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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Hirsche. -- Der Mähnenhirsch.
menden anzusehen. Die Reisenden erwähnen, daß sich das Wild in sehr starken Trupps zusammen-
schlägt, welche mehr als Waldungen die offenen steppenartigen Ebenen bevorzugen. Jn allen
günstigen Gegenden soll es sehr häufig auftreten.

Ueber Lebensweise und Betragen sind die Nachrichten überaus dürftig; sie enthalten nur unge-
fähr Folgendes: Die alten Hirsche trennen sich nach der Brunst von den Trupps der Thiere und
schweifen bis zur nächsten Brunstzeit einsiedlerisch umher, halten jedoch gewisse Beziehungen zu den
Trupps fest, wandern mit diesen bei Beginn der trockenen Jahreszeit den stehenden Gewässern zu
und ziehen, wenn die Regenzeit oder der Frühling eintritt, mit ihnen wieder in höher gelegene Ge-
genden. Während der größten Hitze des Tages liegen die Thiere zwischen Schilf oder im Dickicht der
Gebüsche verborgen, vor Sonnenuntergang ziehen sie zur Suhle, und mit Einbruch des Abends auf
Aeßung aus. Das Wasser lieben sie ganz ungemein: -- Dies kann man auch an den Gefangenen beob-
achten, welche nach einem Schlammbad wahrhaft begierig sind. Ueber die Aeßung fehlen bestimmte
Angaben, wir dürfen aber von den Gefangenen schließen, daß die Nahrung im wesentlichen der
Aeßung unseres Edelwildes entspricht.

Die Bewegungen des Mähnenhirsches verdienen eine kurze Besprechung. Ueber den flüchtigen
Hirsch vermag ich leider nicht zu urtheilen, und muß also den Reisenden glauben, welche sagen, daß
der Lauf sehr schnell und ausdauernd sei und daß der gestreckte Galopp, welchen der flüchtige
Hirsch annimmt, häufig durch kurze Sätze unterbrochen werde; dagegen kann ich über den ruhigen
Schritt des Mähnenhirsches aus eigener Erfahrung sprechen. Die Gefangenen des hamburger Thier-
gartens zeichnen sich durch ihre Bewegungen vor den sämmtlichen übrigen Hirschen aus. Kein mir
bekannter Hirsch schreitet so würdevoll, so stolz dahin, wie der Mähnenhirsch. Sein Gang gleicht
durchaus dem angelernten Schritt, dem sogenannten spanischen Tritt eines wohlunterrichteten Schul-
pferdes. Jede Bewegung des Hirsches ist dieselbe, welche ein Pferd unter gedachten Umständen aus-
führt. Man meint, als wäre der Hirsch durchdrungen von dem Gefühl des Stolzes, welches er an
den Tag zu legen scheint. Er hebt den Lauf bedächtig und zierlich auf, streckt ihn ganz in der Weise
des Schulpferdes vor und setzt ihn zierlich wieder auf den Boden; dabei begleitet er jeden Schritt
mit einer entsprechenden Kopfbewegung. Demungeachtet bleibt man im Zweifel, ob dieses Gebah-
ren Stolz oder Zorn ausdrücken soll; denn der würdevolle Gang wird regelmäßig mit einem verdäch-
tigen Aufwerfen der Oberlippe begleitet, welches bei anderen Hirschen immer ein Zeichen ihrer Wuth
oder mindestens großer Erregtheit ist. Bemerken will ich noch, daß man namentlich bei dieser Art
des Gehens auch von unseren Hirschen ein starkes Knistern vernimmt, wie von dem Renthier. Der
Hirsch bewegt sich viel in der beschriebenen Weise und trabt nur selten schneller in seinem Gehege
umher, das Thier hingegen führt oft scherzende Sprünge aus und zeigt sich dabei äußerst behend
und gewandt. Jhm eigenthümlich ist, daß es bei dem Ansatz zu schnellerem Lauf den Kopf tief nach
unten biegt und den Hals lang vorstreckt, auch wohl sonderbar schlängelnde Bewegungen mit dem
Kopfe ausführt, bevor es flüchtig wird.

Jm übrigen stimmen meine Beobachtungen an den gefangenen Thieren mit den Angaben der Rei-
senden überein. Die Sinne des Mähnenhirsches sind sehr ausgebildet, namentlich Gehör und Wit-
terung vorzüglich scharf und das Geäuge ebenfalls wohl entwickelt. Zudem ist dieses Wild klug, wach-
sam, vorsichtig; es lernt auch seinen Pfleger bald kennen, ohne sich jedoch eigentlich mit ihm zu
befreunden. Möglich ist, daß Mähnenhirsche, welche sehr früh in die Gefangenschaft geriethen,
ebenso zahm werden, als andere Hirsche; von den unsrigen kann ich Dies aber nicht sagen, obgleich
wir uns viele Mühe mit ihrer Zähmung gegeben haben.

Wenn wir von den gefangenen auf die freilebenden Mähnenhirsche schließen dürfen, haben wir
unsere Wintermonate als die Brunstzeit zu bezeichnen. Der Mähnenhirsch im hamburger Thiergarten
warf im Mai sein Geweih ab und fegte im September. Am 20. November ließ er zum ersten Male
seine Stimme vernehmen: ein sehr kurzes, dumpfes und leises Blöcken. Von dieser Zeit an zeigte er
sich sehr erregt, kampf- und zerstörungslustig, wie die übrigen brünstigen Hirsche, namentlich aber

Die Hirſche. — Der Mähnenhirſch.
menden anzuſehen. Die Reiſenden erwähnen, daß ſich das Wild in ſehr ſtarken Trupps zuſammen-
ſchlägt, welche mehr als Waldungen die offenen ſteppenartigen Ebenen bevorzugen. Jn allen
günſtigen Gegenden ſoll es ſehr häufig auftreten.

Ueber Lebensweiſe und Betragen ſind die Nachrichten überaus dürftig; ſie enthalten nur unge-
fähr Folgendes: Die alten Hirſche trennen ſich nach der Brunſt von den Trupps der Thiere und
ſchweifen bis zur nächſten Brunſtzeit einſiedleriſch umher, halten jedoch gewiſſe Beziehungen zu den
Trupps feſt, wandern mit dieſen bei Beginn der trockenen Jahreszeit den ſtehenden Gewäſſern zu
und ziehen, wenn die Regenzeit oder der Frühling eintritt, mit ihnen wieder in höher gelegene Ge-
genden. Während der größten Hitze des Tages liegen die Thiere zwiſchen Schilf oder im Dickicht der
Gebüſche verborgen, vor Sonnenuntergang ziehen ſie zur Suhle, und mit Einbruch des Abends auf
Aeßung aus. Das Waſſer lieben ſie ganz ungemein: — Dies kann man auch an den Gefangenen beob-
achten, welche nach einem Schlammbad wahrhaft begierig ſind. Ueber die Aeßung fehlen beſtimmte
Angaben, wir dürfen aber von den Gefangenen ſchließen, daß die Nahrung im weſentlichen der
Aeßung unſeres Edelwildes entſpricht.

Die Bewegungen des Mähnenhirſches verdienen eine kurze Beſprechung. Ueber den flüchtigen
Hirſch vermag ich leider nicht zu urtheilen, und muß alſo den Reiſenden glauben, welche ſagen, daß
der Lauf ſehr ſchnell und ausdauernd ſei und daß der geſtreckte Galopp, welchen der flüchtige
Hirſch annimmt, häufig durch kurze Sätze unterbrochen werde; dagegen kann ich über den ruhigen
Schritt des Mähnenhirſches aus eigener Erfahrung ſprechen. Die Gefangenen des hamburger Thier-
gartens zeichnen ſich durch ihre Bewegungen vor den ſämmtlichen übrigen Hirſchen aus. Kein mir
bekannter Hirſch ſchreitet ſo würdevoll, ſo ſtolz dahin, wie der Mähnenhirſch. Sein Gang gleicht
durchaus dem angelernten Schritt, dem ſogenannten ſpaniſchen Tritt eines wohlunterrichteten Schul-
pferdes. Jede Bewegung des Hirſches iſt dieſelbe, welche ein Pferd unter gedachten Umſtänden aus-
führt. Man meint, als wäre der Hirſch durchdrungen von dem Gefühl des Stolzes, welches er an
den Tag zu legen ſcheint. Er hebt den Lauf bedächtig und zierlich auf, ſtreckt ihn ganz in der Weiſe
des Schulpferdes vor und ſetzt ihn zierlich wieder auf den Boden; dabei begleitet er jeden Schritt
mit einer entſprechenden Kopfbewegung. Demungeachtet bleibt man im Zweifel, ob dieſes Gebah-
ren Stolz oder Zorn ausdrücken ſoll; denn der würdevolle Gang wird regelmäßig mit einem verdäch-
tigen Aufwerfen der Oberlippe begleitet, welches bei anderen Hirſchen immer ein Zeichen ihrer Wuth
oder mindeſtens großer Erregtheit iſt. Bemerken will ich noch, daß man namentlich bei dieſer Art
des Gehens auch von unſeren Hirſchen ein ſtarkes Kniſtern vernimmt, wie von dem Renthier. Der
Hirſch bewegt ſich viel in der beſchriebenen Weiſe und trabt nur ſelten ſchneller in ſeinem Gehege
umher, das Thier hingegen führt oft ſcherzende Sprünge aus und zeigt ſich dabei äußerſt behend
und gewandt. Jhm eigenthümlich iſt, daß es bei dem Anſatz zu ſchnellerem Lauf den Kopf tief nach
unten biegt und den Hals lang vorſtreckt, auch wohl ſonderbar ſchlängelnde Bewegungen mit dem
Kopfe ausführt, bevor es flüchtig wird.

Jm übrigen ſtimmen meine Beobachtungen an den gefangenen Thieren mit den Angaben der Rei-
ſenden überein. Die Sinne des Mähnenhirſches ſind ſehr ausgebildet, namentlich Gehör und Wit-
terung vorzüglich ſcharf und das Geäuge ebenfalls wohl entwickelt. Zudem iſt dieſes Wild klug, wach-
ſam, vorſichtig; es lernt auch ſeinen Pfleger bald kennen, ohne ſich jedoch eigentlich mit ihm zu
befreunden. Möglich iſt, daß Mähnenhirſche, welche ſehr früh in die Gefangenſchaft geriethen,
ebenſo zahm werden, als andere Hirſche; von den unſrigen kann ich Dies aber nicht ſagen, obgleich
wir uns viele Mühe mit ihrer Zähmung gegeben haben.

Wenn wir von den gefangenen auf die freilebenden Mähnenhirſche ſchließen dürfen, haben wir
unſere Wintermonate als die Brunſtzeit zu bezeichnen. Der Mähnenhirſch im hamburger Thiergarten
warf im Mai ſein Geweih ab und fegte im September. Am 20. November ließ er zum erſten Male
ſeine Stimme vernehmen: ein ſehr kurzes, dumpfes und leiſes Blöcken. Von dieſer Zeit an zeigte er
ſich ſehr erregt, kampf- und zerſtörungsluſtig, wie die übrigen brünſtigen Hirſche, namentlich aber

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[466/0492] Die Hirſche. — Der Mähnenhirſch. menden anzuſehen. Die Reiſenden erwähnen, daß ſich das Wild in ſehr ſtarken Trupps zuſammen- ſchlägt, welche mehr als Waldungen die offenen ſteppenartigen Ebenen bevorzugen. Jn allen günſtigen Gegenden ſoll es ſehr häufig auftreten. Ueber Lebensweiſe und Betragen ſind die Nachrichten überaus dürftig; ſie enthalten nur unge- fähr Folgendes: Die alten Hirſche trennen ſich nach der Brunſt von den Trupps der Thiere und ſchweifen bis zur nächſten Brunſtzeit einſiedleriſch umher, halten jedoch gewiſſe Beziehungen zu den Trupps feſt, wandern mit dieſen bei Beginn der trockenen Jahreszeit den ſtehenden Gewäſſern zu und ziehen, wenn die Regenzeit oder der Frühling eintritt, mit ihnen wieder in höher gelegene Ge- genden. Während der größten Hitze des Tages liegen die Thiere zwiſchen Schilf oder im Dickicht der Gebüſche verborgen, vor Sonnenuntergang ziehen ſie zur Suhle, und mit Einbruch des Abends auf Aeßung aus. Das Waſſer lieben ſie ganz ungemein: — Dies kann man auch an den Gefangenen beob- achten, welche nach einem Schlammbad wahrhaft begierig ſind. Ueber die Aeßung fehlen beſtimmte Angaben, wir dürfen aber von den Gefangenen ſchließen, daß die Nahrung im weſentlichen der Aeßung unſeres Edelwildes entſpricht. Die Bewegungen des Mähnenhirſches verdienen eine kurze Beſprechung. Ueber den flüchtigen Hirſch vermag ich leider nicht zu urtheilen, und muß alſo den Reiſenden glauben, welche ſagen, daß der Lauf ſehr ſchnell und ausdauernd ſei und daß der geſtreckte Galopp, welchen der flüchtige Hirſch annimmt, häufig durch kurze Sätze unterbrochen werde; dagegen kann ich über den ruhigen Schritt des Mähnenhirſches aus eigener Erfahrung ſprechen. Die Gefangenen des hamburger Thier- gartens zeichnen ſich durch ihre Bewegungen vor den ſämmtlichen übrigen Hirſchen aus. Kein mir bekannter Hirſch ſchreitet ſo würdevoll, ſo ſtolz dahin, wie der Mähnenhirſch. Sein Gang gleicht durchaus dem angelernten Schritt, dem ſogenannten ſpaniſchen Tritt eines wohlunterrichteten Schul- pferdes. Jede Bewegung des Hirſches iſt dieſelbe, welche ein Pferd unter gedachten Umſtänden aus- führt. Man meint, als wäre der Hirſch durchdrungen von dem Gefühl des Stolzes, welches er an den Tag zu legen ſcheint. Er hebt den Lauf bedächtig und zierlich auf, ſtreckt ihn ganz in der Weiſe des Schulpferdes vor und ſetzt ihn zierlich wieder auf den Boden; dabei begleitet er jeden Schritt mit einer entſprechenden Kopfbewegung. Demungeachtet bleibt man im Zweifel, ob dieſes Gebah- ren Stolz oder Zorn ausdrücken ſoll; denn der würdevolle Gang wird regelmäßig mit einem verdäch- tigen Aufwerfen der Oberlippe begleitet, welches bei anderen Hirſchen immer ein Zeichen ihrer Wuth oder mindeſtens großer Erregtheit iſt. Bemerken will ich noch, daß man namentlich bei dieſer Art des Gehens auch von unſeren Hirſchen ein ſtarkes Kniſtern vernimmt, wie von dem Renthier. Der Hirſch bewegt ſich viel in der beſchriebenen Weiſe und trabt nur ſelten ſchneller in ſeinem Gehege umher, das Thier hingegen führt oft ſcherzende Sprünge aus und zeigt ſich dabei äußerſt behend und gewandt. Jhm eigenthümlich iſt, daß es bei dem Anſatz zu ſchnellerem Lauf den Kopf tief nach unten biegt und den Hals lang vorſtreckt, auch wohl ſonderbar ſchlängelnde Bewegungen mit dem Kopfe ausführt, bevor es flüchtig wird. Jm übrigen ſtimmen meine Beobachtungen an den gefangenen Thieren mit den Angaben der Rei- ſenden überein. Die Sinne des Mähnenhirſches ſind ſehr ausgebildet, namentlich Gehör und Wit- terung vorzüglich ſcharf und das Geäuge ebenfalls wohl entwickelt. Zudem iſt dieſes Wild klug, wach- ſam, vorſichtig; es lernt auch ſeinen Pfleger bald kennen, ohne ſich jedoch eigentlich mit ihm zu befreunden. Möglich iſt, daß Mähnenhirſche, welche ſehr früh in die Gefangenſchaft geriethen, ebenſo zahm werden, als andere Hirſche; von den unſrigen kann ich Dies aber nicht ſagen, obgleich wir uns viele Mühe mit ihrer Zähmung gegeben haben. Wenn wir von den gefangenen auf die freilebenden Mähnenhirſche ſchließen dürfen, haben wir unſere Wintermonate als die Brunſtzeit zu bezeichnen. Der Mähnenhirſch im hamburger Thiergarten warf im Mai ſein Geweih ab und fegte im September. Am 20. November ließ er zum erſten Male ſeine Stimme vernehmen: ein ſehr kurzes, dumpfes und leiſes Blöcken. Von dieſer Zeit an zeigte er ſich ſehr erregt, kampf- und zerſtörungsluſtig, wie die übrigen brünſtigen Hirſche, namentlich aber

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/492>, abgerufen am 23.11.2024.