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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Einhufer. -- Das arabische Pferd.
Eisen im Maule zu gewöhnen; der Sattel wird zuerst so leicht als möglich genommen. Nach Ab-
lauf des dritten Jahres muthet man dem Pferd schon mehr zu. Man gewöhnt es allgemach daran,
alle seine Kräfte zu gebrauchen, läßt ihm aber, was die Fütterung anlangt, durchaus Nichts abgehen.
Erst wenn es das siebente Jahr erreicht hat, sieht man es als erzogen an, und deshalb sagt das ara-
bische Sprichwort: "Sieben Jahre für meinen Bruder, sieben Jahre für mich und sieben Jahre für
meinen Feind." Nirgends ist man von der Macht der Erziehung so durchdrungen, wie in der großen
Wüste. "Der Reiter bildet sein Pferd, wie der Ehemann sein Weib sich bildet," sagen die Araber.

Je nach seiner Schönheit erhält das Pferd verschiedene Namen, immer solche, welche irgend
welche Bedeutung haben. Es sind nicht selten dieselben, welche man der Geliebten gibt, gewöhnlich
aber solche, wie man sie den Sklaven beizulegen pflegt. So heißt die Stute: Aarusa (Braut) --
Luli (Perle) -- Mordjaana (Koralle) -- Rhasahl (Gazelle) -- Naama (Straußin) --
Salima (Gesegnete) -- Saada, Rabaa und Masauuda (Glückliche), Mahhmuda (Gepriesene)
u. s. w. Der Hengst theilt nur wenn er sehr edel ist, die Ehre der Stute.

Die Leistungen eines gut erzogenen arabischen Rassepferdes sind wirklich unglaublich groß. Es
kommt vor, daß der Reiter mit seinem Pferde fünf, sechs Tage lang hinter einander täglich Strecken
von zehn, zwölf, ja selbst von funfzehn Meilen zurücklegt. Wenn dem Thiere hierauf zwei Tage
Ruhe gegönnt worden, ist es im Stande, in derselben Zeit zum zweiten Male einen gleichen Weg zu
machen. Gewöhnlich sind die Reisen, welche die Araber unternehmen, nicht so lang, dafür aber
durchreitet man in einem Tage noch größere Entfernungen, auch wenn das Pferd ziemlich schwer be-
lastet ist. Nach der Ansicht der Araber muß ein gutes Pferd nicht blos einen vollkommen erwachsenen
Menschen tragen, sondern auch seine Waffen, seine Teppiche zum Ruhen und Schlafen, die Lebens-
mittel für sich selbst und für seinen Reiter, eine Fahne, auch wenn der Wind hinderlich sein sollte,
und im Rothfalle muß es einen ganzen Tag lang im Zuge fortlaufen, ohne zu fressen oder zu trinken.
"Ein Pferd," schrieb Abd-el-Kader an General Daumas, "welches gesund an allen seinen Glie-
dern ist und soviel Gerste bekommt, als es benöthigt, kann Alles thun, was sein Reiter verlangt;
denn das Sprichwort sagt: Gib ihm Gerste und mißhandle es. Gute Pferde trinken oft einen oder
zwei Tage nicht. Sie haben kaum genug zu fressen, und müssen doch den Willen ihres Reiters aus-
führen. Dies ist die Macht der Gewöhnung; denn die Araber sagen, daß die Pferde, wie der Mensch,
nur in der ersten Zeit ihres Lebens erzogen und gewöhnt werden. Der Unterricht der Kindheit bleibt,
wie die in Stein gehauene Schrift, der Unterricht, welchen das höhere Alter genießt, verschwindet,
wie das Nest des Vogels. Den Zweig des Baumes kann man biegen, den alten Stamm nimmermehr!
Vom ersten Jahre an unterrichten die Araber ihr Pferd, und schon im zweiten bereiten sie es. Da-
her kommt es, daß die Rosse im Alter so ausdauernd sind. Jn dem ersten Jahre des Lebens, sagt
das Sprichwort, binde das Pferd an, damit ihm kein Unglück zustoße, im zweiten reite es, bis sein
Rücken doppelte Breite gewonnen, im dritten Jahre binde es von neuem an, und wenn es dann Nichts
taugt, verkaufe es!"

Die Araber unterscheiden eine Menge Rassen ihrer Pferde, und jede Gegend hat ihre besonders
ausgezeichneten. Es ist eine bekannte Thatsache, daß das arabische Pferd nur da, wo es geboren, zu
seiner vollsten Ausbildung gelangt, und eben deshalb stehen die Pferde der westlichen Sahara, so aus-
gezeichnet sie auch sein mögen, noch immer weit hinter denen zurück, welche im glücklichen Arabien ge-
boren und erzogen wurden. Nur hier findet man die echten "Kohheeli" oder "Kohchlani", zu
Deutsch: die Vollkommenen; jene Pferde, die unmittelbar von jenen Stuten abstammen sollen,
welche der Prophet Mahammed geritten hat. Wenn wir an der Nichtigkeit des Stammbaumes ge-
linde Zweifel hegen dürfen, steht doch soviel fest, daß der bereits während seines Lebens hochgeehrte
Prophet vortreffliche Pferde besessen haben mag und daß also schon von diesem Vergleiche auf die Güte
der betreffenden Pferde geschlossen werden kann. Ebenso sicher ist es, daß die Araber mit großer Sorg-
falt die Reinhaltung ihrer Pferderassen überwachen. Der Beschlag einer Stute geschieht immer in
Gegenwart von Zeugen, und ebenso versammeln sich die Araber, wenn das Fohlen zur Welt kommt.

Einhufer. — Das arabiſche Pferd.
Eiſen im Maule zu gewöhnen; der Sattel wird zuerſt ſo leicht als möglich genommen. Nach Ab-
lauf des dritten Jahres muthet man dem Pferd ſchon mehr zu. Man gewöhnt es allgemach daran,
alle ſeine Kräfte zu gebrauchen, läßt ihm aber, was die Fütterung anlangt, durchaus Nichts abgehen.
Erſt wenn es das ſiebente Jahr erreicht hat, ſieht man es als erzogen an, und deshalb ſagt das ara-
biſche Sprichwort: „Sieben Jahre für meinen Bruder, ſieben Jahre für mich und ſieben Jahre für
meinen Feind.‟ Nirgends iſt man von der Macht der Erziehung ſo durchdrungen, wie in der großen
Wüſte. „Der Reiter bildet ſein Pferd, wie der Ehemann ſein Weib ſich bildet,‟ ſagen die Araber.

Je nach ſeiner Schönheit erhält das Pferd verſchiedene Namen, immer ſolche, welche irgend
welche Bedeutung haben. Es ſind nicht ſelten dieſelben, welche man der Geliebten gibt, gewöhnlich
aber ſolche, wie man ſie den Sklaven beizulegen pflegt. So heißt die Stute: Aaruſa (Braut) —
Luli (Perle) — Mordjaana (Koralle) — Rhaſahl (Gazelle) — Naama (Straußin) —
Salima (Geſegnete) — Saada, Rabaa und Maſauuda (Glückliche), Mahhmuda (Geprieſene)
u. ſ. w. Der Hengſt theilt nur wenn er ſehr edel iſt, die Ehre der Stute.

Die Leiſtungen eines gut erzogenen arabiſchen Raſſepferdes ſind wirklich unglaublich groß. Es
kommt vor, daß der Reiter mit ſeinem Pferde fünf, ſechs Tage lang hinter einander täglich Strecken
von zehn, zwölf, ja ſelbſt von funfzehn Meilen zurücklegt. Wenn dem Thiere hierauf zwei Tage
Ruhe gegönnt worden, iſt es im Stande, in derſelben Zeit zum zweiten Male einen gleichen Weg zu
machen. Gewöhnlich ſind die Reiſen, welche die Araber unternehmen, nicht ſo lang, dafür aber
durchreitet man in einem Tage noch größere Entfernungen, auch wenn das Pferd ziemlich ſchwer be-
laſtet iſt. Nach der Anſicht der Araber muß ein gutes Pferd nicht blos einen vollkommen erwachſenen
Menſchen tragen, ſondern auch ſeine Waffen, ſeine Teppiche zum Ruhen und Schlafen, die Lebens-
mittel für ſich ſelbſt und für ſeinen Reiter, eine Fahne, auch wenn der Wind hinderlich ſein ſollte,
und im Rothfalle muß es einen ganzen Tag lang im Zuge fortlaufen, ohne zu freſſen oder zu trinken.
„Ein Pferd,‟ ſchrieb Abd-el-Kader an General Daumas, „welches geſund an allen ſeinen Glie-
dern iſt und ſoviel Gerſte bekommt, als es benöthigt, kann Alles thun, was ſein Reiter verlangt;
denn das Sprichwort ſagt: Gib ihm Gerſte und mißhandle es. Gute Pferde trinken oft einen oder
zwei Tage nicht. Sie haben kaum genug zu freſſen, und müſſen doch den Willen ihres Reiters aus-
führen. Dies iſt die Macht der Gewöhnung; denn die Araber ſagen, daß die Pferde, wie der Menſch,
nur in der erſten Zeit ihres Lebens erzogen und gewöhnt werden. Der Unterricht der Kindheit bleibt,
wie die in Stein gehauene Schrift, der Unterricht, welchen das höhere Alter genießt, verſchwindet,
wie das Neſt des Vogels. Den Zweig des Baumes kann man biegen, den alten Stamm nimmermehr!
Vom erſten Jahre an unterrichten die Araber ihr Pferd, und ſchon im zweiten bereiten ſie es. Da-
her kommt es, daß die Roſſe im Alter ſo ausdauernd ſind. Jn dem erſten Jahre des Lebens, ſagt
das Sprichwort, binde das Pferd an, damit ihm kein Unglück zuſtoße, im zweiten reite es, bis ſein
Rücken doppelte Breite gewonnen, im dritten Jahre binde es von neuem an, und wenn es dann Nichts
taugt, verkaufe es!‟

Die Araber unterſcheiden eine Menge Raſſen ihrer Pferde, und jede Gegend hat ihre beſonders
ausgezeichneten. Es iſt eine bekannte Thatſache, daß das arabiſche Pferd nur da, wo es geboren, zu
ſeiner vollſten Ausbildung gelangt, und eben deshalb ſtehen die Pferde der weſtlichen Sahara, ſo aus-
gezeichnet ſie auch ſein mögen, noch immer weit hinter denen zurück, welche im glücklichen Arabien ge-
boren und erzogen wurden. Nur hier findet man die echten „Kohheeli‟ oder „Kohchlani‟, zu
Deutſch: die Vollkommenen; jene Pferde, die unmittelbar von jenen Stuten abſtammen ſollen,
welche der Prophet Mahammed geritten hat. Wenn wir an der Nichtigkeit des Stammbaumes ge-
linde Zweifel hegen dürfen, ſteht doch ſoviel feſt, daß der bereits während ſeines Lebens hochgeehrte
Prophet vortreffliche Pferde beſeſſen haben mag und daß alſo ſchon von dieſem Vergleiche auf die Güte
der betreffenden Pferde geſchloſſen werden kann. Ebenſo ſicher iſt es, daß die Araber mit großer Sorg-
falt die Reinhaltung ihrer Pferderaſſen überwachen. Der Beſchlag einer Stute geſchieht immer in
Gegenwart von Zeugen, und ebenſo verſammeln ſich die Araber, wenn das Fohlen zur Welt kommt.

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[348/0368] Einhufer. — Das arabiſche Pferd. Eiſen im Maule zu gewöhnen; der Sattel wird zuerſt ſo leicht als möglich genommen. Nach Ab- lauf des dritten Jahres muthet man dem Pferd ſchon mehr zu. Man gewöhnt es allgemach daran, alle ſeine Kräfte zu gebrauchen, läßt ihm aber, was die Fütterung anlangt, durchaus Nichts abgehen. Erſt wenn es das ſiebente Jahr erreicht hat, ſieht man es als erzogen an, und deshalb ſagt das ara- biſche Sprichwort: „Sieben Jahre für meinen Bruder, ſieben Jahre für mich und ſieben Jahre für meinen Feind.‟ Nirgends iſt man von der Macht der Erziehung ſo durchdrungen, wie in der großen Wüſte. „Der Reiter bildet ſein Pferd, wie der Ehemann ſein Weib ſich bildet,‟ ſagen die Araber. Je nach ſeiner Schönheit erhält das Pferd verſchiedene Namen, immer ſolche, welche irgend welche Bedeutung haben. Es ſind nicht ſelten dieſelben, welche man der Geliebten gibt, gewöhnlich aber ſolche, wie man ſie den Sklaven beizulegen pflegt. So heißt die Stute: Aaruſa (Braut) — Luli (Perle) — Mordjaana (Koralle) — Rhaſahl (Gazelle) — Naama (Straußin) — Salima (Geſegnete) — Saada, Rabaa und Maſauuda (Glückliche), Mahhmuda (Geprieſene) u. ſ. w. Der Hengſt theilt nur wenn er ſehr edel iſt, die Ehre der Stute. Die Leiſtungen eines gut erzogenen arabiſchen Raſſepferdes ſind wirklich unglaublich groß. Es kommt vor, daß der Reiter mit ſeinem Pferde fünf, ſechs Tage lang hinter einander täglich Strecken von zehn, zwölf, ja ſelbſt von funfzehn Meilen zurücklegt. Wenn dem Thiere hierauf zwei Tage Ruhe gegönnt worden, iſt es im Stande, in derſelben Zeit zum zweiten Male einen gleichen Weg zu machen. Gewöhnlich ſind die Reiſen, welche die Araber unternehmen, nicht ſo lang, dafür aber durchreitet man in einem Tage noch größere Entfernungen, auch wenn das Pferd ziemlich ſchwer be- laſtet iſt. Nach der Anſicht der Araber muß ein gutes Pferd nicht blos einen vollkommen erwachſenen Menſchen tragen, ſondern auch ſeine Waffen, ſeine Teppiche zum Ruhen und Schlafen, die Lebens- mittel für ſich ſelbſt und für ſeinen Reiter, eine Fahne, auch wenn der Wind hinderlich ſein ſollte, und im Rothfalle muß es einen ganzen Tag lang im Zuge fortlaufen, ohne zu freſſen oder zu trinken. „Ein Pferd,‟ ſchrieb Abd-el-Kader an General Daumas, „welches geſund an allen ſeinen Glie- dern iſt und ſoviel Gerſte bekommt, als es benöthigt, kann Alles thun, was ſein Reiter verlangt; denn das Sprichwort ſagt: Gib ihm Gerſte und mißhandle es. Gute Pferde trinken oft einen oder zwei Tage nicht. Sie haben kaum genug zu freſſen, und müſſen doch den Willen ihres Reiters aus- führen. Dies iſt die Macht der Gewöhnung; denn die Araber ſagen, daß die Pferde, wie der Menſch, nur in der erſten Zeit ihres Lebens erzogen und gewöhnt werden. Der Unterricht der Kindheit bleibt, wie die in Stein gehauene Schrift, der Unterricht, welchen das höhere Alter genießt, verſchwindet, wie das Neſt des Vogels. Den Zweig des Baumes kann man biegen, den alten Stamm nimmermehr! Vom erſten Jahre an unterrichten die Araber ihr Pferd, und ſchon im zweiten bereiten ſie es. Da- her kommt es, daß die Roſſe im Alter ſo ausdauernd ſind. Jn dem erſten Jahre des Lebens, ſagt das Sprichwort, binde das Pferd an, damit ihm kein Unglück zuſtoße, im zweiten reite es, bis ſein Rücken doppelte Breite gewonnen, im dritten Jahre binde es von neuem an, und wenn es dann Nichts taugt, verkaufe es!‟ Die Araber unterſcheiden eine Menge Raſſen ihrer Pferde, und jede Gegend hat ihre beſonders ausgezeichneten. Es iſt eine bekannte Thatſache, daß das arabiſche Pferd nur da, wo es geboren, zu ſeiner vollſten Ausbildung gelangt, und eben deshalb ſtehen die Pferde der weſtlichen Sahara, ſo aus- gezeichnet ſie auch ſein mögen, noch immer weit hinter denen zurück, welche im glücklichen Arabien ge- boren und erzogen wurden. Nur hier findet man die echten „Kohheeli‟ oder „Kohchlani‟, zu Deutſch: die Vollkommenen; jene Pferde, die unmittelbar von jenen Stuten abſtammen ſollen, welche der Prophet Mahammed geritten hat. Wenn wir an der Nichtigkeit des Stammbaumes ge- linde Zweifel hegen dürfen, ſteht doch ſoviel feſt, daß der bereits während ſeines Lebens hochgeehrte Prophet vortreffliche Pferde beſeſſen haben mag und daß alſo ſchon von dieſem Vergleiche auf die Güte der betreffenden Pferde geſchloſſen werden kann. Ebenſo ſicher iſt es, daß die Araber mit großer Sorg- falt die Reinhaltung ihrer Pferderaſſen überwachen. Der Beſchlag einer Stute geſchieht immer in Gegenwart von Zeugen, und ebenſo verſammeln ſich die Araber, wenn das Fohlen zur Welt kommt.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/368>, abgerufen am 27.11.2024.