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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Das Pferd.
in ihm wahrgenommen. Voll Ehrgefühl schadet es sich bisweilen selbst, weil es immer voran
will und sich zu Tode liefe, wenn man es nicht zurückhielte. Manche muß man voranlassen;
viele laufen nur, wenn andere vor ihnen sind, wollen aber dann doch nicht hinter diesen zurück-
bleiben; manche laufen nur mit Bekannten, mit Kameraden. Welch Ehrgefühl entwickelt sich in
dem englischen Wettrenner! Wie schmeichelt sich das Pferd des Generals! Es merkt seine Vortreff-
lichkeit, und daß es ein Königsroß sei, dem Ehre gebühre, und daß man es verehre."

"Der ganze Hengst ist ein furchtbares Thier. Seine Stärke ist ungeheuer, sein Muth über
alle Begriffe, sein Auge sprüht Feuer. Die Stute ist viel sanfter, gutmüthiger, willfähriger, ge-
horsamer, lenksamer; darum ist sie auch den Hengsten oft vorgezogen. Der Trieb zur Begattung ist
bei den Pferden heftiger, als bei anderen Thieren; aus solcher Kraft entspringen eben große, stolze
Kräfte. Der Wallach hat zwar durch Verschneidung viel verloren, ist aber durch sie nicht, wie der
Stier, zum matten Ochsen, sondern nur ein milderes, gehorsameres Wesen geworden, hat blos
aufgehört, eine lodernde, verzehrende Flamme zu sein."

"Das Pferd ist aller Erregung fähig. Es liebt und haßt, ist neidisch und rachsüchtig, lau-
nisch u. s. w. Mit manchen Pferden verträgt es sich sehr gut, mit anderen schwer oder gar nicht,
und diese oder jene nimmt es nie zu Gunsten an. Es kennt den Blick des Menschen wohl und
hält ihn aus; man nimmt jedoch wahr, daß der Blick des Menschen, wenn er scharf ist, ein-
wirkt. Man erzählt vom Pferde Wunderdinge des Verstandes, Gemüthes und seiner tiefen, inneren
Natur. Bedenklich stellten sich Pferde über den Leichnam ihres Herrn, neigten sich über ihn hin, be-
schauten sein Angesicht lange, schnopperten es an, wollten nicht von ihm weg, wollten ihm im Tode
noch treu bleiben. Andere bissen in der Schlacht Pferd und Mann ihres Gegners, als ob auch sie
gegen einander kämpfen müßten. Ein Pferd ergriff seinen betrunkenen Reiter, um ihm wieder
hinaufzuhelfen; ein anderes wandte und drehte sich, um es dem im Steigbügel Hängengebliebenen
zu ermöglichen, daß er seinen Fuß herausziehen könne. Durch den Umgang mit guten Menschen
wird das Pferd immer menschlicher, durch den mit bösen immer thierischer, viehischer."

"Kein Pferd ist dem anderen gleich. Bissig und böse, falsch und tückisch ist das eine, zu-
traulich und sanft das andere. Entweder hat die Natur oder die Erziehung oder beide sie so ver-
schieden gemacht. Ein Pferd, das beschlagen werden sollte, stieß mit dem Kopfe den Schmied plötzlich
um, und stampfte mit seinen Füßen so auf ihm herum, daß er bluttriefend hervorgezogen werden
mußte."

"Wunden fürchtet das Pferd nicht; Operationen unterwirft es sich mit viel Verstand und Willen.
Muthvoll hält es in der Schlacht aus, und hat sogar Lust im Streite: es wiehert hell auf. Sein
Wiehern ist eigenthümlich genug: es lacht der Gefahr. Wird es verwundet, so stöhnt es nur.
Es stirbt in seinen Wunden heldenartig, still und ruhig; es merkt den Tod."

"Wie verschieden ist das Schicksal der Pferde! Das Loos der meisten ist, jung geliebt und
mit Hafer genährt, alt ein Karrengaul und mit Riedgras und mit Prügeln gefüttert und ver-
achtet zu werden. Vielen Rossen ist schon eine Thräne nachgeweint und mit Recht ein marmornes
Denkmal gebaut worden. Sie haben ihre Jugendzeit zum Muthwillen, ihre Jünglingszeit zum
Stolziren, ihre Manneszeit zum Arbeiten, ihr Alter, in welchem sie träger, matter werden;
sie blühen, reifen und verwelken!" --



Kaum minder wichtig für den menschlichen Haushalt, als das Pferd, ist der Esel. Einige
Forscher der Neuzeit wollen in ihm und seinen Verwandten eine besondere Sippe sehen; doch sind
die Unterschiede zwischen den eigentlichen Pferden und den Eseln sehr geringfügige. Während bei den
Pferden an den vorderen und hinteren Beinen eine Hornwarze vorhanden, der Nacken mit einer
langen Mähne besetzt und der Schwanz von seiner Wurzel an behaart ist, zeigt der Esel blos an den

Das Pferd.
in ihm wahrgenommen. Voll Ehrgefühl ſchadet es ſich bisweilen ſelbſt, weil es immer voran
will und ſich zu Tode liefe, wenn man es nicht zurückhielte. Manche muß man voranlaſſen;
viele laufen nur, wenn andere vor ihnen ſind, wollen aber dann doch nicht hinter dieſen zurück-
bleiben; manche laufen nur mit Bekannten, mit Kameraden. Welch Ehrgefühl entwickelt ſich in
dem engliſchen Wettrenner! Wie ſchmeichelt ſich das Pferd des Generals! Es merkt ſeine Vortreff-
lichkeit, und daß es ein Königsroß ſei, dem Ehre gebühre, und daß man es verehre.‟

„Der ganze Hengſt iſt ein furchtbares Thier. Seine Stärke iſt ungeheuer, ſein Muth über
alle Begriffe, ſein Auge ſprüht Feuer. Die Stute iſt viel ſanfter, gutmüthiger, willfähriger, ge-
horſamer, lenkſamer; darum iſt ſie auch den Hengſten oft vorgezogen. Der Trieb zur Begattung iſt
bei den Pferden heftiger, als bei anderen Thieren; aus ſolcher Kraft entſpringen eben große, ſtolze
Kräfte. Der Wallach hat zwar durch Verſchneidung viel verloren, iſt aber durch ſie nicht, wie der
Stier, zum matten Ochſen, ſondern nur ein milderes, gehorſameres Weſen geworden, hat blos
aufgehört, eine lodernde, verzehrende Flamme zu ſein.‟

„Das Pferd iſt aller Erregung fähig. Es liebt und haßt, iſt neidiſch und rachſüchtig, lau-
niſch u. ſ. w. Mit manchen Pferden verträgt es ſich ſehr gut, mit anderen ſchwer oder gar nicht,
und dieſe oder jene nimmt es nie zu Gunſten an. Es kennt den Blick des Menſchen wohl und
hält ihn aus; man nimmt jedoch wahr, daß der Blick des Menſchen, wenn er ſcharf iſt, ein-
wirkt. Man erzählt vom Pferde Wunderdinge des Verſtandes, Gemüthes und ſeiner tiefen, inneren
Natur. Bedenklich ſtellten ſich Pferde über den Leichnam ihres Herrn, neigten ſich über ihn hin, be-
ſchauten ſein Angeſicht lange, ſchnopperten es an, wollten nicht von ihm weg, wollten ihm im Tode
noch treu bleiben. Andere biſſen in der Schlacht Pferd und Mann ihres Gegners, als ob auch ſie
gegen einander kämpfen müßten. Ein Pferd ergriff ſeinen betrunkenen Reiter, um ihm wieder
hinaufzuhelfen; ein anderes wandte und drehte ſich, um es dem im Steigbügel Hängengebliebenen
zu ermöglichen, daß er ſeinen Fuß herausziehen könne. Durch den Umgang mit guten Menſchen
wird das Pferd immer menſchlicher, durch den mit böſen immer thieriſcher, viehiſcher.‟

„Kein Pferd iſt dem anderen gleich. Biſſig und böſe, falſch und tückiſch iſt das eine, zu-
traulich und ſanft das andere. Entweder hat die Natur oder die Erziehung oder beide ſie ſo ver-
ſchieden gemacht. Ein Pferd, das beſchlagen werden ſollte, ſtieß mit dem Kopfe den Schmied plötzlich
um, und ſtampfte mit ſeinen Füßen ſo auf ihm herum, daß er bluttriefend hervorgezogen werden
mußte.‟

„Wunden fürchtet das Pferd nicht; Operationen unterwirft es ſich mit viel Verſtand und Willen.
Muthvoll hält es in der Schlacht aus, und hat ſogar Luſt im Streite: es wiehert hell auf. Sein
Wiehern iſt eigenthümlich genug: es lacht der Gefahr. Wird es verwundet, ſo ſtöhnt es nur.
Es ſtirbt in ſeinen Wunden heldenartig, ſtill und ruhig; es merkt den Tod.‟

„Wie verſchieden iſt das Schickſal der Pferde! Das Loos der meiſten iſt, jung geliebt und
mit Hafer genährt, alt ein Karrengaul und mit Riedgras und mit Prügeln gefüttert und ver-
achtet zu werden. Vielen Roſſen iſt ſchon eine Thräne nachgeweint und mit Recht ein marmornes
Denkmal gebaut worden. Sie haben ihre Jugendzeit zum Muthwillen, ihre Jünglingszeit zum
Stolziren, ihre Manneszeit zum Arbeiten, ihr Alter, in welchem ſie träger, matter werden;
ſie blühen, reifen und verwelken!‟ —



Kaum minder wichtig für den menſchlichen Haushalt, als das Pferd, iſt der Eſel. Einige
Forſcher der Neuzeit wollen in ihm und ſeinen Verwandten eine beſondere Sippe ſehen; doch ſind
die Unterſchiede zwiſchen den eigentlichen Pferden und den Eſeln ſehr geringfügige. Während bei den
Pferden an den vorderen und hinteren Beinen eine Hornwarze vorhanden, der Nacken mit einer
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[357/0379] Das Pferd. in ihm wahrgenommen. Voll Ehrgefühl ſchadet es ſich bisweilen ſelbſt, weil es immer voran will und ſich zu Tode liefe, wenn man es nicht zurückhielte. Manche muß man voranlaſſen; viele laufen nur, wenn andere vor ihnen ſind, wollen aber dann doch nicht hinter dieſen zurück- bleiben; manche laufen nur mit Bekannten, mit Kameraden. Welch Ehrgefühl entwickelt ſich in dem engliſchen Wettrenner! Wie ſchmeichelt ſich das Pferd des Generals! Es merkt ſeine Vortreff- lichkeit, und daß es ein Königsroß ſei, dem Ehre gebühre, und daß man es verehre.‟ „Der ganze Hengſt iſt ein furchtbares Thier. Seine Stärke iſt ungeheuer, ſein Muth über alle Begriffe, ſein Auge ſprüht Feuer. Die Stute iſt viel ſanfter, gutmüthiger, willfähriger, ge- horſamer, lenkſamer; darum iſt ſie auch den Hengſten oft vorgezogen. Der Trieb zur Begattung iſt bei den Pferden heftiger, als bei anderen Thieren; aus ſolcher Kraft entſpringen eben große, ſtolze Kräfte. Der Wallach hat zwar durch Verſchneidung viel verloren, iſt aber durch ſie nicht, wie der Stier, zum matten Ochſen, ſondern nur ein milderes, gehorſameres Weſen geworden, hat blos aufgehört, eine lodernde, verzehrende Flamme zu ſein.‟ „Das Pferd iſt aller Erregung fähig. Es liebt und haßt, iſt neidiſch und rachſüchtig, lau- niſch u. ſ. w. Mit manchen Pferden verträgt es ſich ſehr gut, mit anderen ſchwer oder gar nicht, und dieſe oder jene nimmt es nie zu Gunſten an. Es kennt den Blick des Menſchen wohl und hält ihn aus; man nimmt jedoch wahr, daß der Blick des Menſchen, wenn er ſcharf iſt, ein- wirkt. Man erzählt vom Pferde Wunderdinge des Verſtandes, Gemüthes und ſeiner tiefen, inneren Natur. Bedenklich ſtellten ſich Pferde über den Leichnam ihres Herrn, neigten ſich über ihn hin, be- ſchauten ſein Angeſicht lange, ſchnopperten es an, wollten nicht von ihm weg, wollten ihm im Tode noch treu bleiben. Andere biſſen in der Schlacht Pferd und Mann ihres Gegners, als ob auch ſie gegen einander kämpfen müßten. Ein Pferd ergriff ſeinen betrunkenen Reiter, um ihm wieder hinaufzuhelfen; ein anderes wandte und drehte ſich, um es dem im Steigbügel Hängengebliebenen zu ermöglichen, daß er ſeinen Fuß herausziehen könne. Durch den Umgang mit guten Menſchen wird das Pferd immer menſchlicher, durch den mit böſen immer thieriſcher, viehiſcher.‟ „Kein Pferd iſt dem anderen gleich. Biſſig und böſe, falſch und tückiſch iſt das eine, zu- traulich und ſanft das andere. Entweder hat die Natur oder die Erziehung oder beide ſie ſo ver- ſchieden gemacht. Ein Pferd, das beſchlagen werden ſollte, ſtieß mit dem Kopfe den Schmied plötzlich um, und ſtampfte mit ſeinen Füßen ſo auf ihm herum, daß er bluttriefend hervorgezogen werden mußte.‟ „Wunden fürchtet das Pferd nicht; Operationen unterwirft es ſich mit viel Verſtand und Willen. Muthvoll hält es in der Schlacht aus, und hat ſogar Luſt im Streite: es wiehert hell auf. Sein Wiehern iſt eigenthümlich genug: es lacht der Gefahr. Wird es verwundet, ſo ſtöhnt es nur. Es ſtirbt in ſeinen Wunden heldenartig, ſtill und ruhig; es merkt den Tod.‟ „Wie verſchieden iſt das Schickſal der Pferde! Das Loos der meiſten iſt, jung geliebt und mit Hafer genährt, alt ein Karrengaul und mit Riedgras und mit Prügeln gefüttert und ver- achtet zu werden. Vielen Roſſen iſt ſchon eine Thräne nachgeweint und mit Recht ein marmornes Denkmal gebaut worden. Sie haben ihre Jugendzeit zum Muthwillen, ihre Jünglingszeit zum Stolziren, ihre Manneszeit zum Arbeiten, ihr Alter, in welchem ſie träger, matter werden; ſie blühen, reifen und verwelken!‟ — Kaum minder wichtig für den menſchlichen Haushalt, als das Pferd, iſt der Eſel. Einige Forſcher der Neuzeit wollen in ihm und ſeinen Verwandten eine beſondere Sippe ſehen; doch ſind die Unterſchiede zwiſchen den eigentlichen Pferden und den Eſeln ſehr geringfügige. Während bei den Pferden an den vorderen und hinteren Beinen eine Hornwarze vorhanden, der Nacken mit einer langen Mähne beſetzt und der Schwanz von ſeiner Wurzel an behaart iſt, zeigt der Eſel blos an den

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/379>, abgerufen am 27.11.2024.