"Der weiße Mann jagt je nach des Landes Beschaffenheit. Jn Gebirgsgegenden bevorzugt er die Pirsche, in dicht bewachsenen Wäldern nimmt er die Hunde zu Hilfe und gebraucht dann anstatt der Büchse ein mit starken Posten geladenes Doppelgewehr. Bei tiefem Schneefall benutzt man in einigen Gegenden auch Schneeschuhe und verfolgt mit ihrer Hilfe das Wild, welches sich unter solchen Umständen nur langsam fortbewegen kann. Weniger waidmännisch jagt man in Virginien, indem man entweder starke Stahlfallen in die Nähe des Wassers stellt oder längs der Jnnenseite der Feldgehege spitze Pfähle einrammt, auf denen sich das überspringende Wild spießt. Hier und da betreibt man die Jagd vom Bote aus: man kennt die Stellen, an denen das Wild über die Ströme oder Seebusen zu setzen pflegt, jagt es mit Hunden auf, verfolgt es mit dem Bot und schießt es im Wasser zusammen. Ganz eigenthümlich ist die Feuerjagd. Zu ihr sind zwei Jäger erforderlich. Der Eine trägt eine Eisenpfanne, auf welcher er mit harzigem Holz ein kleines Feuer unterhält; der An- dere, welcher dicht neben ihm geht, führt das Gewehr. Durch den Anblick des ungewohnten Lichtes mitten im Wald wird das Wild so überrascht, daß es ruhig stehen bleibt; seine Augen spielen dann den Schein der Flamme wieder und geben dem Jäger Gelegenheit zum Zielen. Ost kommt es vor, daß nach dem Schusse einige Glieder des Trupps sich von neuem nach der Flamme kehren. Das ein- zige Unangenehme bei dieser Jagd ist, daß der Jäger, welcher die beiden feurigen Augen wahrnimmt, nicht unterscheiden kann, ob er Wild oder ein Thier seiner Herde vor sich hat. Es kommt gar nicht selten vor, daß gelegentlich solcher Jagden die im Walde weidenden Hausthiere erlegt werden. Ein Herr erzählte uns, daß er nur einmal in seinem Leben die Feuerjagd betrieben habe. Auch er glaubte die Augen eines Hirsches zu sehen, feuerte und verwundete sein Wild tödtlich, erlegte sogar wenige Minuten darauf ein zweites Thier in derselben Weise. Als er am nächsten Morgen ausging, um nach seiner Beute zu suchen, fand er freilich, daß er anstatt der Hirsche zwei seiner besten Füllen erschossen hatte! Nach einer anderen Erzählung feuerte ein Jäger auf zwei glänzende Punkte und erlegte da- bei einen Hund, verwundete zugleich aber auch einen Reger, zwischen dessen Beinen der Hund ge- standen hatte."
"Wir sind versichert worden, daß unser Wild von einem guten Windhunde regelmäßig gefangen wird. Ein Paar dieser trefflichen Thiere, welche in Karolina eingeführt wurden, fing gewöhnlich den Hirsch nach einem Laufe von wenigen hundert Ellen. Stöberhunde wurden benutzt, um die Hirsche aufzusuchen und aufzutreiben, dann übernahmen die Windhunde die Verfolgung."
"Zu unserem Bedauern müssen wir die Befürchtung der Jäger bestätigen, daß unser Wild im schnellen Abnehmen begriffen ist und möglicherweise bald ausgerottet sein wird. Schon gegenwärtig gibt es in Karolina kaum den funfzigsten Theil des Wildes mehr, welches vor zwanzig Jahren dort lebte. Jn den nördlichen und mittleren Staaten ist es bereits ausgerottet, und nur in den südlichen Ländern, wo die ausgedehnten Wälder, Brüche und Sümpfe den Anbau des Bodens verwehren, treibt es sich noch in großer Anzahl umher, obgleich auch hier schon viele Pflanzer ihre Hunde ver- schenkt haben, weil für sie sich keine Arbeit mehr findet." --
Jch habe dieser Schilderung Audubon's, welche ich übrigens nicht streng übersetzt und nur im Auszug gegeben habe, nur das Eine noch hinzuzufügen, daß, nach meinen Erfahrungen, die gefan- genen virginischen Hirsche, wenn sie entsprechend gehalten werden, zu den anmuthigsten Geschöpfen gehören, welche der Mensch an sich fesseln kann. Jn dem Einen mag Audubon Recht haben: für das Zimmer eignen sie sich wie alle Hirsche nicht, -- einem Park oder überhaupt einem Raum aber, welcher ihretwegen umhegt worden ist, gereichen sie zur größten Zierde. Sie gewöhnen sich in kurzer Zeit an ihren Pfleger und beweisen ihm eine besondere Zärtlichkeit. Die Mazamahirsche des ham- burger Thiergartens nähern sich augenblicklich ihren Bekannten und nehmen die ihnen dargereichten Leckerbissen nicht nur freundlich entgegen, sondern lecken dem Geber auch dankbar die Hand. Leider tritt ein Uebelstand der Hegung dieses Wildes in Parks und noch mehr in engeren Näumen hindernd entgegen: sie brechen sich nämlich oft ihre zarten Läufe, und gewöhnlich so unglücklich, daß die Hei- lung schwer oder unmöglich ist. Ein ungeschickter Sprung im Stalle kann solche Verluste bewirken,
Die Hirſche. — Der virginiſche Hirſch.
„Der weiße Mann jagt je nach des Landes Beſchaffenheit. Jn Gebirgsgegenden bevorzugt er die Pirſche, in dicht bewachſenen Wäldern nimmt er die Hunde zu Hilfe und gebraucht dann anſtatt der Büchſe ein mit ſtarken Poſten geladenes Doppelgewehr. Bei tiefem Schneefall benutzt man in einigen Gegenden auch Schneeſchuhe und verfolgt mit ihrer Hilfe das Wild, welches ſich unter ſolchen Umſtänden nur langſam fortbewegen kann. Weniger waidmänniſch jagt man in Virginien, indem man entweder ſtarke Stahlfallen in die Nähe des Waſſers ſtellt oder längs der Jnnenſeite der Feldgehege ſpitze Pfähle einrammt, auf denen ſich das überſpringende Wild ſpießt. Hier und da betreibt man die Jagd vom Bote aus: man kennt die Stellen, an denen das Wild über die Ströme oder Seebuſen zu ſetzen pflegt, jagt es mit Hunden auf, verfolgt es mit dem Bot und ſchießt es im Waſſer zuſammen. Ganz eigenthümlich iſt die Feuerjagd. Zu ihr ſind zwei Jäger erforderlich. Der Eine trägt eine Eiſenpfanne, auf welcher er mit harzigem Holz ein kleines Feuer unterhält; der An- dere, welcher dicht neben ihm geht, führt das Gewehr. Durch den Anblick des ungewohnten Lichtes mitten im Wald wird das Wild ſo überraſcht, daß es ruhig ſtehen bleibt; ſeine Augen ſpielen dann den Schein der Flamme wieder und geben dem Jäger Gelegenheit zum Zielen. Oſt kommt es vor, daß nach dem Schuſſe einige Glieder des Trupps ſich von neuem nach der Flamme kehren. Das ein- zige Unangenehme bei dieſer Jagd iſt, daß der Jäger, welcher die beiden feurigen Augen wahrnimmt, nicht unterſcheiden kann, ob er Wild oder ein Thier ſeiner Herde vor ſich hat. Es kommt gar nicht ſelten vor, daß gelegentlich ſolcher Jagden die im Walde weidenden Hausthiere erlegt werden. Ein Herr erzählte uns, daß er nur einmal in ſeinem Leben die Feuerjagd betrieben habe. Auch er glaubte die Augen eines Hirſches zu ſehen, feuerte und verwundete ſein Wild tödtlich, erlegte ſogar wenige Minuten darauf ein zweites Thier in derſelben Weiſe. Als er am nächſten Morgen ausging, um nach ſeiner Beute zu ſuchen, fand er freilich, daß er anſtatt der Hirſche zwei ſeiner beſten Füllen erſchoſſen hatte! Nach einer anderen Erzählung feuerte ein Jäger auf zwei glänzende Punkte und erlegte da- bei einen Hund, verwundete zugleich aber auch einen Reger, zwiſchen deſſen Beinen der Hund ge- ſtanden hatte.‟
„Wir ſind verſichert worden, daß unſer Wild von einem guten Windhunde regelmäßig gefangen wird. Ein Paar dieſer trefflichen Thiere, welche in Karolina eingeführt wurden, fing gewöhnlich den Hirſch nach einem Laufe von wenigen hundert Ellen. Stöberhunde wurden benutzt, um die Hirſche aufzuſuchen und aufzutreiben, dann übernahmen die Windhunde die Verfolgung.‟
„Zu unſerem Bedauern müſſen wir die Befürchtung der Jäger beſtätigen, daß unſer Wild im ſchnellen Abnehmen begriffen iſt und möglicherweiſe bald ausgerottet ſein wird. Schon gegenwärtig gibt es in Karolina kaum den funfzigſten Theil des Wildes mehr, welches vor zwanzig Jahren dort lebte. Jn den nördlichen und mittleren Staaten iſt es bereits ausgerottet, und nur in den ſüdlichen Ländern, wo die ausgedehnten Wälder, Brüche und Sümpfe den Anbau des Bodens verwehren, treibt es ſich noch in großer Anzahl umher, obgleich auch hier ſchon viele Pflanzer ihre Hunde ver- ſchenkt haben, weil für ſie ſich keine Arbeit mehr findet.‟ —
Jch habe dieſer Schilderung Audubon’s, welche ich übrigens nicht ſtreng überſetzt und nur im Auszug gegeben habe, nur das Eine noch hinzuzufügen, daß, nach meinen Erfahrungen, die gefan- genen virginiſchen Hirſche, wenn ſie entſprechend gehalten werden, zu den anmuthigſten Geſchöpfen gehören, welche der Menſch an ſich feſſeln kann. Jn dem Einen mag Audubon Recht haben: für das Zimmer eignen ſie ſich wie alle Hirſche nicht, — einem Park oder überhaupt einem Raum aber, welcher ihretwegen umhegt worden iſt, gereichen ſie zur größten Zierde. Sie gewöhnen ſich in kurzer Zeit an ihren Pfleger und beweiſen ihm eine beſondere Zärtlichkeit. Die Mazamahirſche des ham- burger Thiergartens nähern ſich augenblicklich ihren Bekannten und nehmen die ihnen dargereichten Leckerbiſſen nicht nur freundlich entgegen, ſondern lecken dem Geber auch dankbar die Hand. Leider tritt ein Uebelſtand der Hegung dieſes Wildes in Parks und noch mehr in engeren Näumen hindernd entgegen: ſie brechen ſich nämlich oft ihre zarten Läufe, und gewöhnlich ſo unglücklich, daß die Hei- lung ſchwer oder unmöglich iſt. Ein ungeſchickter Sprung im Stalle kann ſolche Verluſte bewirken,
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Die Hirſche. — Der virginiſche Hirſch.
„Der weiße Mann jagt je nach des Landes Beſchaffenheit. Jn Gebirgsgegenden bevorzugt er
die Pirſche, in dicht bewachſenen Wäldern nimmt er die Hunde zu Hilfe und gebraucht dann anſtatt
der Büchſe ein mit ſtarken Poſten geladenes Doppelgewehr. Bei tiefem Schneefall benutzt man in
einigen Gegenden auch Schneeſchuhe und verfolgt mit ihrer Hilfe das Wild, welches ſich unter
ſolchen Umſtänden nur langſam fortbewegen kann. Weniger waidmänniſch jagt man in Virginien,
indem man entweder ſtarke Stahlfallen in die Nähe des Waſſers ſtellt oder längs der Jnnenſeite der
Feldgehege ſpitze Pfähle einrammt, auf denen ſich das überſpringende Wild ſpießt. Hier und da
betreibt man die Jagd vom Bote aus: man kennt die Stellen, an denen das Wild über die Ströme
oder Seebuſen zu ſetzen pflegt, jagt es mit Hunden auf, verfolgt es mit dem Bot und ſchießt es im
Waſſer zuſammen. Ganz eigenthümlich iſt die Feuerjagd. Zu ihr ſind zwei Jäger erforderlich. Der
Eine trägt eine Eiſenpfanne, auf welcher er mit harzigem Holz ein kleines Feuer unterhält; der An-
dere, welcher dicht neben ihm geht, führt das Gewehr. Durch den Anblick des ungewohnten Lichtes
mitten im Wald wird das Wild ſo überraſcht, daß es ruhig ſtehen bleibt; ſeine Augen ſpielen dann
den Schein der Flamme wieder und geben dem Jäger Gelegenheit zum Zielen. Oſt kommt es vor,
daß nach dem Schuſſe einige Glieder des Trupps ſich von neuem nach der Flamme kehren. Das ein-
zige Unangenehme bei dieſer Jagd iſt, daß der Jäger, welcher die beiden feurigen Augen wahrnimmt,
nicht unterſcheiden kann, ob er Wild oder ein Thier ſeiner Herde vor ſich hat. Es kommt gar nicht
ſelten vor, daß gelegentlich ſolcher Jagden die im Walde weidenden Hausthiere erlegt werden. Ein
Herr erzählte uns, daß er nur einmal in ſeinem Leben die Feuerjagd betrieben habe. Auch er glaubte
die Augen eines Hirſches zu ſehen, feuerte und verwundete ſein Wild tödtlich, erlegte ſogar wenige
Minuten darauf ein zweites Thier in derſelben Weiſe. Als er am nächſten Morgen ausging, um nach
ſeiner Beute zu ſuchen, fand er freilich, daß er anſtatt der Hirſche zwei ſeiner beſten Füllen erſchoſſen
hatte! Nach einer anderen Erzählung feuerte ein Jäger auf zwei glänzende Punkte und erlegte da-
bei einen Hund, verwundete zugleich aber auch einen Reger, zwiſchen deſſen Beinen der Hund ge-
ſtanden hatte.‟
„Wir ſind verſichert worden, daß unſer Wild von einem guten Windhunde regelmäßig gefangen
wird. Ein Paar dieſer trefflichen Thiere, welche in Karolina eingeführt wurden, fing gewöhnlich
den Hirſch nach einem Laufe von wenigen hundert Ellen. Stöberhunde wurden benutzt, um die
Hirſche aufzuſuchen und aufzutreiben, dann übernahmen die Windhunde die Verfolgung.‟
„Zu unſerem Bedauern müſſen wir die Befürchtung der Jäger beſtätigen, daß unſer Wild im
ſchnellen Abnehmen begriffen iſt und möglicherweiſe bald ausgerottet ſein wird. Schon gegenwärtig
gibt es in Karolina kaum den funfzigſten Theil des Wildes mehr, welches vor zwanzig Jahren dort
lebte. Jn den nördlichen und mittleren Staaten iſt es bereits ausgerottet, und nur in den ſüdlichen
Ländern, wo die ausgedehnten Wälder, Brüche und Sümpfe den Anbau des Bodens verwehren,
treibt es ſich noch in großer Anzahl umher, obgleich auch hier ſchon viele Pflanzer ihre Hunde ver-
ſchenkt haben, weil für ſie ſich keine Arbeit mehr findet.‟ —
Jch habe dieſer Schilderung Audubon’s, welche ich übrigens nicht ſtreng überſetzt und nur im
Auszug gegeben habe, nur das Eine noch hinzuzufügen, daß, nach meinen Erfahrungen, die gefan-
genen virginiſchen Hirſche, wenn ſie entſprechend gehalten werden, zu den anmuthigſten Geſchöpfen
gehören, welche der Menſch an ſich feſſeln kann. Jn dem Einen mag Audubon Recht haben: für
das Zimmer eignen ſie ſich wie alle Hirſche nicht, — einem Park oder überhaupt einem Raum aber,
welcher ihretwegen umhegt worden iſt, gereichen ſie zur größten Zierde. Sie gewöhnen ſich in kurzer
Zeit an ihren Pfleger und beweiſen ihm eine beſondere Zärtlichkeit. Die Mazamahirſche des ham-
burger Thiergartens nähern ſich augenblicklich ihren Bekannten und nehmen die ihnen dargereichten
Leckerbiſſen nicht nur freundlich entgegen, ſondern lecken dem Geber auch dankbar die Hand. Leider
tritt ein Uebelſtand der Hegung dieſes Wildes in Parks und noch mehr in engeren Näumen hindernd
entgegen: ſie brechen ſich nämlich oft ihre zarten Läufe, und gewöhnlich ſo unglücklich, daß die Hei-
lung ſchwer oder unmöglich iſt. Ein ungeſchickter Sprung im Stalle kann ſolche Verluſte bewirken,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/500>, abgerufen am 23.11.2024.
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