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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Das Opossum.
Gefahr droht. Bald aber verschließt ihnen die Mutter den Beutel, der sie nicht mehr alle fassen kann,
und trägt sie dagegen während mehrerer Tage, bis sie ihren Unterhalt zu finden selbst im Stande
sind, mit sich auf dem Rücken und den Schenkeln herum, wo sie sich an den Haaren festhalten."

"Während der ersten Tage nach der Geburt sondern die Milchdrüsen blos eine durchsichtige,
etwas klebrige Flüssigkeit ab, die man in den Magen der Jungen findet; später wird diese Flüssigkeit
immer stärker und endlich zu wahrer Milch. Haben die Jungen einmal die Zitzen verlassen, so hören
sie auf, zu säugen, und die Mutter theilt ihre Beute mit ihnen, besonders wenn diese in Vögeln oder
Eiern besteht."

"Noch will ich einer Beobachtung erwähnen, welche
Dr. Parlet bei einem säugenden Weibchen gemacht haben
wollte. Weder er, noch ich, hatte je erfahren können, wie
die Säuglinge sich ihres Kothes und Harnes entledigen.
Nachdem, während meiner Abwesenheit, ein Weibchen, wel-
ches daselbst geworfen hatte, fünf Wochen lang von demsel-
ben beobachtet worden, berichtete er mir bei meiner Rückkehr,
daß die Jungen während der ersten Tage nach der Geburt
keinen Koth von sich geben und daß Dies erst geschieht, wenn
dieselben wenigstens 24 Tage alt sind, und daß dann die
Mutter von Zeit zu Zeit zu diesem Zwecke den Beutel öffnet."

"Alle Beutelratten, welche ich in Paraguay angetroffen
habe, lassen sich einigermaßen zähmen, d. h. sie gewöhnen
sich an den Menschen, daß man sie berühren und herumtragen
kann, ohne von ihnen gebissen zu werden, nie aber lernen
sie ihren Wärter kennen und zeigen überhaupt nicht den ge-
ringsten Verstand. Jn Paraguay fällt es nicht leicht Je-
mandem ein, eine Beutelratte zu zähmen. Jhr Aussehen
ist zu häßlich und der Geruch, den sie von sich geben, zu
abschreckend. Auch werden sie mit als die gefährlichsten
Feinde des zahmen Geflügels angesehen, selbst wenn sie sich
in der Gefangenschaft befinden. Des Schadens wegen, den
sie anrichten, werden sie überall von den Menschen verfolgt.
Man fängt sie entweder in Fallen oder lauert ihnen des
Nachts auf und tritt, sowie sie sich dem Hühnerhof nähern,
ihnen plötzlich mit einem Lichte entgegen. Dadurch geblen-
det, wissen sie nicht zu entfliehen und werden leicht todtge-
schlagen." --

Unter diesen Thieren ist wohl das Opossum (Didel-
phys virginiana
) das bekannteste. Das merkwürdige Thier
hat, weil es eine der gemeinsten Arten ist, wegen seiner [Abbildung] Das Opossum (Didelphys virginiana).
rattenähnlichen Gestalt seiner ganzen Sippschaft den Namen Beutelratten verliehen. Es ist von der
Größe einer Hauskatze und die größte Art der ganzen Sippe. Weder die Färbung, noch irgend
welche Anmuth oder Annehmlichkeit in seinen Sitten zeichnen es aus, und so gilt es mit Recht als
ein höchst widriges Geschöpf. Die Leibeslänge des Opossums beträgt über 11/2 Fuß, die des Schwan-
zes fast einen Fuß, die Höhe am Widerrist acht Zoll. Der Leib ist nur wenig gestreckt und ziemlich
schwerfällig, der Hals kurz und dick, der Kopf lang, an der Stirn abgeflacht und allmählich in eine
lange, zugespitzte Schnauze übergehend. Die Beine sind kurz, die Zehen von einander getrennt und
fast von gleicher Länge, die Hinterfüße mit einem den übrigen Zehen entgegensetzbaren Daumen ver-

Brehm, Thierleben. II. 2

Das Opoſſum.
Gefahr droht. Bald aber verſchließt ihnen die Mutter den Beutel, der ſie nicht mehr alle faſſen kann,
und trägt ſie dagegen während mehrerer Tage, bis ſie ihren Unterhalt zu finden ſelbſt im Stande
ſind, mit ſich auf dem Rücken und den Schenkeln herum, wo ſie ſich an den Haaren feſthalten.‟

„Während der erſten Tage nach der Geburt ſondern die Milchdrüſen blos eine durchſichtige,
etwas klebrige Flüſſigkeit ab, die man in den Magen der Jungen findet; ſpäter wird dieſe Flüſſigkeit
immer ſtärker und endlich zu wahrer Milch. Haben die Jungen einmal die Zitzen verlaſſen, ſo hören
ſie auf, zu ſäugen, und die Mutter theilt ihre Beute mit ihnen, beſonders wenn dieſe in Vögeln oder
Eiern beſteht.‟

„Noch will ich einer Beobachtung erwähnen, welche
Dr. Parlet bei einem ſäugenden Weibchen gemacht haben
wollte. Weder er, noch ich, hatte je erfahren können, wie
die Säuglinge ſich ihres Kothes und Harnes entledigen.
Nachdem, während meiner Abweſenheit, ein Weibchen, wel-
ches daſelbſt geworfen hatte, fünf Wochen lang von demſel-
ben beobachtet worden, berichtete er mir bei meiner Rückkehr,
daß die Jungen während der erſten Tage nach der Geburt
keinen Koth von ſich geben und daß Dies erſt geſchieht, wenn
dieſelben wenigſtens 24 Tage alt ſind, und daß dann die
Mutter von Zeit zu Zeit zu dieſem Zwecke den Beutel öffnet.‟

„Alle Beutelratten, welche ich in Paraguay angetroffen
habe, laſſen ſich einigermaßen zähmen, d. h. ſie gewöhnen
ſich an den Menſchen, daß man ſie berühren und herumtragen
kann, ohne von ihnen gebiſſen zu werden, nie aber lernen
ſie ihren Wärter kennen und zeigen überhaupt nicht den ge-
ringſten Verſtand. Jn Paraguay fällt es nicht leicht Je-
mandem ein, eine Beutelratte zu zähmen. Jhr Ausſehen
iſt zu häßlich und der Geruch, den ſie von ſich geben, zu
abſchreckend. Auch werden ſie mit als die gefährlichſten
Feinde des zahmen Geflügels angeſehen, ſelbſt wenn ſie ſich
in der Gefangenſchaft befinden. Des Schadens wegen, den
ſie anrichten, werden ſie überall von den Menſchen verfolgt.
Man fängt ſie entweder in Fallen oder lauert ihnen des
Nachts auf und tritt, ſowie ſie ſich dem Hühnerhof nähern,
ihnen plötzlich mit einem Lichte entgegen. Dadurch geblen-
det, wiſſen ſie nicht zu entfliehen und werden leicht todtge-
ſchlagen.‟ —

Unter dieſen Thieren iſt wohl das Opoſſum (Didel-
phys virginiana
) das bekannteſte. Das merkwürdige Thier
hat, weil es eine der gemeinſten Arten iſt, wegen ſeiner [Abbildung] Das Opoſſum (Didelphys virginiana).
rattenähnlichen Geſtalt ſeiner ganzen Sippſchaft den Namen Beutelratten verliehen. Es iſt von der
Größe einer Hauskatze und die größte Art der ganzen Sippe. Weder die Färbung, noch irgend
welche Anmuth oder Annehmlichkeit in ſeinen Sitten zeichnen es aus, und ſo gilt es mit Recht als
ein höchſt widriges Geſchöpf. Die Leibeslänge des Opoſſums beträgt über 1½ Fuß, die des Schwan-
zes faſt einen Fuß, die Höhe am Widerriſt acht Zoll. Der Leib iſt nur wenig geſtreckt und ziemlich
ſchwerfällig, der Hals kurz und dick, der Kopf lang, an der Stirn abgeflacht und allmählich in eine
lange, zugeſpitzte Schnauze übergehend. Die Beine ſind kurz, die Zehen von einander getrennt und
faſt von gleicher Länge, die Hinterfüße mit einem den übrigen Zehen entgegenſetzbaren Daumen ver-

Brehm, Thierleben. II. 2
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[17/0029] Das Opoſſum. Gefahr droht. Bald aber verſchließt ihnen die Mutter den Beutel, der ſie nicht mehr alle faſſen kann, und trägt ſie dagegen während mehrerer Tage, bis ſie ihren Unterhalt zu finden ſelbſt im Stande ſind, mit ſich auf dem Rücken und den Schenkeln herum, wo ſie ſich an den Haaren feſthalten.‟ „Während der erſten Tage nach der Geburt ſondern die Milchdrüſen blos eine durchſichtige, etwas klebrige Flüſſigkeit ab, die man in den Magen der Jungen findet; ſpäter wird dieſe Flüſſigkeit immer ſtärker und endlich zu wahrer Milch. Haben die Jungen einmal die Zitzen verlaſſen, ſo hören ſie auf, zu ſäugen, und die Mutter theilt ihre Beute mit ihnen, beſonders wenn dieſe in Vögeln oder Eiern beſteht.‟ „Noch will ich einer Beobachtung erwähnen, welche Dr. Parlet bei einem ſäugenden Weibchen gemacht haben wollte. Weder er, noch ich, hatte je erfahren können, wie die Säuglinge ſich ihres Kothes und Harnes entledigen. Nachdem, während meiner Abweſenheit, ein Weibchen, wel- ches daſelbſt geworfen hatte, fünf Wochen lang von demſel- ben beobachtet worden, berichtete er mir bei meiner Rückkehr, daß die Jungen während der erſten Tage nach der Geburt keinen Koth von ſich geben und daß Dies erſt geſchieht, wenn dieſelben wenigſtens 24 Tage alt ſind, und daß dann die Mutter von Zeit zu Zeit zu dieſem Zwecke den Beutel öffnet.‟ „Alle Beutelratten, welche ich in Paraguay angetroffen habe, laſſen ſich einigermaßen zähmen, d. h. ſie gewöhnen ſich an den Menſchen, daß man ſie berühren und herumtragen kann, ohne von ihnen gebiſſen zu werden, nie aber lernen ſie ihren Wärter kennen und zeigen überhaupt nicht den ge- ringſten Verſtand. Jn Paraguay fällt es nicht leicht Je- mandem ein, eine Beutelratte zu zähmen. Jhr Ausſehen iſt zu häßlich und der Geruch, den ſie von ſich geben, zu abſchreckend. Auch werden ſie mit als die gefährlichſten Feinde des zahmen Geflügels angeſehen, ſelbſt wenn ſie ſich in der Gefangenſchaft befinden. Des Schadens wegen, den ſie anrichten, werden ſie überall von den Menſchen verfolgt. Man fängt ſie entweder in Fallen oder lauert ihnen des Nachts auf und tritt, ſowie ſie ſich dem Hühnerhof nähern, ihnen plötzlich mit einem Lichte entgegen. Dadurch geblen- det, wiſſen ſie nicht zu entfliehen und werden leicht todtge- ſchlagen.‟ — Unter dieſen Thieren iſt wohl das Opoſſum (Didel- phys virginiana) das bekannteſte. Das merkwürdige Thier hat, weil es eine der gemeinſten Arten iſt, wegen ſeiner [Abbildung Das Opoſſum (Didelphys virginiana).] rattenähnlichen Geſtalt ſeiner ganzen Sippſchaft den Namen Beutelratten verliehen. Es iſt von der Größe einer Hauskatze und die größte Art der ganzen Sippe. Weder die Färbung, noch irgend welche Anmuth oder Annehmlichkeit in ſeinen Sitten zeichnen es aus, und ſo gilt es mit Recht als ein höchſt widriges Geſchöpf. Die Leibeslänge des Opoſſums beträgt über 1½ Fuß, die des Schwan- zes faſt einen Fuß, die Höhe am Widerriſt acht Zoll. Der Leib iſt nur wenig geſtreckt und ziemlich ſchwerfällig, der Hals kurz und dick, der Kopf lang, an der Stirn abgeflacht und allmählich in eine lange, zugeſpitzte Schnauze übergehend. Die Beine ſind kurz, die Zehen von einander getrennt und faſt von gleicher Länge, die Hinterfüße mit einem den übrigen Zehen entgegenſetzbaren Daumen ver- Brehm, Thierleben. II. 2

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/29>, abgerufen am 23.11.2024.