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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Kamele.

Fitzinger zerfällt die Ordnung in acht Familien: in die Kamele, die Moschusthiere,
die Hirsche, die Girafen, die Antilopen, die Ziegen, die Schafe und die Rinder.
Andere Naturforscher nehmen blos drei große Familien an, indem sie die ungehörnten, gehörnten
und geweihtragenden Wiederkäuer unterscheiden; noch Andere bilden vier Familien: die Kamele, Gi-
rafen, die hirschartigen und die scheidenhörnigen. Mir erscheint aber die Fitzinger'sche Eintheilung
ihrer besseren Uebersichtlichkeit wegen die zweckmäßigste, und deshalb behalte ich sie bei.



Die Familie der Schwielensohler oder Kamele (Tylopoda) kennzeichnet sich durch die
schwieligen Sohlen, den Mangel der Hörner und Afterklauen, die gespaltenen Oberlippen und den
Zahnbau. Hinsichtlich des letzteren weichen die Kamele von allen übrigen Familien ab durch den
Besitz von zwei (in der frühesten Jugend sogar vier oder sechs) Schneidezähnen in der Oberlinnlade
und Eckzähnen, während sie in der unteren Kinnlade nur sechs Schneidezähne tragen. Die Hufe sind
sehr klein und eigentlich blos Zehennägel an den schwieligen Sohlen. Der Magen erscheint gleichsam
verkümmert; er ist nur dreitheilig, weil der Blättermagen so klein ist, daß er mit zu dem Laubmagen
gezählt werden kann.

Die Kamele sind große Thiere mit langem Hals, gestrecktem Kopf, in den Weichen eingezo-
genem Rumpf und zottigem, fast wolligen Fell; die Halswirbel sind sehr ansehnlich lang und fast
ohne Dornen, die Rippen breit, die Knochen der Beine sehr kräftig.

Die Heimat der Thiere ist auf Nordafrika, Mittelasien und Südwestamerika beschränkt. Die
wenigen Arten sind in der alten Welt gänzlich, in der neuen theilweise zu Hausthieren geworden.
Diese bewohnen das Hochgebirge bis zu zehntausend Fuß über dem Meeresspiegel, jene befinden sich
nur in den heißen, trockenen Ebenen wohl. Gräser und Kräuter, Baumblätter, Zweige, Disteln-
und Dornengebüsche bilden ihre Nahrung. Sie sind genügsam in hohem Grade und können lange
hungern und dürsten. Jhr Gang ist ein Paß, d. h. sie schreiten mit beiden Füßen einer Seite fast
zugleich aus; deshalb ist ihr Lauf nicht schön, sondern schwankend und scheinbar unbeholfen: er för-
dert aber vortrefflich. Alle leben in Herden oder lieben wenigstens die Gesellschaft. Jhr geistiges
Wesen steht auf ziemlich tiefer Stufe. Mit Unrecht gelten sie als sanfte, gutmüthige und geduldige
Thiere: sie sind im Gegentheil dumm und im hohen Grade boshaft, obwohl sie sich mit einer ge-
wissen Entsagung leicht unter das Joch des Menschen beugen lassen und seine Herrschaft anerkennen.
Das Weibchen wirft nur ein einziges Junge und pflegt dieses mit vieler Liebe. Die Familie enthält
blos zwei Sippen: die eigentlichen Kamele und die Lamas.

Erstere (Camelus) zeichnen sich durch ihre bedeutende Größe und einen oder zwei Rückenhöcker aus,
besitzen auch einen Backzahn mehr in jeder Reihe, als die letzteren. Jhre Gestalt ist unschön und nament-
lich der Kopf auffallend häßlich. Das Haarkleid ist sehr ungleich, an einigen Stellen verlängert,
im ganzen aber wollig; an der Brust, am Ellenbogen, an den Knien und Knöcheln finden sich schwie-
lige Stellen. Man kennt zwei Arten, von denen die eine vorzugsweise Afrika, die andere Asien
bewohnt. Diese sind das Dromedar und das Trampelthier.

Mein langjähriges Wanderleben hat mich mit dem Dromedar so genau bekannt gemacht, daß ich
auch aus eigener Anschauung über dasselbe sprechen kann. Jch weiß im voraus, daß meine Schilderung
den meisten meiner Leser wenig behagen wird; denn ich habe die Beschreibung des liebenswürdigen
Wüstenschiffes schon einmal gegeben und bin von Vielen hart angegangen worden, weil ich die
Ansichten zerstörte, welche Einer oder der Andere sich von diesem Thier gebildet hatte. Aber trotz
dieser Einsprache, die mir zu Gunsten des Kamels geworden, muß ich bei meiner früher ausge-
sprochenen Ansicht verharren. Das Kamel ist unzweifelhaft das nützlichste aller Hausthiere in
Afrika: -- aber es ist das unliebenswürdigste, dümmste, störrischste und ungemüthlichste Geschöpf,

Die Kamele.

Fitzinger zerfällt die Ordnung in acht Familien: in die Kamele, die Moſchusthiere,
die Hirſche, die Girafen, die Antilopen, die Ziegen, die Schafe und die Rinder.
Andere Naturforſcher nehmen blos drei große Familien an, indem ſie die ungehörnten, gehörnten
und geweihtragenden Wiederkäuer unterſcheiden; noch Andere bilden vier Familien: die Kamele, Gi-
rafen, die hirſchartigen und die ſcheidenhörnigen. Mir erſcheint aber die Fitzinger’ſche Eintheilung
ihrer beſſeren Ueberſichtlichkeit wegen die zweckmäßigſte, und deshalb behalte ich ſie bei.



Die Familie der Schwielenſohler oder Kamele (Tylopoda) kennzeichnet ſich durch die
ſchwieligen Sohlen, den Mangel der Hörner und Afterklauen, die geſpaltenen Oberlippen und den
Zahnbau. Hinſichtlich des letzteren weichen die Kamele von allen übrigen Familien ab durch den
Beſitz von zwei (in der früheſten Jugend ſogar vier oder ſechs) Schneidezähnen in der Oberlinnlade
und Eckzähnen, während ſie in der unteren Kinnlade nur ſechs Schneidezähne tragen. Die Hufe ſind
ſehr klein und eigentlich blos Zehennägel an den ſchwieligen Sohlen. Der Magen erſcheint gleichſam
verkümmert; er iſt nur dreitheilig, weil der Blättermagen ſo klein iſt, daß er mit zu dem Laubmagen
gezählt werden kann.

Die Kamele ſind große Thiere mit langem Hals, geſtrecktem Kopf, in den Weichen eingezo-
genem Rumpf und zottigem, faſt wolligen Fell; die Halswirbel ſind ſehr anſehnlich lang und faſt
ohne Dornen, die Rippen breit, die Knochen der Beine ſehr kräftig.

Die Heimat der Thiere iſt auf Nordafrika, Mittelaſien und Südweſtamerika beſchränkt. Die
wenigen Arten ſind in der alten Welt gänzlich, in der neuen theilweiſe zu Hausthieren geworden.
Dieſe bewohnen das Hochgebirge bis zu zehntauſend Fuß über dem Meeresſpiegel, jene befinden ſich
nur in den heißen, trockenen Ebenen wohl. Gräſer und Kräuter, Baumblätter, Zweige, Diſteln-
und Dornengebüſche bilden ihre Nahrung. Sie ſind genügſam in hohem Grade und können lange
hungern und dürſten. Jhr Gang iſt ein Paß, d. h. ſie ſchreiten mit beiden Füßen einer Seite faſt
zugleich aus; deshalb iſt ihr Lauf nicht ſchön, ſondern ſchwankend und ſcheinbar unbeholfen: er för-
dert aber vortrefflich. Alle leben in Herden oder lieben wenigſtens die Geſellſchaft. Jhr geiſtiges
Weſen ſteht auf ziemlich tiefer Stufe. Mit Unrecht gelten ſie als ſanfte, gutmüthige und geduldige
Thiere: ſie ſind im Gegentheil dumm und im hohen Grade boshaft, obwohl ſie ſich mit einer ge-
wiſſen Entſagung leicht unter das Joch des Menſchen beugen laſſen und ſeine Herrſchaft anerkennen.
Das Weibchen wirft nur ein einziges Junge und pflegt dieſes mit vieler Liebe. Die Familie enthält
blos zwei Sippen: die eigentlichen Kamele und die Lamas.

Erſtere (Camelus) zeichnen ſich durch ihre bedeutende Größe und einen oder zwei Rückenhöcker aus,
beſitzen auch einen Backzahn mehr in jeder Reihe, als die letzteren. Jhre Geſtalt iſt unſchön und nament-
lich der Kopf auffallend häßlich. Das Haarkleid iſt ſehr ungleich, an einigen Stellen verlängert,
im ganzen aber wollig; an der Bruſt, am Ellenbogen, an den Knien und Knöcheln finden ſich ſchwie-
lige Stellen. Man kennt zwei Arten, von denen die eine vorzugsweiſe Afrika, die andere Aſien
bewohnt. Dieſe ſind das Dromedar und das Trampelthier.

Mein langjähriges Wanderleben hat mich mit dem Dromedar ſo genau bekannt gemacht, daß ich
auch aus eigener Anſchauung über daſſelbe ſprechen kann. Jch weiß im voraus, daß meine Schilderung
den meiſten meiner Leſer wenig behagen wird; denn ich habe die Beſchreibung des liebenswürdigen
Wüſtenſchiffes ſchon einmal gegeben und bin von Vielen hart angegangen worden, weil ich die
Anſichten zerſtörte, welche Einer oder der Andere ſich von dieſem Thier gebildet hatte. Aber trotz
dieſer Einſprache, die mir zu Gunſten des Kamels geworden, muß ich bei meiner früher ausge-
ſprochenen Anſicht verharren. Das Kamel iſt unzweifelhaft das nützlichſte aller Hausthiere in
Afrika: — aber es iſt das unliebenswürdigſte, dümmſte, ſtörriſchſte und ungemüthlichſte Geſchöpf,

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[382/0406] Die Kamele. Fitzinger zerfällt die Ordnung in acht Familien: in die Kamele, die Moſchusthiere, die Hirſche, die Girafen, die Antilopen, die Ziegen, die Schafe und die Rinder. Andere Naturforſcher nehmen blos drei große Familien an, indem ſie die ungehörnten, gehörnten und geweihtragenden Wiederkäuer unterſcheiden; noch Andere bilden vier Familien: die Kamele, Gi- rafen, die hirſchartigen und die ſcheidenhörnigen. Mir erſcheint aber die Fitzinger’ſche Eintheilung ihrer beſſeren Ueberſichtlichkeit wegen die zweckmäßigſte, und deshalb behalte ich ſie bei. Die Familie der Schwielenſohler oder Kamele (Tylopoda) kennzeichnet ſich durch die ſchwieligen Sohlen, den Mangel der Hörner und Afterklauen, die geſpaltenen Oberlippen und den Zahnbau. Hinſichtlich des letzteren weichen die Kamele von allen übrigen Familien ab durch den Beſitz von zwei (in der früheſten Jugend ſogar vier oder ſechs) Schneidezähnen in der Oberlinnlade und Eckzähnen, während ſie in der unteren Kinnlade nur ſechs Schneidezähne tragen. Die Hufe ſind ſehr klein und eigentlich blos Zehennägel an den ſchwieligen Sohlen. Der Magen erſcheint gleichſam verkümmert; er iſt nur dreitheilig, weil der Blättermagen ſo klein iſt, daß er mit zu dem Laubmagen gezählt werden kann. Die Kamele ſind große Thiere mit langem Hals, geſtrecktem Kopf, in den Weichen eingezo- genem Rumpf und zottigem, faſt wolligen Fell; die Halswirbel ſind ſehr anſehnlich lang und faſt ohne Dornen, die Rippen breit, die Knochen der Beine ſehr kräftig. Die Heimat der Thiere iſt auf Nordafrika, Mittelaſien und Südweſtamerika beſchränkt. Die wenigen Arten ſind in der alten Welt gänzlich, in der neuen theilweiſe zu Hausthieren geworden. Dieſe bewohnen das Hochgebirge bis zu zehntauſend Fuß über dem Meeresſpiegel, jene befinden ſich nur in den heißen, trockenen Ebenen wohl. Gräſer und Kräuter, Baumblätter, Zweige, Diſteln- und Dornengebüſche bilden ihre Nahrung. Sie ſind genügſam in hohem Grade und können lange hungern und dürſten. Jhr Gang iſt ein Paß, d. h. ſie ſchreiten mit beiden Füßen einer Seite faſt zugleich aus; deshalb iſt ihr Lauf nicht ſchön, ſondern ſchwankend und ſcheinbar unbeholfen: er för- dert aber vortrefflich. Alle leben in Herden oder lieben wenigſtens die Geſellſchaft. Jhr geiſtiges Weſen ſteht auf ziemlich tiefer Stufe. Mit Unrecht gelten ſie als ſanfte, gutmüthige und geduldige Thiere: ſie ſind im Gegentheil dumm und im hohen Grade boshaft, obwohl ſie ſich mit einer ge- wiſſen Entſagung leicht unter das Joch des Menſchen beugen laſſen und ſeine Herrſchaft anerkennen. Das Weibchen wirft nur ein einziges Junge und pflegt dieſes mit vieler Liebe. Die Familie enthält blos zwei Sippen: die eigentlichen Kamele und die Lamas. Erſtere (Camelus) zeichnen ſich durch ihre bedeutende Größe und einen oder zwei Rückenhöcker aus, beſitzen auch einen Backzahn mehr in jeder Reihe, als die letzteren. Jhre Geſtalt iſt unſchön und nament- lich der Kopf auffallend häßlich. Das Haarkleid iſt ſehr ungleich, an einigen Stellen verlängert, im ganzen aber wollig; an der Bruſt, am Ellenbogen, an den Knien und Knöcheln finden ſich ſchwie- lige Stellen. Man kennt zwei Arten, von denen die eine vorzugsweiſe Afrika, die andere Aſien bewohnt. Dieſe ſind das Dromedar und das Trampelthier. Mein langjähriges Wanderleben hat mich mit dem Dromedar ſo genau bekannt gemacht, daß ich auch aus eigener Anſchauung über daſſelbe ſprechen kann. Jch weiß im voraus, daß meine Schilderung den meiſten meiner Leſer wenig behagen wird; denn ich habe die Beſchreibung des liebenswürdigen Wüſtenſchiffes ſchon einmal gegeben und bin von Vielen hart angegangen worden, weil ich die Anſichten zerſtörte, welche Einer oder der Andere ſich von dieſem Thier gebildet hatte. Aber trotz dieſer Einſprache, die mir zu Gunſten des Kamels geworden, muß ich bei meiner früher ausge- ſprochenen Anſicht verharren. Das Kamel iſt unzweifelhaft das nützlichſte aller Hausthiere in Afrika: — aber es iſt das unliebenswürdigſte, dümmſte, ſtörriſchſte und ungemüthlichſte Geſchöpf,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/406>, abgerufen am 23.11.2024.