"Unter der spanischen Herrschaft erschien ein Gesetz, welches jungen, unverheiratheten Jndia- nern bei Todesstrafe verbot, eine Herde weiblicher Lamas zu hüten. Gegenwärtig ist dieses höchst nothwendige Verbot leider außer Wirksamkeit getreten."
Von demselben Naturforscher erfahren wir, daß die Bedeutung und bezüglich der Preis der La- mas seit Einführung der Einhufer bedeutend gesunken ist, und ferner, daß die Lamaherden durch Krankheiten oft in entsetzlicher Weise heimgesucht werden. Ein Nachkomme der peruanischen Könige, Jnca Garcilaso de la Vega, erzählt in seinem werthvollen Werke, daß diese Krankheit in den Jahren 1544 und 1545 zum ersten Male auftrat. Es war ein Uebel, der Krätze zu vergleichen, aber weit verderblicher. Von der Jnnenseite der Schenkel ausgehend, verbreitete es sich über den ganzen Leib, bildete hohe Krusten und tiefe Spalten, aus denen Blut und Eiter sich ergoß, und rieb die Thiere in wenigen Tagen auf. Die Pest war ansteckend und raffte zum größten Erstaunen und Schrecken der Jndianer und Spanier zwei Dritttheile der Lamas und Huanacos weg. Später wurden Pacos und Vicundas angesteckt, ja selbst die Füchse nicht verschont. Anfangs vergrub man die verpesteten Thiere bei lebendigem Leibe, sodann behandelte man sie mit Feuer und Schwefel, endlich fand man, daß Schweineschmalz das beste Mittel sei. Allmählich nahm das Uebel ab und endlich verschwand es fast ganz. Aber es ist, wie Tschudi hinzufügt, niemals gänzlich ausgerottet worden und wiederholt seuchenartig aufgetreten. Jetzt wendet man das Fett des Kondors als Ge- genmittel an.
Jn den Angaben der genannten Reisenden ist so ziemlich Alles enthalten, was wir von dem Leben unseres Thieres in seiner Heimat wissen. Gegenwärtig sieht man das Lama fast in allen Thiergärten. Es gedeiht in Europa vortrefflich und hat sich hier schon mehrmals fortgepflanzt. Wenn es mit anderen seiner Art zusammengehalten wird, scheint es viel freundlicher zu sein, als wenn es allein ist und sich langweilt. Es verträgt sich mit seinen Artgenossen und Artverwandten vortrefflich, und namentlich die Paare hängen mit großer Zärtlichkeit an einander. Sie lernen ihre Wärter kennen und behandeln sie ganz erträglich; gegen fremde Menschen aber zeigen sie sich als echte Kamele, d. h. beständig mehr oder weniger übel gelaunt und außerordentlich reizbar. Jm ber- liner Thiergarten lebte vor mehreren Jahren ein Lama, welches sich durch besondere Ungemüthlichkeit auszeichnete; an seinem Gitter hing eine Tafel mit der Bitte, das Lama ja nicht zu ärgern, was selbstverständlich den Erfolg hatte, daß Jedermann erst recht das Thier zu reizen versuchte. Da sah man es denn in beständiger Aufregung. Sobald sich Jemand nahte, endigte es sein gemüthliches Wiederkäuen, legte die Ohren zurück, sah den Fremdling starr an, ging plötzlich gerade auf ihn los und spuckte ihn an. Jn ähnlicher Weise benahmen sich auch die übrigen Lamas, welche ich sah oder selbst pflegte und ich kann wohl sagen, daß ich nie eins kennen lernte, welches sanft oder gutmüthig gewesen wäre.
Der Paco (Auchenia Paco) ist in der Neuzeit zum wichtigsten Mitgliede der ganzen Gruppe geworden. Man hat erfahren, daß die Wolle des Thieres so vortreffliche Eigenschaften besitzt, wie kaum eine andere, und deshalb ist man darauf gekommen, den Paco auch bei uns und in Australien einzuführen. Die Versuche, welche man in England, Frankreich, Holland und in Lütschena bei Leipzig anstellte, haben bisjetzt noch wenig Erfolg gehabt; die nach Australien eingeführten Thiere aber sollen sich dort ganz vortrefflich befinden. Auch in Großbritannien, und zwar in Knowsley, hat ein gewisser Thompson für den Grafen von Derby eine nicht unbeträchtliche Herde gezüchtet, und englische Forscher glauben, daß bei fortdauernder Bemühung im schottischen Hochgebirge zweifellos Pacos wohl gedeihen und heimisch gemacht werden könnten.
Der Paco ist nach Tschudi kleiner, als das Lama, und gleicht im Körperbau dem Schafe, hat aber einen längeren Hals und einen zierlicheren Kopf; sein Vließ ist sehr lang und ausnehmend weich, an einigen Stellen, z. B. an den Seiten des Rumpfes, erreicht er eine Länge von vier bis fünf Zoll. Die Farbe ist meistens ganz weiß oder schwarz; es gibt aber ebenfalls buntscheckige.
Die Lamas. — Der Paco.
„Unter der ſpaniſchen Herrſchaft erſchien ein Geſetz, welches jungen, unverheiratheten Jndia- nern bei Todesſtrafe verbot, eine Herde weiblicher Lamas zu hüten. Gegenwärtig iſt dieſes höchſt nothwendige Verbot leider außer Wirkſamkeit getreten.‟
Von demſelben Naturforſcher erfahren wir, daß die Bedeutung und bezüglich der Preis der La- mas ſeit Einführung der Einhufer bedeutend geſunken iſt, und ferner, daß die Lamaherden durch Krankheiten oft in entſetzlicher Weiſe heimgeſucht werden. Ein Nachkomme der peruaniſchen Könige, Jnca Garcilaſo de la Vega, erzählt in ſeinem werthvollen Werke, daß dieſe Krankheit in den Jahren 1544 und 1545 zum erſten Male auftrat. Es war ein Uebel, der Krätze zu vergleichen, aber weit verderblicher. Von der Jnnenſeite der Schenkel ausgehend, verbreitete es ſich über den ganzen Leib, bildete hohe Kruſten und tiefe Spalten, aus denen Blut und Eiter ſich ergoß, und rieb die Thiere in wenigen Tagen auf. Die Peſt war anſteckend und raffte zum größten Erſtaunen und Schrecken der Jndianer und Spanier zwei Dritttheile der Lamas und Huanacos weg. Später wurden Pacos und Vicuñas angeſteckt, ja ſelbſt die Füchſe nicht verſchont. Anfangs vergrub man die verpeſteten Thiere bei lebendigem Leibe, ſodann behandelte man ſie mit Feuer und Schwefel, endlich fand man, daß Schweineſchmalz das beſte Mittel ſei. Allmählich nahm das Uebel ab und endlich verſchwand es faſt ganz. Aber es iſt, wie Tſchudi hinzufügt, niemals gänzlich ausgerottet worden und wiederholt ſeuchenartig aufgetreten. Jetzt wendet man das Fett des Kondors als Ge- genmittel an.
Jn den Angaben der genannten Reiſenden iſt ſo ziemlich Alles enthalten, was wir von dem Leben unſeres Thieres in ſeiner Heimat wiſſen. Gegenwärtig ſieht man das Lama faſt in allen Thiergärten. Es gedeiht in Europa vortrefflich und hat ſich hier ſchon mehrmals fortgepflanzt. Wenn es mit anderen ſeiner Art zuſammengehalten wird, ſcheint es viel freundlicher zu ſein, als wenn es allein iſt und ſich langweilt. Es verträgt ſich mit ſeinen Artgenoſſen und Artverwandten vortrefflich, und namentlich die Paare hängen mit großer Zärtlichkeit an einander. Sie lernen ihre Wärter kennen und behandeln ſie ganz erträglich; gegen fremde Menſchen aber zeigen ſie ſich als echte Kamele, d. h. beſtändig mehr oder weniger übel gelaunt und außerordentlich reizbar. Jm ber- liner Thiergarten lebte vor mehreren Jahren ein Lama, welches ſich durch beſondere Ungemüthlichkeit auszeichnete; an ſeinem Gitter hing eine Tafel mit der Bitte, das Lama ja nicht zu ärgern, was ſelbſtverſtändlich den Erfolg hatte, daß Jedermann erſt recht das Thier zu reizen verſuchte. Da ſah man es denn in beſtändiger Aufregung. Sobald ſich Jemand nahte, endigte es ſein gemüthliches Wiederkäuen, legte die Ohren zurück, ſah den Fremdling ſtarr an, ging plötzlich gerade auf ihn los und ſpuckte ihn an. Jn ähnlicher Weiſe benahmen ſich auch die übrigen Lamas, welche ich ſah oder ſelbſt pflegte und ich kann wohl ſagen, daß ich nie eins kennen lernte, welches ſanft oder gutmüthig geweſen wäre.
Der Paco (Auchenia Paco) iſt in der Neuzeit zum wichtigſten Mitgliede der ganzen Gruppe geworden. Man hat erfahren, daß die Wolle des Thieres ſo vortreffliche Eigenſchaften beſitzt, wie kaum eine andere, und deshalb iſt man darauf gekommen, den Paco auch bei uns und in Auſtralien einzuführen. Die Verſuche, welche man in England, Frankreich, Holland und in Lütſchena bei Leipzig anſtellte, haben bisjetzt noch wenig Erfolg gehabt; die nach Auſtralien eingeführten Thiere aber ſollen ſich dort ganz vortrefflich befinden. Auch in Großbritannien, und zwar in Knowsley, hat ein gewiſſer Thompſon für den Grafen von Derby eine nicht unbeträchtliche Herde gezüchtet, und engliſche Forſcher glauben, daß bei fortdauernder Bemühung im ſchottiſchen Hochgebirge zweifellos Pacos wohl gedeihen und heimiſch gemacht werden könnten.
Der Paco iſt nach Tſchudi kleiner, als das Lama, und gleicht im Körperbau dem Schafe, hat aber einen längeren Hals und einen zierlicheren Kopf; ſein Vließ iſt ſehr lang und ausnehmend weich, an einigen Stellen, z. B. an den Seiten des Rumpfes, erreicht er eine Länge von vier bis fünf Zoll. Die Farbe iſt meiſtens ganz weiß oder ſchwarz; es gibt aber ebenfalls buntſcheckige.
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Die Lamas. — Der Paco.
„Unter der ſpaniſchen Herrſchaft erſchien ein Geſetz, welches jungen, unverheiratheten Jndia-
nern bei Todesſtrafe verbot, eine Herde weiblicher Lamas zu hüten. Gegenwärtig iſt dieſes höchſt
nothwendige Verbot leider außer Wirkſamkeit getreten.‟
Von demſelben Naturforſcher erfahren wir, daß die Bedeutung und bezüglich der Preis der La-
mas ſeit Einführung der Einhufer bedeutend geſunken iſt, und ferner, daß die Lamaherden durch
Krankheiten oft in entſetzlicher Weiſe heimgeſucht werden. Ein Nachkomme der peruaniſchen Könige,
Jnca Garcilaſo de la Vega, erzählt in ſeinem werthvollen Werke, daß dieſe Krankheit in den
Jahren 1544 und 1545 zum erſten Male auftrat. Es war ein Uebel, der Krätze zu vergleichen,
aber weit verderblicher. Von der Jnnenſeite der Schenkel ausgehend, verbreitete es ſich über den
ganzen Leib, bildete hohe Kruſten und tiefe Spalten, aus denen Blut und Eiter ſich ergoß, und
rieb die Thiere in wenigen Tagen auf. Die Peſt war anſteckend und raffte zum größten Erſtaunen
und Schrecken der Jndianer und Spanier zwei Dritttheile der Lamas und Huanacos weg. Später
wurden Pacos und Vicuñas angeſteckt, ja ſelbſt die Füchſe nicht verſchont. Anfangs vergrub man
die verpeſteten Thiere bei lebendigem Leibe, ſodann behandelte man ſie mit Feuer und Schwefel,
endlich fand man, daß Schweineſchmalz das beſte Mittel ſei. Allmählich nahm das Uebel ab und
endlich verſchwand es faſt ganz. Aber es iſt, wie Tſchudi hinzufügt, niemals gänzlich ausgerottet
worden und wiederholt ſeuchenartig aufgetreten. Jetzt wendet man das Fett des Kondors als Ge-
genmittel an.
Jn den Angaben der genannten Reiſenden iſt ſo ziemlich Alles enthalten, was wir von dem
Leben unſeres Thieres in ſeiner Heimat wiſſen. Gegenwärtig ſieht man das Lama faſt in allen
Thiergärten. Es gedeiht in Europa vortrefflich und hat ſich hier ſchon mehrmals fortgepflanzt.
Wenn es mit anderen ſeiner Art zuſammengehalten wird, ſcheint es viel freundlicher zu ſein, als
wenn es allein iſt und ſich langweilt. Es verträgt ſich mit ſeinen Artgenoſſen und Artverwandten
vortrefflich, und namentlich die Paare hängen mit großer Zärtlichkeit an einander. Sie lernen ihre
Wärter kennen und behandeln ſie ganz erträglich; gegen fremde Menſchen aber zeigen ſie ſich als
echte Kamele, d. h. beſtändig mehr oder weniger übel gelaunt und außerordentlich reizbar. Jm ber-
liner Thiergarten lebte vor mehreren Jahren ein Lama, welches ſich durch beſondere Ungemüthlichkeit
auszeichnete; an ſeinem Gitter hing eine Tafel mit der Bitte, das Lama ja nicht zu ärgern, was
ſelbſtverſtändlich den Erfolg hatte, daß Jedermann erſt recht das Thier zu reizen verſuchte. Da ſah
man es denn in beſtändiger Aufregung. Sobald ſich Jemand nahte, endigte es ſein gemüthliches
Wiederkäuen, legte die Ohren zurück, ſah den Fremdling ſtarr an, ging plötzlich gerade auf ihn los
und ſpuckte ihn an. Jn ähnlicher Weiſe benahmen ſich auch die übrigen Lamas, welche ich ſah oder
ſelbſt pflegte und ich kann wohl ſagen, daß ich nie eins kennen lernte, welches ſanft oder gutmüthig
geweſen wäre.
Der Paco (Auchenia Paco) iſt in der Neuzeit zum wichtigſten Mitgliede der ganzen Gruppe
geworden. Man hat erfahren, daß die Wolle des Thieres ſo vortreffliche Eigenſchaften beſitzt, wie
kaum eine andere, und deshalb iſt man darauf gekommen, den Paco auch bei uns und in Auſtralien
einzuführen. Die Verſuche, welche man in England, Frankreich, Holland und in Lütſchena bei Leipzig
anſtellte, haben bisjetzt noch wenig Erfolg gehabt; die nach Auſtralien eingeführten Thiere aber ſollen
ſich dort ganz vortrefflich befinden. Auch in Großbritannien, und zwar in Knowsley, hat ein gewiſſer
Thompſon für den Grafen von Derby eine nicht unbeträchtliche Herde gezüchtet, und engliſche
Forſcher glauben, daß bei fortdauernder Bemühung im ſchottiſchen Hochgebirge zweifellos Pacos wohl
gedeihen und heimiſch gemacht werden könnten.
Der Paco iſt nach Tſchudi kleiner, als das Lama, und gleicht im Körperbau dem Schafe, hat
aber einen längeren Hals und einen zierlicheren Kopf; ſein Vließ iſt ſehr lang und ausnehmend weich,
an einigen Stellen, z. B. an den Seiten des Rumpfes, erreicht er eine Länge von vier bis fünf
Zoll. Die Farbe iſt meiſtens ganz weiß oder ſchwarz; es gibt aber ebenfalls buntſcheckige.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/432>, abgerufen am 23.11.2024.
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