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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Lamas. -- Die Vicunda.

Die Vermehrung des Paco ist eine sehr starke. Von den in Europa eingeführten erfuhr man,
daß das Weibchen elf Monate trächtig geht und, wenn es bei guter Gesundheit ist, in sehr rascher
Folge Junge wirft.

"Zierlicher als das Lama," sagt Tschudi, "ist die Vicunda (Auchenia Vicunna). An Größe
steht sie zwischen dem Lama und Paco, unterscheidet sich aber von beiden durch die viel kürzere und
gekräuseltere Wolle, welche von ausnehmender Feinheit ist. Der Scheitel, die obere Seite des Halses,
der Rumpf und die Schenkel sind von eigenthümlicher, röthlichgelber Färbung (Vicundafarbe); die

[Abbildung] Die Vicunda (Auchenia Vicunna).
untere Seite des Halses und die innere der Gliedmaßen ist hellockerfarben; die fünf Zoll langen Brust-
haare und der Unterleib weiß."

"Während der nassen Jahreszeit halten sich die Vicundas auf den Kämmen der Cordilleren auf,
wo die Pflanzenwelt nur höchst spärlich sich zeigt. Sie bleiben, weil ihre Hufe weich und empfindlich
sind, immer auf den Rasenplätzen und ziehen sich, auch verfolgt, niemals auf die steinigten, nack-
ten Gipfel und noch viel weniger, wie unsere Gemsen, auf Gletscher und Schneefelder. Jn der
heißen Jahreszeit steigen sie in die Thäler herab. Der scheinbare Widerspruch, daß die Thiere im
Winter die kalten, im Sommer die heißen Gegenden aufsuchen, erklärt sich dadurch, daß während
der trockenen Jahreszeit die Cordillerenrücken ganz ausgedörrt sind und die überhaupt spärliche
Pflanzenwelt ihnen nur in den Thälern, wo Quellen und Sümpfe sind, hinreichende Nahrung dar-

Die Lamas. — Die Vicuña.

Die Vermehrung des Paco iſt eine ſehr ſtarke. Von den in Europa eingeführten erfuhr man,
daß das Weibchen elf Monate trächtig geht und, wenn es bei guter Geſundheit iſt, in ſehr raſcher
Folge Junge wirft.

„Zierlicher als das Lama,‟ ſagt Tſchudi, „iſt die Vicuña (Auchenia Vicunna). An Größe
ſteht ſie zwiſchen dem Lama und Paco, unterſcheidet ſich aber von beiden durch die viel kürzere und
gekräuſeltere Wolle, welche von ausnehmender Feinheit iſt. Der Scheitel, die obere Seite des Halſes,
der Rumpf und die Schenkel ſind von eigenthümlicher, röthlichgelber Färbung (Vicuñafarbe); die

[Abbildung] Die Vicuña (Auchenia Vicunna).
untere Seite des Halſes und die innere der Gliedmaßen iſt hellockerfarben; die fünf Zoll langen Bruſt-
haare und der Unterleib weiß.‟

„Während der naſſen Jahreszeit halten ſich die Vicuñas auf den Kämmen der Cordilleren auf,
wo die Pflanzenwelt nur höchſt ſpärlich ſich zeigt. Sie bleiben, weil ihre Hufe weich und empfindlich
ſind, immer auf den Raſenplätzen und ziehen ſich, auch verfolgt, niemals auf die ſteinigten, nack-
ten Gipfel und noch viel weniger, wie unſere Gemſen, auf Gletſcher und Schneefelder. Jn der
heißen Jahreszeit ſteigen ſie in die Thäler herab. Der ſcheinbare Widerſpruch, daß die Thiere im
Winter die kalten, im Sommer die heißen Gegenden aufſuchen, erklärt ſich dadurch, daß während
der trockenen Jahreszeit die Cordillerenrücken ganz ausgedörrt ſind und die überhaupt ſpärliche
Pflanzenwelt ihnen nur in den Thälern, wo Quellen und Sümpfe ſind, hinreichende Nahrung dar-

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[410/0434] Die Lamas. — Die Vicuña. Die Vermehrung des Paco iſt eine ſehr ſtarke. Von den in Europa eingeführten erfuhr man, daß das Weibchen elf Monate trächtig geht und, wenn es bei guter Geſundheit iſt, in ſehr raſcher Folge Junge wirft. „Zierlicher als das Lama,‟ ſagt Tſchudi, „iſt die Vicuña (Auchenia Vicunna). An Größe ſteht ſie zwiſchen dem Lama und Paco, unterſcheidet ſich aber von beiden durch die viel kürzere und gekräuſeltere Wolle, welche von ausnehmender Feinheit iſt. Der Scheitel, die obere Seite des Halſes, der Rumpf und die Schenkel ſind von eigenthümlicher, röthlichgelber Färbung (Vicuñafarbe); die [Abbildung Die Vicuña (Auchenia Vicunna).] untere Seite des Halſes und die innere der Gliedmaßen iſt hellockerfarben; die fünf Zoll langen Bruſt- haare und der Unterleib weiß.‟ „Während der naſſen Jahreszeit halten ſich die Vicuñas auf den Kämmen der Cordilleren auf, wo die Pflanzenwelt nur höchſt ſpärlich ſich zeigt. Sie bleiben, weil ihre Hufe weich und empfindlich ſind, immer auf den Raſenplätzen und ziehen ſich, auch verfolgt, niemals auf die ſteinigten, nack- ten Gipfel und noch viel weniger, wie unſere Gemſen, auf Gletſcher und Schneefelder. Jn der heißen Jahreszeit ſteigen ſie in die Thäler herab. Der ſcheinbare Widerſpruch, daß die Thiere im Winter die kalten, im Sommer die heißen Gegenden aufſuchen, erklärt ſich dadurch, daß während der trockenen Jahreszeit die Cordillerenrücken ganz ausgedörrt ſind und die überhaupt ſpärliche Pflanzenwelt ihnen nur in den Thälern, wo Quellen und Sümpfe ſind, hinreichende Nahrung dar-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/434>, abgerufen am 23.11.2024.