hoffen, wenn er langsam rund um das Thier reitet und thut, als ob er es nicht bemerkt habe, dann aber plötzlich feuert, bevor es sich von seinem Bette erhebt. Ehe das Wild Nachstellungen erfahren hat, versucht es, sich bei Ankunft des Jägers in gedrückter Stellung davon zu schleichen."
"Der Gang des Wildes ist verschieden. Jm Laufe trägt es sein Haupt niedrig und verfolgt seinen Lauf vorsichtig und still, gelegentlich das Gehör und den Wedel bewegend. Das größte Thier ist regelmäßig der Führer des Trupps, welcher in der sogenannten indischen Reihe fortzieht; selten gehen ihrer zwei neben einander dahin. Ein ruhiger Schritt ist die Bewegung des nicht in Furcht gesetzten Wildes. Wenn es aufgestört wird, ohne jedoch erschreckt zu sein, springt es zwei oder drei Mal in die Höhe und fällt mit scheinbarem Ungeschick auf drei Läufe nieder, kehrt sich einen Augen- blick später der entgegengesetzten Seite zu, erhebt seinen weißen Wedel und dreht ihn von einer Seite zur anderen. Darauf folgen dann einige hohe Sprünge, worauf das Haupt nach jeder Rich- tung hin gedreht wird, um wo möglich die Ursache der Störung zu erspähen. Die Sprünge und Sätze sind so anmuthig, daß man sie nur mit Erstaunen und Bewunderung betrachten kann. Sieht dagegen das Wild den Gegenstand seines Schreckens, bevor es sich von seinem Bette erhebt, dann schießt es rasch niedrig auf dem Boden dahin, das Haupt und den Wedel in einer Linie mit dem Körper gehalten, und so läuft es mehrere hundert Schritte fort, als wolle es mit einem edlen Roß wetteifern. Diese Art der Bewegung kann es jedoch nicht lange fortsetzen; wir haben mehrmals ge- sehen, daß es durch einen gewandten Reiter überholt und zurückgetrieben wurde, und wissen, daß eine Meute guter Hunde Wild ungefähr nach stündiger Jagd einholt, falls es diesem nicht ge- lingt, einen Sumpf oder einen Strom zu erreichen, in welchen es sich unter solchen Umständen augen- blicklich wirft. Es geht übrigens auch ungedrängt ins Wasser und schwimmt mit großer Schnellig- keit, den Leib tief eingesenkt und nur das Haupt über der Oberfläche erhoben. Nach unseren Erfahrungen kreuzt es zuweilen sehr breite Ströme und durchschwimmt Entfernungen von zwei (eng- lischen) Meilen, und zwar so rasch, daß ein Bot es kaum überholen kann. An den südlichen Küsten wirft sich das von Hunden verfolgte und ermüdete Wild in die Brandung, schwimmt auf eine oder zwei Meilen in das Meer hinaus und kehrt gewöhnlich zu demselben Platze zurück, von welchem es ausging."
"Wenn wir nachts durch den Wald ritten und an Wild vorüberkamen, hörten wir oft, daß es mit dem Fuße aufstampfte oder vernahmen von den Hirschen ein lautes Schnaufen. Hierauf stürmte das Rudel eine kurze Strecke dahin und stampfte und schnaufte wieder. Dieses Betragen scheint übri- gens nur bei Nacht stattzufinden."
"Das Wildpret ist das wohlschmeckendste von dem aller Thierarten, deren Fleisch wir versucht haben. Es ist feiner, als das Wildpret des Wapiti oder der europäischen Hirscharten; den höchsten Wohlgeschmack hat es jedoch nur während der Feistzeit in den Monaten August bis Dezember."
"Der Fang unseres Wildes forderte alle List und Geduld unserer Jndianer heraus, bevor das Weißgesicht mit seiner Büchse, seinem Roß und seinen Hunden in die Jagdgründe eintrat. Der Wilde stritt mit dem Wolfe und dem Puma um solche Beute, und die verschiedensten Jagdarten wur- den in Anwendung gebracht. Am häufigsten erlegte man das Wild, indem man das Mahnen des Kalbes oder das Schreien des Bockes nachahmte. Zuweilen auch kleidete sich der Wilde in die Decke des erlegten Hirsches, dessen Geweih er am Kopfe festgebunden hatte, und ahmte getreulich den Gang und alle übrigen Bewegungen des Hirsches nach, wodurch es ihm gelang, sich bis mitten in das Rudel zu schleichen und dann oft mehrere nach einander mit dem Bogen zu erlegen, ehe das Rudel flüchtig wurde. Nach unserem Dafürhalten haben die nordamerikanischen Jndianer zur Erlegung ihrer Jagdbeute niemals vergiftete Pfeile gebraucht, wie die Jndianer Südamerikas. Seit der Einfüh- rung der Feuerwaffen haben jedoch die meisten Stämme Bogen und Pfeil bei Seite gelegt und das Gewehr angenommen. Aber auch mit dieser Waffe schleichen sie sich gewöhnlich möglichst nahe an das sich äßende Rudel an und schießen selten auf weiter, als auf 25 bis 30 Schritte, -- dann freilich mit dem größten Erfolg."
Der virginiſche Hirſch.
hoffen, wenn er langſam rund um das Thier reitet und thut, als ob er es nicht bemerkt habe, dann aber plötzlich feuert, bevor es ſich von ſeinem Bette erhebt. Ehe das Wild Nachſtellungen erfahren hat, verſucht es, ſich bei Ankunft des Jägers in gedrückter Stellung davon zu ſchleichen.‟
„Der Gang des Wildes iſt verſchieden. Jm Laufe trägt es ſein Haupt niedrig und verfolgt ſeinen Lauf vorſichtig und ſtill, gelegentlich das Gehör und den Wedel bewegend. Das größte Thier iſt regelmäßig der Führer des Trupps, welcher in der ſogenannten indiſchen Reihe fortzieht; ſelten gehen ihrer zwei neben einander dahin. Ein ruhiger Schritt iſt die Bewegung des nicht in Furcht geſetzten Wildes. Wenn es aufgeſtört wird, ohne jedoch erſchreckt zu ſein, ſpringt es zwei oder drei Mal in die Höhe und fällt mit ſcheinbarem Ungeſchick auf drei Läufe nieder, kehrt ſich einen Augen- blick ſpäter der entgegengeſetzten Seite zu, erhebt ſeinen weißen Wedel und dreht ihn von einer Seite zur anderen. Darauf folgen dann einige hohe Sprünge, worauf das Haupt nach jeder Rich- tung hin gedreht wird, um wo möglich die Urſache der Störung zu erſpähen. Die Sprünge und Sätze ſind ſo anmuthig, daß man ſie nur mit Erſtaunen und Bewunderung betrachten kann. Sieht dagegen das Wild den Gegenſtand ſeines Schreckens, bevor es ſich von ſeinem Bette erhebt, dann ſchießt es raſch niedrig auf dem Boden dahin, das Haupt und den Wedel in einer Linie mit dem Körper gehalten, und ſo läuft es mehrere hundert Schritte fort, als wolle es mit einem edlen Roß wetteifern. Dieſe Art der Bewegung kann es jedoch nicht lange fortſetzen; wir haben mehrmals ge- ſehen, daß es durch einen gewandten Reiter überholt und zurückgetrieben wurde, und wiſſen, daß eine Meute guter Hunde Wild ungefähr nach ſtündiger Jagd einholt, falls es dieſem nicht ge- lingt, einen Sumpf oder einen Strom zu erreichen, in welchen es ſich unter ſolchen Umſtänden augen- blicklich wirft. Es geht übrigens auch ungedrängt ins Waſſer und ſchwimmt mit großer Schnellig- keit, den Leib tief eingeſenkt und nur das Haupt über der Oberfläche erhoben. Nach unſeren Erfahrungen kreuzt es zuweilen ſehr breite Ströme und durchſchwimmt Entfernungen von zwei (eng- liſchen) Meilen, und zwar ſo raſch, daß ein Bot es kaum überholen kann. An den ſüdlichen Küſten wirft ſich das von Hunden verfolgte und ermüdete Wild in die Brandung, ſchwimmt auf eine oder zwei Meilen in das Meer hinaus und kehrt gewöhnlich zu demſelben Platze zurück, von welchem es ausging.‟
„Wenn wir nachts durch den Wald ritten und an Wild vorüberkamen, hörten wir oft, daß es mit dem Fuße aufſtampfte oder vernahmen von den Hirſchen ein lautes Schnaufen. Hierauf ſtürmte das Rudel eine kurze Strecke dahin und ſtampfte und ſchnaufte wieder. Dieſes Betragen ſcheint übri- gens nur bei Nacht ſtattzufinden.‟
„Das Wildpret iſt das wohlſchmeckendſte von dem aller Thierarten, deren Fleiſch wir verſucht haben. Es iſt feiner, als das Wildpret des Wapiti oder der europäiſchen Hirſcharten; den höchſten Wohlgeſchmack hat es jedoch nur während der Feiſtzeit in den Monaten Auguſt bis Dezember.‟
„Der Fang unſeres Wildes forderte alle Liſt und Geduld unſerer Jndianer heraus, bevor das Weißgeſicht mit ſeiner Büchſe, ſeinem Roß und ſeinen Hunden in die Jagdgründe eintrat. Der Wilde ſtritt mit dem Wolfe und dem Puma um ſolche Beute, und die verſchiedenſten Jagdarten wur- den in Anwendung gebracht. Am häufigſten erlegte man das Wild, indem man das Mahnen des Kalbes oder das Schreien des Bockes nachahmte. Zuweilen auch kleidete ſich der Wilde in die Decke des erlegten Hirſches, deſſen Geweih er am Kopfe feſtgebunden hatte, und ahmte getreulich den Gang und alle übrigen Bewegungen des Hirſches nach, wodurch es ihm gelang, ſich bis mitten in das Rudel zu ſchleichen und dann oft mehrere nach einander mit dem Bogen zu erlegen, ehe das Rudel flüchtig wurde. Nach unſerem Dafürhalten haben die nordamerikaniſchen Jndianer zur Erlegung ihrer Jagdbeute niemals vergiftete Pfeile gebraucht, wie die Jndianer Südamerikas. Seit der Einfüh- rung der Feuerwaffen haben jedoch die meiſten Stämme Bogen und Pfeil bei Seite gelegt und das Gewehr angenommen. Aber auch mit dieſer Waffe ſchleichen ſie ſich gewöhnlich möglichſt nahe an das ſich äßende Rudel an und ſchießen ſelten auf weiter, als auf 25 bis 30 Schritte, — dann freilich mit dem größten Erfolg.‟
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[473/0499]
Der virginiſche Hirſch.
hoffen, wenn er langſam rund um das Thier reitet und thut, als ob er es nicht bemerkt habe, dann aber
plötzlich feuert, bevor es ſich von ſeinem Bette erhebt. Ehe das Wild Nachſtellungen erfahren hat,
verſucht es, ſich bei Ankunft des Jägers in gedrückter Stellung davon zu ſchleichen.‟
„Der Gang des Wildes iſt verſchieden. Jm Laufe trägt es ſein Haupt niedrig und verfolgt
ſeinen Lauf vorſichtig und ſtill, gelegentlich das Gehör und den Wedel bewegend. Das größte Thier
iſt regelmäßig der Führer des Trupps, welcher in der ſogenannten indiſchen Reihe fortzieht; ſelten
gehen ihrer zwei neben einander dahin. Ein ruhiger Schritt iſt die Bewegung des nicht in Furcht
geſetzten Wildes. Wenn es aufgeſtört wird, ohne jedoch erſchreckt zu ſein, ſpringt es zwei oder drei
Mal in die Höhe und fällt mit ſcheinbarem Ungeſchick auf drei Läufe nieder, kehrt ſich einen Augen-
blick ſpäter der entgegengeſetzten Seite zu, erhebt ſeinen weißen Wedel und dreht ihn von einer
Seite zur anderen. Darauf folgen dann einige hohe Sprünge, worauf das Haupt nach jeder Rich-
tung hin gedreht wird, um wo möglich die Urſache der Störung zu erſpähen. Die Sprünge und
Sätze ſind ſo anmuthig, daß man ſie nur mit Erſtaunen und Bewunderung betrachten kann. Sieht
dagegen das Wild den Gegenſtand ſeines Schreckens, bevor es ſich von ſeinem Bette erhebt, dann
ſchießt es raſch niedrig auf dem Boden dahin, das Haupt und den Wedel in einer Linie mit dem
Körper gehalten, und ſo läuft es mehrere hundert Schritte fort, als wolle es mit einem edlen Roß
wetteifern. Dieſe Art der Bewegung kann es jedoch nicht lange fortſetzen; wir haben mehrmals ge-
ſehen, daß es durch einen gewandten Reiter überholt und zurückgetrieben wurde, und wiſſen, daß
eine Meute guter Hunde Wild ungefähr nach ſtündiger Jagd einholt, falls es dieſem nicht ge-
lingt, einen Sumpf oder einen Strom zu erreichen, in welchen es ſich unter ſolchen Umſtänden augen-
blicklich wirft. Es geht übrigens auch ungedrängt ins Waſſer und ſchwimmt mit großer Schnellig-
keit, den Leib tief eingeſenkt und nur das Haupt über der Oberfläche erhoben. Nach unſeren
Erfahrungen kreuzt es zuweilen ſehr breite Ströme und durchſchwimmt Entfernungen von zwei (eng-
liſchen) Meilen, und zwar ſo raſch, daß ein Bot es kaum überholen kann. An den ſüdlichen Küſten
wirft ſich das von Hunden verfolgte und ermüdete Wild in die Brandung, ſchwimmt auf eine
oder zwei Meilen in das Meer hinaus und kehrt gewöhnlich zu demſelben Platze zurück, von welchem
es ausging.‟
„Wenn wir nachts durch den Wald ritten und an Wild vorüberkamen, hörten wir oft, daß es
mit dem Fuße aufſtampfte oder vernahmen von den Hirſchen ein lautes Schnaufen. Hierauf ſtürmte
das Rudel eine kurze Strecke dahin und ſtampfte und ſchnaufte wieder. Dieſes Betragen ſcheint übri-
gens nur bei Nacht ſtattzufinden.‟
„Das Wildpret iſt das wohlſchmeckendſte von dem aller Thierarten, deren Fleiſch wir verſucht
haben. Es iſt feiner, als das Wildpret des Wapiti oder der europäiſchen Hirſcharten; den höchſten
Wohlgeſchmack hat es jedoch nur während der Feiſtzeit in den Monaten Auguſt bis Dezember.‟
„Der Fang unſeres Wildes forderte alle Liſt und Geduld unſerer Jndianer heraus, bevor das
Weißgeſicht mit ſeiner Büchſe, ſeinem Roß und ſeinen Hunden in die Jagdgründe eintrat. Der
Wilde ſtritt mit dem Wolfe und dem Puma um ſolche Beute, und die verſchiedenſten Jagdarten wur-
den in Anwendung gebracht. Am häufigſten erlegte man das Wild, indem man das Mahnen des
Kalbes oder das Schreien des Bockes nachahmte. Zuweilen auch kleidete ſich der Wilde in die Decke
des erlegten Hirſches, deſſen Geweih er am Kopfe feſtgebunden hatte, und ahmte getreulich den Gang
und alle übrigen Bewegungen des Hirſches nach, wodurch es ihm gelang, ſich bis mitten in das Rudel
zu ſchleichen und dann oft mehrere nach einander mit dem Bogen zu erlegen, ehe das Rudel flüchtig
wurde. Nach unſerem Dafürhalten haben die nordamerikaniſchen Jndianer zur Erlegung ihrer
Jagdbeute niemals vergiftete Pfeile gebraucht, wie die Jndianer Südamerikas. Seit der Einfüh-
rung der Feuerwaffen haben jedoch die meiſten Stämme Bogen und Pfeil bei Seite gelegt und das
Gewehr angenommen. Aber auch mit dieſer Waffe ſchleichen ſie ſich gewöhnlich möglichſt nahe an das
ſich äßende Rudel an und ſchießen ſelten auf weiter, als auf 25 bis 30 Schritte, — dann freilich mit
dem größten Erfolg.‟
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/499>, abgerufen am 23.11.2024.
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