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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Der eigentliche Springbock.
derttausenden der wandernden Antilopen gehen täglich soviel zu Grunde an Nahrungsmangel, daß
alle die Räuber genug zu fressen haben.

Noch wird erwähnt, daß beständig der Vor- und Nachtrab wechselt. Die, welche den Haufen
anführen, sinden selbstverständlich mehr Nahrung als Die, welche da weiden wollen, wo schon
Tausende vor ihnen sich gesättigt haben. Jene erwerben sich also ihr tägliches Brod mit leichter
Mühe und werden feist und faul. Damit ist aber ihre gute Zeit vorbei; denn jetzt drängen sich
die Hungrigeren mit Macht vor, und mehr und mehr bleiben die Gemästeten zurück, bis sie an das
Ende des Zuges gelangen. Einige Tage der Neise und des Mangels spornen sie dann wieder an,
sich ihre Stelle im Vortrab von neuem zu erobern, und so findet ein ewig Hin- und Herwogen in
der Herde statt.

Der Springbock hat von den Ansiedlern seinen Namen mit Recht erhalten. Er kann außer-
ordentliche Sprünge thun, wenn er verfolgt wird, zumal wenn Hunde ihn hetzen. Bei solchen Ge-
legenheiten flüchtet die ganze Herde und macht eine Reihe seltsamer, senkrechter Sprünge, indem sie
sich mit gekrümmten Läufen hoch in die Lüfte erheben und gleichzeitig das schneeweiße und lange
Haarkleid längs des Rückens flattern läßt, hierdurch ein wahrhaft feenhaftes Ansehen erlangend,
welches sie von jedem anderen Thiere unterscheidet. Sie springen zuweilen 10 bis 12 Fuß hoch und
mit jedem Sprunge über 12 bis 15 Fuß weit, ohne daß es ihnen die geringste Anstrengung zu kosten
scheint. Bei Ausführung dieses Sprunges scheinen sie einen Augenblick lang gleichsam in der Luft
zu schweben, kommen dann mit allen vier Füßen zugleich herunter, schlagen auf den Boden auf und
steigen wieder in die Höhe, als ob sie davonfliegen wollten. Sie bewegen sich jedoch nur einige hun-
dert Schritte weit; dann fallen sie in einen leichten, federnden Trab, und neigen ihren schön geform-
ten Hals und die Nase auf den Boden. Wenn sie einen Feind erblicken, machen sie plötzlich Halt,
drehen sich herum und fassen einen Gegenstand des Schreckens ins Auge. Kommen sie an einen Weg
oder eine Fahrstraße, die vor Kurzem von Menschen betreten wurde, so setzen sie mit einem einzigen
Satze darüber hinweg, und wenn eine Herde von vielleicht vielen Tausenden einen derartigen Weg
verfolgt, gewährt sie einen überaus schönen Anblick, weil jeder einzelne Bock den kühnen Sprung thut:
so mißtrauisch sind sie gegen den Boden, den ihr Feind, der Mensch, betreten hat. Auf ähnliche
Weise springen sie, wenn sie auf der Windseite eines Löwen oder irgend eines anderen Thieres vor-
beikommen, vor welchem sie eine angeborene Furcht hegen.

Die Vaccalaharikaffern, denen diese wandernden Herden Nahrung in Hülle und Fülle bringen
und eine Reihe von Festtagen gewähren, zünden der Springböcke wegen vor der Regenzeit immer
große Strecken der Steppe an, damit hier um so leichter ein frischer grüner Teppich von saftigem
Grase sich über die verbrannte Erde legen möge, den Böcken ein höchst willkommener Weideplatz.
Selten gewahrt man die Thiere in dem hohen, schilfartigen Grase, welches so große Strecken ihrer
Heimat überzieht. Sie sind entschiedene Liebhaber der zartesten Pflanzen und kommen zu solchen
frischgrünen Orten von weit hergezogen, dem Menschen dann reiche Beute versprechend.

Jung aufgezogene Springböcke werden bald sehr zahm. Buffon erzählt von einem, welcher
das Brod aus der Hand nahm. Diejenigen, welche ich sah und bezüglich pflegte, waren schen
und vorsichtig Fremden gegenüber, zeigten sich aber muthwillig und stoßlustig, wenn sie es mit
Bekannten zu thun hatten. Mehrere zusammen in einem Raume vertragen sich nicht immer; zu-
mal die Böcke sind zänkische Gesellen, welche selbst die Ricken quälen oder mindestens plagen. Ab-
gesehen von dieser Unfriedfertigkeit, sind die gefangenen Springböcke reizende Erscheinungen. Jhr
weiches, farbenprächtiges Kleid, ihre anmuthige Gestalt und die Zierlichkeit ihrer Bewegungen fes-
seln auch dann noch Jedermann, wenn die Thiere im engen Raum des Geheges eigentlich gar
nicht zur Geltung kommen. Leider gelangen nur wenige lebende Springböcke zu uns. Die lange
Seereise raubt mehr als die Hälfte von denen, welche am Kap eingeschifft werden; das Klima
und noch mehr die so vielen Antilopen entsetzliche Enge des Aufenthaltsortes, welchen man ihnen

Der eigentliche Springbock.
derttauſenden der wandernden Antilopen gehen täglich ſoviel zu Grunde an Nahrungsmangel, daß
alle die Räuber genug zu freſſen haben.

Noch wird erwähnt, daß beſtändig der Vor- und Nachtrab wechſelt. Die, welche den Haufen
anführen, ſinden ſelbſtverſtändlich mehr Nahrung als Die, welche da weiden wollen, wo ſchon
Tauſende vor ihnen ſich geſättigt haben. Jene erwerben ſich alſo ihr tägliches Brod mit leichter
Mühe und werden feiſt und faul. Damit iſt aber ihre gute Zeit vorbei; denn jetzt drängen ſich
die Hungrigeren mit Macht vor, und mehr und mehr bleiben die Gemäſteten zurück, bis ſie an das
Ende des Zuges gelangen. Einige Tage der Neiſe und des Mangels ſpornen ſie dann wieder an,
ſich ihre Stelle im Vortrab von neuem zu erobern, und ſo findet ein ewig Hin- und Herwogen in
der Herde ſtatt.

Der Springbock hat von den Anſiedlern ſeinen Namen mit Recht erhalten. Er kann außer-
ordentliche Sprünge thun, wenn er verfolgt wird, zumal wenn Hunde ihn hetzen. Bei ſolchen Ge-
legenheiten flüchtet die ganze Herde und macht eine Reihe ſeltſamer, ſenkrechter Sprünge, indem ſie
ſich mit gekrümmten Läufen hoch in die Lüfte erheben und gleichzeitig das ſchneeweiße und lange
Haarkleid längs des Rückens flattern läßt, hierdurch ein wahrhaft feenhaftes Anſehen erlangend,
welches ſie von jedem anderen Thiere unterſcheidet. Sie ſpringen zuweilen 10 bis 12 Fuß hoch und
mit jedem Sprunge über 12 bis 15 Fuß weit, ohne daß es ihnen die geringſte Anſtrengung zu koſten
ſcheint. Bei Ausführung dieſes Sprunges ſcheinen ſie einen Augenblick lang gleichſam in der Luft
zu ſchweben, kommen dann mit allen vier Füßen zugleich herunter, ſchlagen auf den Boden auf und
ſteigen wieder in die Höhe, als ob ſie davonfliegen wollten. Sie bewegen ſich jedoch nur einige hun-
dert Schritte weit; dann fallen ſie in einen leichten, federnden Trab, und neigen ihren ſchön geform-
ten Hals und die Naſe auf den Boden. Wenn ſie einen Feind erblicken, machen ſie plötzlich Halt,
drehen ſich herum und faſſen einen Gegenſtand des Schreckens ins Auge. Kommen ſie an einen Weg
oder eine Fahrſtraße, die vor Kurzem von Menſchen betreten wurde, ſo ſetzen ſie mit einem einzigen
Satze darüber hinweg, und wenn eine Herde von vielleicht vielen Tauſenden einen derartigen Weg
verfolgt, gewährt ſie einen überaus ſchönen Anblick, weil jeder einzelne Bock den kühnen Sprung thut:
ſo mißtrauiſch ſind ſie gegen den Boden, den ihr Feind, der Menſch, betreten hat. Auf ähnliche
Weiſe ſpringen ſie, wenn ſie auf der Windſeite eines Löwen oder irgend eines anderen Thieres vor-
beikommen, vor welchem ſie eine angeborene Furcht hegen.

Die Vaccalaharikaffern, denen dieſe wandernden Herden Nahrung in Hülle und Fülle bringen
und eine Reihe von Feſttagen gewähren, zünden der Springböcke wegen vor der Regenzeit immer
große Strecken der Steppe an, damit hier um ſo leichter ein friſcher grüner Teppich von ſaftigem
Graſe ſich über die verbrannte Erde legen möge, den Böcken ein höchſt willkommener Weideplatz.
Selten gewahrt man die Thiere in dem hohen, ſchilfartigen Graſe, welches ſo große Strecken ihrer
Heimat überzieht. Sie ſind entſchiedene Liebhaber der zarteſten Pflanzen und kommen zu ſolchen
friſchgrünen Orten von weit hergezogen, dem Menſchen dann reiche Beute verſprechend.

Jung aufgezogene Springböcke werden bald ſehr zahm. Buffon erzählt von einem, welcher
das Brod aus der Hand nahm. Diejenigen, welche ich ſah und bezüglich pflegte, waren ſchen
und vorſichtig Fremden gegenüber, zeigten ſich aber muthwillig und ſtoßluſtig, wenn ſie es mit
Bekannten zu thun hatten. Mehrere zuſammen in einem Raume vertragen ſich nicht immer; zu-
mal die Böcke ſind zänkiſche Geſellen, welche ſelbſt die Ricken quälen oder mindeſtens plagen. Ab-
geſehen von dieſer Unfriedfertigkeit, ſind die gefangenen Springböcke reizende Erſcheinungen. Jhr
weiches, farbenprächtiges Kleid, ihre anmuthige Geſtalt und die Zierlichkeit ihrer Bewegungen feſ-
ſeln auch dann noch Jedermann, wenn die Thiere im engen Raum des Geheges eigentlich gar
nicht zur Geltung kommen. Leider gelangen nur wenige lebende Springböcke zu uns. Die lange
Seereiſe raubt mehr als die Hälfte von denen, welche am Kap eingeſchifft werden; das Klima
und noch mehr die ſo vielen Antilopen entſetzliche Enge des Aufenthaltsortes, welchen man ihnen

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[511/0541] Der eigentliche Springbock. derttauſenden der wandernden Antilopen gehen täglich ſoviel zu Grunde an Nahrungsmangel, daß alle die Räuber genug zu freſſen haben. Noch wird erwähnt, daß beſtändig der Vor- und Nachtrab wechſelt. Die, welche den Haufen anführen, ſinden ſelbſtverſtändlich mehr Nahrung als Die, welche da weiden wollen, wo ſchon Tauſende vor ihnen ſich geſättigt haben. Jene erwerben ſich alſo ihr tägliches Brod mit leichter Mühe und werden feiſt und faul. Damit iſt aber ihre gute Zeit vorbei; denn jetzt drängen ſich die Hungrigeren mit Macht vor, und mehr und mehr bleiben die Gemäſteten zurück, bis ſie an das Ende des Zuges gelangen. Einige Tage der Neiſe und des Mangels ſpornen ſie dann wieder an, ſich ihre Stelle im Vortrab von neuem zu erobern, und ſo findet ein ewig Hin- und Herwogen in der Herde ſtatt. Der Springbock hat von den Anſiedlern ſeinen Namen mit Recht erhalten. Er kann außer- ordentliche Sprünge thun, wenn er verfolgt wird, zumal wenn Hunde ihn hetzen. Bei ſolchen Ge- legenheiten flüchtet die ganze Herde und macht eine Reihe ſeltſamer, ſenkrechter Sprünge, indem ſie ſich mit gekrümmten Läufen hoch in die Lüfte erheben und gleichzeitig das ſchneeweiße und lange Haarkleid längs des Rückens flattern läßt, hierdurch ein wahrhaft feenhaftes Anſehen erlangend, welches ſie von jedem anderen Thiere unterſcheidet. Sie ſpringen zuweilen 10 bis 12 Fuß hoch und mit jedem Sprunge über 12 bis 15 Fuß weit, ohne daß es ihnen die geringſte Anſtrengung zu koſten ſcheint. Bei Ausführung dieſes Sprunges ſcheinen ſie einen Augenblick lang gleichſam in der Luft zu ſchweben, kommen dann mit allen vier Füßen zugleich herunter, ſchlagen auf den Boden auf und ſteigen wieder in die Höhe, als ob ſie davonfliegen wollten. Sie bewegen ſich jedoch nur einige hun- dert Schritte weit; dann fallen ſie in einen leichten, federnden Trab, und neigen ihren ſchön geform- ten Hals und die Naſe auf den Boden. Wenn ſie einen Feind erblicken, machen ſie plötzlich Halt, drehen ſich herum und faſſen einen Gegenſtand des Schreckens ins Auge. Kommen ſie an einen Weg oder eine Fahrſtraße, die vor Kurzem von Menſchen betreten wurde, ſo ſetzen ſie mit einem einzigen Satze darüber hinweg, und wenn eine Herde von vielleicht vielen Tauſenden einen derartigen Weg verfolgt, gewährt ſie einen überaus ſchönen Anblick, weil jeder einzelne Bock den kühnen Sprung thut: ſo mißtrauiſch ſind ſie gegen den Boden, den ihr Feind, der Menſch, betreten hat. Auf ähnliche Weiſe ſpringen ſie, wenn ſie auf der Windſeite eines Löwen oder irgend eines anderen Thieres vor- beikommen, vor welchem ſie eine angeborene Furcht hegen. Die Vaccalaharikaffern, denen dieſe wandernden Herden Nahrung in Hülle und Fülle bringen und eine Reihe von Feſttagen gewähren, zünden der Springböcke wegen vor der Regenzeit immer große Strecken der Steppe an, damit hier um ſo leichter ein friſcher grüner Teppich von ſaftigem Graſe ſich über die verbrannte Erde legen möge, den Böcken ein höchſt willkommener Weideplatz. Selten gewahrt man die Thiere in dem hohen, ſchilfartigen Graſe, welches ſo große Strecken ihrer Heimat überzieht. Sie ſind entſchiedene Liebhaber der zarteſten Pflanzen und kommen zu ſolchen friſchgrünen Orten von weit hergezogen, dem Menſchen dann reiche Beute verſprechend. Jung aufgezogene Springböcke werden bald ſehr zahm. Buffon erzählt von einem, welcher das Brod aus der Hand nahm. Diejenigen, welche ich ſah und bezüglich pflegte, waren ſchen und vorſichtig Fremden gegenüber, zeigten ſich aber muthwillig und ſtoßluſtig, wenn ſie es mit Bekannten zu thun hatten. Mehrere zuſammen in einem Raume vertragen ſich nicht immer; zu- mal die Böcke ſind zänkiſche Geſellen, welche ſelbſt die Ricken quälen oder mindeſtens plagen. Ab- geſehen von dieſer Unfriedfertigkeit, ſind die gefangenen Springböcke reizende Erſcheinungen. Jhr weiches, farbenprächtiges Kleid, ihre anmuthige Geſtalt und die Zierlichkeit ihrer Bewegungen feſ- ſeln auch dann noch Jedermann, wenn die Thiere im engen Raum des Geheges eigentlich gar nicht zur Geltung kommen. Leider gelangen nur wenige lebende Springböcke zu uns. Die lange Seereiſe raubt mehr als die Hälfte von denen, welche am Kap eingeſchifft werden; das Klima und noch mehr die ſo vielen Antilopen entſetzliche Enge des Aufenthaltsortes, welchen man ihnen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/541>, abgerufen am 23.11.2024.