nichtet und dadurch das Wachsthum der Pflanzen im neuen Frühjahr außerordentlich begünstigt, so daß dann mit dem ersten Regen wie durch Zauberschlag ein frischer, saftig grüner Teppich sich über die Erde legt. An solchen Stellen, welche außerdem reich an Wasser, aber arm an Menschen sind, findet der Kidang alles ihm Nöthige im Ueberflusse vor und lebt hier in höchst angenehmer Weise, fast unbehelligt von seinem Erzfeinde.
Obwohl das Thier von den Eingeborenen leidenschaftlich gern gejagt wird, ist doch noch wenig über seine Lebensweise bekannt. Man weiß blos, daß seine Brunstzeit in die Monate März und April fällt, und daß dann die während des übrigen Jahres einzeln umherstreifenden Böcke die Ricken in den Dickichten aufsuchen, beschlagen, eine Zeit mit ihnen vereinigt leben und sie dann wieder ver- lassen. Ueber die Dauer der Tragzeit und die Zeit des Satzes ist noch Nichts bekannt; man kennt auch noch nicht die Zeit, in welcher der junge Bock zum ersten Male aufsetzt. Mehr haben wir über die Jagd erfahren, Dank den genauen Berichten des genannten gelehrten Reisenden.
Die Eingeborenen, welche die in jener Gegend zerstreuten Weiler und Dörfchen bewohnen, geben sich nicht viel mit der Jagd des Kidang ab, umsomehr aber finden die Vornehmen des Landes ein Vergnügen an derselben. Der Kidang hinterläßt eine sehr spürbare Fährte und wird deshalb von den Hunden leicht und sicher aufgenommen. Wenn er sich verfolgt sieht, geht er nicht, wie der Hirsch, in das Weite, sondern läuft anfangs so schnell als möglich, bald aber langsamer und vor- sichtiger in einem großen Bogen fort, sobald als möglich wieder nach seinem ursprünglichen Stand- orte hin sich wendend. Die Eingeborenen, welche alle Sitten des Thieres gut kennen, behaupten, daß der Kidang ein kraftloses und sehr faules Geschöpf ist. Wenn man ihn einige Male im Kreis umhergetrieben hat und die Verfolgung fortführt, soll er seinen Kopf in einem dicken Busch verbergen und in dieser Stellung fest und bewegungslos verweilen, ohne der Annäherung des Jägers Beach- tung zu schenken, gleichsam als fühle er sich hier in vollständiger Sicherheit. Gelingt es dem Jäger nicht, ihn am ersten Tage zu erbeuten, so braucht er nur am nächstfolgenden dahin zurückzukehren, wo er ihn zuerst auftrieb; er findet ihn dann sicher an derselben Stelle.
Die Jagd des Kidang mit Hilfe der Hunde ist eine wahre Leidenschaft aller vornehmen Javane- sen. Viele der reichen Gewalthaber halten blos zum Zweck dieser Jagd starke Meuten von Hunden, welche regelrecht abgerichtet werden. Diese Hunde, gemeiniglich unter dem Namen Pariahs bekannt, stammen von der eingeborenen Art her, welche die Jnsel bewohnt, und leben eigentlich in einem Zustande unvollkommener Zähmung. Sie ähneln dem Hunde von Sumatra, welchen Hardwicke bekannt machte. Jhr Leib ist mager und ihre Ohren sind aufgerichtet; sie sind wild und heftig und selten ihrem Herrn besonders zugethan, werden auch von den Eingeborenen, wie von den übrigen Mahammedanern wenig geachtet und selten gut behandelt; sie sind meistens schlecht gezogen und ekeln die Europäer an: aber sie sind sehr feurig, muthig und zum Zweck der Jagd unübertrefflich. Sobald sie die Spur des Wildes gefunden haben, nehmen sie die Verfolgung mit großer Hitze auf, und der Jäger kann ihnen dann langsam folgen; denn gewöhnlich kommt er noch rechtzeitig zur Stelle, wo Hunde und Hirsch mit einander im Kampfe liegen. Der Muntjak ist ein sehr muthiger Gesell und versteht sein kleines Geweih mit großer Kraft und Geschicklichkeit zu gebrauchen. Viele Hunde werden verwundet, wenn sie ihn angreifen, und manche tragen auf Nacken und Brust oder am Unterleib Verletzungen davon, welche ihnen das Leben kosten, während andere wenigstens als Erin- nerung der Kämpfe tüchtige Streifhiebe erhalten. Aber der Hirsch besitzt kein zähes Leben und unter- liegt zuletzt den vereinigten Angriffen der Hunde und wenn nicht, doch sicher einem Schuß von deren Führern.
An anderen Orten, namentlich im Westen Javas, stellt man große Treibjagden auf den Kidang an und erlegt oft 40 bis 50 Stück an einem einzigen Tage. Viele der Jäger sind beritten und ihre Pferde zur Jagd eigens abgerichtet; sie nehmen sofort die Verfolgung eines einzelnen Kidang auf und bringen den Jäger so nahe an ihn heran, daß er sein Wild mit einem Schwertstreiche tödten kann. Jmmer reiten die eingeborenen Jäger auf dem nackten Rücken des Pferdes, und dabei geben sie
Die Hirſche. — Der Muntjak oder Kidang.
nichtet und dadurch das Wachsthum der Pflanzen im neuen Frühjahr außerordentlich begünſtigt, ſo daß dann mit dem erſten Regen wie durch Zauberſchlag ein friſcher, ſaftig grüner Teppich ſich über die Erde legt. An ſolchen Stellen, welche außerdem reich an Waſſer, aber arm an Menſchen ſind, findet der Kidang alles ihm Nöthige im Ueberfluſſe vor und lebt hier in höchſt angenehmer Weiſe, faſt unbehelligt von ſeinem Erzfeinde.
Obwohl das Thier von den Eingeborenen leidenſchaftlich gern gejagt wird, iſt doch noch wenig über ſeine Lebensweiſe bekannt. Man weiß blos, daß ſeine Brunſtzeit in die Monate März und April fällt, und daß dann die während des übrigen Jahres einzeln umherſtreifenden Böcke die Ricken in den Dickichten aufſuchen, beſchlagen, eine Zeit mit ihnen vereinigt leben und ſie dann wieder ver- laſſen. Ueber die Dauer der Tragzeit und die Zeit des Satzes iſt noch Nichts bekannt; man kennt auch noch nicht die Zeit, in welcher der junge Bock zum erſten Male aufſetzt. Mehr haben wir über die Jagd erfahren, Dank den genauen Berichten des genannten gelehrten Reiſenden.
Die Eingeborenen, welche die in jener Gegend zerſtreuten Weiler und Dörfchen bewohnen, geben ſich nicht viel mit der Jagd des Kidang ab, umſomehr aber finden die Vornehmen des Landes ein Vergnügen an derſelben. Der Kidang hinterläßt eine ſehr ſpürbare Fährte und wird deshalb von den Hunden leicht und ſicher aufgenommen. Wenn er ſich verfolgt ſieht, geht er nicht, wie der Hirſch, in das Weite, ſondern läuft anfangs ſo ſchnell als möglich, bald aber langſamer und vor- ſichtiger in einem großen Bogen fort, ſobald als möglich wieder nach ſeinem urſprünglichen Stand- orte hin ſich wendend. Die Eingeborenen, welche alle Sitten des Thieres gut kennen, behaupten, daß der Kidang ein kraftloſes und ſehr faules Geſchöpf iſt. Wenn man ihn einige Male im Kreis umhergetrieben hat und die Verfolgung fortführt, ſoll er ſeinen Kopf in einem dicken Buſch verbergen und in dieſer Stellung feſt und bewegungslos verweilen, ohne der Annäherung des Jägers Beach- tung zu ſchenken, gleichſam als fühle er ſich hier in vollſtändiger Sicherheit. Gelingt es dem Jäger nicht, ihn am erſten Tage zu erbeuten, ſo braucht er nur am nächſtfolgenden dahin zurückzukehren, wo er ihn zuerſt auftrieb; er findet ihn dann ſicher an derſelben Stelle.
Die Jagd des Kidang mit Hilfe der Hunde iſt eine wahre Leidenſchaft aller vornehmen Javane- ſen. Viele der reichen Gewalthaber halten blos zum Zweck dieſer Jagd ſtarke Meuten von Hunden, welche regelrecht abgerichtet werden. Dieſe Hunde, gemeiniglich unter dem Namen Pariahs bekannt, ſtammen von der eingeborenen Art her, welche die Jnſel bewohnt, und leben eigentlich in einem Zuſtande unvollkommener Zähmung. Sie ähneln dem Hunde von Sumatra, welchen Hardwicke bekannt machte. Jhr Leib iſt mager und ihre Ohren ſind aufgerichtet; ſie ſind wild und heftig und ſelten ihrem Herrn beſonders zugethan, werden auch von den Eingeborenen, wie von den übrigen Mahammedanern wenig geachtet und ſelten gut behandelt; ſie ſind meiſtens ſchlecht gezogen und ekeln die Europäer an: aber ſie ſind ſehr feurig, muthig und zum Zweck der Jagd unübertrefflich. Sobald ſie die Spur des Wildes gefunden haben, nehmen ſie die Verfolgung mit großer Hitze auf, und der Jäger kann ihnen dann langſam folgen; denn gewöhnlich kommt er noch rechtzeitig zur Stelle, wo Hunde und Hirſch mit einander im Kampfe liegen. Der Muntjak iſt ein ſehr muthiger Geſell und verſteht ſein kleines Geweih mit großer Kraft und Geſchicklichkeit zu gebrauchen. Viele Hunde werden verwundet, wenn ſie ihn angreifen, und manche tragen auf Nacken und Bruſt oder am Unterleib Verletzungen davon, welche ihnen das Leben koſten, während andere wenigſtens als Erin- nerung der Kämpfe tüchtige Streifhiebe erhalten. Aber der Hirſch beſitzt kein zähes Leben und unter- liegt zuletzt den vereinigten Angriffen der Hunde und wenn nicht, doch ſicher einem Schuß von deren Führern.
An anderen Orten, namentlich im Weſten Javas, ſtellt man große Treibjagden auf den Kidang an und erlegt oft 40 bis 50 Stück an einem einzigen Tage. Viele der Jäger ſind beritten und ihre Pferde zur Jagd eigens abgerichtet; ſie nehmen ſofort die Verfolgung eines einzelnen Kidang auf und bringen den Jäger ſo nahe an ihn heran, daß er ſein Wild mit einem Schwertſtreiche tödten kann. Jmmer reiten die eingeborenen Jäger auf dem nackten Rücken des Pferdes, und dabei geben ſie
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Die Hirſche. — Der Muntjak oder Kidang.
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daß dann mit dem erſten Regen wie durch Zauberſchlag ein friſcher, ſaftig grüner Teppich ſich über
die Erde legt. An ſolchen Stellen, welche außerdem reich an Waſſer, aber arm an Menſchen ſind,
findet der Kidang alles ihm Nöthige im Ueberfluſſe vor und lebt hier in höchſt angenehmer Weiſe,
faſt unbehelligt von ſeinem Erzfeinde.
Obwohl das Thier von den Eingeborenen leidenſchaftlich gern gejagt wird, iſt doch noch wenig
über ſeine Lebensweiſe bekannt. Man weiß blos, daß ſeine Brunſtzeit in die Monate März und
April fällt, und daß dann die während des übrigen Jahres einzeln umherſtreifenden Böcke die Ricken
in den Dickichten aufſuchen, beſchlagen, eine Zeit mit ihnen vereinigt leben und ſie dann wieder ver-
laſſen. Ueber die Dauer der Tragzeit und die Zeit des Satzes iſt noch Nichts bekannt; man kennt
auch noch nicht die Zeit, in welcher der junge Bock zum erſten Male aufſetzt. Mehr haben wir über
die Jagd erfahren, Dank den genauen Berichten des genannten gelehrten Reiſenden.
Die Eingeborenen, welche die in jener Gegend zerſtreuten Weiler und Dörfchen bewohnen,
geben ſich nicht viel mit der Jagd des Kidang ab, umſomehr aber finden die Vornehmen des Landes
ein Vergnügen an derſelben. Der Kidang hinterläßt eine ſehr ſpürbare Fährte und wird deshalb
von den Hunden leicht und ſicher aufgenommen. Wenn er ſich verfolgt ſieht, geht er nicht, wie der
Hirſch, in das Weite, ſondern läuft anfangs ſo ſchnell als möglich, bald aber langſamer und vor-
ſichtiger in einem großen Bogen fort, ſobald als möglich wieder nach ſeinem urſprünglichen Stand-
orte hin ſich wendend. Die Eingeborenen, welche alle Sitten des Thieres gut kennen, behaupten,
daß der Kidang ein kraftloſes und ſehr faules Geſchöpf iſt. Wenn man ihn einige Male im Kreis
umhergetrieben hat und die Verfolgung fortführt, ſoll er ſeinen Kopf in einem dicken Buſch verbergen
und in dieſer Stellung feſt und bewegungslos verweilen, ohne der Annäherung des Jägers Beach-
tung zu ſchenken, gleichſam als fühle er ſich hier in vollſtändiger Sicherheit. Gelingt es dem Jäger
nicht, ihn am erſten Tage zu erbeuten, ſo braucht er nur am nächſtfolgenden dahin zurückzukehren,
wo er ihn zuerſt auftrieb; er findet ihn dann ſicher an derſelben Stelle.
Die Jagd des Kidang mit Hilfe der Hunde iſt eine wahre Leidenſchaft aller vornehmen Javane-
ſen. Viele der reichen Gewalthaber halten blos zum Zweck dieſer Jagd ſtarke Meuten von Hunden,
welche regelrecht abgerichtet werden. Dieſe Hunde, gemeiniglich unter dem Namen Pariahs
bekannt, ſtammen von der eingeborenen Art her, welche die Jnſel bewohnt, und leben eigentlich in
einem Zuſtande unvollkommener Zähmung. Sie ähneln dem Hunde von Sumatra, welchen
Hardwicke bekannt machte. Jhr Leib iſt mager und ihre Ohren ſind aufgerichtet; ſie ſind wild und
heftig und ſelten ihrem Herrn beſonders zugethan, werden auch von den Eingeborenen, wie von den
übrigen Mahammedanern wenig geachtet und ſelten gut behandelt; ſie ſind meiſtens ſchlecht gezogen und
ekeln die Europäer an: aber ſie ſind ſehr feurig, muthig und zum Zweck der Jagd unübertrefflich.
Sobald ſie die Spur des Wildes gefunden haben, nehmen ſie die Verfolgung mit großer Hitze auf,
und der Jäger kann ihnen dann langſam folgen; denn gewöhnlich kommt er noch rechtzeitig zur
Stelle, wo Hunde und Hirſch mit einander im Kampfe liegen. Der Muntjak iſt ein ſehr muthiger
Geſell und verſteht ſein kleines Geweih mit großer Kraft und Geſchicklichkeit zu gebrauchen. Viele
Hunde werden verwundet, wenn ſie ihn angreifen, und manche tragen auf Nacken und Bruſt oder am
Unterleib Verletzungen davon, welche ihnen das Leben koſten, während andere wenigſtens als Erin-
nerung der Kämpfe tüchtige Streifhiebe erhalten. Aber der Hirſch beſitzt kein zähes Leben und unter-
liegt zuletzt den vereinigten Angriffen der Hunde und wenn nicht, doch ſicher einem Schuß von
deren Führern.
An anderen Orten, namentlich im Weſten Javas, ſtellt man große Treibjagden auf den Kidang
an und erlegt oft 40 bis 50 Stück an einem einzigen Tage. Viele der Jäger ſind beritten und
ihre Pferde zur Jagd eigens abgerichtet; ſie nehmen ſofort die Verfolgung eines einzelnen Kidang auf
und bringen den Jäger ſo nahe an ihn heran, daß er ſein Wild mit einem Schwertſtreiche tödten
kann. Jmmer reiten die eingeborenen Jäger auf dem nackten Rücken des Pferdes, und dabei geben ſie
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/514>, abgerufen am 23.11.2024.
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