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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Hasen. -- Der Schnee- oder Alpenhase.
jetzt bekleidet sich der Hase mit seinem Winterfell."" Wir glauben aber vielmehr, daß der Farben-
wechsel nur Folge des bereits eingetretenen Wetters ist, und das gute Thier kommt mit seiner angeb-
lichen Prophezeikunst selbst oft schlimm weg, wenn seine Winterbehaarung sich bereits gelichtet hat und
abermals Frost und Schnee eintritt."

"Die Verbreitung unseres Hasen umfaßt außer dem hohen Norden die ganze Alpenkette der
Schweiz, von Tyrol, Steyermark und Savoyen. Er ist in allen Alpenkantonen sicher in der Höhe
zu treffen, und in der Regel wenigstens so zahlreich, als der braune in den unteren Regionen. Am
liebsten hält er sich zwischen der Tannengrenze und dem ewigen Schnee auf, ungefähr in gleicher Höhe
mit dem Schneehuhn und dem Murmelthier, zwischen 5500 und 8000 Fuß über dem Meere; doch
streift er oft viel höher. Lehmann sah einen Hasen dicht unter dem obersten Gipfel des Wetterhorns
bei 11,000 Fuß über dem Meere. Der hohe Winter treibt ihn etwas tiefer den Alpenwäldern zu,
die ihm einigen Schutz und freie Stellen zur Aeßung bieten, doch geht er nicht gern unter 3000 Fuß
über Meer und zieht sich sobald als möglich wieder nach seinen lieben Höhen zurück."

"Jm Sommer lebt unser Thierchen ungefähr so: Sein Standlager ist zwischen Steinen, in einer
Grotte oder unter den Leg- und Zwergföhren. Hier liegt der Rammler gewöhnlich mit aufgerichtetem
Kopfe und stehenden Ohren im Lager. Die Häsin dagegen pflegt den Kopf auf die Vorderläufe zu
legen und die Ohren zurückzuschlagen. Frühmorgens oder noch öfters schon in der Nacht verlassen
beide das Nest und weiden auf den sonnigen Grasstreifen, wobei die Löffel gewöhnlich in Bewe-
gung sind, und die Nase herumschnuppert, ob nicht einer ihrer vielen Feinde in der Nähe sei, ein
Fuchs oder Baummarder, der freilich nur selten bis in diese Höhe streift, ein Geier, Adler,
Falke, Rabe, -- vielleicht auch ein Wiesel, das dem jungen Hasen wohl Meister wird. Seine
liebste Nahrung besteht in den vielen Kleearten, den bethauten Muttern, Schafgarben und Violen,
in den Zwergweiden und in der Rinde des Seidelbastes, während er den Eisenhut und die Gera-
nienstauden, die auch ihm giftig zu sein scheinen, selbst in den nahrungslosesten Wintern unberührt
läßt. Jst er gesättigt, so legt er sich der Länge nach ins warme Gras oder auf einen sonnigen Stein,
auf dem er nicht leicht bemerkt wird, da seine Farbe mit der des Bodens übereinstimmt. Wasser
nimmt er nur selten zu sich. Auf den Abend folgt eine weitere Aeßung, wohl auch ein hüpfender
Spaziergang an den Felsen hin und durch die Weiden, wobei er sich oft hoch auf die Hinterbeine
stellt. Dann kehrt er zu seinem Neste zurück. Des Nachts ist er der Verfolgung des Fuchses, der
Jltisse und Marder ausgesetzt; der Uhu, der ihn leicht bezwingen würde, geht nie bis in diese Höhe.
Mancher aber fällt den großen Raubvögeln der Alpen zu. Unlängst haschte ein auf einer Tanne
lauernder Steinadler in den appenzeller Bergen einen fliehenden Alpenhasen vor den Augen der
Jäger weg und entführte ihn durch die Luft."

"Jm Winter geht's oft nothdürftig her. Ueberrascht ihn früher Schnee, ehe er sein dichteres
Winterkleid angezogen, so geht er oft mehrere Tage lang nicht unter seinem Stein oder Busch hervor
und hungert und friert. Ebenso bleibt er im Felde liegen, wenn ihn ein starker Schneefall über-
rascht. Er läßt sich, wie die Birk- und Schneehübner, ganz einschneien, oft zwei Fuß tief,
und kommt erst hervor, wenn ein Frost den Schnee so hart gemacht hat, daß er ihn trägt. Bis da-
hin scharrt er sich unter demselben einen freien Platz und nagt an den Blättern und Wurzeln der
Alpenflanzen. Jst der Winter völlig eingetreten, so sucht er sich in den dünnnen Alpenwäldern
Gras und Rinde. Gar oft gehen die Alpenhasen auch in diesen Jahreszeiten zu den oberen Heu-
ställen. Gelingt es ihnen, durch Hüpfen und Springen zum Heu zu gelangen, so setzen sie sich darin
fest, oft in Gesellschaft, fressen einen guten Theil weg und bedecken den Vorrath mit ihrer Losung.
Allein um diese Zeit wird gewöhnlich das Heu ins Thal geschlittet. Dann weiden die Hasen fleißig
der Schlittenbahn nach die abgefallenen Halme auf oder suchen nachts die Mittagslager der Holz-
schlitter auf, um den Futterrest zu holen, den die Pferde zurückgelassen haben. Während der Zeit
des Heuabholens verstecken sie sich gern in die offenen Hütten oder Ställe und sind dabei so vorsichtig,
daß ein Hase auf der vorderen, der andere auf der hinteren Seite sein Lager aufschlägt. Nahen

Die Haſen. — Der Schnee- oder Alpenhaſe.
jetzt bekleidet ſich der Haſe mit ſeinem Winterfell.‟‟ Wir glauben aber vielmehr, daß der Farben-
wechſel nur Folge des bereits eingetretenen Wetters iſt, und das gute Thier kommt mit ſeiner angeb-
lichen Prophezeikunſt ſelbſt oft ſchlimm weg, wenn ſeine Winterbehaarung ſich bereits gelichtet hat und
abermals Froſt und Schnee eintritt.‟

„Die Verbreitung unſeres Haſen umfaßt außer dem hohen Norden die ganze Alpenkette der
Schweiz, von Tyrol, Steyermark und Savoyen. Er iſt in allen Alpenkantonen ſicher in der Höhe
zu treffen, und in der Regel wenigſtens ſo zahlreich, als der braune in den unteren Regionen. Am
liebſten hält er ſich zwiſchen der Tannengrenze und dem ewigen Schnee auf, ungefähr in gleicher Höhe
mit dem Schneehuhn und dem Murmelthier, zwiſchen 5500 und 8000 Fuß über dem Meere; doch
ſtreift er oft viel höher. Lehmann ſah einen Haſen dicht unter dem oberſten Gipfel des Wetterhorns
bei 11,000 Fuß über dem Meere. Der hohe Winter treibt ihn etwas tiefer den Alpenwäldern zu,
die ihm einigen Schutz und freie Stellen zur Aeßung bieten, doch geht er nicht gern unter 3000 Fuß
über Meer und zieht ſich ſobald als möglich wieder nach ſeinen lieben Höhen zurück.‟

„Jm Sommer lebt unſer Thierchen ungefähr ſo: Sein Standlager iſt zwiſchen Steinen, in einer
Grotte oder unter den Leg- und Zwergföhren. Hier liegt der Rammler gewöhnlich mit aufgerichtetem
Kopfe und ſtehenden Ohren im Lager. Die Häſin dagegen pflegt den Kopf auf die Vorderläufe zu
legen und die Ohren zurückzuſchlagen. Frühmorgens oder noch öfters ſchon in der Nacht verlaſſen
beide das Neſt und weiden auf den ſonnigen Grasſtreifen, wobei die Löffel gewöhnlich in Bewe-
gung ſind, und die Naſe herumſchnuppert, ob nicht einer ihrer vielen Feinde in der Nähe ſei, ein
Fuchs oder Baummarder, der freilich nur ſelten bis in dieſe Höhe ſtreift, ein Geier, Adler,
Falke, Rabe, — vielleicht auch ein Wieſel, das dem jungen Haſen wohl Meiſter wird. Seine
liebſte Nahrung beſteht in den vielen Kleearten, den bethauten Muttern, Schafgarben und Violen,
in den Zwergweiden und in der Rinde des Seidelbaſtes, während er den Eiſenhut und die Gera-
nienſtauden, die auch ihm giftig zu ſein ſcheinen, ſelbſt in den nahrungsloſeſten Wintern unberührt
läßt. Jſt er geſättigt, ſo legt er ſich der Länge nach ins warme Gras oder auf einen ſonnigen Stein,
auf dem er nicht leicht bemerkt wird, da ſeine Farbe mit der des Bodens übereinſtimmt. Waſſer
nimmt er nur ſelten zu ſich. Auf den Abend folgt eine weitere Aeßung, wohl auch ein hüpfender
Spaziergang an den Felſen hin und durch die Weiden, wobei er ſich oft hoch auf die Hinterbeine
ſtellt. Dann kehrt er zu ſeinem Neſte zurück. Des Nachts iſt er der Verfolgung des Fuchſes, der
Jltiſſe und Marder ausgeſetzt; der Uhu, der ihn leicht bezwingen würde, geht nie bis in dieſe Höhe.
Mancher aber fällt den großen Raubvögeln der Alpen zu. Unlängſt haſchte ein auf einer Tanne
lauernder Steinadler in den appenzeller Bergen einen fliehenden Alpenhaſen vor den Augen der
Jäger weg und entführte ihn durch die Luft.‟

„Jm Winter geht’s oft nothdürftig her. Ueberraſcht ihn früher Schnee, ehe er ſein dichteres
Winterkleid angezogen, ſo geht er oft mehrere Tage lang nicht unter ſeinem Stein oder Buſch hervor
und hungert und friert. Ebenſo bleibt er im Felde liegen, wenn ihn ein ſtarker Schneefall über-
raſcht. Er läßt ſich, wie die Birk- und Schneehübner, ganz einſchneien, oft zwei Fuß tief,
und kommt erſt hervor, wenn ein Froſt den Schnee ſo hart gemacht hat, daß er ihn trägt. Bis da-
hin ſcharrt er ſich unter demſelben einen freien Platz und nagt an den Blättern und Wurzeln der
Alpenflanzen. Jſt der Winter völlig eingetreten, ſo ſucht er ſich in den dünnnen Alpenwäldern
Gras und Rinde. Gar oft gehen die Alpenhaſen auch in dieſen Jahreszeiten zu den oberen Heu-
ſtällen. Gelingt es ihnen, durch Hüpfen und Springen zum Heu zu gelangen, ſo ſetzen ſie ſich darin
feſt, oft in Geſellſchaft, freſſen einen guten Theil weg und bedecken den Vorrath mit ihrer Loſung.
Allein um dieſe Zeit wird gewöhnlich das Heu ins Thal geſchlittet. Dann weiden die Haſen fleißig
der Schlittenbahn nach die abgefallenen Halme auf oder ſuchen nachts die Mittagslager der Holz-
ſchlitter auf, um den Futterreſt zu holen, den die Pferde zurückgelaſſen haben. Während der Zeit
des Heuabholens verſtecken ſie ſich gern in die offenen Hütten oder Ställe und ſind dabei ſo vorſichtig,
daß ein Haſe auf der vorderen, der andere auf der hinteren Seite ſein Lager aufſchlägt. Nahen

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[260/0278] Die Haſen. — Der Schnee- oder Alpenhaſe. jetzt bekleidet ſich der Haſe mit ſeinem Winterfell.‟‟ Wir glauben aber vielmehr, daß der Farben- wechſel nur Folge des bereits eingetretenen Wetters iſt, und das gute Thier kommt mit ſeiner angeb- lichen Prophezeikunſt ſelbſt oft ſchlimm weg, wenn ſeine Winterbehaarung ſich bereits gelichtet hat und abermals Froſt und Schnee eintritt.‟ „Die Verbreitung unſeres Haſen umfaßt außer dem hohen Norden die ganze Alpenkette der Schweiz, von Tyrol, Steyermark und Savoyen. Er iſt in allen Alpenkantonen ſicher in der Höhe zu treffen, und in der Regel wenigſtens ſo zahlreich, als der braune in den unteren Regionen. Am liebſten hält er ſich zwiſchen der Tannengrenze und dem ewigen Schnee auf, ungefähr in gleicher Höhe mit dem Schneehuhn und dem Murmelthier, zwiſchen 5500 und 8000 Fuß über dem Meere; doch ſtreift er oft viel höher. Lehmann ſah einen Haſen dicht unter dem oberſten Gipfel des Wetterhorns bei 11,000 Fuß über dem Meere. Der hohe Winter treibt ihn etwas tiefer den Alpenwäldern zu, die ihm einigen Schutz und freie Stellen zur Aeßung bieten, doch geht er nicht gern unter 3000 Fuß über Meer und zieht ſich ſobald als möglich wieder nach ſeinen lieben Höhen zurück.‟ „Jm Sommer lebt unſer Thierchen ungefähr ſo: Sein Standlager iſt zwiſchen Steinen, in einer Grotte oder unter den Leg- und Zwergföhren. Hier liegt der Rammler gewöhnlich mit aufgerichtetem Kopfe und ſtehenden Ohren im Lager. Die Häſin dagegen pflegt den Kopf auf die Vorderläufe zu legen und die Ohren zurückzuſchlagen. Frühmorgens oder noch öfters ſchon in der Nacht verlaſſen beide das Neſt und weiden auf den ſonnigen Grasſtreifen, wobei die Löffel gewöhnlich in Bewe- gung ſind, und die Naſe herumſchnuppert, ob nicht einer ihrer vielen Feinde in der Nähe ſei, ein Fuchs oder Baummarder, der freilich nur ſelten bis in dieſe Höhe ſtreift, ein Geier, Adler, Falke, Rabe, — vielleicht auch ein Wieſel, das dem jungen Haſen wohl Meiſter wird. Seine liebſte Nahrung beſteht in den vielen Kleearten, den bethauten Muttern, Schafgarben und Violen, in den Zwergweiden und in der Rinde des Seidelbaſtes, während er den Eiſenhut und die Gera- nienſtauden, die auch ihm giftig zu ſein ſcheinen, ſelbſt in den nahrungsloſeſten Wintern unberührt läßt. Jſt er geſättigt, ſo legt er ſich der Länge nach ins warme Gras oder auf einen ſonnigen Stein, auf dem er nicht leicht bemerkt wird, da ſeine Farbe mit der des Bodens übereinſtimmt. Waſſer nimmt er nur ſelten zu ſich. Auf den Abend folgt eine weitere Aeßung, wohl auch ein hüpfender Spaziergang an den Felſen hin und durch die Weiden, wobei er ſich oft hoch auf die Hinterbeine ſtellt. Dann kehrt er zu ſeinem Neſte zurück. Des Nachts iſt er der Verfolgung des Fuchſes, der Jltiſſe und Marder ausgeſetzt; der Uhu, der ihn leicht bezwingen würde, geht nie bis in dieſe Höhe. Mancher aber fällt den großen Raubvögeln der Alpen zu. Unlängſt haſchte ein auf einer Tanne lauernder Steinadler in den appenzeller Bergen einen fliehenden Alpenhaſen vor den Augen der Jäger weg und entführte ihn durch die Luft.‟ „Jm Winter geht’s oft nothdürftig her. Ueberraſcht ihn früher Schnee, ehe er ſein dichteres Winterkleid angezogen, ſo geht er oft mehrere Tage lang nicht unter ſeinem Stein oder Buſch hervor und hungert und friert. Ebenſo bleibt er im Felde liegen, wenn ihn ein ſtarker Schneefall über- raſcht. Er läßt ſich, wie die Birk- und Schneehübner, ganz einſchneien, oft zwei Fuß tief, und kommt erſt hervor, wenn ein Froſt den Schnee ſo hart gemacht hat, daß er ihn trägt. Bis da- hin ſcharrt er ſich unter demſelben einen freien Platz und nagt an den Blättern und Wurzeln der Alpenflanzen. Jſt der Winter völlig eingetreten, ſo ſucht er ſich in den dünnnen Alpenwäldern Gras und Rinde. Gar oft gehen die Alpenhaſen auch in dieſen Jahreszeiten zu den oberen Heu- ſtällen. Gelingt es ihnen, durch Hüpfen und Springen zum Heu zu gelangen, ſo ſetzen ſie ſich darin feſt, oft in Geſellſchaft, freſſen einen guten Theil weg und bedecken den Vorrath mit ihrer Loſung. Allein um dieſe Zeit wird gewöhnlich das Heu ins Thal geſchlittet. Dann weiden die Haſen fleißig der Schlittenbahn nach die abgefallenen Halme auf oder ſuchen nachts die Mittagslager der Holz- ſchlitter auf, um den Futterreſt zu holen, den die Pferde zurückgelaſſen haben. Während der Zeit des Heuabholens verſtecken ſie ſich gern in die offenen Hütten oder Ställe und ſind dabei ſo vorſichtig, daß ein Haſe auf der vorderen, der andere auf der hinteren Seite ſein Lager aufſchlägt. Nahen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/278>, abgerufen am 23.11.2024.