es unter dem Namen Cuniculus,Aristoteles nennt es Dasypus. Alle alten Schriftsteller bezeich- nen Spanien als das eigentliche Vaterland unseres Kaninchens. Strabo gibt an, daß es von den Balearen aus nach Jtalien gekommen sei, Plinius versichert, daß es zuweilen in Spanien sich ins Zahllose vermehrte und auf den Balearen Hungersnoth durch Verwüstung der Ernte hervorbrächte. Die Jnselbewohner erbaten sich vom Kaiser Augustus Soldaten zur Hilfe gegen diese Thiere, und Kaninchenfänger waren dort sehr gesuchte Leute. Nach der Ansicht mancher Alterthumsforscher hat das Land Spanien geradezu seinen Namen von den Kaninchen erhalten, da das phönizische Wort "Span" soviel als Kaninchen bedeute.
Gegenwärtig ist das wilde Kaninchen, Karnikel, Kunelle, Murkchen und wie es sonst noch heißt, über ganz Süd- und Mitteleuropa verbreitet und an manchen Orten überaus gemein. Das Land des Mittelmeeres beherbergt es immer noch am zahlreichsten, obgleich man dort keine Schonung kennt und es verfolgt zu jeder Jahreszeit. Jn England wurde es der Jagdlust zu Liebe in verschie- dene Gegenden verpflanzt und anfangs sehr hoch gehalten; noch im Jahre 1309 kostete ein wildes
[Abbildung]
Das Kaninchen (Lepus Caniculus).
Kaninchen ebensoviel, wie ein Ferkel. Jn nördlichen Ländern kommt das Thier nicht fort: man hat vergeblich versucht, es in Rußland und Schweden einzubürgern.
Das Kaninchen verlangt hügelige und sandige Gegenden mit viel Schluchten, Felsklüften und niederes Gebüsch, kurz Orte, wo es sich möglichst verstecken und verbergen kann. Hier legt es sich an geeigneten, am liebsten an sonnigen Stellen ziemlich einfache Baue an, gern in Gesellschaft, oft ansiedelungsweise. Jeder Bau besteht aus einer ziemlich tiefliegenden Kammer und in Winkel gebo- genen Röhren, von denen eine jede wiederum mehrere Ausgänge hat. Diese sind durch das häufige Aus- und Einschlüpfen gewöhnlich ziemlich erweitert. Die eigentliche Röhre aber ist so eng, daß ihr Bewohner gerade durchkriechen kann. Jedes Paar hat seine eigene Wohnung und duldet innerhalb derselben kein anderes Thier; wohl aber verschlingen sich oft die Röhren von mehreren Bauen. Jn seinen Höhlen lebt das Kaninchen fast den ganzen Tag verborgen, falls das Buschwerk um den Bau herum nicht so dicht ist, daß es fast ungesehen seiner Nahrung nachgehen kann. Sobald der Abend anbricht, rückt es auf Aeßung, aber mit großer Vorsicht, indem es lange sichert, ehe es den Bau verläßt. Bemerkt es Gefahr, so warnt es seine Gefährten durch starkes Aufschlagen mit den Hinter- läufen, und alle eilen so schnell als möglich in ihre Baue zurück.
Die Haſen. — Das Kaninchen.
es unter dem Namen Cuniculus,Ariſtoteles nennt es Dasypus. Alle alten Schriftſteller bezeich- nen Spanien als das eigentliche Vaterland unſeres Kaninchens. Strabo gibt an, daß es von den Balearen aus nach Jtalien gekommen ſei, Plinius verſichert, daß es zuweilen in Spanien ſich ins Zahlloſe vermehrte und auf den Balearen Hungersnoth durch Verwüſtung der Ernte hervorbrächte. Die Jnſelbewohner erbaten ſich vom Kaiſer Auguſtus Soldaten zur Hilfe gegen dieſe Thiere, und Kaninchenfänger waren dort ſehr geſuchte Leute. Nach der Anſicht mancher Alterthumsforſcher hat das Land Spanien geradezu ſeinen Namen von den Kaninchen erhalten, da das phöniziſche Wort „Span‟ ſoviel als Kaninchen bedeute.
Gegenwärtig iſt das wilde Kaninchen, Karnikel, Kunelle, Murkchen und wie es ſonſt noch heißt, über ganz Süd- und Mitteleuropa verbreitet und an manchen Orten überaus gemein. Das Land des Mittelmeeres beherbergt es immer noch am zahlreichſten, obgleich man dort keine Schonung kennt und es verfolgt zu jeder Jahreszeit. Jn England wurde es der Jagdluſt zu Liebe in verſchie- dene Gegenden verpflanzt und anfangs ſehr hoch gehalten; noch im Jahre 1309 koſtete ein wildes
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Das Kaninchen (Lepus Caniculus).
Kaninchen ebenſoviel, wie ein Ferkel. Jn nördlichen Ländern kommt das Thier nicht fort: man hat vergeblich verſucht, es in Rußland und Schweden einzubürgern.
Das Kaninchen verlangt hügelige und ſandige Gegenden mit viel Schluchten, Felsklüften und niederes Gebüſch, kurz Orte, wo es ſich möglichſt verſtecken und verbergen kann. Hier legt es ſich an geeigneten, am liebſten an ſonnigen Stellen ziemlich einfache Baue an, gern in Geſellſchaft, oft anſiedelungsweiſe. Jeder Bau beſteht aus einer ziemlich tiefliegenden Kammer und in Winkel gebo- genen Röhren, von denen eine jede wiederum mehrere Ausgänge hat. Dieſe ſind durch das häufige Aus- und Einſchlüpfen gewöhnlich ziemlich erweitert. Die eigentliche Röhre aber iſt ſo eng, daß ihr Bewohner gerade durchkriechen kann. Jedes Paar hat ſeine eigene Wohnung und duldet innerhalb derſelben kein anderes Thier; wohl aber verſchlingen ſich oft die Röhren von mehreren Bauen. Jn ſeinen Höhlen lebt das Kaninchen faſt den ganzen Tag verborgen, falls das Buſchwerk um den Bau herum nicht ſo dicht iſt, daß es faſt ungeſehen ſeiner Nahrung nachgehen kann. Sobald der Abend anbricht, rückt es auf Aeßung, aber mit großer Vorſicht, indem es lange ſichert, ehe es den Bau verläßt. Bemerkt es Gefahr, ſo warnt es ſeine Gefährten durch ſtarkes Aufſchlagen mit den Hinter- läufen, und alle eilen ſo ſchnell als möglich in ihre Baue zurück.
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Die Haſen. — Das Kaninchen.
es unter dem Namen Cuniculus, Ariſtoteles nennt es Dasypus. Alle alten Schriftſteller bezeich-
nen Spanien als das eigentliche Vaterland unſeres Kaninchens. Strabo gibt an, daß es von den
Balearen aus nach Jtalien gekommen ſei, Plinius verſichert, daß es zuweilen in Spanien ſich ins
Zahlloſe vermehrte und auf den Balearen Hungersnoth durch Verwüſtung der Ernte hervorbrächte.
Die Jnſelbewohner erbaten ſich vom Kaiſer Auguſtus Soldaten zur Hilfe gegen dieſe Thiere, und
Kaninchenfänger waren dort ſehr geſuchte Leute. Nach der Anſicht mancher Alterthumsforſcher hat
das Land Spanien geradezu ſeinen Namen von den Kaninchen erhalten, da das phöniziſche Wort
„Span‟ ſoviel als Kaninchen bedeute.
Gegenwärtig iſt das wilde Kaninchen, Karnikel, Kunelle, Murkchen und wie es ſonſt noch
heißt, über ganz Süd- und Mitteleuropa verbreitet und an manchen Orten überaus gemein. Das
Land des Mittelmeeres beherbergt es immer noch am zahlreichſten, obgleich man dort keine Schonung
kennt und es verfolgt zu jeder Jahreszeit. Jn England wurde es der Jagdluſt zu Liebe in verſchie-
dene Gegenden verpflanzt und anfangs ſehr hoch gehalten; noch im Jahre 1309 koſtete ein wildes
[Abbildung Das Kaninchen (Lepus Caniculus).]
Kaninchen ebenſoviel, wie ein Ferkel. Jn nördlichen Ländern kommt das Thier nicht fort: man hat
vergeblich verſucht, es in Rußland und Schweden einzubürgern.
Das Kaninchen verlangt hügelige und ſandige Gegenden mit viel Schluchten, Felsklüften und
niederes Gebüſch, kurz Orte, wo es ſich möglichſt verſtecken und verbergen kann. Hier legt es ſich
an geeigneten, am liebſten an ſonnigen Stellen ziemlich einfache Baue an, gern in Geſellſchaft, oft
anſiedelungsweiſe. Jeder Bau beſteht aus einer ziemlich tiefliegenden Kammer und in Winkel gebo-
genen Röhren, von denen eine jede wiederum mehrere Ausgänge hat. Dieſe ſind durch das häufige
Aus- und Einſchlüpfen gewöhnlich ziemlich erweitert. Die eigentliche Röhre aber iſt ſo eng, daß
ihr Bewohner gerade durchkriechen kann. Jedes Paar hat ſeine eigene Wohnung und duldet innerhalb
derſelben kein anderes Thier; wohl aber verſchlingen ſich oft die Röhren von mehreren Bauen. Jn
ſeinen Höhlen lebt das Kaninchen faſt den ganzen Tag verborgen, falls das Buſchwerk um den Bau
herum nicht ſo dicht iſt, daß es faſt ungeſehen ſeiner Nahrung nachgehen kann. Sobald der Abend
anbricht, rückt es auf Aeßung, aber mit großer Vorſicht, indem es lange ſichert, ehe es den Bau
verläßt. Bemerkt es Gefahr, ſo warnt es ſeine Gefährten durch ſtarkes Aufſchlagen mit den Hinter-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/282>, abgerufen am 23.11.2024.
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