Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.Die Ameiseubären. -- Der zweizehige Ameisenfresser. dem nördlichen Brasilien und aus Peru, demnach aus Gegenden, welche zwischen dem 10. Grad südl.und dem 6. Grad nördl. Breite liegen. Jm Gebirge steigt er zuweilen bis zu 2000 Fuß über das [Abbildung]
Der zweizehige Ameisenfresser (Cyclothurus didactylus). Meer empor. Er ist fast überallselten, oder wird selten gefunden. Die dichtesten Wälder sind sein Aufenthalt; hier entgeht er durch seine geringe Größe nur allzu leicht dem suchenden Blick des Jägers und deshalb auch der Beobachtung. Wie seine übrigen Verwandten lebt er einfam; höch- stens während der Paarung mit einem Weibchen vereinigt. Die Nacht ist die eigentliche Zeit seiner Thätigkeit; den Tag verschläft er im Gezweig der Bäume. Seine Bewegungen sind unbeholfen, langsam und abgemessen; doch klettert er geschickt, wenn auch, wie der Jaguare, nur höchst vor- sichtig und immer mit Hülfe des Schwanzes. Ameisen, Termiten, vielleicht auch Bienen und deren Larven bilden seine Nahrung; möglicher Weise verzehrt er auch noch andere kleine Kerbthiere, welche auf Bäumen wohnen. So- bald er einen größeren Fang ge- than hat, soll er sich, wie das Eichhörnchen, aufrichten und den Fang mit den Vorderkrallen zum Munde führen. Bei Gefahr sucht er sich nach Möglichkeit zu ver- theidigen; seine geringe Stärke kann ihn aber nicht einmal gegen schwächere Feinde schützen: er erliegt selbst den Angriffen mittel- großer Eulen. Ueber die Fortpflanzung ist gar Nichts bekannt. Die Jndianer sollen ihn erlegen, um sein Fleisch zu verwerthen. "Die Schuppenthiere sind geharnischte Ameisenbären." Mit diesen Worten bezeichnet Giebel Die Ameiſeubären. — Der zweizehige Ameiſenfreſſer. dem nördlichen Braſilien und aus Peru, demnach aus Gegenden, welche zwiſchen dem 10. Grad ſüdl.und dem 6. Grad nördl. Breite liegen. Jm Gebirge ſteigt er zuweilen bis zu 2000 Fuß über das [Abbildung]
Der zweizehige Ameiſenfreſſer (Cyclothurus didactylus). Meer empor. Er iſt faſt überallſelten, oder wird ſelten gefunden. Die dichteſten Wälder ſind ſein Aufenthalt; hier entgeht er durch ſeine geringe Größe nur allzu leicht dem ſuchenden Blick des Jägers und deshalb auch der Beobachtung. Wie ſeine übrigen Verwandten lebt er einfam; höch- ſtens während der Paarung mit einem Weibchen vereinigt. Die Nacht iſt die eigentliche Zeit ſeiner Thätigkeit; den Tag verſchläft er im Gezweig der Bäume. Seine Bewegungen ſind unbeholfen, langſam und abgemeſſen; doch klettert er geſchickt, wenn auch, wie der Jaguare, nur höchſt vor- ſichtig und immer mit Hülfe des Schwanzes. Ameiſen, Termiten, vielleicht auch Bienen und deren Larven bilden ſeine Nahrung; möglicher Weiſe verzehrt er auch noch andere kleine Kerbthiere, welche auf Bäumen wohnen. So- bald er einen größeren Fang ge- than hat, ſoll er ſich, wie das Eichhörnchen, aufrichten und den Fang mit den Vorderkrallen zum Munde führen. Bei Gefahr ſucht er ſich nach Möglichkeit zu ver- theidigen; ſeine geringe Stärke kann ihn aber nicht einmal gegen ſchwächere Feinde ſchützen: er erliegt ſelbſt den Angriffen mittel- großer Eulen. Ueber die Fortpflanzung iſt gar Nichts bekannt. Die Jndianer ſollen ihn erlegen, um ſein Fleiſch zu verwerthen. „Die Schuppenthiere ſind geharniſchte Ameiſenbären.‟ Mit dieſen Worten bezeichnet Giebel <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0330" n="310"/><fw place="top" type="header">Die Ameiſeubären. — Der zweizehige Ameiſenfreſſer.</fw><lb/> dem nördlichen Braſilien und aus Peru, demnach aus Gegenden, welche zwiſchen dem 10. Grad ſüdl.<lb/> und dem 6. Grad nördl. Breite liegen. Jm Gebirge ſteigt er zuweilen bis zu 2000 Fuß über das<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der zweizehige Ameiſenfreſſer</hi> (<hi rendition="#aq">Cyclothurus didactylus</hi>).</hi></head></figure><lb/> Meer empor. Er iſt faſt überall<lb/> ſelten, oder wird ſelten gefunden.<lb/> Die dichteſten Wälder ſind ſein<lb/> Aufenthalt; hier entgeht er durch<lb/> ſeine geringe Größe nur allzu<lb/> leicht dem ſuchenden Blick des<lb/> Jägers und deshalb auch der<lb/> Beobachtung. Wie ſeine übrigen<lb/> Verwandten lebt er einfam; höch-<lb/> ſtens während der Paarung mit<lb/> einem Weibchen vereinigt. Die<lb/> Nacht iſt die eigentliche Zeit ſeiner<lb/> Thätigkeit; den Tag verſchläft er<lb/> im Gezweig der Bäume. Seine<lb/> Bewegungen ſind unbeholfen,<lb/> langſam und abgemeſſen; doch<lb/> klettert er geſchickt, wenn auch,<lb/> wie der Jaguare, nur höchſt vor-<lb/> ſichtig und immer mit Hülfe des<lb/> Schwanzes. Ameiſen, Termiten,<lb/> vielleicht auch Bienen und deren<lb/> Larven bilden ſeine Nahrung;<lb/> möglicher Weiſe verzehrt er auch<lb/> noch andere kleine Kerbthiere,<lb/> welche auf Bäumen wohnen. So-<lb/> bald er einen größeren Fang ge-<lb/> than hat, ſoll er ſich, wie das<lb/> Eichhörnchen, aufrichten und den<lb/> Fang mit den Vorderkrallen zum<lb/> Munde führen. Bei Gefahr ſucht<lb/> er ſich nach Möglichkeit zu ver-<lb/> theidigen; ſeine geringe Stärke<lb/> kann ihn aber nicht einmal gegen ſchwächere Feinde ſchützen: er erliegt ſelbſt den Angriffen mittel-<lb/> großer Eulen. Ueber die Fortpflanzung iſt gar Nichts bekannt. Die Jndianer ſollen ihn erlegen,<lb/> um ſein Fleiſch zu verwerthen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>„Die Schuppenthiere ſind geharniſchte Ameiſenbären.‟ Mit dieſen Worten bezeichnet <hi rendition="#g">Giebel</hi><lb/> ſehr treffend die Mitglieder einer dritten Gruppe der Scharrthiere, zu denen uns nunmehr unſere<lb/> Betrachtung führt. Der genannte und andere Naturforſcher betrachten die Schuppenthiere nur als<lb/> eine Sippe der <hi rendition="#g">Wurmzüngler,</hi> während wir ſie als eine eigene Familie der <hi rendition="#g">Scharrthiere</hi> an-<lb/> ſehen. Allerdings ſind die Schuppenthiere nichts anderes als geharniſchte Ameiſenbären; aber die<lb/> Unterſchiede zwiſchen beiden Gruppen ſind doch ſehr große und durchgreifende. Der ganze Leib iſt<lb/> mit großen plattenartigen Hornſchuppen bedeckt, welche dachziegelartig, oder beſſer, wie die Schilder<lb/> eines Tannenzapfens über einander liegen. Dieſe Bedeckung iſt das hauptſächlichſte Kennzeichen der<lb/> Familie; ſie iſt einzig in ihrer Art; denn die Schilder der Gürtelthiere und Gürtelmäuſe erinnern nur<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [310/0330]
Die Ameiſeubären. — Der zweizehige Ameiſenfreſſer.
dem nördlichen Braſilien und aus Peru, demnach aus Gegenden, welche zwiſchen dem 10. Grad ſüdl.
und dem 6. Grad nördl. Breite liegen. Jm Gebirge ſteigt er zuweilen bis zu 2000 Fuß über das
[Abbildung Der zweizehige Ameiſenfreſſer (Cyclothurus didactylus).]
Meer empor. Er iſt faſt überall
ſelten, oder wird ſelten gefunden.
Die dichteſten Wälder ſind ſein
Aufenthalt; hier entgeht er durch
ſeine geringe Größe nur allzu
leicht dem ſuchenden Blick des
Jägers und deshalb auch der
Beobachtung. Wie ſeine übrigen
Verwandten lebt er einfam; höch-
ſtens während der Paarung mit
einem Weibchen vereinigt. Die
Nacht iſt die eigentliche Zeit ſeiner
Thätigkeit; den Tag verſchläft er
im Gezweig der Bäume. Seine
Bewegungen ſind unbeholfen,
langſam und abgemeſſen; doch
klettert er geſchickt, wenn auch,
wie der Jaguare, nur höchſt vor-
ſichtig und immer mit Hülfe des
Schwanzes. Ameiſen, Termiten,
vielleicht auch Bienen und deren
Larven bilden ſeine Nahrung;
möglicher Weiſe verzehrt er auch
noch andere kleine Kerbthiere,
welche auf Bäumen wohnen. So-
bald er einen größeren Fang ge-
than hat, ſoll er ſich, wie das
Eichhörnchen, aufrichten und den
Fang mit den Vorderkrallen zum
Munde führen. Bei Gefahr ſucht
er ſich nach Möglichkeit zu ver-
theidigen; ſeine geringe Stärke
kann ihn aber nicht einmal gegen ſchwächere Feinde ſchützen: er erliegt ſelbſt den Angriffen mittel-
großer Eulen. Ueber die Fortpflanzung iſt gar Nichts bekannt. Die Jndianer ſollen ihn erlegen,
um ſein Fleiſch zu verwerthen.
„Die Schuppenthiere ſind geharniſchte Ameiſenbären.‟ Mit dieſen Worten bezeichnet Giebel
ſehr treffend die Mitglieder einer dritten Gruppe der Scharrthiere, zu denen uns nunmehr unſere
Betrachtung führt. Der genannte und andere Naturforſcher betrachten die Schuppenthiere nur als
eine Sippe der Wurmzüngler, während wir ſie als eine eigene Familie der Scharrthiere an-
ſehen. Allerdings ſind die Schuppenthiere nichts anderes als geharniſchte Ameiſenbären; aber die
Unterſchiede zwiſchen beiden Gruppen ſind doch ſehr große und durchgreifende. Der ganze Leib iſt
mit großen plattenartigen Hornſchuppen bedeckt, welche dachziegelartig, oder beſſer, wie die Schilder
eines Tannenzapfens über einander liegen. Dieſe Bedeckung iſt das hauptſächlichſte Kennzeichen der
Familie; ſie iſt einzig in ihrer Art; denn die Schilder der Gürtelthiere und Gürtelmäuſe erinnern nur
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