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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Der braune Spießhirsch.
gen Kohl und vor allem die Bohnen an. So zieht er hin und her bis zur Morgendämmerung; dann
kehrt er wieder in seinen Wald zurück.

Man trifft ihn immer einzeln und paarweise, nie aber in Rudeln an. Beide Geschlechter halten
treu zusammen und leiten und führen dann auch die Jungen gemeinschaftlich. Die Ricke wirft ge-
wöhnlich nur ein Junges, meistens im Dezember oder Januar. Das Kalb folgt der Mutter schon
in den ersten drei bis fünf Tagen seines Lebens auf allen ihren Wegen nach, anfangs neben ihr
hertrollend, später aber ihr vorausgehend. Droht Gefahr, so versteckt es sich im Gebüsche, und die
Mutter entflieht.

Beide Spießhirscharten sollen furchtsam sein. Wenn sie zur Aeßung ziehen, treten sie zuerst
immer nur mit halbem Leibe aus dem Walde hervor, sehen sich nach allen Seiten um, thun einige
Schritte vorwärts und bleiben wieder stehen, um die Gegend auszukundschaften. Sehen sie einen
Feind in der Nähe, so fliehen sie in den Wald; ist der Gegenstand ihrer Furcht entfernter, so betrach-

[Abbildung] Der braune Spießhirsch (Subulo simplicicornis).
ten sie ihn erst neugierig eine Zeit lang, ehe sie die Flucht ergreifen. Jhre Bewegungen sind schnell,
aber nicht ausdauernd; man kann sie daher leicht mit guten Pferden müde machen, einholen und ver-
mittelst der Wurfkugeln in seine Gewalt bekommen. Gute Hunde holen auch den kräftigsten Hirsch
in nicht zu dichtem Walde binnen einer halben Stunde sicher ein.

Die Landleute fangen nicht selten die Kälber, um sie zu zähmen. Man muß sie aber angebun-
den oder im Hofe eingeschlossen halten, weil sie selbst häufig Schaden in den Pflanzungen anrichten.
Solange sie jung sind, betragen sie sich zutraulich und zahm, jedoch nicht so gutartig, wie unser Reh;
denn nicht blos die Hirsche gehen auf den Mann, sondern auch die Thiere, welche das ihnen fehlende
Geweih durch die Schalen der Vorderläufe zu ersetzen wissen: sie vermögen sehr empfindliche Schläge
beizubringen. Jung eingefangene Spießhirsche halten sich anfänglich gern an ihr Haus; späterhin
entfernen sie sich aber immer mehr von der Wohnung, und schließlich bleiben sie ganz weg, wenn sie
auch ihren alten Aufenthaltsort nicht völlig vergessen. Rengger sah einen, welcher zehn Monate

Der braune Spießhirſch.
gen Kohl und vor allem die Bohnen an. So zieht er hin und her bis zur Morgendämmerung; dann
kehrt er wieder in ſeinen Wald zurück.

Man trifft ihn immer einzeln und paarweiſe, nie aber in Rudeln an. Beide Geſchlechter halten
treu zuſammen und leiten und führen dann auch die Jungen gemeinſchaftlich. Die Ricke wirft ge-
wöhnlich nur ein Junges, meiſtens im Dezember oder Januar. Das Kalb folgt der Mutter ſchon
in den erſten drei bis fünf Tagen ſeines Lebens auf allen ihren Wegen nach, anfangs neben ihr
hertrollend, ſpäter aber ihr vorausgehend. Droht Gefahr, ſo verſteckt es ſich im Gebüſche, und die
Mutter entflieht.

Beide Spießhirſcharten ſollen furchtſam ſein. Wenn ſie zur Aeßung ziehen, treten ſie zuerſt
immer nur mit halbem Leibe aus dem Walde hervor, ſehen ſich nach allen Seiten um, thun einige
Schritte vorwärts und bleiben wieder ſtehen, um die Gegend auszukundſchaften. Sehen ſie einen
Feind in der Nähe, ſo fliehen ſie in den Wald; iſt der Gegenſtand ihrer Furcht entfernter, ſo betrach-

[Abbildung] Der braune Spießhirſch (Subulo simplicicornis).
ten ſie ihn erſt neugierig eine Zeit lang, ehe ſie die Flucht ergreifen. Jhre Bewegungen ſind ſchnell,
aber nicht ausdauernd; man kann ſie daher leicht mit guten Pferden müde machen, einholen und ver-
mittelſt der Wurfkugeln in ſeine Gewalt bekommen. Gute Hunde holen auch den kräftigſten Hirſch
in nicht zu dichtem Walde binnen einer halben Stunde ſicher ein.

Die Landleute fangen nicht ſelten die Kälber, um ſie zu zähmen. Man muß ſie aber angebun-
den oder im Hofe eingeſchloſſen halten, weil ſie ſelbſt häufig Schaden in den Pflanzungen anrichten.
Solange ſie jung ſind, betragen ſie ſich zutraulich und zahm, jedoch nicht ſo gutartig, wie unſer Reh;
denn nicht blos die Hirſche gehen auf den Mann, ſondern auch die Thiere, welche das ihnen fehlende
Geweih durch die Schalen der Vorderläufe zu erſetzen wiſſen: ſie vermögen ſehr empfindliche Schläge
beizubringen. Jung eingefangene Spießhirſche halten ſich anfänglich gern an ihr Haus; ſpäterhin
entfernen ſie ſich aber immer mehr von der Wohnung, und ſchließlich bleiben ſie ganz weg, wenn ſie
auch ihren alten Aufenthaltsort nicht völlig vergeſſen. Rengger ſah einen, welcher zehn Monate

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[485/0511] Der braune Spießhirſch. gen Kohl und vor allem die Bohnen an. So zieht er hin und her bis zur Morgendämmerung; dann kehrt er wieder in ſeinen Wald zurück. Man trifft ihn immer einzeln und paarweiſe, nie aber in Rudeln an. Beide Geſchlechter halten treu zuſammen und leiten und führen dann auch die Jungen gemeinſchaftlich. Die Ricke wirft ge- wöhnlich nur ein Junges, meiſtens im Dezember oder Januar. Das Kalb folgt der Mutter ſchon in den erſten drei bis fünf Tagen ſeines Lebens auf allen ihren Wegen nach, anfangs neben ihr hertrollend, ſpäter aber ihr vorausgehend. Droht Gefahr, ſo verſteckt es ſich im Gebüſche, und die Mutter entflieht. Beide Spießhirſcharten ſollen furchtſam ſein. Wenn ſie zur Aeßung ziehen, treten ſie zuerſt immer nur mit halbem Leibe aus dem Walde hervor, ſehen ſich nach allen Seiten um, thun einige Schritte vorwärts und bleiben wieder ſtehen, um die Gegend auszukundſchaften. Sehen ſie einen Feind in der Nähe, ſo fliehen ſie in den Wald; iſt der Gegenſtand ihrer Furcht entfernter, ſo betrach- [Abbildung Der braune Spießhirſch (Subulo simplicicornis).] ten ſie ihn erſt neugierig eine Zeit lang, ehe ſie die Flucht ergreifen. Jhre Bewegungen ſind ſchnell, aber nicht ausdauernd; man kann ſie daher leicht mit guten Pferden müde machen, einholen und ver- mittelſt der Wurfkugeln in ſeine Gewalt bekommen. Gute Hunde holen auch den kräftigſten Hirſch in nicht zu dichtem Walde binnen einer halben Stunde ſicher ein. Die Landleute fangen nicht ſelten die Kälber, um ſie zu zähmen. Man muß ſie aber angebun- den oder im Hofe eingeſchloſſen halten, weil ſie ſelbſt häufig Schaden in den Pflanzungen anrichten. Solange ſie jung ſind, betragen ſie ſich zutraulich und zahm, jedoch nicht ſo gutartig, wie unſer Reh; denn nicht blos die Hirſche gehen auf den Mann, ſondern auch die Thiere, welche das ihnen fehlende Geweih durch die Schalen der Vorderläufe zu erſetzen wiſſen: ſie vermögen ſehr empfindliche Schläge beizubringen. Jung eingefangene Spießhirſche halten ſich anfänglich gern an ihr Haus; ſpäterhin entfernen ſie ſich aber immer mehr von der Wohnung, und ſchließlich bleiben ſie ganz weg, wenn ſie auch ihren alten Aufenthaltsort nicht völlig vergeſſen. Rengger ſah einen, welcher zehn Monate

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/511>, abgerufen am 23.11.2024.