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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Ameisenbären. -- Der Yurumi.
rechten Winkel bilden. Auf der Sohlenfläche bemerkt man mehrere kleine, und gegen ihren hinteren
Rand eine große Schwiele. Die hinteren Glieder sind bei weitem nicht so stark gebaut, wie die vor-
deren; ihr 8 Zoll langer Fuß ist mit fünf Zehen versehen, deren Nägel blos 5 bis 8 Linien lang, von
den Seiten in etwas zusammengedrückt, schwach gebogen und nach vorn gerichtet sind. Das Thier
tritt mit der ganzen Sohle des Hinterfußes auf. Der lange zottige Schwanz ist hoch und schmal
und bildet eine wahre Fahne."

"Die Zunge, deren Dicke nicht mehr als 3 bis 4 Linien beträgt, hat die Gestalt eines langen,
sich allmählich zuspitzenden Kegels; sie besteht aus zwei Muskeln, und zwei drüsenartige Körper sitzen
auf ihrer Grundlage. Sie ist der Länge nach sehr ausdehnbar, indem das Thier sie beinahe andert-
halb Fuß weit zum Maule herausstrecken kann."

"Der Yurumi kommt nicht häufig in Paraguay vor, wo er die menschenleeren oder doch wenig
besuchten Felder im Norden des Landes bewohnt. Er hat weder ein bestimmtes Lager, noch sonst
einen bestimmten Aufenthaltsort, sondern schweift bei Tage auf den Ebenen umher und schläft, wo
ihn die Nacht überfällt; jedoch sucht er zu letzterem Zwecke eine Stelle zu gewinnen, wo das Gras
sehr hoch ist, oder wo sich einige Büsche vorfinden. Man trifft ihn gewöhnlich allein an, es sei denn,
daß ein Weibchen sein Junges mit sich führe. Sein Gang ist ein langsamer Schritt oder zuweilen,
wenn er verfolgt wird, ein schwerfälliger Galopp, mit dem er aber so wenig vorrückt, daß ihn ein
Mensch im Schritt einholen kann. Seine Nahrung besteht einzig und allein aus Termiten, aus
Ameisen und den Larven von beiden. Um sich diese zu verschaffen, kratzt und reißt er mit den Nägeln
seiner Vorderfüße die Erdhügel und die Erdhaufen, welche denselben zur Wohnung dienen, auf,
streckt dann seine lange Zunge unter die von allen Seiten herzuströmenden Kerbthiere und zieht sie von
denselben überzogen wieder in den Mund zurück. Dieses wiederholt er solange, bis er gesättigt ist,
oder bis keine Ameisen oder Termiten mehr zum Vorschein kommen."

"Der Zeitpunkt der Begattung sowie die Tragzeit des Weibchens ist mir unbekannt. Es wirft
im Frühjahr ein einziges Junges und trägt dasselbe einige Zeit lang mit sich auf dem Rücken herum.
Das Junge scheint während mehrerer Monate zu saugen, und soll, wenn es auch schon sich von
Kerfen nähren kann, seine Mutter nicht verlassen, bis sie wieder trächtig ist. Wahrscheinlich ge-
braucht es, da ihm die Kraft zum Aufreißen der Termitenhügel noch mangelt, während dieser Zeit
die Hilfe der Mutter, um leichter zu seiner Nahrung zu gelangen."

"Der vorzüglichste unter den Sinnen des Yurumi ist der Geruch, dessen Organe sehr ausgebildet
sind; auf diesen folgt das Gehör; das Gesicht scheint nur schwach zu sein. Der einzige Laut, den er
von sich gibt, und nur wenn er in Zorn geräth, ist eine Art von Brummen."

"Es ist ein stilles, friedliches Thier, das weder dem Menschen noch den anderen Säugethieren
den geringsten Schaden zuzufügen sucht, es sei denn, daß es heftg gereizt werde. Man kann den Yu-
rumi auf offenem Felde weite Strecken vor sich hertreiben, ohne daß er widersteht. Wird er aber miß-
handelt, so setzt er sich, wie schon Azara bemerkt, auf die Sitzbeine und die Hinterfüße und breitet
die Arme gegen seinen Feind aus, um ihn mit seinen Nägeln zu fassen."

"Jch habe lange Zeit einen Yurumi besessen, der noch kein Jahr alt war, als ich ihn erhielt.
Man hatte ihn in einer Meierei am linken Ufer des Nexay zugleich mit seiner Mutter eingefangen,
welche aber nach wenigen Tagen starb. Jch zog ihn mit Milch, Ameisen und gehacktem Fleisch auf.
Die Milch nahm er schlürfend zu sich, oder auch, indem er die Zunge darin badete und sie dann mit
der wenigen ihr anhangenden Flüssigkeit in den Mund zurückzog. Die Ameisen suchte er im Hofe
und in den Umgebungen des Hauses auf. Sowie er einen Haufen ausgewittert hatte, fing er gleich
an, denselben aufzukratzen, und that dies solange, bis dessen Bewohner in großer Anzahl zum Vor-
schein kamen, dann wälzte er seine Zunge unter ihnen herum und zog sie, mit Hunderten von ihnen
übersäet, in den Mund zurück. Azara behauptet, daß der Yurumi seine Zunge in einer Sekunde
zwei Mal ausstrecke und zurückziehe, was aber bei dem meinigen nicht der Fall war, indem er, um
dieses nur ein Mal zu bewerkstelligen, schon mehr als eine Sekunde brauchte. Die Ameisen bleiben

Die Ameiſenbären. — Der Yurumi.
rechten Winkel bilden. Auf der Sohlenfläche bemerkt man mehrere kleine, und gegen ihren hinteren
Rand eine große Schwiele. Die hinteren Glieder ſind bei weitem nicht ſo ſtark gebaut, wie die vor-
deren; ihr 8 Zoll langer Fuß iſt mit fünf Zehen verſehen, deren Nägel blos 5 bis 8 Linien lang, von
den Seiten in etwas zuſammengedrückt, ſchwach gebogen und nach vorn gerichtet ſind. Das Thier
tritt mit der ganzen Sohle des Hinterfußes auf. Der lange zottige Schwanz iſt hoch und ſchmal
und bildet eine wahre Fahne.‟

„Die Zunge, deren Dicke nicht mehr als 3 bis 4 Linien beträgt, hat die Geſtalt eines langen,
ſich allmählich zuſpitzenden Kegels; ſie beſteht aus zwei Muskeln, und zwei drüſenartige Körper ſitzen
auf ihrer Grundlage. Sie iſt der Länge nach ſehr ausdehnbar, indem das Thier ſie beinahe andert-
halb Fuß weit zum Maule herausſtrecken kann.‟

„Der Yurumi kommt nicht häufig in Paraguay vor, wo er die menſchenleeren oder doch wenig
beſuchten Felder im Norden des Landes bewohnt. Er hat weder ein beſtimmtes Lager, noch ſonſt
einen beſtimmten Aufenthaltsort, ſondern ſchweift bei Tage auf den Ebenen umher und ſchläft, wo
ihn die Nacht überfällt; jedoch ſucht er zu letzterem Zwecke eine Stelle zu gewinnen, wo das Gras
ſehr hoch iſt, oder wo ſich einige Büſche vorfinden. Man trifft ihn gewöhnlich allein an, es ſei denn,
daß ein Weibchen ſein Junges mit ſich führe. Sein Gang iſt ein langſamer Schritt oder zuweilen,
wenn er verfolgt wird, ein ſchwerfälliger Galopp, mit dem er aber ſo wenig vorrückt, daß ihn ein
Menſch im Schritt einholen kann. Seine Nahrung beſteht einzig und allein aus Termiten, aus
Ameiſen und den Larven von beiden. Um ſich dieſe zu verſchaffen, kratzt und reißt er mit den Nägeln
ſeiner Vorderfüße die Erdhügel und die Erdhaufen, welche denſelben zur Wohnung dienen, auf,
ſtreckt dann ſeine lange Zunge unter die von allen Seiten herzuſtrömenden Kerbthiere und zieht ſie von
denſelben überzogen wieder in den Mund zurück. Dieſes wiederholt er ſolange, bis er geſättigt iſt,
oder bis keine Ameiſen oder Termiten mehr zum Vorſchein kommen.‟

„Der Zeitpunkt der Begattung ſowie die Tragzeit des Weibchens iſt mir unbekannt. Es wirft
im Frühjahr ein einziges Junges und trägt daſſelbe einige Zeit lang mit ſich auf dem Rücken herum.
Das Junge ſcheint während mehrerer Monate zu ſaugen, und ſoll, wenn es auch ſchon ſich von
Kerfen nähren kann, ſeine Mutter nicht verlaſſen, bis ſie wieder trächtig iſt. Wahrſcheinlich ge-
braucht es, da ihm die Kraft zum Aufreißen der Termitenhügel noch mangelt, während dieſer Zeit
die Hilfe der Mutter, um leichter zu ſeiner Nahrung zu gelangen.‟

„Der vorzüglichſte unter den Sinnen des Yurumi iſt der Geruch, deſſen Organe ſehr ausgebildet
ſind; auf dieſen folgt das Gehör; das Geſicht ſcheint nur ſchwach zu ſein. Der einzige Laut, den er
von ſich gibt, und nur wenn er in Zorn geräth, iſt eine Art von Brummen.‟

„Es iſt ein ſtilles, friedliches Thier, das weder dem Menſchen noch den anderen Säugethieren
den geringſten Schaden zuzufügen ſucht, es ſei denn, daß es heftg gereizt werde. Man kann den Yu-
rumi auf offenem Felde weite Strecken vor ſich hertreiben, ohne daß er widerſteht. Wird er aber miß-
handelt, ſo ſetzt er ſich, wie ſchon Azara bemerkt, auf die Sitzbeine und die Hinterfüße und breitet
die Arme gegen ſeinen Feind aus, um ihn mit ſeinen Nägeln zu faſſen.‟

„Jch habe lange Zeit einen Yurumi beſeſſen, der noch kein Jahr alt war, als ich ihn erhielt.
Man hatte ihn in einer Meierei am linken Ufer des Nexay zugleich mit ſeiner Mutter eingefangen,
welche aber nach wenigen Tagen ſtarb. Jch zog ihn mit Milch, Ameiſen und gehacktem Fleiſch auf.
Die Milch nahm er ſchlürfend zu ſich, oder auch, indem er die Zunge darin badete und ſie dann mit
der wenigen ihr anhangenden Flüſſigkeit in den Mund zurückzog. Die Ameiſen ſuchte er im Hofe
und in den Umgebungen des Hauſes auf. Sowie er einen Haufen ausgewittert hatte, fing er gleich
an, denſelben aufzukratzen, und that dies ſolange, bis deſſen Bewohner in großer Anzahl zum Vor-
ſchein kamen, dann wälzte er ſeine Zunge unter ihnen herum und zog ſie, mit Hunderten von ihnen
überſäet, in den Mund zurück. Azara behauptet, daß der Yurumi ſeine Zunge in einer Sekunde
zwei Mal ausſtrecke und zurückziehe, was aber bei dem meinigen nicht der Fall war, indem er, um
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[306/0326] Die Ameiſenbären. — Der Yurumi. rechten Winkel bilden. Auf der Sohlenfläche bemerkt man mehrere kleine, und gegen ihren hinteren Rand eine große Schwiele. Die hinteren Glieder ſind bei weitem nicht ſo ſtark gebaut, wie die vor- deren; ihr 8 Zoll langer Fuß iſt mit fünf Zehen verſehen, deren Nägel blos 5 bis 8 Linien lang, von den Seiten in etwas zuſammengedrückt, ſchwach gebogen und nach vorn gerichtet ſind. Das Thier tritt mit der ganzen Sohle des Hinterfußes auf. Der lange zottige Schwanz iſt hoch und ſchmal und bildet eine wahre Fahne.‟ „Die Zunge, deren Dicke nicht mehr als 3 bis 4 Linien beträgt, hat die Geſtalt eines langen, ſich allmählich zuſpitzenden Kegels; ſie beſteht aus zwei Muskeln, und zwei drüſenartige Körper ſitzen auf ihrer Grundlage. Sie iſt der Länge nach ſehr ausdehnbar, indem das Thier ſie beinahe andert- halb Fuß weit zum Maule herausſtrecken kann.‟ „Der Yurumi kommt nicht häufig in Paraguay vor, wo er die menſchenleeren oder doch wenig beſuchten Felder im Norden des Landes bewohnt. Er hat weder ein beſtimmtes Lager, noch ſonſt einen beſtimmten Aufenthaltsort, ſondern ſchweift bei Tage auf den Ebenen umher und ſchläft, wo ihn die Nacht überfällt; jedoch ſucht er zu letzterem Zwecke eine Stelle zu gewinnen, wo das Gras ſehr hoch iſt, oder wo ſich einige Büſche vorfinden. Man trifft ihn gewöhnlich allein an, es ſei denn, daß ein Weibchen ſein Junges mit ſich führe. Sein Gang iſt ein langſamer Schritt oder zuweilen, wenn er verfolgt wird, ein ſchwerfälliger Galopp, mit dem er aber ſo wenig vorrückt, daß ihn ein Menſch im Schritt einholen kann. Seine Nahrung beſteht einzig und allein aus Termiten, aus Ameiſen und den Larven von beiden. Um ſich dieſe zu verſchaffen, kratzt und reißt er mit den Nägeln ſeiner Vorderfüße die Erdhügel und die Erdhaufen, welche denſelben zur Wohnung dienen, auf, ſtreckt dann ſeine lange Zunge unter die von allen Seiten herzuſtrömenden Kerbthiere und zieht ſie von denſelben überzogen wieder in den Mund zurück. Dieſes wiederholt er ſolange, bis er geſättigt iſt, oder bis keine Ameiſen oder Termiten mehr zum Vorſchein kommen.‟ „Der Zeitpunkt der Begattung ſowie die Tragzeit des Weibchens iſt mir unbekannt. Es wirft im Frühjahr ein einziges Junges und trägt daſſelbe einige Zeit lang mit ſich auf dem Rücken herum. Das Junge ſcheint während mehrerer Monate zu ſaugen, und ſoll, wenn es auch ſchon ſich von Kerfen nähren kann, ſeine Mutter nicht verlaſſen, bis ſie wieder trächtig iſt. Wahrſcheinlich ge- braucht es, da ihm die Kraft zum Aufreißen der Termitenhügel noch mangelt, während dieſer Zeit die Hilfe der Mutter, um leichter zu ſeiner Nahrung zu gelangen.‟ „Der vorzüglichſte unter den Sinnen des Yurumi iſt der Geruch, deſſen Organe ſehr ausgebildet ſind; auf dieſen folgt das Gehör; das Geſicht ſcheint nur ſchwach zu ſein. Der einzige Laut, den er von ſich gibt, und nur wenn er in Zorn geräth, iſt eine Art von Brummen.‟ „Es iſt ein ſtilles, friedliches Thier, das weder dem Menſchen noch den anderen Säugethieren den geringſten Schaden zuzufügen ſucht, es ſei denn, daß es heftg gereizt werde. Man kann den Yu- rumi auf offenem Felde weite Strecken vor ſich hertreiben, ohne daß er widerſteht. Wird er aber miß- handelt, ſo ſetzt er ſich, wie ſchon Azara bemerkt, auf die Sitzbeine und die Hinterfüße und breitet die Arme gegen ſeinen Feind aus, um ihn mit ſeinen Nägeln zu faſſen.‟ „Jch habe lange Zeit einen Yurumi beſeſſen, der noch kein Jahr alt war, als ich ihn erhielt. Man hatte ihn in einer Meierei am linken Ufer des Nexay zugleich mit ſeiner Mutter eingefangen, welche aber nach wenigen Tagen ſtarb. Jch zog ihn mit Milch, Ameiſen und gehacktem Fleiſch auf. Die Milch nahm er ſchlürfend zu ſich, oder auch, indem er die Zunge darin badete und ſie dann mit der wenigen ihr anhangenden Flüſſigkeit in den Mund zurückzog. Die Ameiſen ſuchte er im Hofe und in den Umgebungen des Hauſes auf. Sowie er einen Haufen ausgewittert hatte, fing er gleich an, denſelben aufzukratzen, und that dies ſolange, bis deſſen Bewohner in großer Anzahl zum Vor- ſchein kamen, dann wälzte er ſeine Zunge unter ihnen herum und zog ſie, mit Hunderten von ihnen überſäet, in den Mund zurück. Azara behauptet, daß der Yurumi ſeine Zunge in einer Sekunde zwei Mal ausſtrecke und zurückziehe, was aber bei dem meinigen nicht der Fall war, indem er, um dieſes nur ein Mal zu bewerkſtelligen, ſchon mehr als eine Sekunde brauchte. Die Ameiſen bleiben

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/326>, abgerufen am 27.11.2024.