Siam, von wo aus er uns unmittelbar zugeführt wurde. Er kam als Schmalspießer an, trug aber bereits ein Geweih, welches dem eines Edelgablers entsprach, da die Spieße schon einen Ansatz zur Theilung zeigten. Anfangs Februar warf er ab und setzte hierauf ein Geweih von 14 Enden, jede Stange mit Augensprosse und zwei ziemlich gleichmäßig entwickelten Gabeln an der Spitze. Das nächstfolgende Geweih unterschied sich nur durch größere Stärke, nicht durch die Endenzahl.
Ueber die Zeit der Brunst und die Geburt des Jungen ist mir bisjetzt noch Nichts bekannt geworden, doch läßt sich nach dem Aufsetzen des Geweihes schließen, daß gerade dieser Hirsch mit unserem Edel- wild so ziemlich die gleiche Zeit halten mag. Nach meinen Beobachtungen an unserem Gefangenen glaube ich, daß der Barasinga sich vortrefflich zur Einbürgerung bei uns eignen würde. Er scheint unser Klima vortrefflich zu vertragen und ist ein so anmuthiges Geschöpf, daß er jedem Park oder Wald zur größ- ten Zierde gereichen würde. Seine Haltung ist stolz und etwas herausfordernd, sein Gang zierlich, jedoch gemessen, sein Betragen anscheinend lebendiger, ich möchte sagen muthwilliger, als das ande- rer Hirsche. Unser Gefangener ist ein übermüthiger Gesell, welcher sich mit allem Möglichen versucht. Er steht mit seinem Wärter auf dem besten Fuße, hört auf seinen Namen und kommt gern herbei, wenn er gerufen wird, nimmt aber jede Gelegenheit wahr, dem Manne, mehr aus Spiellust, als im Ernste, einen Stoß beizubringen. Den neben ihm stehenden Hirschen tritt er oft herausfordernd ent- gegen und beginnt dann durch das Gitter hindurch einen Zweikampf, selbst mit den stärksten. Ein weißer Edelhirsch, ihm gegenüber ein Riese, wurde ohne Unterlaß von ihm geneckt, gefoppt und zum Kampfe herausgefordert, so daß wir ihn schließlich versetzen mußten, um den Barasinga nicht zu ge- fährden. Die Stimme des letzteren ist ein ziemlich hoher, kurzer, blöckender Ton, welcher dem Schrei einer geängstigten jungen Ziege sehr ähnelt, jedoch viel kürzer hervorgestoßen wird. Abwei- chend von anderen Hirschen schreit der Barasinga zu jeder Jahreszeit, gewissermaßen zu seiner Unter- haltung; er pflegt auch einen Anruf mit Regelmäßigkeit zu beantworten.
Unter den anderen indischen Hirschen verdient zunächst der Aris unsere Beachtung. Man hat auch ihn in der Neuzeit zum Vertreter einer besonderen Sippe (Axis) erhoben, wohl wegen seines unter den Hirschen allerdings vereinzelt dastehenden Fleckenkleides; doch zeigt auch er im allgemeinen das Gepräge der anderen Hirsche, welche das gleiche Vaterland mit ihm bewohnen. Dabei ist allerdings zu bemerken, daß sein Geweih mehr dem unseres sechsendigen Edelhirsches ähnelt, als dem der übri- gen indischen Hirsche, mit denen wir uns bald beschäftigen werden.
Der Aris (Axis maculata) ist, soweit die Färbung in Betracht kommt, einer der schönsten, wo nicht der schönste aller Hirsche. Die Gestalt ist gestreckt, aber niedrig gestellt; sie erscheint deshalb gedrungener, als sie in Wirklichkeit ist. Der Hals ist verhältnißmäßig dick, der Kopf kurz, regel- mäßig gebaut, nach der schmalen und kurzen Schnauze hin gleichmäßig sich verschmächtigend. Das Gehör ist mittellang, lanzettförmig, schmal, innen kaum, außen leicht behaart, der Wedel ziemlich lang, gerundet, kaum breiter als dick. Das Geweih ist schön leierförmig. Es biegt sich von der Wurzel ab nach hinten, außen und oben. Der Augensproß entspringt unmittelbar an der Rose und wendet sich von hier aus nach vorn, außen und oben, der Gabelsproß zweigt sich etwa in der Mitte der Stange ab und wendet sich nach oben und ein wenig nach hinten. Ein angenehmes Grauröthlich- braun ist die Grundfarbe; der Rückenstreifen ist sehr dunkel, auf dem Widerrist fast schwarz; Kehle, Gurgel, Bauch und Jnnenseite der Läufe sind gelblichweiß, die Außenseite der Läufe gelblichbraun. Sieben Reihen weißer Flecken auf jeder Seite, welche ziemlich unregelmäßig gestellt sind, bilden die Zeichnung. Jn der untersten Reihe stehen die Flecken so dicht zusammen, daß sie sich längs der Weichen und auf den Hinterschenkeln zu einem fast ununterbrochenen Bande vereinigen. Der Kopf und die Seiten des Unterhalses sind ungefleckt. Ueber den Stirntheil der Schnauze verläuft, hufförmig nach vorn sich biegend, eine dunkle Binde von einem Auge zum anderen; auch die Mitte des sonst lichten Scheitels
Die Hirſche. — Der Baraſinga. Der Aris.
Siam, von wo aus er uns unmittelbar zugeführt wurde. Er kam als Schmalſpießer an, trug aber bereits ein Geweih, welches dem eines Edelgablers entſprach, da die Spieße ſchon einen Anſatz zur Theilung zeigten. Anfangs Februar warf er ab und ſetzte hierauf ein Geweih von 14 Enden, jede Stange mit Augenſproſſe und zwei ziemlich gleichmäßig entwickelten Gabeln an der Spitze. Das nächſtfolgende Geweih unterſchied ſich nur durch größere Stärke, nicht durch die Endenzahl.
Ueber die Zeit der Brunſt und die Geburt des Jungen iſt mir bisjetzt noch Nichts bekannt geworden, doch läßt ſich nach dem Aufſetzen des Geweihes ſchließen, daß gerade dieſer Hirſch mit unſerem Edel- wild ſo ziemlich die gleiche Zeit halten mag. Nach meinen Beobachtungen an unſerem Gefangenen glaube ich, daß der Baraſinga ſich vortrefflich zur Einbürgerung bei uns eignen würde. Er ſcheint unſer Klima vortrefflich zu vertragen und iſt ein ſo anmuthiges Geſchöpf, daß er jedem Park oder Wald zur größ- ten Zierde gereichen würde. Seine Haltung iſt ſtolz und etwas herausfordernd, ſein Gang zierlich, jedoch gemeſſen, ſein Betragen anſcheinend lebendiger, ich möchte ſagen muthwilliger, als das ande- rer Hirſche. Unſer Gefangener iſt ein übermüthiger Geſell, welcher ſich mit allem Möglichen verſucht. Er ſteht mit ſeinem Wärter auf dem beſten Fuße, hört auf ſeinen Namen und kommt gern herbei, wenn er gerufen wird, nimmt aber jede Gelegenheit wahr, dem Manne, mehr aus Spielluſt, als im Ernſte, einen Stoß beizubringen. Den neben ihm ſtehenden Hirſchen tritt er oft herausfordernd ent- gegen und beginnt dann durch das Gitter hindurch einen Zweikampf, ſelbſt mit den ſtärkſten. Ein weißer Edelhirſch, ihm gegenüber ein Rieſe, wurde ohne Unterlaß von ihm geneckt, gefoppt und zum Kampfe herausgefordert, ſo daß wir ihn ſchließlich verſetzen mußten, um den Baraſinga nicht zu ge- fährden. Die Stimme des letzteren iſt ein ziemlich hoher, kurzer, blöckender Ton, welcher dem Schrei einer geängſtigten jungen Ziege ſehr ähnelt, jedoch viel kürzer hervorgeſtoßen wird. Abwei- chend von anderen Hirſchen ſchreit der Baraſinga zu jeder Jahreszeit, gewiſſermaßen zu ſeiner Unter- haltung; er pflegt auch einen Anruf mit Regelmäßigkeit zu beantworten.
Unter den anderen indiſchen Hirſchen verdient zunächſt der Aris unſere Beachtung. Man hat auch ihn in der Neuzeit zum Vertreter einer beſonderen Sippe (Axis) erhoben, wohl wegen ſeines unter den Hirſchen allerdings vereinzelt daſtehenden Fleckenkleides; doch zeigt auch er im allgemeinen das Gepräge der anderen Hirſche, welche das gleiche Vaterland mit ihm bewohnen. Dabei iſt allerdings zu bemerken, daß ſein Geweih mehr dem unſeres ſechsendigen Edelhirſches ähnelt, als dem der übri- gen indiſchen Hirſche, mit denen wir uns bald beſchäftigen werden.
Der Aris (Axis maculata) iſt, ſoweit die Färbung in Betracht kommt, einer der ſchönſten, wo nicht der ſchönſte aller Hirſche. Die Geſtalt iſt geſtreckt, aber niedrig geſtellt; ſie erſcheint deshalb gedrungener, als ſie in Wirklichkeit iſt. Der Hals iſt verhältnißmäßig dick, der Kopf kurz, regel- mäßig gebaut, nach der ſchmalen und kurzen Schnauze hin gleichmäßig ſich verſchmächtigend. Das Gehör iſt mittellang, lanzettförmig, ſchmal, innen kaum, außen leicht behaart, der Wedel ziemlich lang, gerundet, kaum breiter als dick. Das Geweih iſt ſchön leierförmig. Es biegt ſich von der Wurzel ab nach hinten, außen und oben. Der Augenſproß entſpringt unmittelbar an der Roſe und wendet ſich von hier aus nach vorn, außen und oben, der Gabelſproß zweigt ſich etwa in der Mitte der Stange ab und wendet ſich nach oben und ein wenig nach hinten. Ein angenehmes Grauröthlich- braun iſt die Grundfarbe; der Rückenſtreifen iſt ſehr dunkel, auf dem Widerriſt faſt ſchwarz; Kehle, Gurgel, Bauch und Jnnenſeite der Läufe ſind gelblichweiß, die Außenſeite der Läufe gelblichbraun. Sieben Reihen weißer Flecken auf jeder Seite, welche ziemlich unregelmäßig geſtellt ſind, bilden die Zeichnung. Jn der unterſten Reihe ſtehen die Flecken ſo dicht zuſammen, daß ſie ſich längs der Weichen und auf den Hinterſchenkeln zu einem faſt ununterbrochenen Bande vereinigen. Der Kopf und die Seiten des Unterhalſes ſind ungefleckt. Ueber den Stirntheil der Schnauze verläuft, hufförmig nach vorn ſich biegend, eine dunkle Binde von einem Auge zum anderen; auch die Mitte des ſonſt lichten Scheitels
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[462/0488]
Die Hirſche. — Der Baraſinga. Der Aris.
Siam, von wo aus er uns unmittelbar zugeführt wurde. Er kam als Schmalſpießer an, trug aber
bereits ein Geweih, welches dem eines Edelgablers entſprach, da die Spieße ſchon einen Anſatz zur
Theilung zeigten. Anfangs Februar warf er ab und ſetzte hierauf ein Geweih von 14 Enden,
jede Stange mit Augenſproſſe und zwei ziemlich gleichmäßig entwickelten Gabeln an der Spitze.
Das nächſtfolgende Geweih unterſchied ſich nur durch größere Stärke, nicht durch die Endenzahl.
Ueber die Zeit der Brunſt und die Geburt des Jungen iſt mir bisjetzt noch Nichts bekannt geworden,
doch läßt ſich nach dem Aufſetzen des Geweihes ſchließen, daß gerade dieſer Hirſch mit unſerem Edel-
wild ſo ziemlich die gleiche Zeit halten mag. Nach meinen Beobachtungen an unſerem Gefangenen glaube
ich, daß der Baraſinga ſich vortrefflich zur Einbürgerung bei uns eignen würde. Er ſcheint unſer Klima
vortrefflich zu vertragen und iſt ein ſo anmuthiges Geſchöpf, daß er jedem Park oder Wald zur größ-
ten Zierde gereichen würde. Seine Haltung iſt ſtolz und etwas herausfordernd, ſein Gang zierlich,
jedoch gemeſſen, ſein Betragen anſcheinend lebendiger, ich möchte ſagen muthwilliger, als das ande-
rer Hirſche. Unſer Gefangener iſt ein übermüthiger Geſell, welcher ſich mit allem Möglichen verſucht.
Er ſteht mit ſeinem Wärter auf dem beſten Fuße, hört auf ſeinen Namen und kommt gern herbei,
wenn er gerufen wird, nimmt aber jede Gelegenheit wahr, dem Manne, mehr aus Spielluſt, als im
Ernſte, einen Stoß beizubringen. Den neben ihm ſtehenden Hirſchen tritt er oft herausfordernd ent-
gegen und beginnt dann durch das Gitter hindurch einen Zweikampf, ſelbſt mit den ſtärkſten. Ein
weißer Edelhirſch, ihm gegenüber ein Rieſe, wurde ohne Unterlaß von ihm geneckt, gefoppt und zum
Kampfe herausgefordert, ſo daß wir ihn ſchließlich verſetzen mußten, um den Baraſinga nicht zu ge-
fährden. Die Stimme des letzteren iſt ein ziemlich hoher, kurzer, blöckender Ton, welcher dem
Schrei einer geängſtigten jungen Ziege ſehr ähnelt, jedoch viel kürzer hervorgeſtoßen wird. Abwei-
chend von anderen Hirſchen ſchreit der Baraſinga zu jeder Jahreszeit, gewiſſermaßen zu ſeiner Unter-
haltung; er pflegt auch einen Anruf mit Regelmäßigkeit zu beantworten.
Unter den anderen indiſchen Hirſchen verdient zunächſt der Aris unſere Beachtung. Man hat
auch ihn in der Neuzeit zum Vertreter einer beſonderen Sippe (Axis) erhoben, wohl wegen ſeines unter
den Hirſchen allerdings vereinzelt daſtehenden Fleckenkleides; doch zeigt auch er im allgemeinen das
Gepräge der anderen Hirſche, welche das gleiche Vaterland mit ihm bewohnen. Dabei iſt allerdings
zu bemerken, daß ſein Geweih mehr dem unſeres ſechsendigen Edelhirſches ähnelt, als dem der übri-
gen indiſchen Hirſche, mit denen wir uns bald beſchäftigen werden.
Der Aris (Axis maculata) iſt, ſoweit die Färbung in Betracht kommt, einer der ſchönſten, wo
nicht der ſchönſte aller Hirſche. Die Geſtalt iſt geſtreckt, aber niedrig geſtellt; ſie erſcheint deshalb
gedrungener, als ſie in Wirklichkeit iſt. Der Hals iſt verhältnißmäßig dick, der Kopf kurz, regel-
mäßig gebaut, nach der ſchmalen und kurzen Schnauze hin gleichmäßig ſich verſchmächtigend. Das
Gehör iſt mittellang, lanzettförmig, ſchmal, innen kaum, außen leicht behaart, der Wedel ziemlich
lang, gerundet, kaum breiter als dick. Das Geweih iſt ſchön leierförmig. Es biegt ſich von der
Wurzel ab nach hinten, außen und oben. Der Augenſproß entſpringt unmittelbar an der Roſe und
wendet ſich von hier aus nach vorn, außen und oben, der Gabelſproß zweigt ſich etwa in der Mitte
der Stange ab und wendet ſich nach oben und ein wenig nach hinten. Ein angenehmes Grauröthlich-
braun iſt die Grundfarbe; der Rückenſtreifen iſt ſehr dunkel, auf dem Widerriſt faſt ſchwarz; Kehle,
Gurgel, Bauch und Jnnenſeite der Läufe ſind gelblichweiß, die Außenſeite der Läufe gelblichbraun.
Sieben Reihen weißer Flecken auf jeder Seite, welche ziemlich unregelmäßig geſtellt ſind, bilden die
Zeichnung. Jn der unterſten Reihe ſtehen die Flecken ſo dicht zuſammen, daß ſie ſich längs der Weichen
und auf den Hinterſchenkeln zu einem faſt ununterbrochenen Bande vereinigen. Der Kopf und die Seiten
des Unterhalſes ſind ungefleckt. Ueber den Stirntheil der Schnauze verläuft, hufförmig nach vorn ſich
biegend, eine dunkle Binde von einem Auge zum anderen; auch die Mitte des ſonſt lichten Scheitels
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/488>, abgerufen am 23.11.2024.
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