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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Antilopen. -- Die Steppenantilope.
dieses sich legt, erhebt sich ein anderes. Sie vernehmen und wittern vortrefflich, äugen aber schlecht,
und sehen sich deshalb auch auf der Flucht beständig um. Sobald sie eine Gefahr wittern, laufen sie
zusammen, sehen sich zagend um und fliehen dann lautlos in einer langen Reihe. Nur die Jungen
blöcken wie Schafe, Alte sind immer still. Auf der Flucht geht der Bock voran, wie er überhaupt
Derjenige ist, welcher für die Sicherheit zu sorgen hat.

Die Nomaden jagen die Saigas mit Leidenschaft. Man verfolgt sie zu Pferde und mit
Hunden und holt sie in der Regel ein, wenn sie weit flüchten müssen, da sie bald ermüden und
außer Athem kommen. Wie den meisten übrigen Antilopen werden ihnen auch ganz unbedeutende
Wunden sehr gefährlich; sie sollen sogar an dem Biß eines Hundes sterben. Die Kirgisen hauen
Pfade in das Steppengras und Schilf und schneiden dort die Halme fußhoch ab; dann treiben sie

[Abbildung] Die Steppenantilope (Cervicapra Saiga).
zu Pferde Herden von Saigaantilopen da hinein, diese verletzen sich an den scharfen Spitzen
des Rohres und erliegen den Verwundungen. Häufiger aber erlegt man sie mit dem Feuergewehr,
und hier und da fängt man sie mit Baizvögeln. Zu diesen nimmt man auffallenderweise nicht Edel-
falken,
sondern Steinadler, welche vom Hause aus zu den erbittertsten Feinden der Antilopen
gehören und willig und gern der ihnen angeborenen Jagdlust folgen. Auch Wölfe richten große
Verwüstungen unter den schönen Thieren an. Sie reißen oft ganze Rudel nieder und fressen die
Getödteten bis auf Schädel und Gehörn auf. Letzteres sammeln dann die Kirgisen oder die Ko-
sacken und verkaufen es wohlfeil nach China. Und noch ist die Zahl der Feinde nicht erschöpft. Eine
Dassel- oder Bisfliegenart legt ihnen die Eier in die Haut, oft in solcher Menge, daß die
auskriechenden Maden den Brand des Felles verursachen und das Thier umbringen.

Die Antilopen. — Die Steppenantilope.
dieſes ſich legt, erhebt ſich ein anderes. Sie vernehmen und wittern vortrefflich, äugen aber ſchlecht,
und ſehen ſich deshalb auch auf der Flucht beſtändig um. Sobald ſie eine Gefahr wittern, laufen ſie
zuſammen, ſehen ſich zagend um und fliehen dann lautlos in einer langen Reihe. Nur die Jungen
blöcken wie Schafe, Alte ſind immer ſtill. Auf der Flucht geht der Bock voran, wie er überhaupt
Derjenige iſt, welcher für die Sicherheit zu ſorgen hat.

Die Nomaden jagen die Saigas mit Leidenſchaft. Man verfolgt ſie zu Pferde und mit
Hunden und holt ſie in der Regel ein, wenn ſie weit flüchten müſſen, da ſie bald ermüden und
außer Athem kommen. Wie den meiſten übrigen Antilopen werden ihnen auch ganz unbedeutende
Wunden ſehr gefährlich; ſie ſollen ſogar an dem Biß eines Hundes ſterben. Die Kirgiſen hauen
Pfade in das Steppengras und Schilf und ſchneiden dort die Halme fußhoch ab; dann treiben ſie

[Abbildung] Die Steppenantilope (Cervicapra Saiga).
zu Pferde Herden von Saigaantilopen da hinein, dieſe verletzen ſich an den ſcharfen Spitzen
des Rohres und erliegen den Verwundungen. Häufiger aber erlegt man ſie mit dem Feuergewehr,
und hier und da fängt man ſie mit Baizvögeln. Zu dieſen nimmt man auffallenderweiſe nicht Edel-
falken,
ſondern Steinadler, welche vom Hauſe aus zu den erbittertſten Feinden der Antilopen
gehören und willig und gern der ihnen angeborenen Jagdluſt folgen. Auch Wölfe richten große
Verwüſtungen unter den ſchönen Thieren an. Sie reißen oft ganze Rudel nieder und freſſen die
Getödteten bis auf Schädel und Gehörn auf. Letzteres ſammeln dann die Kirgiſen oder die Ko-
ſacken und verkaufen es wohlfeil nach China. Und noch iſt die Zahl der Feinde nicht erſchöpft. Eine
Daſſel- oder Bisfliegenart legt ihnen die Eier in die Haut, oft in ſolcher Menge, daß die
auskriechenden Maden den Brand des Felles verurſachen und das Thier umbringen.

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[500/0528] Die Antilopen. — Die Steppenantilope. dieſes ſich legt, erhebt ſich ein anderes. Sie vernehmen und wittern vortrefflich, äugen aber ſchlecht, und ſehen ſich deshalb auch auf der Flucht beſtändig um. Sobald ſie eine Gefahr wittern, laufen ſie zuſammen, ſehen ſich zagend um und fliehen dann lautlos in einer langen Reihe. Nur die Jungen blöcken wie Schafe, Alte ſind immer ſtill. Auf der Flucht geht der Bock voran, wie er überhaupt Derjenige iſt, welcher für die Sicherheit zu ſorgen hat. Die Nomaden jagen die Saigas mit Leidenſchaft. Man verfolgt ſie zu Pferde und mit Hunden und holt ſie in der Regel ein, wenn ſie weit flüchten müſſen, da ſie bald ermüden und außer Athem kommen. Wie den meiſten übrigen Antilopen werden ihnen auch ganz unbedeutende Wunden ſehr gefährlich; ſie ſollen ſogar an dem Biß eines Hundes ſterben. Die Kirgiſen hauen Pfade in das Steppengras und Schilf und ſchneiden dort die Halme fußhoch ab; dann treiben ſie [Abbildung Die Steppenantilope (Cervicapra Saiga).] zu Pferde Herden von Saigaantilopen da hinein, dieſe verletzen ſich an den ſcharfen Spitzen des Rohres und erliegen den Verwundungen. Häufiger aber erlegt man ſie mit dem Feuergewehr, und hier und da fängt man ſie mit Baizvögeln. Zu dieſen nimmt man auffallenderweiſe nicht Edel- falken, ſondern Steinadler, welche vom Hauſe aus zu den erbittertſten Feinden der Antilopen gehören und willig und gern der ihnen angeborenen Jagdluſt folgen. Auch Wölfe richten große Verwüſtungen unter den ſchönen Thieren an. Sie reißen oft ganze Rudel nieder und freſſen die Getödteten bis auf Schädel und Gehörn auf. Letzteres ſammeln dann die Kirgiſen oder die Ko- ſacken und verkaufen es wohlfeil nach China. Und noch iſt die Zahl der Feinde nicht erſchöpft. Eine Daſſel- oder Bisfliegenart legt ihnen die Eier in die Haut, oft in ſolcher Menge, daß die auskriechenden Maden den Brand des Felles verurſachen und das Thier umbringen.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/528>, abgerufen am 23.11.2024.