weiden läßt, kann man erstaunlich große Strecken mit ihnen durchreisen, ohne sie zu Grunde zu richten oder auch nur zu ermüden.
Alle Versuche, welche man bisher gemacht hat, das Ren auch nach südlicheren Gegenden zu verpflanzen, sind immer gescheitert; dennoch unterliegt es keinem Zweifel, daß auf den Hochgebirgen Renthiere gedeihen würden. Jn unseren Thiergärten freilich befinden sich die nordischen Fremdlinge sehr unwohl. Man sucht ihnen wohl die kühlsten Orte anzuweisen, kann ihnen aber eine ihrer noth- wendigsten Lebensbedingungen, einen großen Raum, natürlich nicht gewähren. Jm Herbst von Lappland eingeschiffte und rasch nach Deutschland gebrachte Renthiere würden sich im Winter jeden- falls sehr wohl befinden und auf den Gebirgen bald heimisch machen. Schon in den Thiergärten hal- ten die Renthiere jahrelang aus und pflanzen sich auch fort, um wie viel besser würden sie z. B. auf den Alpen oder auf unserem Riesengebirge gedeihen. Der eine Versuch zur Einbürgerung, welchen man in Deutschland bisjetzt gemacht hat, ist nicht maßgebend. Sechs von den im Jahre 1804 für den kaiserlichen Thiergarten zu Schönbrunn angekauften Renthieren gingen schon auf der weiten und lang- weiligen Reise zu Grunde, und nur zwei langten im Dezember ganz entkräftet dort an. Sie hatten sich aber sehr bald wieder erholt, vielleicht, weil man ihnen nur die Renthierflechte und einige Arten Baumflechten zur Nahrung reichte. "Als jedoch die Wärme," sagt Fitzinger, dem ich diese Nach- richten entlehne, "gegen Ende April des Jahres 1805 zugenommen hatte, gewahrte man, daß sie allmählich ihre frühere Munterkeit verloren und auch bedeutend schwächer wurden. Um sie am Leben zu erhalten, beschloß man, den Versuch zu machen, sie in die steiermärkischen Alpen zu senden, damit sie sich dort während des Sommers erholen könnten. Zu dieser Reise waren sie noch stark genug, und jedes einzelne erforderte, obgleich beide Thiere sehr zahm waren, zwei starke Männer, welche alle Mühe hatten, die widerspenstigen Thiere zu bändigen und aus ihrem bereits gewohnt gewordenen Aufenthaltsorte zu entfernen. Jhre Anhänglichkeit an die Leute, welche sie pflegten, war so groß, daß sie sich sträubten, sie zu verlassen, und solange sie dieselben erblickten, immer wieder zu ihnen zurückkehrten und bei ihnen Schutz suchten, so daß die Wärter endlich gezwungen waren, sich zu ver- stecken, damit die Thiere sich der Gewalt fügten und willig fortführen ließen. An ihrem Bestim- mungsort der Alpen, zu Neuberg angelangt, schienen sie zwar anfangs wieder gesund und wieder munterer zu werden, doch hielt dieser Zustand der Besserung nicht lange an; denn das kleine und schwache Weibchen starb bereits zu Ende des Augusts. Das stärkere Männchen hatte sich den Winter über wieder erholt, begann aber im Sommer des folgenden Jahres abermals zu kränkeln. Man wollte deshalb versuchen, es in die höheren Alpen, in die Gegend von Mariazell zu bringen; dieser Versuch kam aber nicht zur Ausführung, da das Thier schon im September desselben Jahres dem Tode erlag."
An das Ren reiht sich naturgemäß der Damhirsch (Dama Platyceros) an. Die Kenn- zeichen seiner Sippe liegen in den unten runden, zweisprossigen Geweihstangen, welche sich oben zu einer verlängerten Schaufel mit Randsprossen erweitern.
Viele Naturforscher nahmen an, daß das Damwild ursprünglich blos dem Süden und na- mentlich den Mittelmeerländern angehörte, nach und nach aber mehr nach Norden hin verbreitet wurde. Dieser Ansicht steht entgegen, daß man, wie Wagner angibt, in den altdeutschen Grä- bern zwischen Schlieben und Wittenberg, viele Reste des Damwildes gefunden hat. Jedenfalls also müßte die Einführung in unserer Gegend in frühester, vorgeschichtlicher Zeit geschehen sein. Ekk- hard, ein Mönch zu St. Gallen, führt in einem um das Jahr 1000 geschriebenen Werke den Dam- hirsch als jagdbares Wild auf; andere Schriftsteller des Mittelalters gedenken schon weißer Dam- hirsche als Jagdthiere, "welche in Thüringen und Hessen nicht selten sind." Allerdings liebt das Damwild mehr gemäßigte, als kalte Gegenden, und ist aus diesem Grunde in den Mittelmeer- ländern am häufigsten. Schon die alten Schriftsteller erwähnen es als einen ständigen Bewohner
Das Renthier. Der Damhirſch.
weiden läßt, kann man erſtaunlich große Strecken mit ihnen durchreiſen, ohne ſie zu Grunde zu richten oder auch nur zu ermüden.
Alle Verſuche, welche man bisher gemacht hat, das Ren auch nach ſüdlicheren Gegenden zu verpflanzen, ſind immer geſcheitert; dennoch unterliegt es keinem Zweifel, daß auf den Hochgebirgen Renthiere gedeihen würden. Jn unſeren Thiergärten freilich befinden ſich die nordiſchen Fremdlinge ſehr unwohl. Man ſucht ihnen wohl die kühlſten Orte anzuweiſen, kann ihnen aber eine ihrer noth- wendigſten Lebensbedingungen, einen großen Raum, natürlich nicht gewähren. Jm Herbſt von Lappland eingeſchiffte und raſch nach Deutſchland gebrachte Renthiere würden ſich im Winter jeden- falls ſehr wohl befinden und auf den Gebirgen bald heimiſch machen. Schon in den Thiergärten hal- ten die Renthiere jahrelang aus und pflanzen ſich auch fort, um wie viel beſſer würden ſie z. B. auf den Alpen oder auf unſerem Rieſengebirge gedeihen. Der eine Verſuch zur Einbürgerung, welchen man in Deutſchland bisjetzt gemacht hat, iſt nicht maßgebend. Sechs von den im Jahre 1804 für den kaiſerlichen Thiergarten zu Schönbrunn angekauften Renthieren gingen ſchon auf der weiten und lang- weiligen Reiſe zu Grunde, und nur zwei langten im Dezember ganz entkräftet dort an. Sie hatten ſich aber ſehr bald wieder erholt, vielleicht, weil man ihnen nur die Renthierflechte und einige Arten Baumflechten zur Nahrung reichte. „Als jedoch die Wärme,‟ ſagt Fitzinger, dem ich dieſe Nach- richten entlehne, „gegen Ende April des Jahres 1805 zugenommen hatte, gewahrte man, daß ſie allmählich ihre frühere Munterkeit verloren und auch bedeutend ſchwächer wurden. Um ſie am Leben zu erhalten, beſchloß man, den Verſuch zu machen, ſie in die ſteiermärkiſchen Alpen zu ſenden, damit ſie ſich dort während des Sommers erholen könnten. Zu dieſer Reiſe waren ſie noch ſtark genug, und jedes einzelne erforderte, obgleich beide Thiere ſehr zahm waren, zwei ſtarke Männer, welche alle Mühe hatten, die widerſpenſtigen Thiere zu bändigen und aus ihrem bereits gewohnt gewordenen Aufenthaltsorte zu entfernen. Jhre Anhänglichkeit an die Leute, welche ſie pflegten, war ſo groß, daß ſie ſich ſträubten, ſie zu verlaſſen, und ſolange ſie dieſelben erblickten, immer wieder zu ihnen zurückkehrten und bei ihnen Schutz ſuchten, ſo daß die Wärter endlich gezwungen waren, ſich zu ver- ſtecken, damit die Thiere ſich der Gewalt fügten und willig fortführen ließen. An ihrem Beſtim- mungsort der Alpen, zu Neuberg angelangt, ſchienen ſie zwar anfangs wieder geſund und wieder munterer zu werden, doch hielt dieſer Zuſtand der Beſſerung nicht lange an; denn das kleine und ſchwache Weibchen ſtarb bereits zu Ende des Auguſts. Das ſtärkere Männchen hatte ſich den Winter über wieder erholt, begann aber im Sommer des folgenden Jahres abermals zu kränkeln. Man wollte deshalb verſuchen, es in die höheren Alpen, in die Gegend von Mariazell zu bringen; dieſer Verſuch kam aber nicht zur Ausführung, da das Thier ſchon im September deſſelben Jahres dem Tode erlag.‟
An das Ren reiht ſich naturgemäß der Damhirſch (Dama Platyceros) an. Die Kenn- zeichen ſeiner Sippe liegen in den unten runden, zweiſproſſigen Geweihſtangen, welche ſich oben zu einer verlängerten Schaufel mit Randſproſſen erweitern.
Viele Naturforſcher nahmen an, daß das Damwild urſprünglich blos dem Süden und na- mentlich den Mittelmeerländern angehörte, nach und nach aber mehr nach Norden hin verbreitet wurde. Dieſer Anſicht ſteht entgegen, daß man, wie Wagner angibt, in den altdeutſchen Grä- bern zwiſchen Schlieben und Wittenberg, viele Reſte des Damwildes gefunden hat. Jedenfalls alſo müßte die Einführung in unſerer Gegend in früheſter, vorgeſchichtlicher Zeit geſchehen ſein. Ekk- hard, ein Mönch zu St. Gallen, führt in einem um das Jahr 1000 geſchriebenen Werke den Dam- hirſch als jagdbares Wild auf; andere Schriftſteller des Mittelalters gedenken ſchon weißer Dam- hirſche als Jagdthiere, „welche in Thüringen und Heſſen nicht ſelten ſind.‟ Allerdings liebt das Damwild mehr gemäßigte, als kalte Gegenden, und iſt aus dieſem Grunde in den Mittelmeer- ländern am häufigſten. Schon die alten Schriftſteller erwähnen es als einen ſtändigen Bewohner
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[447/0473]
Das Renthier. Der Damhirſch.
weiden läßt, kann man erſtaunlich große Strecken mit ihnen durchreiſen, ohne ſie zu Grunde zu richten
oder auch nur zu ermüden.
Alle Verſuche, welche man bisher gemacht hat, das Ren auch nach ſüdlicheren Gegenden zu
verpflanzen, ſind immer geſcheitert; dennoch unterliegt es keinem Zweifel, daß auf den Hochgebirgen
Renthiere gedeihen würden. Jn unſeren Thiergärten freilich befinden ſich die nordiſchen Fremdlinge
ſehr unwohl. Man ſucht ihnen wohl die kühlſten Orte anzuweiſen, kann ihnen aber eine ihrer noth-
wendigſten Lebensbedingungen, einen großen Raum, natürlich nicht gewähren. Jm Herbſt von
Lappland eingeſchiffte und raſch nach Deutſchland gebrachte Renthiere würden ſich im Winter jeden-
falls ſehr wohl befinden und auf den Gebirgen bald heimiſch machen. Schon in den Thiergärten hal-
ten die Renthiere jahrelang aus und pflanzen ſich auch fort, um wie viel beſſer würden ſie z. B. auf
den Alpen oder auf unſerem Rieſengebirge gedeihen. Der eine Verſuch zur Einbürgerung, welchen man
in Deutſchland bisjetzt gemacht hat, iſt nicht maßgebend. Sechs von den im Jahre 1804 für den
kaiſerlichen Thiergarten zu Schönbrunn angekauften Renthieren gingen ſchon auf der weiten und lang-
weiligen Reiſe zu Grunde, und nur zwei langten im Dezember ganz entkräftet dort an. Sie hatten ſich
aber ſehr bald wieder erholt, vielleicht, weil man ihnen nur die Renthierflechte und einige Arten
Baumflechten zur Nahrung reichte. „Als jedoch die Wärme,‟ ſagt Fitzinger, dem ich dieſe Nach-
richten entlehne, „gegen Ende April des Jahres 1805 zugenommen hatte, gewahrte man, daß ſie
allmählich ihre frühere Munterkeit verloren und auch bedeutend ſchwächer wurden. Um ſie am Leben
zu erhalten, beſchloß man, den Verſuch zu machen, ſie in die ſteiermärkiſchen Alpen zu ſenden, damit
ſie ſich dort während des Sommers erholen könnten. Zu dieſer Reiſe waren ſie noch ſtark genug,
und jedes einzelne erforderte, obgleich beide Thiere ſehr zahm waren, zwei ſtarke Männer, welche
alle Mühe hatten, die widerſpenſtigen Thiere zu bändigen und aus ihrem bereits gewohnt gewordenen
Aufenthaltsorte zu entfernen. Jhre Anhänglichkeit an die Leute, welche ſie pflegten, war ſo groß,
daß ſie ſich ſträubten, ſie zu verlaſſen, und ſolange ſie dieſelben erblickten, immer wieder zu ihnen
zurückkehrten und bei ihnen Schutz ſuchten, ſo daß die Wärter endlich gezwungen waren, ſich zu ver-
ſtecken, damit die Thiere ſich der Gewalt fügten und willig fortführen ließen. An ihrem Beſtim-
mungsort der Alpen, zu Neuberg angelangt, ſchienen ſie zwar anfangs wieder geſund und wieder
munterer zu werden, doch hielt dieſer Zuſtand der Beſſerung nicht lange an; denn das kleine
und ſchwache Weibchen ſtarb bereits zu Ende des Auguſts. Das ſtärkere Männchen hatte ſich den
Winter über wieder erholt, begann aber im Sommer des folgenden Jahres abermals zu kränkeln.
Man wollte deshalb verſuchen, es in die höheren Alpen, in die Gegend von Mariazell zu bringen;
dieſer Verſuch kam aber nicht zur Ausführung, da das Thier ſchon im September deſſelben Jahres
dem Tode erlag.‟
An das Ren reiht ſich naturgemäß der Damhirſch (Dama Platyceros) an. Die Kenn-
zeichen ſeiner Sippe liegen in den unten runden, zweiſproſſigen Geweihſtangen, welche ſich oben
zu einer verlängerten Schaufel mit Randſproſſen erweitern.
Viele Naturforſcher nahmen an, daß das Damwild urſprünglich blos dem Süden und na-
mentlich den Mittelmeerländern angehörte, nach und nach aber mehr nach Norden hin verbreitet
wurde. Dieſer Anſicht ſteht entgegen, daß man, wie Wagner angibt, in den altdeutſchen Grä-
bern zwiſchen Schlieben und Wittenberg, viele Reſte des Damwildes gefunden hat. Jedenfalls alſo
müßte die Einführung in unſerer Gegend in früheſter, vorgeſchichtlicher Zeit geſchehen ſein. Ekk-
hard, ein Mönch zu St. Gallen, führt in einem um das Jahr 1000 geſchriebenen Werke den Dam-
hirſch als jagdbares Wild auf; andere Schriftſteller des Mittelalters gedenken ſchon weißer Dam-
hirſche als Jagdthiere, „welche in Thüringen und Heſſen nicht ſelten ſind.‟ Allerdings liebt das
Damwild mehr gemäßigte, als kalte Gegenden, und iſt aus dieſem Grunde in den Mittelmeer-
ländern am häufigſten. Schon die alten Schriftſteller erwähnen es als einen ſtändigen Bewohner
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/473>, abgerufen am 27.11.2024.
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