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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Der Mähnenhirsch. Der Schweinshirsch.
erzürnt gegen den Wärter, mit dem er sonst auf bestem Fuße stand. Während der ganzen Zeit ver-
breitete er einen unausstehlichen bockartigen Geruch, welcher zuweilen so heftig wurde, daß er den
Stall förmlich verpestete. Ausgang Dezembers bekundete auch das Thier durch ein leises Mahnen
Sehnsucht nach dem Hirsche, und am 7. Januar erfolgte der Beschlag. Dasselbe Thier hatte am
18. Oktober ein Kalb geboren, und somit darf die Zeit, welche es hoch beschlagen geht, zu 81/2 Mo-
naten angenommen werden. Die milde Herbstwitterung des Jahres 1863 kam dem, in so ungün-
stiger Zeit zur Welt gekommenen Kalb vortrefflich zustatten. Es war vom ersten Tage an sehr mun-
ter und gedieh zu meiner besonderen Freude zusehends. Seine Mutter bewachte und beschützte es
mit ebensoviel Sorgfalt, als Muth: sie bedrohte selbst den ihr wohlbekannten Wärter, dem sie sonst
scheu aus dem Wege ging. Den Kopf gesenkt, den Wedel erhoben und mit weit aus einander klaf-
fenden Thränengruben, ging sie jedem Eindringlinge kühn zu Leibe und versuchte, ihn durch kräftige
Schläge mit den Vorderbeinen abzutreiben, wobei sie sich bemühte, das Kalb durch ihren eigenen
Leib zu decken. Dieses hatte nach etwa vier Monaten ungefähr die Hälfte der Größe seiner Mutter
erreicht, besäugte sie aber bis in den sechsten Monat seines Lebens. An das Futter, welches dem
Thiere gereicht wurde, ging es bereits in der dritten Woche.

Mit dieser Satzzeit stimmt die Geburt eines Kalbes vom Samburhirsch, welchen wir ebenfalls
im hamburger Thiergarten pflegen, ziemlich überein. Dasselbe wurde in der strengsten Winterkälte am
7. Januar gesetzt und gedieh, ungeachtet der höchst ungünstigen Witterung, deren Unbill es trotz des
Stalles mehr oder weniger ausgesetzt war, ganz vortrefflich.

Außer den Menschen stellen in Jndien die großen Katzenarten dem Mähnenhirsche eifrig nach:
namentlich der Tiger nährt sich zeitweilig ausschließlich von ihm und seinen Verwandten. Die indi-
schen Fürsten halten auch seinetwegen zuweilen große Treibjagden ab. Das Wildpret wird gerühmt
und gilt selbst auf der Tafel der Europäer als eine vorzügliche Speise. Decke und Haut werden
nicht benutzt.



Der Schweinshirsch (Hyelaphus porcinus), eine der gemeinsten indischen Arten, reiht sich
der vorigen Gruppe an. Er gehört zu den plumpesten Gestalten der ganzen Familie, ist fast schwer-
fällig gebaut, dickleibig, kurzläufig, kurzhälsig und kurzköpfig und zeichnet sich namentlich auch
noch durch sein Geweih aus. Die Stangen sind dünn, höchstens fußlang und dreiendig, stehen
aber auf ziemlich hohen Rosenstöcken, welche weit von einander entfernt sind. Hierdurch erscheint
das Geweih größer, als es in Wahrheit ist. Die Verzweigung desselben ist so einfach, wie bei dem
vorhergehenden, nur daß alle Theile weit zierlicher und kleiner sind, als bei ihm. Der Augensproß
wendet sich anfangs nach vorn und außen, mit der Spitze aber wieder nach innen, das obere kurze
Ende bildet einen nach innen und hinten gekrümmten Haken. Das Haar ist noch immer grob,
rauh und brüchig, jedoch weit feiner, auch weniger gewellt, als bei dem Mähnenhirsch und seinen
nächsten Verwandten. Die Färbung scheint mancherlei Schwankungen unterworfen zu sein, und dar-
auf gründet sich der Mangel an Uebereinstimmung, welcher sich in den verschiedenen Beschreibungen
des Schweinshirsches kundgibt. Gewöhnlich ist die allgemeine Färbung ein schönes Kaffeebraun,
welches beim Hirsch bis zum Schwarzbraun dunkeln, beim Thier bis zum Lederbraun sich lichten
kann. Das einzelne Haar erscheint an der Wurzel aschgrau, in der Mitte schwarzbraun, vor der
dunkeln Spitze aber hellzimmtbraun geringelt. Die lichten Ringe kommen jedoch in der allgemeinen
Färbung verhältnißmäßig wenig zur Geltung, wie es scheint bei dem Thiere mehr, als bei dem Hirsch.
Dunkler gefärbt, fast schwarz, sind ein Rückenstreif, eine Binde hinter der Muffel, welche sich
ringsum zieht, eine zweite, nach der Muffel zu hufeisenförmig eingebogene Binde zwischen den Augen
und ein Längsstreifen auf der Stirnmitte, graulicher, dunkelaschfarben etwa, die Unterseite des
Leibes und die Läufe, lichter, nämlich hellfahlgrau, der Kopf und die Halsseiten, die Kehle, das
Gehör und unregelmäßig gestellte Flecken auf beiden Seiten des Leibes, weiß endlich die Spitze des

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Der Mähnenhirſch. Der Schweinshirſch.
erzürnt gegen den Wärter, mit dem er ſonſt auf beſtem Fuße ſtand. Während der ganzen Zeit ver-
breitete er einen unausſtehlichen bockartigen Geruch, welcher zuweilen ſo heftig wurde, daß er den
Stall förmlich verpeſtete. Ausgang Dezembers bekundete auch das Thier durch ein leiſes Mahnen
Sehnſucht nach dem Hirſche, und am 7. Januar erfolgte der Beſchlag. Daſſelbe Thier hatte am
18. Oktober ein Kalb geboren, und ſomit darf die Zeit, welche es hoch beſchlagen geht, zu 8½ Mo-
naten angenommen werden. Die milde Herbſtwitterung des Jahres 1863 kam dem, in ſo ungün-
ſtiger Zeit zur Welt gekommenen Kalb vortrefflich zuſtatten. Es war vom erſten Tage an ſehr mun-
ter und gedieh zu meiner beſonderen Freude zuſehends. Seine Mutter bewachte und beſchützte es
mit ebenſoviel Sorgfalt, als Muth: ſie bedrohte ſelbſt den ihr wohlbekannten Wärter, dem ſie ſonſt
ſcheu aus dem Wege ging. Den Kopf geſenkt, den Wedel erhoben und mit weit aus einander klaf-
fenden Thränengruben, ging ſie jedem Eindringlinge kühn zu Leibe und verſuchte, ihn durch kräftige
Schläge mit den Vorderbeinen abzutreiben, wobei ſie ſich bemühte, das Kalb durch ihren eigenen
Leib zu decken. Dieſes hatte nach etwa vier Monaten ungefähr die Hälfte der Größe ſeiner Mutter
erreicht, beſäugte ſie aber bis in den ſechſten Monat ſeines Lebens. An das Futter, welches dem
Thiere gereicht wurde, ging es bereits in der dritten Woche.

Mit dieſer Satzzeit ſtimmt die Geburt eines Kalbes vom Samburhirſch, welchen wir ebenfalls
im hamburger Thiergarten pflegen, ziemlich überein. Daſſelbe wurde in der ſtrengſten Winterkälte am
7. Januar geſetzt und gedieh, ungeachtet der höchſt ungünſtigen Witterung, deren Unbill es trotz des
Stalles mehr oder weniger ausgeſetzt war, ganz vortrefflich.

Außer den Menſchen ſtellen in Jndien die großen Katzenarten dem Mähnenhirſche eifrig nach:
namentlich der Tiger nährt ſich zeitweilig ausſchließlich von ihm und ſeinen Verwandten. Die indi-
ſchen Fürſten halten auch ſeinetwegen zuweilen große Treibjagden ab. Das Wildpret wird gerühmt
und gilt ſelbſt auf der Tafel der Europäer als eine vorzügliche Speiſe. Decke und Haut werden
nicht benutzt.



Der Schweinshirſch (Hyelaphus porcinus), eine der gemeinſten indiſchen Arten, reiht ſich
der vorigen Gruppe an. Er gehört zu den plumpeſten Geſtalten der ganzen Familie, iſt faſt ſchwer-
fällig gebaut, dickleibig, kurzläufig, kurzhälſig und kurzköpfig und zeichnet ſich namentlich auch
noch durch ſein Geweih aus. Die Stangen ſind dünn, höchſtens fußlang und dreiendig, ſtehen
aber auf ziemlich hohen Roſenſtöcken, welche weit von einander entfernt ſind. Hierdurch erſcheint
das Geweih größer, als es in Wahrheit iſt. Die Verzweigung deſſelben iſt ſo einfach, wie bei dem
vorhergehenden, nur daß alle Theile weit zierlicher und kleiner ſind, als bei ihm. Der Augenſproß
wendet ſich anfangs nach vorn und außen, mit der Spitze aber wieder nach innen, das obere kurze
Ende bildet einen nach innen und hinten gekrümmten Haken. Das Haar iſt noch immer grob,
rauh und brüchig, jedoch weit feiner, auch weniger gewellt, als bei dem Mähnenhirſch und ſeinen
nächſten Verwandten. Die Färbung ſcheint mancherlei Schwankungen unterworfen zu ſein, und dar-
auf gründet ſich der Mangel an Uebereinſtimmung, welcher ſich in den verſchiedenen Beſchreibungen
des Schweinshirſches kundgibt. Gewöhnlich iſt die allgemeine Färbung ein ſchönes Kaffeebraun,
welches beim Hirſch bis zum Schwarzbraun dunkeln, beim Thier bis zum Lederbraun ſich lichten
kann. Das einzelne Haar erſcheint an der Wurzel aſchgrau, in der Mitte ſchwarzbraun, vor der
dunkeln Spitze aber hellzimmtbraun geringelt. Die lichten Ringe kommen jedoch in der allgemeinen
Färbung verhältnißmäßig wenig zur Geltung, wie es ſcheint bei dem Thiere mehr, als bei dem Hirſch.
Dunkler gefärbt, faſt ſchwarz, ſind ein Rückenſtreif, eine Binde hinter der Muffel, welche ſich
ringsum zieht, eine zweite, nach der Muffel zu hufeiſenförmig eingebogene Binde zwiſchen den Augen
und ein Längsſtreifen auf der Stirnmitte, graulicher, dunkelaſchfarben etwa, die Unterſeite des
Leibes und die Läufe, lichter, nämlich hellfahlgrau, der Kopf und die Halsſeiten, die Kehle, das
Gehör und unregelmäßig geſtellte Flecken auf beiden Seiten des Leibes, weiß endlich die Spitze des

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[467/0493] Der Mähnenhirſch. Der Schweinshirſch. erzürnt gegen den Wärter, mit dem er ſonſt auf beſtem Fuße ſtand. Während der ganzen Zeit ver- breitete er einen unausſtehlichen bockartigen Geruch, welcher zuweilen ſo heftig wurde, daß er den Stall förmlich verpeſtete. Ausgang Dezembers bekundete auch das Thier durch ein leiſes Mahnen Sehnſucht nach dem Hirſche, und am 7. Januar erfolgte der Beſchlag. Daſſelbe Thier hatte am 18. Oktober ein Kalb geboren, und ſomit darf die Zeit, welche es hoch beſchlagen geht, zu 8½ Mo- naten angenommen werden. Die milde Herbſtwitterung des Jahres 1863 kam dem, in ſo ungün- ſtiger Zeit zur Welt gekommenen Kalb vortrefflich zuſtatten. Es war vom erſten Tage an ſehr mun- ter und gedieh zu meiner beſonderen Freude zuſehends. Seine Mutter bewachte und beſchützte es mit ebenſoviel Sorgfalt, als Muth: ſie bedrohte ſelbſt den ihr wohlbekannten Wärter, dem ſie ſonſt ſcheu aus dem Wege ging. Den Kopf geſenkt, den Wedel erhoben und mit weit aus einander klaf- fenden Thränengruben, ging ſie jedem Eindringlinge kühn zu Leibe und verſuchte, ihn durch kräftige Schläge mit den Vorderbeinen abzutreiben, wobei ſie ſich bemühte, das Kalb durch ihren eigenen Leib zu decken. Dieſes hatte nach etwa vier Monaten ungefähr die Hälfte der Größe ſeiner Mutter erreicht, beſäugte ſie aber bis in den ſechſten Monat ſeines Lebens. An das Futter, welches dem Thiere gereicht wurde, ging es bereits in der dritten Woche. Mit dieſer Satzzeit ſtimmt die Geburt eines Kalbes vom Samburhirſch, welchen wir ebenfalls im hamburger Thiergarten pflegen, ziemlich überein. Daſſelbe wurde in der ſtrengſten Winterkälte am 7. Januar geſetzt und gedieh, ungeachtet der höchſt ungünſtigen Witterung, deren Unbill es trotz des Stalles mehr oder weniger ausgeſetzt war, ganz vortrefflich. Außer den Menſchen ſtellen in Jndien die großen Katzenarten dem Mähnenhirſche eifrig nach: namentlich der Tiger nährt ſich zeitweilig ausſchließlich von ihm und ſeinen Verwandten. Die indi- ſchen Fürſten halten auch ſeinetwegen zuweilen große Treibjagden ab. Das Wildpret wird gerühmt und gilt ſelbſt auf der Tafel der Europäer als eine vorzügliche Speiſe. Decke und Haut werden nicht benutzt. Der Schweinshirſch (Hyelaphus porcinus), eine der gemeinſten indiſchen Arten, reiht ſich der vorigen Gruppe an. Er gehört zu den plumpeſten Geſtalten der ganzen Familie, iſt faſt ſchwer- fällig gebaut, dickleibig, kurzläufig, kurzhälſig und kurzköpfig und zeichnet ſich namentlich auch noch durch ſein Geweih aus. Die Stangen ſind dünn, höchſtens fußlang und dreiendig, ſtehen aber auf ziemlich hohen Roſenſtöcken, welche weit von einander entfernt ſind. Hierdurch erſcheint das Geweih größer, als es in Wahrheit iſt. Die Verzweigung deſſelben iſt ſo einfach, wie bei dem vorhergehenden, nur daß alle Theile weit zierlicher und kleiner ſind, als bei ihm. Der Augenſproß wendet ſich anfangs nach vorn und außen, mit der Spitze aber wieder nach innen, das obere kurze Ende bildet einen nach innen und hinten gekrümmten Haken. Das Haar iſt noch immer grob, rauh und brüchig, jedoch weit feiner, auch weniger gewellt, als bei dem Mähnenhirſch und ſeinen nächſten Verwandten. Die Färbung ſcheint mancherlei Schwankungen unterworfen zu ſein, und dar- auf gründet ſich der Mangel an Uebereinſtimmung, welcher ſich in den verſchiedenen Beſchreibungen des Schweinshirſches kundgibt. Gewöhnlich iſt die allgemeine Färbung ein ſchönes Kaffeebraun, welches beim Hirſch bis zum Schwarzbraun dunkeln, beim Thier bis zum Lederbraun ſich lichten kann. Das einzelne Haar erſcheint an der Wurzel aſchgrau, in der Mitte ſchwarzbraun, vor der dunkeln Spitze aber hellzimmtbraun geringelt. Die lichten Ringe kommen jedoch in der allgemeinen Färbung verhältnißmäßig wenig zur Geltung, wie es ſcheint bei dem Thiere mehr, als bei dem Hirſch. Dunkler gefärbt, faſt ſchwarz, ſind ein Rückenſtreif, eine Binde hinter der Muffel, welche ſich ringsum zieht, eine zweite, nach der Muffel zu hufeiſenförmig eingebogene Binde zwiſchen den Augen und ein Längsſtreifen auf der Stirnmitte, graulicher, dunkelaſchfarben etwa, die Unterſeite des Leibes und die Läufe, lichter, nämlich hellfahlgrau, der Kopf und die Halsſeiten, die Kehle, das Gehör und unregelmäßig geſtellte Flecken auf beiden Seiten des Leibes, weiß endlich die Spitze des 30 *

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/493>, abgerufen am 23.11.2024.