schleunig als möglich in die Erde ein. Dennoch wird der Beutelwolf seiner Meister und frißt ihn mit Haut und Stacheln.
Die Stimme, welche man von dem sonderbaren Gesellen vernimmt, wenn er sich sehr be- unruhigt fühlt, besteht in einem schwachen Grunzen. Unter den Sinnen steht Gehör und Ge- ruch oben an; die übrigen sind sehr stumpf; auch die geistigen Fähigkeiten sind kaum erwähnens- werth.
Ueber die Fortpflanzung des Thieres ist noch höchst wenig bekannt. Das Weibchen soll im Dezember mehrere Junge werfen und sie längere Zeit sängen, wie man annehmen muß, in ganz eigener Weise: -- wir werden bei Beschreibung des Schnabelthieres sehen, wie.
Es ist höchst wahrscheinlich, daß der Ameisenigel während der dürren Zeit eine Art von Winter- schlaf hält; wenigstens sieht man ihn in den trockenen Monaten nur äußerst selten außerhalb seiner Höhle. Aber auch die Kälte übt auf ihn einen großen Einfluß aus. Er verfällt schon bei sehr ge- ringem Herabsinken der Wärme in eine Erstarrung oder in tiefen Schlaf.
Ueber das Betragen gefangener Ameisenigel haben Garnot und später Quoy und Gaimard berichtet. Die Letzteren bekamen in Hobarttown ein lebendes Männchen. Jm ersten Monat fraß es nicht das Geringste und magerte zusehends ab, schien sich aber sehr wohl zu befinden. Es war ganz gefühllos und dumm, lag bei Tage mit dem Kopfe zwischen den Beinen, seine Stacheln ringsum aus- gestreckt, aber nicht ganz zusammengekugelt; auch suchte es die Dunkelheit. Die Freiheit liebte es sehr, wenigstens machte es alle Anstrengungen, um aus seinem Käfig zu kommen. Setzte man es auf einen großen Pflanzenkübel mit Erde, so hatte es sich in weniger als zwei Minuten bis auf den Boden gegraben, und zwar mit den starken Füßen, wobei es sich ab und zu mit der Schnauze half. Später fing es an zu lecken und fraß zuletzt ein flüssiges Gemenge von Wasser, Mehl und Zucker. Es starb, weil man es zu stark gewaschen hatte.
Garnot kaufte einen Stacheligel in Port-Jackson von einem Manne, welcher ihm sagte, daß er das Thier seit zwei Monaten mit allerlei Pflanzennahrung erhalten habe; auch versicherte er, daß es im Freien Mäuse fresse u. s. w. Auf des Verkäufers Rath sperrte Garnot das Thier in eine Kiste mit Erde und gab ihm Gemüse, Suppe, frisches Fleisch und Fliegen; aber alle diese Dinge rührte es nicht an; nur das Wasser schlappte es sogleich mit seiner zwei bis drei Zoll langen Zunge ein. So lebte es drei Monate, bis man mit ihm auf der Jnsel Moritz ankam. Dort gab man ihm Ameisen und Regenwürmer. Diese fraß es ebenfalls nicht; dagegen schien es Kokosmilch sehr zu lieben, und man hoffte schon, es mit nach Europa zu bringen: doch drei Tage vor der Abreise fand man es todt.
Dieses Thier brachte gewöhnlich zwanzig Stunden des Tages schlafend zu und schwärmte die übrige Zeit umher. Begegnete es einem Hindernisse in seinem Wege, so suchte es dasselbe wegzu- schaffen und nahm nicht eher eine andere Richtung, als bis es die Erfolglosigkeit seiner Bestrebungen bemerkte, wahrscheinlich weil es sich an sein Graben in der Freiheit erinnern mochte. Jm Zimmer wählte es eine Ecke, um seinen Unrath dort zu lassen; einen anderen dunklen Winkel, welcher von einer Kiste verstellt war, suchte es sich zum Schlafen aus. Oft schien es sich gewisse Grenzen zu wählen und lief lange Zeit hin und her, ohne sie zu überschreiten. Es ging mit hängendem Kopfe, als wenn es in Betrachtung vertieft wäre und legte in einer Minute, obgleich sein Gang sehr schwer- fällig und schleppend war, doch 36 bis 40 Fuß zurück. Seine keineswegs weiche, aber bewegliche, lange Nase diente ihm als Fühler. Wenn es lauschen wollte, öffnete es die Ohren, wie es die Eule zu thun pflegt, und dann schien sein Gehör recht fein zu sein. Sein Wesen war mild und zärtlich. Es ließ sich sehr gern streicheln; doch war es sehr furchtsam und kugelte sich bei dem geringsten Ge- räusch zusammen, wie der Jgel, so daß die Nase nicht sichtbar war. Dies that es, so oft man neben ihm mit dem Fuße stampfte, und erst nach längerer Zeit, wenn dies Geräusch vollständig aufgehört hatte, streckte es sich langsam wieder aus.
Brehm, Thierleben. II. 21
Der Ameiſenigel.
ſchleunig als möglich in die Erde ein. Dennoch wird der Beutelwolf ſeiner Meiſter und frißt ihn mit Haut und Stacheln.
Die Stimme, welche man von dem ſonderbaren Geſellen vernimmt, wenn er ſich ſehr be- unruhigt fühlt, beſteht in einem ſchwachen Grunzen. Unter den Sinnen ſteht Gehör und Ge- ruch oben an; die übrigen ſind ſehr ſtumpf; auch die geiſtigen Fähigkeiten ſind kaum erwähnens- werth.
Ueber die Fortpflanzung des Thieres iſt noch höchſt wenig bekannt. Das Weibchen ſoll im Dezember mehrere Junge werfen und ſie längere Zeit ſängen, wie man annehmen muß, in ganz eigener Weiſe: — wir werden bei Beſchreibung des Schnabelthieres ſehen, wie.
Es iſt höchſt wahrſcheinlich, daß der Ameiſenigel während der dürren Zeit eine Art von Winter- ſchlaf hält; wenigſtens ſieht man ihn in den trockenen Monaten nur äußerſt ſelten außerhalb ſeiner Höhle. Aber auch die Kälte übt auf ihn einen großen Einfluß aus. Er verfällt ſchon bei ſehr ge- ringem Herabſinken der Wärme in eine Erſtarrung oder in tiefen Schlaf.
Ueber das Betragen gefangener Ameiſenigel haben Garnot und ſpäter Quoy und Gaimard berichtet. Die Letzteren bekamen in Hobarttown ein lebendes Männchen. Jm erſten Monat fraß es nicht das Geringſte und magerte zuſehends ab, ſchien ſich aber ſehr wohl zu befinden. Es war ganz gefühllos und dumm, lag bei Tage mit dem Kopfe zwiſchen den Beinen, ſeine Stacheln ringsum aus- geſtreckt, aber nicht ganz zuſammengekugelt; auch ſuchte es die Dunkelheit. Die Freiheit liebte es ſehr, wenigſtens machte es alle Anſtrengungen, um aus ſeinem Käfig zu kommen. Setzte man es auf einen großen Pflanzenkübel mit Erde, ſo hatte es ſich in weniger als zwei Minuten bis auf den Boden gegraben, und zwar mit den ſtarken Füßen, wobei es ſich ab und zu mit der Schnauze half. Später fing es an zu lecken und fraß zuletzt ein flüſſiges Gemenge von Waſſer, Mehl und Zucker. Es ſtarb, weil man es zu ſtark gewaſchen hatte.
Garnot kaufte einen Stacheligel in Port-Jackſon von einem Manne, welcher ihm ſagte, daß er das Thier ſeit zwei Monaten mit allerlei Pflanzennahrung erhalten habe; auch verſicherte er, daß es im Freien Mäuſe freſſe u. ſ. w. Auf des Verkäufers Rath ſperrte Garnot das Thier in eine Kiſte mit Erde und gab ihm Gemüſe, Suppe, friſches Fleiſch und Fliegen; aber alle dieſe Dinge rührte es nicht an; nur das Waſſer ſchlappte es ſogleich mit ſeiner zwei bis drei Zoll langen Zunge ein. So lebte es drei Monate, bis man mit ihm auf der Jnſel Moritz ankam. Dort gab man ihm Ameiſen und Regenwürmer. Dieſe fraß es ebenfalls nicht; dagegen ſchien es Kokosmilch ſehr zu lieben, und man hoffte ſchon, es mit nach Europa zu bringen: doch drei Tage vor der Abreiſe fand man es todt.
Dieſes Thier brachte gewöhnlich zwanzig Stunden des Tages ſchlafend zu und ſchwärmte die übrige Zeit umher. Begegnete es einem Hinderniſſe in ſeinem Wege, ſo ſuchte es daſſelbe wegzu- ſchaffen und nahm nicht eher eine andere Richtung, als bis es die Erfolgloſigkeit ſeiner Beſtrebungen bemerkte, wahrſcheinlich weil es ſich an ſein Graben in der Freiheit erinnern mochte. Jm Zimmer wählte es eine Ecke, um ſeinen Unrath dort zu laſſen; einen anderen dunklen Winkel, welcher von einer Kiſte verſtellt war, ſuchte es ſich zum Schlafen aus. Oft ſchien es ſich gewiſſe Grenzen zu wählen und lief lange Zeit hin und her, ohne ſie zu überſchreiten. Es ging mit hängendem Kopfe, als wenn es in Betrachtung vertieft wäre und legte in einer Minute, obgleich ſein Gang ſehr ſchwer- fällig und ſchleppend war, doch 36 bis 40 Fuß zurück. Seine keineswegs weiche, aber bewegliche, lange Naſe diente ihm als Fühler. Wenn es lauſchen wollte, öffnete es die Ohren, wie es die Eule zu thun pflegt, und dann ſchien ſein Gehör recht fein zu ſein. Sein Weſen war mild und zärtlich. Es ließ ſich ſehr gern ſtreicheln; doch war es ſehr furchtſam und kugelte ſich bei dem geringſten Ge- räuſch zuſammen, wie der Jgel, ſo daß die Naſe nicht ſichtbar war. Dies that es, ſo oft man neben ihm mit dem Fuße ſtampfte, und erſt nach längerer Zeit, wenn dies Geräuſch vollſtändig aufgehört hatte, ſtreckte es ſich langſam wieder aus.
Brehm, Thierleben. II. 21
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[321/0341]
Der Ameiſenigel.
ſchleunig als möglich in die Erde ein. Dennoch wird der Beutelwolf ſeiner Meiſter und frißt
ihn mit Haut und Stacheln.
Die Stimme, welche man von dem ſonderbaren Geſellen vernimmt, wenn er ſich ſehr be-
unruhigt fühlt, beſteht in einem ſchwachen Grunzen. Unter den Sinnen ſteht Gehör und Ge-
ruch oben an; die übrigen ſind ſehr ſtumpf; auch die geiſtigen Fähigkeiten ſind kaum erwähnens-
werth.
Ueber die Fortpflanzung des Thieres iſt noch höchſt wenig bekannt. Das Weibchen ſoll im
Dezember mehrere Junge werfen und ſie längere Zeit ſängen, wie man annehmen muß, in
ganz eigener Weiſe: — wir werden bei Beſchreibung des Schnabelthieres ſehen, wie.
Es iſt höchſt wahrſcheinlich, daß der Ameiſenigel während der dürren Zeit eine Art von Winter-
ſchlaf hält; wenigſtens ſieht man ihn in den trockenen Monaten nur äußerſt ſelten außerhalb ſeiner
Höhle. Aber auch die Kälte übt auf ihn einen großen Einfluß aus. Er verfällt ſchon bei ſehr ge-
ringem Herabſinken der Wärme in eine Erſtarrung oder in tiefen Schlaf.
Ueber das Betragen gefangener Ameiſenigel haben Garnot und ſpäter Quoy und Gaimard
berichtet. Die Letzteren bekamen in Hobarttown ein lebendes Männchen. Jm erſten Monat fraß es
nicht das Geringſte und magerte zuſehends ab, ſchien ſich aber ſehr wohl zu befinden. Es war ganz
gefühllos und dumm, lag bei Tage mit dem Kopfe zwiſchen den Beinen, ſeine Stacheln ringsum aus-
geſtreckt, aber nicht ganz zuſammengekugelt; auch ſuchte es die Dunkelheit. Die Freiheit liebte es
ſehr, wenigſtens machte es alle Anſtrengungen, um aus ſeinem Käfig zu kommen. Setzte man es
auf einen großen Pflanzenkübel mit Erde, ſo hatte es ſich in weniger als zwei Minuten bis auf den
Boden gegraben, und zwar mit den ſtarken Füßen, wobei es ſich ab und zu mit der Schnauze half.
Später fing es an zu lecken und fraß zuletzt ein flüſſiges Gemenge von Waſſer, Mehl und Zucker.
Es ſtarb, weil man es zu ſtark gewaſchen hatte.
Garnot kaufte einen Stacheligel in Port-Jackſon von einem Manne, welcher ihm ſagte,
daß er das Thier ſeit zwei Monaten mit allerlei Pflanzennahrung erhalten habe; auch verſicherte er,
daß es im Freien Mäuſe freſſe u. ſ. w. Auf des Verkäufers Rath ſperrte Garnot das Thier in
eine Kiſte mit Erde und gab ihm Gemüſe, Suppe, friſches Fleiſch und Fliegen; aber alle dieſe Dinge
rührte es nicht an; nur das Waſſer ſchlappte es ſogleich mit ſeiner zwei bis drei Zoll langen Zunge
ein. So lebte es drei Monate, bis man mit ihm auf der Jnſel Moritz ankam. Dort gab man
ihm Ameiſen und Regenwürmer. Dieſe fraß es ebenfalls nicht; dagegen ſchien es Kokosmilch ſehr zu
lieben, und man hoffte ſchon, es mit nach Europa zu bringen: doch drei Tage vor der Abreiſe fand
man es todt.
Dieſes Thier brachte gewöhnlich zwanzig Stunden des Tages ſchlafend zu und ſchwärmte die
übrige Zeit umher. Begegnete es einem Hinderniſſe in ſeinem Wege, ſo ſuchte es daſſelbe wegzu-
ſchaffen und nahm nicht eher eine andere Richtung, als bis es die Erfolgloſigkeit ſeiner Beſtrebungen
bemerkte, wahrſcheinlich weil es ſich an ſein Graben in der Freiheit erinnern mochte. Jm Zimmer
wählte es eine Ecke, um ſeinen Unrath dort zu laſſen; einen anderen dunklen Winkel, welcher von
einer Kiſte verſtellt war, ſuchte es ſich zum Schlafen aus. Oft ſchien es ſich gewiſſe Grenzen zu
wählen und lief lange Zeit hin und her, ohne ſie zu überſchreiten. Es ging mit hängendem Kopfe,
als wenn es in Betrachtung vertieft wäre und legte in einer Minute, obgleich ſein Gang ſehr ſchwer-
fällig und ſchleppend war, doch 36 bis 40 Fuß zurück. Seine keineswegs weiche, aber bewegliche,
lange Naſe diente ihm als Fühler. Wenn es lauſchen wollte, öffnete es die Ohren, wie es die Eule
zu thun pflegt, und dann ſchien ſein Gehör recht fein zu ſein. Sein Weſen war mild und zärtlich.
Es ließ ſich ſehr gern ſtreicheln; doch war es ſehr furchtſam und kugelte ſich bei dem geringſten Ge-
räuſch zuſammen, wie der Jgel, ſo daß die Naſe nicht ſichtbar war. Dies that es, ſo oft man neben
ihm mit dem Fuße ſtampfte, und erſt nach längerer Zeit, wenn dies Geräuſch vollſtändig aufgehört
hatte, ſtreckte es ſich langſam wieder aus.
Brehm, Thierleben. II. 21
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/341>, abgerufen am 23.11.2024.
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