Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Mähnenhirsch.
ehe wir uns rühmen können, etwas auch nur annähernd Genügendes zu bieten. Jch glaube entschul-
digt zu sein, wenn ich unter diesen Umständen den am häufigsten in der Gefangenschaft vorkommenden
Hirsch meiner Beschreibung zu Grunde lege, gestehe aber offen ein, daß ich für die Schilderung des
Freilebens nur insoweit eine Bürgschaft übernehmen mag, als ich Das zusammenstelle, was mir von
den indischen Hirschen, mit Ausnahme der einzeln beschriebenen Arten, überhaupt bekannt ge-
worden ist.

Der Mähnenhirsch (Rusa Hippelaphus) ist eine der stattlichsten und ausgezeichnetsten Arten
der Gruppe. Er steht dem Edelhirsch kaum an Größe nach und wird in seiner Heimat wohl nur von
dem Samburhirsch oder von dem in den indischen Gebirgen vorkommenden Wallichshirsch über-
troffen. Die Leibeslänge des erwachsenen Hirsches beträgt reichlich 6 Fuß, wovon ein Fuß auf den
Schwanz zu rechnen ist, die Höhe am Widerrist 31/4 Fuß, die Länge der Geweihstangen 2 bis 3 Fuß.
Das Thier ist beträchtlich kleiner. Jm allgemeinen besitzt der Mähnenhirsch die angegebenen Kennzeichen
der Gruppe. Sein Leib ist gedrungen, kräftig; die Läufe sind niederer, als bei dem Edelhirsch, und
erscheinen deshalb stämmiger; der Hals ist kurz und der Kopf verhältnißmäßig sehr kurz, aber breit.
Das Gehör ist klein, außen dicht, innen nur spärlich mit Haaren bekleidet, das Auge groß, die
Thränengrube unter ihm auffallend entwickelt. Das Geweih zeichnet sich durch seine sehr starken und
deshalb kurz erscheinenden Stangen aus; es sitzt dicht auf dem niederen Rosenstocke, biegt sich von
der Wurzel an in einem sanften Bogen nach rückwärts und auswärts, steigt von der Mitte an gerade
in die Höhe und wendet sich dann wieder etwas nach einwärts. Die Augensprosse, welche unmittel-
bar über dem Rosenstocke entspringt, ist stark und lang, vor, auf und mit der Spitze nach einwärts
gekrümmt, die Gabelsprosse zweigt sich ungefähr einen Fuß über der Wurzel des Geweihes ab und
richtet sich etwas nach vor-, auf- und auswärts. Stangen und Enden sind auf der Oberfläche ge-
furcht und geperlt. Die Behaarung ist verschieden, je nach der Jahreszeit. Bei ausgebildetem Geweih
trägt der Hirsch ein Kleid aus groben, brüchigen und ziemlich dünn stehenden Haaren von einer schwer
zu beschreibenden graulichbraunfahlen Färbung. Ueber den Rücken verläuft ein dunklerer, d. h.
bräunlicherer Streifen, welcher bald deutlich, bald undeutlich begrenzt ist. Die Läufe sind an ihrer
Vorderseite ungefähr von der Farbe des Rückens, seitlich und innen jedoch nicht unbedeutend lichter.
Bezeichnend scheint mir nach meinen Beobachtungen ein schmales lichtgraues oder weißes Band zu
sein, welches sich hart an der Muffel zu beiden Seiten des Obergeäßes herabzieht. Beide Geschlechter
sind vollkommen gleich gefärbt und auch das Junge, welches geboren wird, während seine Eltern das
beschriebene Kleid tragen, unterscheidet sich nicht durch die Färbung. Dies glaube ich umsomehr her-
vorheben zu müssen, als alle übrigen, d. h. nicht zu der in Rede stehenden Gruppe gehörigen Hirsche
im Jugendkleide gefleckt sind, während die gedachten Jndier in einem Kleide zur Welt kommen, welches
dem ihrer Eltern genau entspricht. Sehr bezeichnend für den Hirsch ist die ziemlich starke Mähne, welche
am Unterhalse und Kinn sich entwickelt; sie ist auch deshalb merkwürdig, weil die Haare, welche sie
bilden, sich durch ihre Beschaffenheit kaum von den übrigen unterscheiden.

Bald nach Abwerfen des Geweihes färbt sich der Hirsch und zu gleicher Zeit das Thier. Beide
erscheinen dann dunkelgrau mit einem mehr oder weniger hervortretenden Anflug ins Fahlbräunliche.

Soviel bisjetzt bekannt, findet sich der Mähnenhirsch vorzugsweise auf Java, Sumatra, Borneo
und dem indischen Festlande. Diese Angabe soll jedoch keineswegs etwaige Jrrthümer der Reisenden
ausschließen, da es durchaus nicht unmöglich ist, daß der auf dem Festlande lebende Mähnenhirsch
sich von dem die Jnseln bewohnenden unterscheidet. Einige Forscher haben den Mähnenhirsch der
Jnseln, welcher kleiner, als der vom Festlande sein soll, unter dem Namen Rusa moluccensis ge-
trennt. Die Beschreibungen sind so ungenügend, daß ich mit Bestimmtheit nicht zu sagen vermag, ob
ich soeben die eine oder die andere Art beschrieb. Es wird gesagt, daß Borneo durch Vermittelung
des Menschen mit dem Mähnenhirsch bevölkert worden sein soll: ein Sultan Soerianse habe ein
Paar in der Steppe bei Bulu Lampej freigelassen, und diese seien als Stammeltern aller jetzt vorkom-

Brehm, Thierleben. II. 30

Der Mähnenhirſch.
ehe wir uns rühmen können, etwas auch nur annähernd Genügendes zu bieten. Jch glaube entſchul-
digt zu ſein, wenn ich unter dieſen Umſtänden den am häufigſten in der Gefangenſchaft vorkommenden
Hirſch meiner Beſchreibung zu Grunde lege, geſtehe aber offen ein, daß ich für die Schilderung des
Freilebens nur inſoweit eine Bürgſchaft übernehmen mag, als ich Das zuſammenſtelle, was mir von
den indiſchen Hirſchen, mit Ausnahme der einzeln beſchriebenen Arten, überhaupt bekannt ge-
worden iſt.

Der Mähnenhirſch (Rusa Hippelaphus) iſt eine der ſtattlichſten und ausgezeichnetſten Arten
der Gruppe. Er ſteht dem Edelhirſch kaum an Größe nach und wird in ſeiner Heimat wohl nur von
dem Samburhirſch oder von dem in den indiſchen Gebirgen vorkommenden Wallichshirſch über-
troffen. Die Leibeslänge des erwachſenen Hirſches beträgt reichlich 6 Fuß, wovon ein Fuß auf den
Schwanz zu rechnen iſt, die Höhe am Widerriſt 3¼ Fuß, die Länge der Geweihſtangen 2 bis 3 Fuß.
Das Thier iſt beträchtlich kleiner. Jm allgemeinen beſitzt der Mähnenhirſch die angegebenen Kennzeichen
der Gruppe. Sein Leib iſt gedrungen, kräftig; die Läufe ſind niederer, als bei dem Edelhirſch, und
erſcheinen deshalb ſtämmiger; der Hals iſt kurz und der Kopf verhältnißmäßig ſehr kurz, aber breit.
Das Gehör iſt klein, außen dicht, innen nur ſpärlich mit Haaren bekleidet, das Auge groß, die
Thränengrube unter ihm auffallend entwickelt. Das Geweih zeichnet ſich durch ſeine ſehr ſtarken und
deshalb kurz erſcheinenden Stangen aus; es ſitzt dicht auf dem niederen Roſenſtocke, biegt ſich von
der Wurzel an in einem ſanften Bogen nach rückwärts und auswärts, ſteigt von der Mitte an gerade
in die Höhe und wendet ſich dann wieder etwas nach einwärts. Die Augenſproſſe, welche unmittel-
bar über dem Roſenſtocke entſpringt, iſt ſtark und lang, vor, auf und mit der Spitze nach einwärts
gekrümmt, die Gabelſproſſe zweigt ſich ungefähr einen Fuß über der Wurzel des Geweihes ab und
richtet ſich etwas nach vor-, auf- und auswärts. Stangen und Enden ſind auf der Oberfläche ge-
furcht und geperlt. Die Behaarung iſt verſchieden, je nach der Jahreszeit. Bei ausgebildetem Geweih
trägt der Hirſch ein Kleid aus groben, brüchigen und ziemlich dünn ſtehenden Haaren von einer ſchwer
zu beſchreibenden graulichbraunfahlen Färbung. Ueber den Rücken verläuft ein dunklerer, d. h.
bräunlicherer Streifen, welcher bald deutlich, bald undeutlich begrenzt iſt. Die Läufe ſind an ihrer
Vorderſeite ungefähr von der Farbe des Rückens, ſeitlich und innen jedoch nicht unbedeutend lichter.
Bezeichnend ſcheint mir nach meinen Beobachtungen ein ſchmales lichtgraues oder weißes Band zu
ſein, welches ſich hart an der Muffel zu beiden Seiten des Obergeäßes herabzieht. Beide Geſchlechter
ſind vollkommen gleich gefärbt und auch das Junge, welches geboren wird, während ſeine Eltern das
beſchriebene Kleid tragen, unterſcheidet ſich nicht durch die Färbung. Dies glaube ich umſomehr her-
vorheben zu müſſen, als alle übrigen, d. h. nicht zu der in Rede ſtehenden Gruppe gehörigen Hirſche
im Jugendkleide gefleckt ſind, während die gedachten Jndier in einem Kleide zur Welt kommen, welches
dem ihrer Eltern genau entſpricht. Sehr bezeichnend für den Hirſch iſt die ziemlich ſtarke Mähne, welche
am Unterhalſe und Kinn ſich entwickelt; ſie iſt auch deshalb merkwürdig, weil die Haare, welche ſie
bilden, ſich durch ihre Beſchaffenheit kaum von den übrigen unterſcheiden.

Bald nach Abwerfen des Geweihes färbt ſich der Hirſch und zu gleicher Zeit das Thier. Beide
erſcheinen dann dunkelgrau mit einem mehr oder weniger hervortretenden Anflug ins Fahlbräunliche.

Soviel bisjetzt bekannt, findet ſich der Mähnenhirſch vorzugsweiſe auf Java, Sumatra, Borneo
und dem indiſchen Feſtlande. Dieſe Angabe ſoll jedoch keineswegs etwaige Jrrthümer der Reiſenden
ausſchließen, da es durchaus nicht unmöglich iſt, daß der auf dem Feſtlande lebende Mähnenhirſch
ſich von dem die Jnſeln bewohnenden unterſcheidet. Einige Forſcher haben den Mähnenhirſch der
Jnſeln, welcher kleiner, als der vom Feſtlande ſein ſoll, unter dem Namen Rusa moluccensis ge-
trennt. Die Beſchreibungen ſind ſo ungenügend, daß ich mit Beſtimmtheit nicht zu ſagen vermag, ob
ich ſoeben die eine oder die andere Art beſchrieb. Es wird geſagt, daß Borneo durch Vermittelung
des Menſchen mit dem Mähnenhirſch bevölkert worden ſein ſoll: ein Sultan Soërianſe habe ein
Paar in der Steppe bei Bulu Lampej freigelaſſen, und dieſe ſeien als Stammeltern aller jetzt vorkom-

Brehm, Thierleben. II. 30
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0491" n="465"/><fw place="top" type="header">Der Mähnenhir&#x017F;ch.</fw><lb/>
ehe wir uns rühmen können, etwas auch nur annähernd Genügendes zu bieten. Jch glaube ent&#x017F;chul-<lb/>
digt zu &#x017F;ein, wenn ich unter die&#x017F;en Um&#x017F;tänden den am häufig&#x017F;ten in der Gefangen&#x017F;chaft vorkommenden<lb/>
Hir&#x017F;ch meiner Be&#x017F;chreibung zu Grunde lege, ge&#x017F;tehe aber offen ein, daß ich für die Schilderung des<lb/>
Freilebens nur in&#x017F;oweit eine Bürg&#x017F;chaft übernehmen mag, als ich Das zu&#x017F;ammen&#x017F;telle, was mir von<lb/>
den indi&#x017F;chen Hir&#x017F;chen, mit Ausnahme der einzeln be&#x017F;chriebenen Arten, überhaupt bekannt ge-<lb/>
worden i&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>Der <hi rendition="#g">Mähnenhir&#x017F;ch</hi> (<hi rendition="#aq">Rusa Hippelaphus</hi>) i&#x017F;t eine der &#x017F;tattlich&#x017F;ten und ausgezeichnet&#x017F;ten Arten<lb/>
der Gruppe. Er &#x017F;teht dem Edelhir&#x017F;ch kaum an Größe nach und wird in &#x017F;einer Heimat wohl nur von<lb/>
dem <hi rendition="#g">Samburhir&#x017F;ch</hi> oder von dem in den indi&#x017F;chen Gebirgen vorkommenden <hi rendition="#g">Wallichshir&#x017F;ch</hi> über-<lb/>
troffen. Die Leibeslänge des erwach&#x017F;enen Hir&#x017F;ches beträgt reichlich 6 Fuß, wovon ein Fuß auf den<lb/>
Schwanz zu rechnen i&#x017F;t, die Höhe am Widerri&#x017F;t 3¼ Fuß, die Länge der Geweih&#x017F;tangen 2 bis 3 Fuß.<lb/>
Das Thier i&#x017F;t beträchtlich kleiner. Jm allgemeinen be&#x017F;itzt der Mähnenhir&#x017F;ch die angegebenen Kennzeichen<lb/>
der Gruppe. Sein Leib i&#x017F;t gedrungen, kräftig; die Läufe &#x017F;ind niederer, als bei dem Edelhir&#x017F;ch, und<lb/>
er&#x017F;cheinen deshalb &#x017F;tämmiger; der Hals i&#x017F;t kurz und der Kopf verhältnißmäßig &#x017F;ehr kurz, aber breit.<lb/>
Das Gehör i&#x017F;t klein, außen dicht, innen nur &#x017F;pärlich mit Haaren bekleidet, das Auge groß, die<lb/>
Thränengrube unter ihm auffallend entwickelt. Das Geweih zeichnet &#x017F;ich durch &#x017F;eine &#x017F;ehr &#x017F;tarken und<lb/>
deshalb kurz er&#x017F;cheinenden Stangen aus; es &#x017F;itzt dicht auf dem niederen Ro&#x017F;en&#x017F;tocke, biegt &#x017F;ich von<lb/>
der Wurzel an in einem &#x017F;anften Bogen nach rückwärts und auswärts, &#x017F;teigt von der Mitte an gerade<lb/>
in die Höhe und wendet &#x017F;ich dann wieder etwas nach einwärts. Die Augen&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;e, welche unmittel-<lb/>
bar über dem Ro&#x017F;en&#x017F;tocke ent&#x017F;pringt, i&#x017F;t &#x017F;tark und lang, vor, auf und mit der Spitze nach einwärts<lb/>
gekrümmt, die Gabel&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;e zweigt &#x017F;ich ungefähr einen Fuß über der Wurzel des Geweihes ab und<lb/>
richtet &#x017F;ich etwas nach vor-, auf- und auswärts. Stangen und Enden &#x017F;ind auf der Oberfläche ge-<lb/>
furcht und geperlt. Die Behaarung i&#x017F;t ver&#x017F;chieden, je nach der Jahreszeit. Bei ausgebildetem Geweih<lb/>
trägt der Hir&#x017F;ch ein Kleid aus groben, brüchigen und ziemlich dünn &#x017F;tehenden Haaren von einer &#x017F;chwer<lb/>
zu be&#x017F;chreibenden graulichbraunfahlen Färbung. Ueber den Rücken verläuft ein dunklerer, d. h.<lb/>
bräunlicherer Streifen, welcher bald deutlich, bald undeutlich begrenzt i&#x017F;t. Die Läufe &#x017F;ind an ihrer<lb/>
Vorder&#x017F;eite ungefähr von der Farbe des Rückens, &#x017F;eitlich und innen jedoch nicht unbedeutend lichter.<lb/>
Bezeichnend &#x017F;cheint mir nach meinen Beobachtungen ein &#x017F;chmales lichtgraues oder weißes Band zu<lb/>
&#x017F;ein, welches &#x017F;ich hart an der Muffel zu beiden Seiten des Obergeäßes herabzieht. Beide Ge&#x017F;chlechter<lb/>
&#x017F;ind vollkommen gleich gefärbt und auch das Junge, welches geboren wird, während &#x017F;eine Eltern das<lb/>
be&#x017F;chriebene Kleid tragen, unter&#x017F;cheidet &#x017F;ich nicht durch die Färbung. Dies glaube ich um&#x017F;omehr her-<lb/>
vorheben zu mü&#x017F;&#x017F;en, als alle übrigen, d. h. nicht zu der in Rede &#x017F;tehenden Gruppe gehörigen Hir&#x017F;che<lb/>
im Jugendkleide gefleckt &#x017F;ind, während die gedachten Jndier in einem Kleide zur Welt kommen, welches<lb/>
dem ihrer Eltern genau ent&#x017F;pricht. Sehr bezeichnend für den Hir&#x017F;ch i&#x017F;t die ziemlich &#x017F;tarke Mähne, welche<lb/>
am Unterhal&#x017F;e und Kinn &#x017F;ich entwickelt; &#x017F;ie i&#x017F;t auch deshalb merkwürdig, weil die Haare, welche &#x017F;ie<lb/>
bilden, &#x017F;ich durch ihre Be&#x017F;chaffenheit kaum von den übrigen unter&#x017F;cheiden.</p><lb/>
              <p>Bald nach Abwerfen des Geweihes färbt &#x017F;ich der Hir&#x017F;ch und zu gleicher Zeit das Thier. Beide<lb/>
er&#x017F;cheinen dann dunkelgrau mit einem mehr oder weniger hervortretenden Anflug ins Fahlbräunliche.</p><lb/>
              <p>Soviel bisjetzt bekannt, findet &#x017F;ich der Mähnenhir&#x017F;ch vorzugswei&#x017F;e auf Java, Sumatra, Borneo<lb/>
und dem indi&#x017F;chen Fe&#x017F;tlande. Die&#x017F;e Angabe &#x017F;oll jedoch keineswegs etwaige Jrrthümer der Rei&#x017F;enden<lb/>
aus&#x017F;chließen, da es durchaus nicht unmöglich i&#x017F;t, daß der auf dem Fe&#x017F;tlande lebende Mähnenhir&#x017F;ch<lb/>
&#x017F;ich von dem die Jn&#x017F;eln bewohnenden unter&#x017F;cheidet. Einige For&#x017F;cher haben den Mähnenhir&#x017F;ch der<lb/>
Jn&#x017F;eln, welcher kleiner, als der vom Fe&#x017F;tlande &#x017F;ein &#x017F;oll, unter dem Namen <hi rendition="#aq">Rusa moluccensis</hi> ge-<lb/>
trennt. Die Be&#x017F;chreibungen &#x017F;ind &#x017F;o ungenügend, daß ich mit Be&#x017F;timmtheit nicht zu &#x017F;agen vermag, ob<lb/>
ich &#x017F;oeben die eine oder die andere Art be&#x017F;chrieb. Es wird ge&#x017F;agt, daß Borneo durch Vermittelung<lb/>
des Men&#x017F;chen mit dem Mähnenhir&#x017F;ch bevölkert worden &#x017F;ein &#x017F;oll: ein Sultan So<hi rendition="#aq">ë</hi>rian&#x017F;e habe ein<lb/>
Paar in der Steppe bei Bulu Lampej freigela&#x017F;&#x017F;en, und die&#x017F;e &#x017F;eien als Stammeltern aller jetzt vorkom-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Brehm,</hi> Thierleben. <hi rendition="#aq">II.</hi> 30</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[465/0491] Der Mähnenhirſch. ehe wir uns rühmen können, etwas auch nur annähernd Genügendes zu bieten. Jch glaube entſchul- digt zu ſein, wenn ich unter dieſen Umſtänden den am häufigſten in der Gefangenſchaft vorkommenden Hirſch meiner Beſchreibung zu Grunde lege, geſtehe aber offen ein, daß ich für die Schilderung des Freilebens nur inſoweit eine Bürgſchaft übernehmen mag, als ich Das zuſammenſtelle, was mir von den indiſchen Hirſchen, mit Ausnahme der einzeln beſchriebenen Arten, überhaupt bekannt ge- worden iſt. Der Mähnenhirſch (Rusa Hippelaphus) iſt eine der ſtattlichſten und ausgezeichnetſten Arten der Gruppe. Er ſteht dem Edelhirſch kaum an Größe nach und wird in ſeiner Heimat wohl nur von dem Samburhirſch oder von dem in den indiſchen Gebirgen vorkommenden Wallichshirſch über- troffen. Die Leibeslänge des erwachſenen Hirſches beträgt reichlich 6 Fuß, wovon ein Fuß auf den Schwanz zu rechnen iſt, die Höhe am Widerriſt 3¼ Fuß, die Länge der Geweihſtangen 2 bis 3 Fuß. Das Thier iſt beträchtlich kleiner. Jm allgemeinen beſitzt der Mähnenhirſch die angegebenen Kennzeichen der Gruppe. Sein Leib iſt gedrungen, kräftig; die Läufe ſind niederer, als bei dem Edelhirſch, und erſcheinen deshalb ſtämmiger; der Hals iſt kurz und der Kopf verhältnißmäßig ſehr kurz, aber breit. Das Gehör iſt klein, außen dicht, innen nur ſpärlich mit Haaren bekleidet, das Auge groß, die Thränengrube unter ihm auffallend entwickelt. Das Geweih zeichnet ſich durch ſeine ſehr ſtarken und deshalb kurz erſcheinenden Stangen aus; es ſitzt dicht auf dem niederen Roſenſtocke, biegt ſich von der Wurzel an in einem ſanften Bogen nach rückwärts und auswärts, ſteigt von der Mitte an gerade in die Höhe und wendet ſich dann wieder etwas nach einwärts. Die Augenſproſſe, welche unmittel- bar über dem Roſenſtocke entſpringt, iſt ſtark und lang, vor, auf und mit der Spitze nach einwärts gekrümmt, die Gabelſproſſe zweigt ſich ungefähr einen Fuß über der Wurzel des Geweihes ab und richtet ſich etwas nach vor-, auf- und auswärts. Stangen und Enden ſind auf der Oberfläche ge- furcht und geperlt. Die Behaarung iſt verſchieden, je nach der Jahreszeit. Bei ausgebildetem Geweih trägt der Hirſch ein Kleid aus groben, brüchigen und ziemlich dünn ſtehenden Haaren von einer ſchwer zu beſchreibenden graulichbraunfahlen Färbung. Ueber den Rücken verläuft ein dunklerer, d. h. bräunlicherer Streifen, welcher bald deutlich, bald undeutlich begrenzt iſt. Die Läufe ſind an ihrer Vorderſeite ungefähr von der Farbe des Rückens, ſeitlich und innen jedoch nicht unbedeutend lichter. Bezeichnend ſcheint mir nach meinen Beobachtungen ein ſchmales lichtgraues oder weißes Band zu ſein, welches ſich hart an der Muffel zu beiden Seiten des Obergeäßes herabzieht. Beide Geſchlechter ſind vollkommen gleich gefärbt und auch das Junge, welches geboren wird, während ſeine Eltern das beſchriebene Kleid tragen, unterſcheidet ſich nicht durch die Färbung. Dies glaube ich umſomehr her- vorheben zu müſſen, als alle übrigen, d. h. nicht zu der in Rede ſtehenden Gruppe gehörigen Hirſche im Jugendkleide gefleckt ſind, während die gedachten Jndier in einem Kleide zur Welt kommen, welches dem ihrer Eltern genau entſpricht. Sehr bezeichnend für den Hirſch iſt die ziemlich ſtarke Mähne, welche am Unterhalſe und Kinn ſich entwickelt; ſie iſt auch deshalb merkwürdig, weil die Haare, welche ſie bilden, ſich durch ihre Beſchaffenheit kaum von den übrigen unterſcheiden. Bald nach Abwerfen des Geweihes färbt ſich der Hirſch und zu gleicher Zeit das Thier. Beide erſcheinen dann dunkelgrau mit einem mehr oder weniger hervortretenden Anflug ins Fahlbräunliche. Soviel bisjetzt bekannt, findet ſich der Mähnenhirſch vorzugsweiſe auf Java, Sumatra, Borneo und dem indiſchen Feſtlande. Dieſe Angabe ſoll jedoch keineswegs etwaige Jrrthümer der Reiſenden ausſchließen, da es durchaus nicht unmöglich iſt, daß der auf dem Feſtlande lebende Mähnenhirſch ſich von dem die Jnſeln bewohnenden unterſcheidet. Einige Forſcher haben den Mähnenhirſch der Jnſeln, welcher kleiner, als der vom Feſtlande ſein ſoll, unter dem Namen Rusa moluccensis ge- trennt. Die Beſchreibungen ſind ſo ungenügend, daß ich mit Beſtimmtheit nicht zu ſagen vermag, ob ich ſoeben die eine oder die andere Art beſchrieb. Es wird geſagt, daß Borneo durch Vermittelung des Menſchen mit dem Mähnenhirſch bevölkert worden ſein ſoll: ein Sultan Soërianſe habe ein Paar in der Steppe bei Bulu Lampej freigelaſſen, und dieſe ſeien als Stammeltern aller jetzt vorkom- Brehm, Thierleben. II. 30

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/491
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/491>, abgerufen am 16.07.2024.