwiſchen zwei dichteren Büſchen, unweit der Laube, welche den Lieblingsaufenthalt bildet.
Ueber die Fortpflanzung der Zwergantilope ſind bisher nur ſehr dürftige Angaben gemacht worden. Auch ich erfuhr wenig. Wann das Zwergböckchen Abiſſiniens auf die Brunſt tritt, kann ich nicht mit Beſtimmtheit ſagen, ebenſowenig auch, wie lange das Thier hochbeſchlagen geht. Ein abiſſiniſcher Jäger erzählte mir, daß zur Zeit der Brunſt, welche zu Ende der großen Regenzeit fal- len ſoll, die Böcke ihre Hörnchen, ſo klein dieſe auch ſind, mit großer Wuth und viel Nachdruck zu gebrauchen wiſſen; doch muß ich hierbei wiederholen, daß die Abiſſinier nicht eben die zuverläſſigſten Erzähler ſind, weil ſie den Leuten gar zu gern nach dem Munde reden, alle Fragen ohne weiteres bejahen und die Antwort auch noch mit hübſchen Geſchichtchen ausſchmücken. Unter den Hunderten der Beni Jſrael, welche ich ſah, habe ich auch nicht einen einzigen überzähligen Bock beobachtet. Ueberall und immer bemerkte ich nur Pärchen: — woher ſollen alſo die Kämpfer kommen? Ehren- berg gibt den Monat Mai als Satzzeit des Beni Jſrael an; ich habe aber bereits im März und häufiger im April Junge bei den Pärchen geſehen. Jn der zweiten Hälfte des März waren faſt alle Ricken, welche ich, zu meinem größten Bedauern, erlegte, hochbeſchlagen; im April ſah ich die Pär- chen mit ihren Sprößlingen und erhielt ſelbſt ein vor wenig Tagen geſetztes Kälbchen.
Es ſcheint, daß in Habeſch nur die jungen, eben geſetzten und noch unbehilflichen Beni Jſrael gefangen werden; wenigſtens konnte ich, ohngeachtet meiner Bemühungen, erwachſene Thiere nicht erhalten. Die Kaffern dagegen legen ihren Zwergböckchen Schlingen in den Weg, welche durch einen der Läufe der Antilopen zugezogen werden, oder ſtellen ihnen, wenn es ihnen nur um das Wildpret zu thun iſt, ſolche, welche ein Schnellgalgen zuſchnürt. Man biegt zu dieſem Ende einen Baum um, bindet an ihn die Schlinge, ſtellt ſie in einen der leicht erkenntlichen Gänge im dichten Gebüſch und richtet einen Pflock ſo, daß er von dem laufenden Wilde weggeſtoßen wird. Der Hals deſſelben ſteckt dann bereits in der Schlinge; der Baum richtet ſich plötzlich auf, der arme Schelm baumelt und iſt nach ein Paar Minuten eine Leiche.
Wenn man erſt die Sitten des Beni Jſrael kennen gelernt hat, iſt ſeine Jagd ebenſo einfach als ergiebig. Zwei Jäger brauchen ſich keine große Mühe zu geben. Der Eine folgt dem ſatzweiſe dahinflüchtenden Pärchen, der Andere bleibt dort ſtehen, von wo es aufging. Oft genug kommt der Verfolgende zum Schuß, ſicher Der, welcher ſich anſtellt. Jſt die Jagdgeſellſchaft größer, ſo bildet ſie einen einfachen Halbmond und läßt durch Treiber oder durch Hunde den Buſchrand an beiden Ufern des Regenſtroms abſuchen. Nach einigen Schüſſen geht der Beni Jſrael dann regelmäßig rückwärts und muß die Schützenlinie kreuzen. An Orten, wo er noch keine Nachſtellungen erfuhr, bleibt er häufig ruhig auf den Blößen in der Dickung ſtehen, vielleicht, weil er ſeine Gleichfärbigkeit mit der Umgebung zu hoch ſchätzt. Jm Anfang meiner Jagden gebrauchte ich die Büchſe, ſpäter das Schrotgewehr, und dieſes iſt auch die einzige geeignete Waffe zur Jagd unſeres Thierchens. Ganz abgeſehen, daß der Zwerg, wenn er ſelbſt nur auf 70 oder 80 Schritte draußen ſteht, mit der Büchſe ſchon auf das Korn genommen ſein will, hat der Jäger ſelten Freude, wenn er ſeine Lieb- lingswaffe benutzte; denn die Kugel reißt faſt regelmäßig ein ſo ungeheures Loch in den kleinen Kör- per, daß er das erlegte Wild nicht gern mehr anſehen mag. Das Schrotgewehr kommt übrigens auch zu ſeinem Rechte; denn eine in voller Flucht dahinjagende Zwergantilope iſt vor jedem Sonntags- ſchützen ſicher: ſie verlangt ein ſehr gutes Auge und eine geübte Hand. Zudem wimmeln dieſelben
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Die Antilopen. — Zwergböckchen. Der Beni Jſrael oder Atro.
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nichts Auffallendes, weil ich das Baumklettern der Wiederkäuer wiederholt und zwar von den kleinen
Ziegen des Jnneren Afrikas geſehen habe.
Auch der Beni Jſrael ſchlägt ſich, wie die Gazelle, ſeichte Keſſel aus, in denen er ſeine Loſung
abſetzt. Dieſe, in Geſtalt, Größe und Farbe Haſenſchroten gleich, gibt dem Jäger ebenfalls den
ſicherſten Anhaltspunkt zu der nicht unwichtigen Beſtimmung, ob das Pärchen, von welchem der
Keſſel herrührt, noch zu finden ſein wird oder bereits getödtet, bezüglich vertrieben wurde. Gewöhn-
lich findet ſich ein ſolcher Abort der reinlichen Thiere zwiſchen zwei dichteren Büſchen, unweit der
Laube, welche den Lieblingsaufenthalt bildet.
Ueber die Fortpflanzung der Zwergantilope ſind bisher nur ſehr dürftige Angaben gemacht worden.
Auch ich erfuhr wenig. Wann das Zwergböckchen Abiſſiniens auf die Brunſt tritt, kann ich
nicht mit Beſtimmtheit ſagen, ebenſowenig auch, wie lange das Thier hochbeſchlagen geht. Ein
abiſſiniſcher Jäger erzählte mir, daß zur Zeit der Brunſt, welche zu Ende der großen Regenzeit fal-
len ſoll, die Böcke ihre Hörnchen, ſo klein dieſe auch ſind, mit großer Wuth und viel Nachdruck zu
gebrauchen wiſſen; doch muß ich hierbei wiederholen, daß die Abiſſinier nicht eben die zuverläſſigſten
Erzähler ſind, weil ſie den Leuten gar zu gern nach dem Munde reden, alle Fragen ohne weiteres
bejahen und die Antwort auch noch mit hübſchen Geſchichtchen ausſchmücken. Unter den Hunderten
der Beni Jſrael, welche ich ſah, habe ich auch nicht einen einzigen überzähligen Bock beobachtet.
Ueberall und immer bemerkte ich nur Pärchen: — woher ſollen alſo die Kämpfer kommen? Ehren-
berg gibt den Monat Mai als Satzzeit des Beni Jſrael an; ich habe aber bereits im März und
häufiger im April Junge bei den Pärchen geſehen. Jn der zweiten Hälfte des März waren faſt alle
Ricken, welche ich, zu meinem größten Bedauern, erlegte, hochbeſchlagen; im April ſah ich die Pär-
chen mit ihren Sprößlingen und erhielt ſelbſt ein vor wenig Tagen geſetztes Kälbchen.
Es ſcheint, daß in Habeſch nur die jungen, eben geſetzten und noch unbehilflichen Beni Jſrael
gefangen werden; wenigſtens konnte ich, ohngeachtet meiner Bemühungen, erwachſene Thiere nicht
erhalten. Die Kaffern dagegen legen ihren Zwergböckchen Schlingen in den Weg, welche durch einen
der Läufe der Antilopen zugezogen werden, oder ſtellen ihnen, wenn es ihnen nur um das Wildpret
zu thun iſt, ſolche, welche ein Schnellgalgen zuſchnürt. Man biegt zu dieſem Ende einen Baum um,
bindet an ihn die Schlinge, ſtellt ſie in einen der leicht erkenntlichen Gänge im dichten Gebüſch und
richtet einen Pflock ſo, daß er von dem laufenden Wilde weggeſtoßen wird. Der Hals deſſelben ſteckt
dann bereits in der Schlinge; der Baum richtet ſich plötzlich auf, der arme Schelm baumelt und iſt
nach ein Paar Minuten eine Leiche.
Wenn man erſt die Sitten des Beni Jſrael kennen gelernt hat, iſt ſeine Jagd ebenſo einfach
als ergiebig. Zwei Jäger brauchen ſich keine große Mühe zu geben. Der Eine folgt dem ſatzweiſe
dahinflüchtenden Pärchen, der Andere bleibt dort ſtehen, von wo es aufging. Oft genug kommt der
Verfolgende zum Schuß, ſicher Der, welcher ſich anſtellt. Jſt die Jagdgeſellſchaft größer, ſo bildet
ſie einen einfachen Halbmond und läßt durch Treiber oder durch Hunde den Buſchrand an beiden
Ufern des Regenſtroms abſuchen. Nach einigen Schüſſen geht der Beni Jſrael dann regelmäßig
rückwärts und muß die Schützenlinie kreuzen. An Orten, wo er noch keine Nachſtellungen erfuhr,
bleibt er häufig ruhig auf den Blößen in der Dickung ſtehen, vielleicht, weil er ſeine Gleichfärbigkeit
mit der Umgebung zu hoch ſchätzt. Jm Anfang meiner Jagden gebrauchte ich die Büchſe, ſpäter das
Schrotgewehr, und dieſes iſt auch die einzige geeignete Waffe zur Jagd unſeres Thierchens. Ganz
abgeſehen, daß der Zwerg, wenn er ſelbſt nur auf 70 oder 80 Schritte draußen ſteht, mit der
Büchſe ſchon auf das Korn genommen ſein will, hat der Jäger ſelten Freude, wenn er ſeine Lieb-
lingswaffe benutzte; denn die Kugel reißt faſt regelmäßig ein ſo ungeheures Loch in den kleinen Kör-
per, daß er das erlegte Wild nicht gern mehr anſehen mag. Das Schrotgewehr kommt übrigens auch
zu ſeinem Rechte; denn eine in voller Flucht dahinjagende Zwergantilope iſt vor jedem Sonntags-
ſchützen ſicher: ſie verlangt ein ſehr gutes Auge und eine geübte Hand. Zudem wimmeln dieſelben
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/548>, abgerufen am 23.11.2024.
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