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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Gürtelthiere.
die Erde eingraben, und zwar an Stellen, wo eine Haue nur mit Mühe eindringt, z. B. am Fuße
von Termitenhügeln. Ein ausgewachsener Tatu, welcher einen Feind in der Nähe wittert, braucht nur
drei Minuten, um einen Gang zu graben, dessen Länge die seines Körpers schon um ein Beträcht-
liches übertrifft. Beim Graben kratzen die Gürtelthiere mit den Nägeln der Vorderfüße die Erde auf
und scharren mit den Hinterfüßen den aufgelockerten Theil derselben hinter sich. Sobald sie sich über
Körperlänge eingegraben haben, ist selbst der stärkste Mann nicht mehr im Stande, sie am Schwanze
wieder rückwärts aus dem Gange herauszuziehen. Da ihre Höhlen niemals größer sind, als zum
Einschlüpfen eben erforderlich, brauchen sie nur ihren Rücken etwas zu krümmen, dann leisten die
Ränder der Binden nach oben und die scharfen Klauen nach unten hin so starken Widerstand, daß alle
Manneskraft vergeblich ist, ihn zu bewältigen. Azara sah, daß man ohne Erfolg einem Tatu, um
ihn leichter herauszuziehen, ein Messer in den After stieß: das Thier hielt sich krampfhaft fest und
grub dann weiter. Oft befreien sie sich auch, wenn man sie bereits aus der Höhle herausgezerrt
hat, indem sie sich etwas zusammenbiegen und dann, einer Springfeder gleich, wieder ausstrecken.

Je nach dem Zeitpunkt der Begattung wirft das Weibchen im Winter oder im Frühjahr, trotz
seiner geringen Zitzenzahl, drei bis neun Junge und hält sie während einiger Wochen sorgsam in ihrer
Höhle versteckt. Wahrscheinlich dauert die Säugezeit nicht lange, denn man sieht die Jungen bald
genug im Felde umherlaufen. Sobald sie einigermaßen erwachsen sind, geht jedes seinen eigenen
Weg, und die Alte bekümmert sich nicht im geringsten mehr um ihre Sprößlinge. Ueberhaupt findet
man die Gürtelthiere immer einzeln und höchstens die Mutter mit ihren saugenden Jungen in ein
und demselben Baue.

Man jagt den Tatu gewöhnlich bei Mondschein. Der Jäger bewaffnet sich blos mit einem dicken
Stock von hartem Holz, welcher am Ende spitz oder auch keulenförmig zuläuft, und sucht mit einigen
Hunden das Wild auf. Bemerkt der Tatu die Hunde noch rechtzeitig, so flieht er augenblicklich nach
seiner eigenen Höhle oder gräbt sich so schnell als möglich eine neue -- viel lieber, als daß er in einem
fremden Baue seine Zuflucht suchte. Kommen die Hunde aber dem Tatu auf den Leib ehe er die
Höhle gewinnt, so ist er verloren. Da sie ihn mit den Zähnen nicht anpacken können, halten sie ihn
mit der Schnauze und den Pfoten fest bis der Jäger hinzukommt und das Thier durch einen Schlag
auf den Kopf erlegt. Wenn es von den Hunden gepackt ist, denkt es nie daran, sich irgendwie zu
vertheidigen, obgleich es augenscheinlich mit seinen Krallen bedeutende Verletzungen beibringen
könnte. Audubon sagt, daß es durchaus keinen streitbaren Charakter habe, sondern im Gegentheil
friedlicher noch sei, als das Opossum selber, welches, so feig es sich auch anstelle, doch zuweilen tüch-
tig beiße. Hat sich der Tatu aber noch rechtzeitig in seine Höhle geflüchtet, so wird dieselbe von dem
Jäger mit einem Stocke solange vergrößert, bis sie weit genug ist, daß der Mann das Gürtelthier
beim Schwanz ergreifen kann. Dann packt er diesen mit der einen Hand und stößt mit der anderen
das Messer in den After des armen, unglücklichen Geschöpfes. Der heftige Schmerz hindert es ge-
wöhnlich, sich gegen die Wände anzustemmen und gibt es seinem grausamen Feinde preis. Auch
füllt man zuweilen seine Höhle mit Wasser, wodurch es genöthigt wird, sie zu verlassen, oder richtet
an der Mündung derselben eine Falle her, welche es beim Heraustreten erschlägt. Bei der Unmasse
von Höhlen, welche man da findet, wo die Thiere häufiger sind, würde es schwer sein, die be-
wohnten von den verlassenen zu unterscheiden, wüßten die geübten Jndianer nicht kleine Anzeichen zu
deuten. Nach den bewohnten Höhlen hin sieht man eine eigenthümliche Spur im Sande verlaufen,
eine kleine seichte Rinne nämlich, welche von dem nachschleppenden Schwanze gezogen wird. Vor der
Höhle findet man auch gewöhnlich den Koth des Bewohners, weil dieser nie im Jnnern des Baues
abgelegt wird, und endlich bemerkt man in allen Höhlen, welche gerade Tatus beherbergen, eine
Menge von Stechmücken schwärmen, -- jedenfalls in der Absicht, dem wehrlosen Panzerträger an
den nichtgeschützten Theilen seines Leibes Blut abzuzapfen. Diese Anzeichen genügen vollständig für
die Jäger, und sie betreiben ihre Jagd mit einem Eifer, welcher einer besseren Sache würdig wäre.
Alle Gürtelthiere nämlich sind den Südamerikanern überaus verhaßte Geschöpfe, weil sie wirklich

Die Gürtelthiere.
die Erde eingraben, und zwar an Stellen, wo eine Haue nur mit Mühe eindringt, z. B. am Fuße
von Termitenhügeln. Ein ausgewachſener Tatu, welcher einen Feind in der Nähe wittert, braucht nur
drei Minuten, um einen Gang zu graben, deſſen Länge die ſeines Körpers ſchon um ein Beträcht-
liches übertrifft. Beim Graben kratzen die Gürtelthiere mit den Nägeln der Vorderfüße die Erde auf
und ſcharren mit den Hinterfüßen den aufgelockerten Theil derſelben hinter ſich. Sobald ſie ſich über
Körperlänge eingegraben haben, iſt ſelbſt der ſtärkſte Mann nicht mehr im Stande, ſie am Schwanze
wieder rückwärts aus dem Gange herauszuziehen. Da ihre Höhlen niemals größer ſind, als zum
Einſchlüpfen eben erforderlich, brauchen ſie nur ihren Rücken etwas zu krümmen, dann leiſten die
Ränder der Binden nach oben und die ſcharfen Klauen nach unten hin ſo ſtarken Widerſtand, daß alle
Manneskraft vergeblich iſt, ihn zu bewältigen. Azara ſah, daß man ohne Erfolg einem Tatu, um
ihn leichter herauszuziehen, ein Meſſer in den After ſtieß: das Thier hielt ſich krampfhaft feſt und
grub dann weiter. Oft befreien ſie ſich auch, wenn man ſie bereits aus der Höhle herausgezerrt
hat, indem ſie ſich etwas zuſammenbiegen und dann, einer Springfeder gleich, wieder ausſtrecken.

Je nach dem Zeitpunkt der Begattung wirft das Weibchen im Winter oder im Frühjahr, trotz
ſeiner geringen Zitzenzahl, drei bis neun Junge und hält ſie während einiger Wochen ſorgſam in ihrer
Höhle verſteckt. Wahrſcheinlich dauert die Säugezeit nicht lange, denn man ſieht die Jungen bald
genug im Felde umherlaufen. Sobald ſie einigermaßen erwachſen ſind, geht jedes ſeinen eigenen
Weg, und die Alte bekümmert ſich nicht im geringſten mehr um ihre Sprößlinge. Ueberhaupt findet
man die Gürtelthiere immer einzeln und höchſtens die Mutter mit ihren ſaugenden Jungen in ein
und demſelben Baue.

Man jagt den Tatu gewöhnlich bei Mondſchein. Der Jäger bewaffnet ſich blos mit einem dicken
Stock von hartem Holz, welcher am Ende ſpitz oder auch keulenförmig zuläuft, und ſucht mit einigen
Hunden das Wild auf. Bemerkt der Tatu die Hunde noch rechtzeitig, ſo flieht er augenblicklich nach
ſeiner eigenen Höhle oder gräbt ſich ſo ſchnell als möglich eine neue — viel lieber, als daß er in einem
fremden Baue ſeine Zuflucht ſuchte. Kommen die Hunde aber dem Tatu auf den Leib ehe er die
Höhle gewinnt, ſo iſt er verloren. Da ſie ihn mit den Zähnen nicht anpacken können, halten ſie ihn
mit der Schnauze und den Pfoten feſt bis der Jäger hinzukommt und das Thier durch einen Schlag
auf den Kopf erlegt. Wenn es von den Hunden gepackt iſt, denkt es nie daran, ſich irgendwie zu
vertheidigen, obgleich es augenſcheinlich mit ſeinen Krallen bedeutende Verletzungen beibringen
könnte. Audubon ſagt, daß es durchaus keinen ſtreitbaren Charakter habe, ſondern im Gegentheil
friedlicher noch ſei, als das Opoſſum ſelber, welches, ſo feig es ſich auch anſtelle, doch zuweilen tüch-
tig beiße. Hat ſich der Tatu aber noch rechtzeitig in ſeine Höhle geflüchtet, ſo wird dieſelbe von dem
Jäger mit einem Stocke ſolange vergrößert, bis ſie weit genug iſt, daß der Mann das Gürtelthier
beim Schwanz ergreifen kann. Dann packt er dieſen mit der einen Hand und ſtößt mit der anderen
das Meſſer in den After des armen, unglücklichen Geſchöpfes. Der heftige Schmerz hindert es ge-
wöhnlich, ſich gegen die Wände anzuſtemmen und gibt es ſeinem grauſamen Feinde preis. Auch
füllt man zuweilen ſeine Höhle mit Waſſer, wodurch es genöthigt wird, ſie zu verlaſſen, oder richtet
an der Mündung derſelben eine Falle her, welche es beim Heraustreten erſchlägt. Bei der Unmaſſe
von Höhlen, welche man da findet, wo die Thiere häufiger ſind, würde es ſchwer ſein, die be-
wohnten von den verlaſſenen zu unterſcheiden, wüßten die geübten Jndianer nicht kleine Anzeichen zu
deuten. Nach den bewohnten Höhlen hin ſieht man eine eigenthümliche Spur im Sande verlaufen,
eine kleine ſeichte Rinne nämlich, welche von dem nachſchleppenden Schwanze gezogen wird. Vor der
Höhle findet man auch gewöhnlich den Koth des Bewohners, weil dieſer nie im Jnnern des Baues
abgelegt wird, und endlich bemerkt man in allen Höhlen, welche gerade Tatus beherbergen, eine
Menge von Stechmücken ſchwärmen, — jedenfalls in der Abſicht, dem wehrloſen Panzerträger an
den nichtgeſchützten Theilen ſeines Leibes Blut abzuzapfen. Dieſe Anzeichen genügen vollſtändig für
die Jäger, und ſie betreiben ihre Jagd mit einem Eifer, welcher einer beſſeren Sache würdig wäre.
Alle Gürtelthiere nämlich ſind den Südamerikanern überaus verhaßte Geſchöpfe, weil ſie wirklich

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[288/0308] Die Gürtelthiere. die Erde eingraben, und zwar an Stellen, wo eine Haue nur mit Mühe eindringt, z. B. am Fuße von Termitenhügeln. Ein ausgewachſener Tatu, welcher einen Feind in der Nähe wittert, braucht nur drei Minuten, um einen Gang zu graben, deſſen Länge die ſeines Körpers ſchon um ein Beträcht- liches übertrifft. Beim Graben kratzen die Gürtelthiere mit den Nägeln der Vorderfüße die Erde auf und ſcharren mit den Hinterfüßen den aufgelockerten Theil derſelben hinter ſich. Sobald ſie ſich über Körperlänge eingegraben haben, iſt ſelbſt der ſtärkſte Mann nicht mehr im Stande, ſie am Schwanze wieder rückwärts aus dem Gange herauszuziehen. Da ihre Höhlen niemals größer ſind, als zum Einſchlüpfen eben erforderlich, brauchen ſie nur ihren Rücken etwas zu krümmen, dann leiſten die Ränder der Binden nach oben und die ſcharfen Klauen nach unten hin ſo ſtarken Widerſtand, daß alle Manneskraft vergeblich iſt, ihn zu bewältigen. Azara ſah, daß man ohne Erfolg einem Tatu, um ihn leichter herauszuziehen, ein Meſſer in den After ſtieß: das Thier hielt ſich krampfhaft feſt und grub dann weiter. Oft befreien ſie ſich auch, wenn man ſie bereits aus der Höhle herausgezerrt hat, indem ſie ſich etwas zuſammenbiegen und dann, einer Springfeder gleich, wieder ausſtrecken. Je nach dem Zeitpunkt der Begattung wirft das Weibchen im Winter oder im Frühjahr, trotz ſeiner geringen Zitzenzahl, drei bis neun Junge und hält ſie während einiger Wochen ſorgſam in ihrer Höhle verſteckt. Wahrſcheinlich dauert die Säugezeit nicht lange, denn man ſieht die Jungen bald genug im Felde umherlaufen. Sobald ſie einigermaßen erwachſen ſind, geht jedes ſeinen eigenen Weg, und die Alte bekümmert ſich nicht im geringſten mehr um ihre Sprößlinge. Ueberhaupt findet man die Gürtelthiere immer einzeln und höchſtens die Mutter mit ihren ſaugenden Jungen in ein und demſelben Baue. Man jagt den Tatu gewöhnlich bei Mondſchein. Der Jäger bewaffnet ſich blos mit einem dicken Stock von hartem Holz, welcher am Ende ſpitz oder auch keulenförmig zuläuft, und ſucht mit einigen Hunden das Wild auf. Bemerkt der Tatu die Hunde noch rechtzeitig, ſo flieht er augenblicklich nach ſeiner eigenen Höhle oder gräbt ſich ſo ſchnell als möglich eine neue — viel lieber, als daß er in einem fremden Baue ſeine Zuflucht ſuchte. Kommen die Hunde aber dem Tatu auf den Leib ehe er die Höhle gewinnt, ſo iſt er verloren. Da ſie ihn mit den Zähnen nicht anpacken können, halten ſie ihn mit der Schnauze und den Pfoten feſt bis der Jäger hinzukommt und das Thier durch einen Schlag auf den Kopf erlegt. Wenn es von den Hunden gepackt iſt, denkt es nie daran, ſich irgendwie zu vertheidigen, obgleich es augenſcheinlich mit ſeinen Krallen bedeutende Verletzungen beibringen könnte. Audubon ſagt, daß es durchaus keinen ſtreitbaren Charakter habe, ſondern im Gegentheil friedlicher noch ſei, als das Opoſſum ſelber, welches, ſo feig es ſich auch anſtelle, doch zuweilen tüch- tig beiße. Hat ſich der Tatu aber noch rechtzeitig in ſeine Höhle geflüchtet, ſo wird dieſelbe von dem Jäger mit einem Stocke ſolange vergrößert, bis ſie weit genug iſt, daß der Mann das Gürtelthier beim Schwanz ergreifen kann. Dann packt er dieſen mit der einen Hand und ſtößt mit der anderen das Meſſer in den After des armen, unglücklichen Geſchöpfes. Der heftige Schmerz hindert es ge- wöhnlich, ſich gegen die Wände anzuſtemmen und gibt es ſeinem grauſamen Feinde preis. Auch füllt man zuweilen ſeine Höhle mit Waſſer, wodurch es genöthigt wird, ſie zu verlaſſen, oder richtet an der Mündung derſelben eine Falle her, welche es beim Heraustreten erſchlägt. Bei der Unmaſſe von Höhlen, welche man da findet, wo die Thiere häufiger ſind, würde es ſchwer ſein, die be- wohnten von den verlaſſenen zu unterſcheiden, wüßten die geübten Jndianer nicht kleine Anzeichen zu deuten. Nach den bewohnten Höhlen hin ſieht man eine eigenthümliche Spur im Sande verlaufen, eine kleine ſeichte Rinne nämlich, welche von dem nachſchleppenden Schwanze gezogen wird. Vor der Höhle findet man auch gewöhnlich den Koth des Bewohners, weil dieſer nie im Jnnern des Baues abgelegt wird, und endlich bemerkt man in allen Höhlen, welche gerade Tatus beherbergen, eine Menge von Stechmücken ſchwärmen, — jedenfalls in der Abſicht, dem wehrloſen Panzerträger an den nichtgeſchützten Theilen ſeines Leibes Blut abzuzapfen. Dieſe Anzeichen genügen vollſtändig für die Jäger, und ſie betreiben ihre Jagd mit einem Eifer, welcher einer beſſeren Sache würdig wäre. Alle Gürtelthiere nämlich ſind den Südamerikanern überaus verhaßte Geſchöpfe, weil ſie wirklich

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/308>, abgerufen am 23.11.2024.