ehe wir uns rühmen können, etwas auch nur annähernd Genügendes zu bieten. Jch glaube entschul- digt zu sein, wenn ich unter diesen Umständen den am häufigsten in der Gefangenschaft vorkommenden Hirsch meiner Beschreibung zu Grunde lege, gestehe aber offen ein, daß ich für die Schilderung des Freilebens nur insoweit eine Bürgschaft übernehmen mag, als ich Das zusammenstelle, was mir von den indischen Hirschen, mit Ausnahme der einzeln beschriebenen Arten, überhaupt bekannt ge- worden ist.
Der Mähnenhirsch (Rusa Hippelaphus) ist eine der stattlichsten und ausgezeichnetsten Arten der Gruppe. Er steht dem Edelhirsch kaum an Größe nach und wird in seiner Heimat wohl nur von dem Samburhirsch oder von dem in den indischen Gebirgen vorkommenden Wallichshirsch über- troffen. Die Leibeslänge des erwachsenen Hirsches beträgt reichlich 6 Fuß, wovon ein Fuß auf den Schwanz zu rechnen ist, die Höhe am Widerrist 31/4 Fuß, die Länge der Geweihstangen 2 bis 3 Fuß. Das Thier ist beträchtlich kleiner. Jm allgemeinen besitzt der Mähnenhirsch die angegebenen Kennzeichen der Gruppe. Sein Leib ist gedrungen, kräftig; die Läufe sind niederer, als bei dem Edelhirsch, und erscheinen deshalb stämmiger; der Hals ist kurz und der Kopf verhältnißmäßig sehr kurz, aber breit. Das Gehör ist klein, außen dicht, innen nur spärlich mit Haaren bekleidet, das Auge groß, die Thränengrube unter ihm auffallend entwickelt. Das Geweih zeichnet sich durch seine sehr starken und deshalb kurz erscheinenden Stangen aus; es sitzt dicht auf dem niederen Rosenstocke, biegt sich von der Wurzel an in einem sanften Bogen nach rückwärts und auswärts, steigt von der Mitte an gerade in die Höhe und wendet sich dann wieder etwas nach einwärts. Die Augensprosse, welche unmittel- bar über dem Rosenstocke entspringt, ist stark und lang, vor, auf und mit der Spitze nach einwärts gekrümmt, die Gabelsprosse zweigt sich ungefähr einen Fuß über der Wurzel des Geweihes ab und richtet sich etwas nach vor-, auf- und auswärts. Stangen und Enden sind auf der Oberfläche ge- furcht und geperlt. Die Behaarung ist verschieden, je nach der Jahreszeit. Bei ausgebildetem Geweih trägt der Hirsch ein Kleid aus groben, brüchigen und ziemlich dünn stehenden Haaren von einer schwer zu beschreibenden graulichbraunfahlen Färbung. Ueber den Rücken verläuft ein dunklerer, d. h. bräunlicherer Streifen, welcher bald deutlich, bald undeutlich begrenzt ist. Die Läufe sind an ihrer Vorderseite ungefähr von der Farbe des Rückens, seitlich und innen jedoch nicht unbedeutend lichter. Bezeichnend scheint mir nach meinen Beobachtungen ein schmales lichtgraues oder weißes Band zu sein, welches sich hart an der Muffel zu beiden Seiten des Obergeäßes herabzieht. Beide Geschlechter sind vollkommen gleich gefärbt und auch das Junge, welches geboren wird, während seine Eltern das beschriebene Kleid tragen, unterscheidet sich nicht durch die Färbung. Dies glaube ich umsomehr her- vorheben zu müssen, als alle übrigen, d. h. nicht zu der in Rede stehenden Gruppe gehörigen Hirsche im Jugendkleide gefleckt sind, während die gedachten Jndier in einem Kleide zur Welt kommen, welches dem ihrer Eltern genau entspricht. Sehr bezeichnend für den Hirsch ist die ziemlich starke Mähne, welche am Unterhalse und Kinn sich entwickelt; sie ist auch deshalb merkwürdig, weil die Haare, welche sie bilden, sich durch ihre Beschaffenheit kaum von den übrigen unterscheiden.
Bald nach Abwerfen des Geweihes färbt sich der Hirsch und zu gleicher Zeit das Thier. Beide erscheinen dann dunkelgrau mit einem mehr oder weniger hervortretenden Anflug ins Fahlbräunliche.
Soviel bisjetzt bekannt, findet sich der Mähnenhirsch vorzugsweise auf Java, Sumatra, Borneo und dem indischen Festlande. Diese Angabe soll jedoch keineswegs etwaige Jrrthümer der Reisenden ausschließen, da es durchaus nicht unmöglich ist, daß der auf dem Festlande lebende Mähnenhirsch sich von dem die Jnseln bewohnenden unterscheidet. Einige Forscher haben den Mähnenhirsch der Jnseln, welcher kleiner, als der vom Festlande sein soll, unter dem Namen Rusa moluccensis ge- trennt. Die Beschreibungen sind so ungenügend, daß ich mit Bestimmtheit nicht zu sagen vermag, ob ich soeben die eine oder die andere Art beschrieb. Es wird gesagt, daß Borneo durch Vermittelung des Menschen mit dem Mähnenhirsch bevölkert worden sein soll: ein Sultan Soerianse habe ein Paar in der Steppe bei Bulu Lampej freigelassen, und diese seien als Stammeltern aller jetzt vorkom-
Brehm, Thierleben. II. 30
Der Mähnenhirſch.
ehe wir uns rühmen können, etwas auch nur annähernd Genügendes zu bieten. Jch glaube entſchul- digt zu ſein, wenn ich unter dieſen Umſtänden den am häufigſten in der Gefangenſchaft vorkommenden Hirſch meiner Beſchreibung zu Grunde lege, geſtehe aber offen ein, daß ich für die Schilderung des Freilebens nur inſoweit eine Bürgſchaft übernehmen mag, als ich Das zuſammenſtelle, was mir von den indiſchen Hirſchen, mit Ausnahme der einzeln beſchriebenen Arten, überhaupt bekannt ge- worden iſt.
Der Mähnenhirſch (Rusa Hippelaphus) iſt eine der ſtattlichſten und ausgezeichnetſten Arten der Gruppe. Er ſteht dem Edelhirſch kaum an Größe nach und wird in ſeiner Heimat wohl nur von dem Samburhirſch oder von dem in den indiſchen Gebirgen vorkommenden Wallichshirſch über- troffen. Die Leibeslänge des erwachſenen Hirſches beträgt reichlich 6 Fuß, wovon ein Fuß auf den Schwanz zu rechnen iſt, die Höhe am Widerriſt 3¼ Fuß, die Länge der Geweihſtangen 2 bis 3 Fuß. Das Thier iſt beträchtlich kleiner. Jm allgemeinen beſitzt der Mähnenhirſch die angegebenen Kennzeichen der Gruppe. Sein Leib iſt gedrungen, kräftig; die Läufe ſind niederer, als bei dem Edelhirſch, und erſcheinen deshalb ſtämmiger; der Hals iſt kurz und der Kopf verhältnißmäßig ſehr kurz, aber breit. Das Gehör iſt klein, außen dicht, innen nur ſpärlich mit Haaren bekleidet, das Auge groß, die Thränengrube unter ihm auffallend entwickelt. Das Geweih zeichnet ſich durch ſeine ſehr ſtarken und deshalb kurz erſcheinenden Stangen aus; es ſitzt dicht auf dem niederen Roſenſtocke, biegt ſich von der Wurzel an in einem ſanften Bogen nach rückwärts und auswärts, ſteigt von der Mitte an gerade in die Höhe und wendet ſich dann wieder etwas nach einwärts. Die Augenſproſſe, welche unmittel- bar über dem Roſenſtocke entſpringt, iſt ſtark und lang, vor, auf und mit der Spitze nach einwärts gekrümmt, die Gabelſproſſe zweigt ſich ungefähr einen Fuß über der Wurzel des Geweihes ab und richtet ſich etwas nach vor-, auf- und auswärts. Stangen und Enden ſind auf der Oberfläche ge- furcht und geperlt. Die Behaarung iſt verſchieden, je nach der Jahreszeit. Bei ausgebildetem Geweih trägt der Hirſch ein Kleid aus groben, brüchigen und ziemlich dünn ſtehenden Haaren von einer ſchwer zu beſchreibenden graulichbraunfahlen Färbung. Ueber den Rücken verläuft ein dunklerer, d. h. bräunlicherer Streifen, welcher bald deutlich, bald undeutlich begrenzt iſt. Die Läufe ſind an ihrer Vorderſeite ungefähr von der Farbe des Rückens, ſeitlich und innen jedoch nicht unbedeutend lichter. Bezeichnend ſcheint mir nach meinen Beobachtungen ein ſchmales lichtgraues oder weißes Band zu ſein, welches ſich hart an der Muffel zu beiden Seiten des Obergeäßes herabzieht. Beide Geſchlechter ſind vollkommen gleich gefärbt und auch das Junge, welches geboren wird, während ſeine Eltern das beſchriebene Kleid tragen, unterſcheidet ſich nicht durch die Färbung. Dies glaube ich umſomehr her- vorheben zu müſſen, als alle übrigen, d. h. nicht zu der in Rede ſtehenden Gruppe gehörigen Hirſche im Jugendkleide gefleckt ſind, während die gedachten Jndier in einem Kleide zur Welt kommen, welches dem ihrer Eltern genau entſpricht. Sehr bezeichnend für den Hirſch iſt die ziemlich ſtarke Mähne, welche am Unterhalſe und Kinn ſich entwickelt; ſie iſt auch deshalb merkwürdig, weil die Haare, welche ſie bilden, ſich durch ihre Beſchaffenheit kaum von den übrigen unterſcheiden.
Bald nach Abwerfen des Geweihes färbt ſich der Hirſch und zu gleicher Zeit das Thier. Beide erſcheinen dann dunkelgrau mit einem mehr oder weniger hervortretenden Anflug ins Fahlbräunliche.
Soviel bisjetzt bekannt, findet ſich der Mähnenhirſch vorzugsweiſe auf Java, Sumatra, Borneo und dem indiſchen Feſtlande. Dieſe Angabe ſoll jedoch keineswegs etwaige Jrrthümer der Reiſenden ausſchließen, da es durchaus nicht unmöglich iſt, daß der auf dem Feſtlande lebende Mähnenhirſch ſich von dem die Jnſeln bewohnenden unterſcheidet. Einige Forſcher haben den Mähnenhirſch der Jnſeln, welcher kleiner, als der vom Feſtlande ſein ſoll, unter dem Namen Rusa moluccensis ge- trennt. Die Beſchreibungen ſind ſo ungenügend, daß ich mit Beſtimmtheit nicht zu ſagen vermag, ob ich ſoeben die eine oder die andere Art beſchrieb. Es wird geſagt, daß Borneo durch Vermittelung des Menſchen mit dem Mähnenhirſch bevölkert worden ſein ſoll: ein Sultan Soërianſe habe ein Paar in der Steppe bei Bulu Lampej freigelaſſen, und dieſe ſeien als Stammeltern aller jetzt vorkom-
Brehm, Thierleben. II. 30
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Der Mähnenhirſch.
ehe wir uns rühmen können, etwas auch nur annähernd Genügendes zu bieten. Jch glaube entſchul-
digt zu ſein, wenn ich unter dieſen Umſtänden den am häufigſten in der Gefangenſchaft vorkommenden
Hirſch meiner Beſchreibung zu Grunde lege, geſtehe aber offen ein, daß ich für die Schilderung des
Freilebens nur inſoweit eine Bürgſchaft übernehmen mag, als ich Das zuſammenſtelle, was mir von
den indiſchen Hirſchen, mit Ausnahme der einzeln beſchriebenen Arten, überhaupt bekannt ge-
worden iſt.
Der Mähnenhirſch (Rusa Hippelaphus) iſt eine der ſtattlichſten und ausgezeichnetſten Arten
der Gruppe. Er ſteht dem Edelhirſch kaum an Größe nach und wird in ſeiner Heimat wohl nur von
dem Samburhirſch oder von dem in den indiſchen Gebirgen vorkommenden Wallichshirſch über-
troffen. Die Leibeslänge des erwachſenen Hirſches beträgt reichlich 6 Fuß, wovon ein Fuß auf den
Schwanz zu rechnen iſt, die Höhe am Widerriſt 3¼ Fuß, die Länge der Geweihſtangen 2 bis 3 Fuß.
Das Thier iſt beträchtlich kleiner. Jm allgemeinen beſitzt der Mähnenhirſch die angegebenen Kennzeichen
der Gruppe. Sein Leib iſt gedrungen, kräftig; die Läufe ſind niederer, als bei dem Edelhirſch, und
erſcheinen deshalb ſtämmiger; der Hals iſt kurz und der Kopf verhältnißmäßig ſehr kurz, aber breit.
Das Gehör iſt klein, außen dicht, innen nur ſpärlich mit Haaren bekleidet, das Auge groß, die
Thränengrube unter ihm auffallend entwickelt. Das Geweih zeichnet ſich durch ſeine ſehr ſtarken und
deshalb kurz erſcheinenden Stangen aus; es ſitzt dicht auf dem niederen Roſenſtocke, biegt ſich von
der Wurzel an in einem ſanften Bogen nach rückwärts und auswärts, ſteigt von der Mitte an gerade
in die Höhe und wendet ſich dann wieder etwas nach einwärts. Die Augenſproſſe, welche unmittel-
bar über dem Roſenſtocke entſpringt, iſt ſtark und lang, vor, auf und mit der Spitze nach einwärts
gekrümmt, die Gabelſproſſe zweigt ſich ungefähr einen Fuß über der Wurzel des Geweihes ab und
richtet ſich etwas nach vor-, auf- und auswärts. Stangen und Enden ſind auf der Oberfläche ge-
furcht und geperlt. Die Behaarung iſt verſchieden, je nach der Jahreszeit. Bei ausgebildetem Geweih
trägt der Hirſch ein Kleid aus groben, brüchigen und ziemlich dünn ſtehenden Haaren von einer ſchwer
zu beſchreibenden graulichbraunfahlen Färbung. Ueber den Rücken verläuft ein dunklerer, d. h.
bräunlicherer Streifen, welcher bald deutlich, bald undeutlich begrenzt iſt. Die Läufe ſind an ihrer
Vorderſeite ungefähr von der Farbe des Rückens, ſeitlich und innen jedoch nicht unbedeutend lichter.
Bezeichnend ſcheint mir nach meinen Beobachtungen ein ſchmales lichtgraues oder weißes Band zu
ſein, welches ſich hart an der Muffel zu beiden Seiten des Obergeäßes herabzieht. Beide Geſchlechter
ſind vollkommen gleich gefärbt und auch das Junge, welches geboren wird, während ſeine Eltern das
beſchriebene Kleid tragen, unterſcheidet ſich nicht durch die Färbung. Dies glaube ich umſomehr her-
vorheben zu müſſen, als alle übrigen, d. h. nicht zu der in Rede ſtehenden Gruppe gehörigen Hirſche
im Jugendkleide gefleckt ſind, während die gedachten Jndier in einem Kleide zur Welt kommen, welches
dem ihrer Eltern genau entſpricht. Sehr bezeichnend für den Hirſch iſt die ziemlich ſtarke Mähne, welche
am Unterhalſe und Kinn ſich entwickelt; ſie iſt auch deshalb merkwürdig, weil die Haare, welche ſie
bilden, ſich durch ihre Beſchaffenheit kaum von den übrigen unterſcheiden.
Bald nach Abwerfen des Geweihes färbt ſich der Hirſch und zu gleicher Zeit das Thier. Beide
erſcheinen dann dunkelgrau mit einem mehr oder weniger hervortretenden Anflug ins Fahlbräunliche.
Soviel bisjetzt bekannt, findet ſich der Mähnenhirſch vorzugsweiſe auf Java, Sumatra, Borneo
und dem indiſchen Feſtlande. Dieſe Angabe ſoll jedoch keineswegs etwaige Jrrthümer der Reiſenden
ausſchließen, da es durchaus nicht unmöglich iſt, daß der auf dem Feſtlande lebende Mähnenhirſch
ſich von dem die Jnſeln bewohnenden unterſcheidet. Einige Forſcher haben den Mähnenhirſch der
Jnſeln, welcher kleiner, als der vom Feſtlande ſein ſoll, unter dem Namen Rusa moluccensis ge-
trennt. Die Beſchreibungen ſind ſo ungenügend, daß ich mit Beſtimmtheit nicht zu ſagen vermag, ob
ich ſoeben die eine oder die andere Art beſchrieb. Es wird geſagt, daß Borneo durch Vermittelung
des Menſchen mit dem Mähnenhirſch bevölkert worden ſein ſoll: ein Sultan Soërianſe habe ein
Paar in der Steppe bei Bulu Lampej freigelaſſen, und dieſe ſeien als Stammeltern aller jetzt vorkom-
Brehm, Thierleben. II. 30
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/491>, abgerufen am 23.11.2024.
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