wenn die umstehenden Jäger lustig auf den Waldhörnern bliesen und unter allgemeinem Jubel- geschrei der Betreffende dann auch noch sich bedanken mußte! Die Zeit ist vorüber, für immer. Es hat nur ein Mal eine deutsche Jägerei gegeben. Und wenn auch in den außerdeutschen Ländern, wo es gegenwärtig noch Hirsche gibt, die reichen Grundbesitzer sich vielfach bemüht haben, solch ein frisch- fröhliches, männliches Treiben bei sich einzuführen: sie haben nicht auch gleich die deutsche Heiterkeit und Gemüthlichkeit, den deutschen derben Witz ihren Gehilfen anlernen können, und so ist all ihr Thun nur Stückwerk geblieben. Daß die großartigen "Parforcejagden" und andere ähnliche Anstal- ten zur Erlegung des Edelwilds ursprünglich fremde Einrichtungen waren, erkennt Jeder leicht an ihrem, dem deutschen Wesen so widersprechenden Gepräge. Unsere Vorfahren gebrauchten nur die Büchse zur Erlegung des Hirsches. --
Auch das Edelwild wird von einigen Bremsenarten arg geplagt. Diese widerlichen Kerfe legen ihre Zuchten ganz in der Weise, wie bei dem Renthier, auf dem Wilde an, und die Schmeißbrut durchlöchert den armen Geschöpfen fast das ganze Fell. Auch eine Laus, welche sich in den Haaren einnistet, die Fliegen und die Mücken quälen das Wild in hohem Grade. Um diesen, ihm äußerst verhaßten Geschöpfen zu entgehen, fuhlt es sich oft stundenlang im Wasser. Außerdem ist das Wild manchen Krankheiten unterworfen. Der Milzbrand tritt oft seuchenartig auf, die Leberfäule, die Ruhr, der Zahnkrebs und die Auszehrung richten zuweilen große Verheerungen an, und in schlech- ten Jahren gehen auch viele Hirsche aus noch unerklärten Ursachen ein.
Jung eingefangenes Hochwild läßt sich sehr leicht zähmen. Die Thiere beweisen sich immer außerordentlich liebenswürdig und folgsam; die Hirsche aber werden, wie bereits mitgetheilt, mit zu- nehmendem Alter wild und bösartig, manche in so hohem Grade, daß alle Menschen gefährdet sind, welche sich ihnen zu nähern versuchen. Man hat mehrmals Versuche gemacht, die zahmen Hirsche auch zu benutzen. August II. von Polen fuhr noch im Jahre 1739 mit einem Gespann von acht zahmen Hirschen umher; die Herzöge von Zweibrücken und Meiningen hatten Gespanne, welche aus reinen, weißen Hirschen bestanden. Zum Reiten hat man den Hirsch seines schwachen Kreuzes halber niemals benutzt; wohl aber ist er oft zu allerlei Kunststücken abgerichtet und dann von Seiltänzern und Bereitern zur Schau gestellt worden.
Leider ist der Schaden, welchen das Rothwild anrichtet, viel größer, als der Nutzen, den es bringt. Nur aus diesem Grunde ist es in den meisten Gegenden unseres Vaterlandes ausgerottet worden. Wenn auch Wildpret, Decke und Geweih hoch bezahlt werden, und wenn man auch die Jagdfreude sehr hoch anschlagen darf: der vom Wild verursachte Schaden wird hierdurch nicht aufge- hoben. Ein Hochwildstand verträgt sich mit unseren staatswirthschaftlichen Grundsätzen nicht mehr.
Jn früheren Zeiten beschäftigte sich der Aberglaube lebhaft mit allen Theilen des Hirsches. Die sogenannten Haarbeine, die Thränendrüsen, die Eingeweide, das Blut, die Geschlechtstheile, die im Magen nicht selten vorkommenden Bezoare, ja selbst die Losung wurde als viel versprechendes, aber nichtsnutziges Heilmittel in großen Ehren gehalten. Aus den Hirschklauen verfertigte man sich Ringe als Schutzmittel gegen den Krampf; die Hirschzähne wurden in Gold und Silber gefaßt und von den Jägern als Amulete getragen. Von dem Leben des Thieres erzählt man sich eine Menge Fabeln, und selbst die Jäger hielten lange daran fest, bis erst die genauere Beobachtung den Hirsch uns kennen lehrte.
Das Edelwild hat wenige, ihm wirklich nahstehende Verwandte. Jn Nordwestafrika lebt eine Hirschart, welche man unter dem Namen Cervus barbarus getreunt, aber keineswegs allseitig als besondere Art anerkannt hat, sondern eher als Abart betrachten will; sie scheint dem Edelwild in jeder Hinsicht am ähnlichsten zu sein. Sodann keunt man einen stattlichen Hirsch aus Persien, wel- cher mit dem unserigen viel Uebereinstimmendes zeigt, durch bedeutendere Größe und viel stärkere Nackenmähne aber sich hinlänglich unterscheidet (Cervus Wallichii), und endlich ist der größte aller
Die Hirſche. — Der Edelhirſch.
wenn die umſtehenden Jäger luſtig auf den Waldhörnern blieſen und unter allgemeinem Jubel- geſchrei der Betreffende dann auch noch ſich bedanken mußte! Die Zeit iſt vorüber, für immer. Es hat nur ein Mal eine deutſche Jägerei gegeben. Und wenn auch in den außerdeutſchen Ländern, wo es gegenwärtig noch Hirſche gibt, die reichen Grundbeſitzer ſich vielfach bemüht haben, ſolch ein friſch- fröhliches, männliches Treiben bei ſich einzuführen: ſie haben nicht auch gleich die deutſche Heiterkeit und Gemüthlichkeit, den deutſchen derben Witz ihren Gehilfen anlernen können, und ſo iſt all ihr Thun nur Stückwerk geblieben. Daß die großartigen „Parforcejagden‟ und andere ähnliche Anſtal- ten zur Erlegung des Edelwilds urſprünglich fremde Einrichtungen waren, erkennt Jeder leicht an ihrem, dem deutſchen Weſen ſo widerſprechenden Gepräge. Unſere Vorfahren gebrauchten nur die Büchſe zur Erlegung des Hirſches. —
Auch das Edelwild wird von einigen Bremſenarten arg geplagt. Dieſe widerlichen Kerfe legen ihre Zuchten ganz in der Weiſe, wie bei dem Renthier, auf dem Wilde an, und die Schmeißbrut durchlöchert den armen Geſchöpfen faſt das ganze Fell. Auch eine Laus, welche ſich in den Haaren einniſtet, die Fliegen und die Mücken quälen das Wild in hohem Grade. Um dieſen, ihm äußerſt verhaßten Geſchöpfen zu entgehen, fuhlt es ſich oft ſtundenlang im Waſſer. Außerdem iſt das Wild manchen Krankheiten unterworfen. Der Milzbrand tritt oft ſeuchenartig auf, die Leberfäule, die Ruhr, der Zahnkrebs und die Auszehrung richten zuweilen große Verheerungen an, und in ſchlech- ten Jahren gehen auch viele Hirſche aus noch unerklärten Urſachen ein.
Jung eingefangenes Hochwild läßt ſich ſehr leicht zähmen. Die Thiere beweiſen ſich immer außerordentlich liebenswürdig und folgſam; die Hirſche aber werden, wie bereits mitgetheilt, mit zu- nehmendem Alter wild und bösartig, manche in ſo hohem Grade, daß alle Menſchen gefährdet ſind, welche ſich ihnen zu nähern verſuchen. Man hat mehrmals Verſuche gemacht, die zahmen Hirſche auch zu benutzen. Auguſt II. von Polen fuhr noch im Jahre 1739 mit einem Geſpann von acht zahmen Hirſchen umher; die Herzöge von Zweibrücken und Meiningen hatten Geſpanne, welche aus reinen, weißen Hirſchen beſtanden. Zum Reiten hat man den Hirſch ſeines ſchwachen Kreuzes halber niemals benutzt; wohl aber iſt er oft zu allerlei Kunſtſtücken abgerichtet und dann von Seiltänzern und Bereitern zur Schau geſtellt worden.
Leider iſt der Schaden, welchen das Rothwild anrichtet, viel größer, als der Nutzen, den es bringt. Nur aus dieſem Grunde iſt es in den meiſten Gegenden unſeres Vaterlandes ausgerottet worden. Wenn auch Wildpret, Decke und Geweih hoch bezahlt werden, und wenn man auch die Jagdfreude ſehr hoch anſchlagen darf: der vom Wild verurſachte Schaden wird hierdurch nicht aufge- hoben. Ein Hochwildſtand verträgt ſich mit unſeren ſtaatswirthſchaftlichen Grundſätzen nicht mehr.
Jn früheren Zeiten beſchäftigte ſich der Aberglaube lebhaft mit allen Theilen des Hirſches. Die ſogenannten Haarbeine, die Thränendrüſen, die Eingeweide, das Blut, die Geſchlechtstheile, die im Magen nicht ſelten vorkommenden Bezoare, ja ſelbſt die Loſung wurde als viel verſprechendes, aber nichtsnutziges Heilmittel in großen Ehren gehalten. Aus den Hirſchklauen verfertigte man ſich Ringe als Schutzmittel gegen den Krampf; die Hirſchzähne wurden in Gold und Silber gefaßt und von den Jägern als Amulete getragen. Von dem Leben des Thieres erzählt man ſich eine Menge Fabeln, und ſelbſt die Jäger hielten lange daran feſt, bis erſt die genauere Beobachtung den Hirſch uns kennen lehrte.
Das Edelwild hat wenige, ihm wirklich nahſtehende Verwandte. Jn Nordweſtafrika lebt eine Hirſchart, welche man unter dem Namen Cervus barbarus getreunt, aber keineswegs allſeitig als beſondere Art anerkannt hat, ſondern eher als Abart betrachten will; ſie ſcheint dem Edelwild in jeder Hinſicht am ähnlichſten zu ſein. Sodann keunt man einen ſtattlichen Hirſch aus Perſien, wel- cher mit dem unſerigen viel Uebereinſtimmendes zeigt, durch bedeutendere Größe und viel ſtärkere Nackenmähne aber ſich hinlänglich unterſcheidet (Cervus Wallichii), und endlich iſt der größte aller
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Die Hirſche. — Der Edelhirſch.
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geſchrei der Betreffende dann auch noch ſich bedanken mußte! Die Zeit iſt vorüber, für immer. Es
hat nur ein Mal eine deutſche Jägerei gegeben. Und wenn auch in den außerdeutſchen Ländern, wo es
gegenwärtig noch Hirſche gibt, die reichen Grundbeſitzer ſich vielfach bemüht haben, ſolch ein friſch-
fröhliches, männliches Treiben bei ſich einzuführen: ſie haben nicht auch gleich die deutſche Heiterkeit
und Gemüthlichkeit, den deutſchen derben Witz ihren Gehilfen anlernen können, und ſo iſt all ihr
Thun nur Stückwerk geblieben. Daß die großartigen „Parforcejagden‟ und andere ähnliche Anſtal-
ten zur Erlegung des Edelwilds urſprünglich fremde Einrichtungen waren, erkennt Jeder leicht an
ihrem, dem deutſchen Weſen ſo widerſprechenden Gepräge. Unſere Vorfahren gebrauchten nur die
Büchſe zur Erlegung des Hirſches. —
Auch das Edelwild wird von einigen Bremſenarten arg geplagt. Dieſe widerlichen Kerfe legen
ihre Zuchten ganz in der Weiſe, wie bei dem Renthier, auf dem Wilde an, und die Schmeißbrut
durchlöchert den armen Geſchöpfen faſt das ganze Fell. Auch eine Laus, welche ſich in den Haaren
einniſtet, die Fliegen und die Mücken quälen das Wild in hohem Grade. Um dieſen, ihm äußerſt
verhaßten Geſchöpfen zu entgehen, fuhlt es ſich oft ſtundenlang im Waſſer. Außerdem iſt das Wild
manchen Krankheiten unterworfen. Der Milzbrand tritt oft ſeuchenartig auf, die Leberfäule, die
Ruhr, der Zahnkrebs und die Auszehrung richten zuweilen große Verheerungen an, und in ſchlech-
ten Jahren gehen auch viele Hirſche aus noch unerklärten Urſachen ein.
Jung eingefangenes Hochwild läßt ſich ſehr leicht zähmen. Die Thiere beweiſen ſich immer
außerordentlich liebenswürdig und folgſam; die Hirſche aber werden, wie bereits mitgetheilt, mit zu-
nehmendem Alter wild und bösartig, manche in ſo hohem Grade, daß alle Menſchen gefährdet ſind,
welche ſich ihnen zu nähern verſuchen. Man hat mehrmals Verſuche gemacht, die zahmen Hirſche
auch zu benutzen. Auguſt II. von Polen fuhr noch im Jahre 1739 mit einem Geſpann von acht
zahmen Hirſchen umher; die Herzöge von Zweibrücken und Meiningen hatten Geſpanne, welche aus
reinen, weißen Hirſchen beſtanden. Zum Reiten hat man den Hirſch ſeines ſchwachen Kreuzes halber
niemals benutzt; wohl aber iſt er oft zu allerlei Kunſtſtücken abgerichtet und dann von Seiltänzern
und Bereitern zur Schau geſtellt worden.
Leider iſt der Schaden, welchen das Rothwild anrichtet, viel größer, als der Nutzen, den es
bringt. Nur aus dieſem Grunde iſt es in den meiſten Gegenden unſeres Vaterlandes ausgerottet
worden. Wenn auch Wildpret, Decke und Geweih hoch bezahlt werden, und wenn man auch die
Jagdfreude ſehr hoch anſchlagen darf: der vom Wild verurſachte Schaden wird hierdurch nicht aufge-
hoben. Ein Hochwildſtand verträgt ſich mit unſeren ſtaatswirthſchaftlichen Grundſätzen nicht mehr.
Jn früheren Zeiten beſchäftigte ſich der Aberglaube lebhaft mit allen Theilen des Hirſches. Die
ſogenannten Haarbeine, die Thränendrüſen, die Eingeweide, das Blut, die Geſchlechtstheile, die
im Magen nicht ſelten vorkommenden Bezoare, ja ſelbſt die Loſung wurde als viel verſprechendes,
aber nichtsnutziges Heilmittel in großen Ehren gehalten. Aus den Hirſchklauen verfertigte man ſich
Ringe als Schutzmittel gegen den Krampf; die Hirſchzähne wurden in Gold und Silber gefaßt und
von den Jägern als Amulete getragen. Von dem Leben des Thieres erzählt man ſich eine Menge
Fabeln, und ſelbſt die Jäger hielten lange daran feſt, bis erſt die genauere Beobachtung den Hirſch
uns kennen lehrte.
Das Edelwild hat wenige, ihm wirklich nahſtehende Verwandte. Jn Nordweſtafrika lebt eine
Hirſchart, welche man unter dem Namen Cervus barbarus getreunt, aber keineswegs allſeitig als
beſondere Art anerkannt hat, ſondern eher als Abart betrachten will; ſie ſcheint dem Edelwild in
jeder Hinſicht am ähnlichſten zu ſein. Sodann keunt man einen ſtattlichen Hirſch aus Perſien, wel-
cher mit dem unſerigen viel Uebereinſtimmendes zeigt, durch bedeutendere Größe und viel ſtärkere
Nackenmähne aber ſich hinlänglich unterſcheidet (Cervus Wallichii), und endlich iſt der größte aller
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/486>, abgerufen am 23.11.2024.
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