Der innere Leibesbau zeigt manches Eigenthümliche. Die Rippen sind von außerordentlicher Breite und ebenso ihre Knorpel, welche vollständig verknöchern. Bei manchen Arten berühren sich die Rippen gegenseitig. Jhre Zahl schwankt zwischen zehn bis zwölf. Die Wirbelsäule ist merk- würdig, weil oft die Halswirbel, mit Ausnahme des Atlas und Epistropheus, mehr oder weniger mit einander verwachsen. Die Zahl der rückenlosen Wirbel schwankt zwischen Eins und Sechs; das Kreuz- bein besteht aus acht bis zwölf, und der Schwanz aus sechszehn bis einunddreißig Wirbeln. Außer- dem ist die Stärke der Gliedmaßenknochen bemerkenswerth, namentlich die der Handwurzelknochen und Zehen. Das Gebiß ändert so ab, daß man nach ihm mehrere Unterfamilien gebildet hat, denen je- doch hier ein besonderer Werth nicht zugesprochen werden kann. Bei keiner einzigen Familie schwankt die Zahl der Zähne so außerordentlich, wie bei den Gürtelthieren. Einige Arten haben soviel Zähne, daß der Name Zahnarme für sie nur dann nicht unverständlich wird, wenn man festhält, daß der Zwischenkiefer immer zahnlos ist, oder wenn man die Bedeutungslosigkeit der Zähne erwägt. Man hat nämlich bisjetzt noch nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen können, wieviel Zähne dieses oder jenes Gürtelthier eigentlich besitze; denn auch innerhalb derselben Art schwankt die Zahl erheblich und nicht blos zwischen jungen und alten Thieren. Jm allgemeinen läßt sich sagen, daß die Zahl der Zähne nie unter acht in jeder Reihe ist, und bis sechs und zwanzig in der einen und vier und zwanzig in der anderen Reihe steigen kann, wodurch dann ein Gebiß von sechs und neunzig bis hundert Zähnen gebildet wird. Hier ist allerdings nicht von Armuth zu reden; allein die Werthlosigkeit dieser Un- masse von Zähnen ist sogroß, daß sie eigentlich aufgehört haben, Zähne zu sein. Sie haben die Form seitlich zusammen gedrückter Walzen, besitzen keine echten Wurzeln, sind nur von einer dünnen Schmelzschicht umgeben und wechseln auch in der Größe außerordentlich ab. Gewöhnlich nehmen sie vom ersten bis gegen den mittelsten hin an Größe zu, und dann wieder nach hinten allmählich ab: aber auch dies Verhältniß ist nicht regelmäßig. Zudem sind die Zähne ungemein schwach. Sie greifen zwar in einander ein, allein das Thier ist nicht im Stande, kräftig zuzubeißen oder zu kauen. Die Zunge ähnelt bereits der des Ameisenfressers, kann aber nicht soweit aus dem Maule hervorge- streckt werden, und ist auch viel kürzer, als bei dem erwähnten merkwürdigen Thiere. Sie ist drei- kantig zugespitzt und mit kleinen pilz- und fadenförmigen Wurzeln besetzt. Außerordentlich große Speicheldrüsen im Unterliefer überziehen sie beständig mit einem klebrigen Schleime. Der Magen ist einfach und der Darm hat die acht-bis elffache Leibeslänge. Die Schlagadern bilden hier und da noch Wundernetze, aber nicht mehr in der Ausdehnung, wie bei den Faulthieren. Gewöhnlich sind zwei, seltener vier Milchdrüsen vorhanden. Hiermit haben wir die hauptsächlichsten Eigenthüm- lichkeiten des Leibesbaues unseres Thieres erschöpfend genug behandelt. --
Alle Gürtelthiere sind Bewohner Amerikas, namentlich des Südens. Sie leben in freien und sandigen Ebenen, auf Feldern und dergleichen, und kommen blos am Saume der Wälder vor, ohne in dieselben einzudringen. Nur während der Paarung finden sich mehrere der gleichen Art zusammen; während der übrigen Jahreszeit lebt jedes Gürtelthier für sich, ohne um die übrigen Geschöpfe sich viel zu kümmern, -- mit Ausnahme derer höchstens, welche zu seiner Nahrung dienen sollen. Alle Arten sind entweder vollständige, oder fast vollständige Nachtthiere und verbergen sich bei Tage soviel als möglich vor dem Licht der Sonne. Zu diesem Zwecke graben sie sich Gänge; die meisten nicht eben solche von großer Ausdehnung; eine Art und Sippe aber, die merkwürdigste der ganzen Familie, lebt durchaus unterirdisch, wie der Maulwurf. Die eigentlichen Gürtelthiere graben sich ihre Baue am allerliebsten am Fuße großer Ameisen- und Termitenhaufen, und Dies aus dem sehr leicht ein- leuchtenden Grunde, weil ihre Nahrung vorzugsweise in Kerbthieren und namentlich in Ameisen be- steht. Würmer und andere Kerfe werden nur gelegentlich von ihnen mit aufgenommen, und blos die allergrößte Noth treibt sie, Wurzeln und Samen, oder eher noch weiche Pflanzentheile, sowie voll- ständig in Fäulniß übergegangenes Aas zu genießen.
Mit Beginn des Abenddunkels erscheinen die gepanzerten Feiglinge aus ihren tiefen, unterirdi- schen Bauen, und strolchen eine Zeit lang umher, langsamen Schrittes von einem Orte zu dem an-
Die Gürtelthiere.
Der innere Leibesbau zeigt manches Eigenthümliche. Die Rippen ſind von außerordentlicher Breite und ebenſo ihre Knorpel, welche vollſtändig verknöchern. Bei manchen Arten berühren ſich die Rippen gegenſeitig. Jhre Zahl ſchwankt zwiſchen zehn bis zwölf. Die Wirbelſäule iſt merk- würdig, weil oft die Halswirbel, mit Ausnahme des Atlas und Epiſtropheus, mehr oder weniger mit einander verwachſen. Die Zahl der rückenloſen Wirbel ſchwankt zwiſchen Eins und Sechs; das Kreuz- bein beſteht aus acht bis zwölf, und der Schwanz aus ſechszehn bis einunddreißig Wirbeln. Außer- dem iſt die Stärke der Gliedmaßenknochen bemerkenswerth, namentlich die der Handwurzelknochen und Zehen. Das Gebiß ändert ſo ab, daß man nach ihm mehrere Unterfamilien gebildet hat, denen je- doch hier ein beſonderer Werth nicht zugeſprochen werden kann. Bei keiner einzigen Familie ſchwankt die Zahl der Zähne ſo außerordentlich, wie bei den Gürtelthieren. Einige Arten haben ſoviel Zähne, daß der Name Zahnarme für ſie nur dann nicht unverſtändlich wird, wenn man feſthält, daß der Zwiſchenkiefer immer zahnlos iſt, oder wenn man die Bedeutungsloſigkeit der Zähne erwägt. Man hat nämlich bisjetzt noch nicht mit hinreichender Sicherheit feſtſtellen können, wieviel Zähne dieſes oder jenes Gürtelthier eigentlich beſitze; denn auch innerhalb derſelben Art ſchwankt die Zahl erheblich und nicht blos zwiſchen jungen und alten Thieren. Jm allgemeinen läßt ſich ſagen, daß die Zahl der Zähne nie unter acht in jeder Reihe iſt, und bis ſechs und zwanzig in der einen und vier und zwanzig in der anderen Reihe ſteigen kann, wodurch dann ein Gebiß von ſechs und neunzig bis hundert Zähnen gebildet wird. Hier iſt allerdings nicht von Armuth zu reden; allein die Werthloſigkeit dieſer Un- maſſe von Zähnen iſt ſogroß, daß ſie eigentlich aufgehört haben, Zähne zu ſein. Sie haben die Form ſeitlich zuſammen gedrückter Walzen, beſitzen keine echten Wurzeln, ſind nur von einer dünnen Schmelzſchicht umgeben und wechſeln auch in der Größe außerordentlich ab. Gewöhnlich nehmen ſie vom erſten bis gegen den mittelſten hin an Größe zu, und dann wieder nach hinten allmählich ab: aber auch dies Verhältniß iſt nicht regelmäßig. Zudem ſind die Zähne ungemein ſchwach. Sie greifen zwar in einander ein, allein das Thier iſt nicht im Stande, kräftig zuzubeißen oder zu kauen. Die Zunge ähnelt bereits der des Ameiſenfreſſers, kann aber nicht ſoweit aus dem Maule hervorge- ſtreckt werden, und iſt auch viel kürzer, als bei dem erwähnten merkwürdigen Thiere. Sie iſt drei- kantig zugeſpitzt und mit kleinen pilz- und fadenförmigen Wurzeln beſetzt. Außerordentlich große Speicheldrüſen im Unterliefer überziehen ſie beſtändig mit einem klebrigen Schleime. Der Magen iſt einfach und der Darm hat die acht-bis elffache Leibeslänge. Die Schlagadern bilden hier und da noch Wundernetze, aber nicht mehr in der Ausdehnung, wie bei den Faulthieren. Gewöhnlich ſind zwei, ſeltener vier Milchdrüſen vorhanden. Hiermit haben wir die hauptſächlichſten Eigenthüm- lichkeiten des Leibesbaues unſeres Thieres erſchöpfend genug behandelt. —
Alle Gürtelthiere ſind Bewohner Amerikas, namentlich des Südens. Sie leben in freien und ſandigen Ebenen, auf Feldern und dergleichen, und kommen blos am Saume der Wälder vor, ohne in dieſelben einzudringen. Nur während der Paarung finden ſich mehrere der gleichen Art zuſammen; während der übrigen Jahreszeit lebt jedes Gürtelthier für ſich, ohne um die übrigen Geſchöpfe ſich viel zu kümmern, — mit Ausnahme derer höchſtens, welche zu ſeiner Nahrung dienen ſollen. Alle Arten ſind entweder vollſtändige, oder faſt vollſtändige Nachtthiere und verbergen ſich bei Tage ſoviel als möglich vor dem Licht der Sonne. Zu dieſem Zwecke graben ſie ſich Gänge; die meiſten nicht eben ſolche von großer Ausdehnung; eine Art und Sippe aber, die merkwürdigſte der ganzen Familie, lebt durchaus unterirdiſch, wie der Maulwurf. Die eigentlichen Gürtelthiere graben ſich ihre Baue am allerliebſten am Fuße großer Ameiſen- und Termitenhaufen, und Dies aus dem ſehr leicht ein- leuchtenden Grunde, weil ihre Nahrung vorzugsweiſe in Kerbthieren und namentlich in Ameiſen be- ſteht. Würmer und andere Kerfe werden nur gelegentlich von ihnen mit aufgenommen, und blos die allergrößte Noth treibt ſie, Wurzeln und Samen, oder eher noch weiche Pflanzentheile, ſowie voll- ſtändig in Fäulniß übergegangenes Aas zu genießen.
Mit Beginn des Abenddunkels erſcheinen die gepanzerten Feiglinge aus ihren tiefen, unterirdi- ſchen Bauen, und ſtrolchen eine Zeit lang umher, langſamen Schrittes von einem Orte zu dem an-
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Die Gürtelthiere.
Der innere Leibesbau zeigt manches Eigenthümliche. Die Rippen ſind von außerordentlicher
Breite und ebenſo ihre Knorpel, welche vollſtändig verknöchern. Bei manchen Arten berühren ſich
die Rippen gegenſeitig. Jhre Zahl ſchwankt zwiſchen zehn bis zwölf. Die Wirbelſäule iſt merk-
würdig, weil oft die Halswirbel, mit Ausnahme des Atlas und Epiſtropheus, mehr oder weniger mit
einander verwachſen. Die Zahl der rückenloſen Wirbel ſchwankt zwiſchen Eins und Sechs; das Kreuz-
bein beſteht aus acht bis zwölf, und der Schwanz aus ſechszehn bis einunddreißig Wirbeln. Außer-
dem iſt die Stärke der Gliedmaßenknochen bemerkenswerth, namentlich die der Handwurzelknochen und
Zehen. Das Gebiß ändert ſo ab, daß man nach ihm mehrere Unterfamilien gebildet hat, denen je-
doch hier ein beſonderer Werth nicht zugeſprochen werden kann. Bei keiner einzigen Familie ſchwankt
die Zahl der Zähne ſo außerordentlich, wie bei den Gürtelthieren. Einige Arten haben ſoviel Zähne,
daß der Name Zahnarme für ſie nur dann nicht unverſtändlich wird, wenn man feſthält, daß der
Zwiſchenkiefer immer zahnlos iſt, oder wenn man die Bedeutungsloſigkeit der Zähne erwägt. Man
hat nämlich bisjetzt noch nicht mit hinreichender Sicherheit feſtſtellen können, wieviel Zähne dieſes
oder jenes Gürtelthier eigentlich beſitze; denn auch innerhalb derſelben Art ſchwankt die Zahl erheblich
und nicht blos zwiſchen jungen und alten Thieren. Jm allgemeinen läßt ſich ſagen, daß die Zahl der
Zähne nie unter acht in jeder Reihe iſt, und bis ſechs und zwanzig in der einen und vier und zwanzig
in der anderen Reihe ſteigen kann, wodurch dann ein Gebiß von ſechs und neunzig bis hundert Zähnen
gebildet wird. Hier iſt allerdings nicht von Armuth zu reden; allein die Werthloſigkeit dieſer Un-
maſſe von Zähnen iſt ſogroß, daß ſie eigentlich aufgehört haben, Zähne zu ſein. Sie haben die Form
ſeitlich zuſammen gedrückter Walzen, beſitzen keine echten Wurzeln, ſind nur von einer dünnen
Schmelzſchicht umgeben und wechſeln auch in der Größe außerordentlich ab. Gewöhnlich nehmen ſie
vom erſten bis gegen den mittelſten hin an Größe zu, und dann wieder nach hinten allmählich ab:
aber auch dies Verhältniß iſt nicht regelmäßig. Zudem ſind die Zähne ungemein ſchwach. Sie greifen
zwar in einander ein, allein das Thier iſt nicht im Stande, kräftig zuzubeißen oder zu kauen. Die
Zunge ähnelt bereits der des Ameiſenfreſſers, kann aber nicht ſoweit aus dem Maule hervorge-
ſtreckt werden, und iſt auch viel kürzer, als bei dem erwähnten merkwürdigen Thiere. Sie iſt drei-
kantig zugeſpitzt und mit kleinen pilz- und fadenförmigen Wurzeln beſetzt. Außerordentlich große
Speicheldrüſen im Unterliefer überziehen ſie beſtändig mit einem klebrigen Schleime. Der Magen iſt
einfach und der Darm hat die acht-bis elffache Leibeslänge. Die Schlagadern bilden hier und da
noch Wundernetze, aber nicht mehr in der Ausdehnung, wie bei den Faulthieren. Gewöhnlich ſind
zwei, ſeltener vier Milchdrüſen vorhanden. Hiermit haben wir die hauptſächlichſten Eigenthüm-
lichkeiten des Leibesbaues unſeres Thieres erſchöpfend genug behandelt. —
Alle Gürtelthiere ſind Bewohner Amerikas, namentlich des Südens. Sie leben in freien und
ſandigen Ebenen, auf Feldern und dergleichen, und kommen blos am Saume der Wälder vor, ohne
in dieſelben einzudringen. Nur während der Paarung finden ſich mehrere der gleichen Art zuſammen;
während der übrigen Jahreszeit lebt jedes Gürtelthier für ſich, ohne um die übrigen Geſchöpfe ſich
viel zu kümmern, — mit Ausnahme derer höchſtens, welche zu ſeiner Nahrung dienen ſollen. Alle
Arten ſind entweder vollſtändige, oder faſt vollſtändige Nachtthiere und verbergen ſich bei Tage ſoviel
als möglich vor dem Licht der Sonne. Zu dieſem Zwecke graben ſie ſich Gänge; die meiſten nicht
eben ſolche von großer Ausdehnung; eine Art und Sippe aber, die merkwürdigſte der ganzen Familie,
lebt durchaus unterirdiſch, wie der Maulwurf. Die eigentlichen Gürtelthiere graben ſich ihre Baue
am allerliebſten am Fuße großer Ameiſen- und Termitenhaufen, und Dies aus dem ſehr leicht ein-
leuchtenden Grunde, weil ihre Nahrung vorzugsweiſe in Kerbthieren und namentlich in Ameiſen be-
ſteht. Würmer und andere Kerfe werden nur gelegentlich von ihnen mit aufgenommen, und blos
die allergrößte Noth treibt ſie, Wurzeln und Samen, oder eher noch weiche Pflanzentheile, ſowie voll-
ſtändig in Fäulniß übergegangenes Aas zu genießen.
Mit Beginn des Abenddunkels erſcheinen die gepanzerten Feiglinge aus ihren tiefen, unterirdi-
ſchen Bauen, und ſtrolchen eine Zeit lang umher, langſamen Schrittes von einem Orte zu dem an-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/305>, abgerufen am 23.11.2024.
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