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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Unser Hase.
den Nachstellungen dieses Erzfeindes fast regelmäßig durch die Flucht. Dabei sucht er durch Wider-
haken und Hakenschlagen, welches er meisterhaft versteht, seinen Feind zu übertölpeln. Nur wenn
er vor raschen Windhunden dahinläuft, sucht er einen anderen Hasen vorzustoßen und drückt sich in
dessen Wohnung, den vertriebenen Besitzer kaltblütig der Verfolgung überlassend, oder er geht ge-
rade in eine Herde Vieh, fährt in das erste beste Nohrdickicht und schwimmt im Nothfalle auch über
ziemlich breite Gewässer. Niemals aber wagt er sich einem lebenden Geschöpf anderer Art zu wider-
setzen, und nur, wenn Eifersucht ihn reizt, läßt er sich in einen Kampf mit seines Gleichen ein. Zu-
weilen kommt es vor, daß ihm eine eingebildete oder wahre Gefahr derart überrascht und aus der
Fassung bringt, daß er, jedes Rettungsmittel vergessend, in der größten Angst hin- und herlänft,
ja wohl gar in ein jämmerliches Klagen ausbricht." Vor allen unbekannten Dingen hat er überhaupt
eine außerordentliche Achtung, und deshalb meidet er auch sorgfältig alle Scheusale, welche in den
Feldern aufgestellt werden, um ihn abzuhalten. Dagegen kommt es auch vor, daß alte, ausgelehrte
Hasen sich außerordentlich frech zeigen. Sie lassen sich nicht einmal, wie Lenz angibt, durch die
Hunde vertreiben, und sobald sie merken, daß diese eingesperrt oder angehängt sind, kommen sie mit
einer Unverschämtheit ohne Gleichen an die Gärten heran und fressen, so zu sagen, unter den Augen
der Hunde. Lenz hat mehrmals gesehen, daß Hafen so nahe unter seinem Fenster und neben den
angefesselten Hunden hinschlüpften, daß der Schaum aus dem Rachen der Hunde ihnen auf den
Pelz spritzte.

Die Schnelligkeit des Hasen im Laufe rührt größtentheils daher, daß er stark überbaut ist d. h.
daß seine Hinterläufe länger sind, als die vorderen. Hierin liegt auch der Grund, daß er besser
bergauf, als bergab rennen kann. Wenn er ruhig ist, bewegt er sich in ganz kurzen, langsamen
Sprüngen, wenn ihm daran liegt, schnell fortzukommen, in sehr großen Sätzen. Hierbei bemerkt
man zuweilen, daß er mit den Vorderläufen ein paar Schritte rückwärts thut. Beim Entfliehen hat
er die Eigenthümlichkeit, daß er ohne besonderen Grund in einiger Entfernung von seinem Lager
einen Kegel macht d. h. die Stellung eines aufrecht sitzenden Hundes annimmt; ist er dem ihm
nachjagenden Hunde ein Stück voraus, so stellt er sich nicht nur auf die vollständig ausgestreckten
Hinterläufe, sondern geht auch wohl so ein paar Schritte vorwärts und dreht sich nach allen
Seiten um.

Gewöhnlich gibt er nur dann einen Laut von sich, wenn er sich in Gefahr sieht. Dieses Ge-
schrei ähnelt dem kleiner Kinder und wird mit "Klagen" bezeichnet.

Unter den Sinnen des Hafen ist das Gehör, wie schon die großen Lössel schließen lassen, am
besten ausgebildet. Der Geruch ist recht leidlich, das Gesicht aber sehr schwach. Unter seinen
geistigen Eigenschaften steht eine außerordentliche Vorsicht und Aufmerksamkeit oben an. Der
leiseste Laut, den er vernimmt, der Wind, welcher durch die Blätter säuselt, ein rauschendes
Blatt genügt, um ihn, wenn er schläft, zu erwecken und im hohen Grade aufmerksam zu
machen. Eine Eidechse, ja selbst das Quaken eines Frosches kann ihn von seinem Lager ver-
scheuchen, und selbst wenn er im vollsten Lauf ist, genügt ein leises Pfeifen, um ihn aufzuhalten.
Die berühmte Harmlosigkeit des Hasen ist nicht soweit her. Dietrich aus dem Winckell sagt ge-
radezu, daß das größte Laster des Hasen seine Bosheit sei, nicht weil er dieselbe durch Kratzen und
Beißen äußere, sondern weil der Satzhase durch Verleugnen der elterlichen Liebe, der Rammler
aber durch Grausamkeit gegen junge Häschen, dieselbe in der empörendsten Weise bethätige.

Die Rammelzeit beginnt nach harten Wintern anfangs März, bei gelinderen schon Ende Fe-
bruars. Jm allgemeinen kann man sagen, daß sie um so eher eintritt, je mehr der Hase Nahrung
hat. "Zu Anfange der Begattungszeit," sagt unser Gewährsmann, "schwärmen unaufhörlich Ramm-
ler, Häsinnen suchend, umher und folgen der Spur derselben, gleich den Hunden, mit zur Erde ge-
senkter Nase. Sobald ein Paar sich zusammenfindet, beginnt die verliebte Neckerei durch Kreis-
laufen und Kegelschlagen, wobei anfangs der Satzhase immer der vorderste ist. Aber nicht lange
dauert es, so fährt dieser von der Seite, und ehe der Rammler es versieht, gibt ihm die äußerst

Unſer Haſe.
den Nachſtellungen dieſes Erzfeindes faſt regelmäßig durch die Flucht. Dabei ſucht er durch Wider-
haken und Hakenſchlagen, welches er meiſterhaft verſteht, ſeinen Feind zu übertölpeln. Nur wenn
er vor raſchen Windhunden dahinläuft, ſucht er einen anderen Haſen vorzuſtoßen und drückt ſich in
deſſen Wohnung, den vertriebenen Beſitzer kaltblütig der Verfolgung überlaſſend, oder er geht ge-
rade in eine Herde Vieh, fährt in das erſte beſte Nohrdickicht und ſchwimmt im Nothfalle auch über
ziemlich breite Gewäſſer. Niemals aber wagt er ſich einem lebenden Geſchöpf anderer Art zu wider-
ſetzen, und nur, wenn Eiferſucht ihn reizt, läßt er ſich in einen Kampf mit ſeines Gleichen ein. Zu-
weilen kommt es vor, daß ihm eine eingebildete oder wahre Gefahr derart überraſcht und aus der
Faſſung bringt, daß er, jedes Rettungsmittel vergeſſend, in der größten Angſt hin- und herlänft,
ja wohl gar in ein jämmerliches Klagen ausbricht.‟ Vor allen unbekannten Dingen hat er überhaupt
eine außerordentliche Achtung, und deshalb meidet er auch ſorgfältig alle Scheuſale, welche in den
Feldern aufgeſtellt werden, um ihn abzuhalten. Dagegen kommt es auch vor, daß alte, ausgelehrte
Haſen ſich außerordentlich frech zeigen. Sie laſſen ſich nicht einmal, wie Lenz angibt, durch die
Hunde vertreiben, und ſobald ſie merken, daß dieſe eingeſperrt oder angehängt ſind, kommen ſie mit
einer Unverſchämtheit ohne Gleichen an die Gärten heran und freſſen, ſo zu ſagen, unter den Augen
der Hunde. Lenz hat mehrmals geſehen, daß Hafen ſo nahe unter ſeinem Fenſter und neben den
angefeſſelten Hunden hinſchlüpften, daß der Schaum aus dem Rachen der Hunde ihnen auf den
Pelz ſpritzte.

Die Schnelligkeit des Haſen im Laufe rührt größtentheils daher, daß er ſtark überbaut iſt d. h.
daß ſeine Hinterläufe länger ſind, als die vorderen. Hierin liegt auch der Grund, daß er beſſer
bergauf, als bergab rennen kann. Wenn er ruhig iſt, bewegt er ſich in ganz kurzen, langſamen
Sprüngen, wenn ihm daran liegt, ſchnell fortzukommen, in ſehr großen Sätzen. Hierbei bemerkt
man zuweilen, daß er mit den Vorderläufen ein paar Schritte rückwärts thut. Beim Entfliehen hat
er die Eigenthümlichkeit, daß er ohne beſonderen Grund in einiger Entfernung von ſeinem Lager
einen Kegel macht d. h. die Stellung eines aufrecht ſitzenden Hundes annimmt; iſt er dem ihm
nachjagenden Hunde ein Stück voraus, ſo ſtellt er ſich nicht nur auf die vollſtändig ausgeſtreckten
Hinterläufe, ſondern geht auch wohl ſo ein paar Schritte vorwärts und dreht ſich nach allen
Seiten um.

Gewöhnlich gibt er nur dann einen Laut von ſich, wenn er ſich in Gefahr ſieht. Dieſes Ge-
ſchrei ähnelt dem kleiner Kinder und wird mit „Klagen‟ bezeichnet.

Unter den Sinnen des Hafen iſt das Gehör, wie ſchon die großen Löſſel ſchließen laſſen, am
beſten ausgebildet. Der Geruch iſt recht leidlich, das Geſicht aber ſehr ſchwach. Unter ſeinen
geiſtigen Eigenſchaften ſteht eine außerordentliche Vorſicht und Aufmerkſamkeit oben an. Der
leiſeſte Laut, den er vernimmt, der Wind, welcher durch die Blätter ſäuſelt, ein rauſchendes
Blatt genügt, um ihn, wenn er ſchläft, zu erwecken und im hohen Grade aufmerkſam zu
machen. Eine Eidechſe, ja ſelbſt das Quaken eines Froſches kann ihn von ſeinem Lager ver-
ſcheuchen, und ſelbſt wenn er im vollſten Lauf iſt, genügt ein leiſes Pfeifen, um ihn aufzuhalten.
Die berühmte Harmloſigkeit des Haſen iſt nicht ſoweit her. Dietrich aus dem Winckell ſagt ge-
radezu, daß das größte Laſter des Haſen ſeine Bosheit ſei, nicht weil er dieſelbe durch Kratzen und
Beißen äußere, ſondern weil der Satzhaſe durch Verleugnen der elterlichen Liebe, der Rammler
aber durch Grauſamkeit gegen junge Häschen, dieſelbe in der empörendſten Weiſe bethätige.

Die Rammelzeit beginnt nach harten Wintern anfangs März, bei gelinderen ſchon Ende Fe-
bruars. Jm allgemeinen kann man ſagen, daß ſie um ſo eher eintritt, je mehr der Haſe Nahrung
hat. „Zu Anfange der Begattungszeit,‟ ſagt unſer Gewährsmann, „ſchwärmen unaufhörlich Ramm-
ler, Häſinnen ſuchend, umher und folgen der Spur derſelben, gleich den Hunden, mit zur Erde ge-
ſenkter Naſe. Sobald ein Paar ſich zuſammenfindet, beginnt die verliebte Neckerei durch Kreis-
laufen und Kegelſchlagen, wobei anfangs der Satzhaſe immer der vorderſte iſt. Aber nicht lange
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[253/0271] Unſer Haſe. den Nachſtellungen dieſes Erzfeindes faſt regelmäßig durch die Flucht. Dabei ſucht er durch Wider- haken und Hakenſchlagen, welches er meiſterhaft verſteht, ſeinen Feind zu übertölpeln. Nur wenn er vor raſchen Windhunden dahinläuft, ſucht er einen anderen Haſen vorzuſtoßen und drückt ſich in deſſen Wohnung, den vertriebenen Beſitzer kaltblütig der Verfolgung überlaſſend, oder er geht ge- rade in eine Herde Vieh, fährt in das erſte beſte Nohrdickicht und ſchwimmt im Nothfalle auch über ziemlich breite Gewäſſer. Niemals aber wagt er ſich einem lebenden Geſchöpf anderer Art zu wider- ſetzen, und nur, wenn Eiferſucht ihn reizt, läßt er ſich in einen Kampf mit ſeines Gleichen ein. Zu- weilen kommt es vor, daß ihm eine eingebildete oder wahre Gefahr derart überraſcht und aus der Faſſung bringt, daß er, jedes Rettungsmittel vergeſſend, in der größten Angſt hin- und herlänft, ja wohl gar in ein jämmerliches Klagen ausbricht.‟ Vor allen unbekannten Dingen hat er überhaupt eine außerordentliche Achtung, und deshalb meidet er auch ſorgfältig alle Scheuſale, welche in den Feldern aufgeſtellt werden, um ihn abzuhalten. Dagegen kommt es auch vor, daß alte, ausgelehrte Haſen ſich außerordentlich frech zeigen. Sie laſſen ſich nicht einmal, wie Lenz angibt, durch die Hunde vertreiben, und ſobald ſie merken, daß dieſe eingeſperrt oder angehängt ſind, kommen ſie mit einer Unverſchämtheit ohne Gleichen an die Gärten heran und freſſen, ſo zu ſagen, unter den Augen der Hunde. Lenz hat mehrmals geſehen, daß Hafen ſo nahe unter ſeinem Fenſter und neben den angefeſſelten Hunden hinſchlüpften, daß der Schaum aus dem Rachen der Hunde ihnen auf den Pelz ſpritzte. Die Schnelligkeit des Haſen im Laufe rührt größtentheils daher, daß er ſtark überbaut iſt d. h. daß ſeine Hinterläufe länger ſind, als die vorderen. Hierin liegt auch der Grund, daß er beſſer bergauf, als bergab rennen kann. Wenn er ruhig iſt, bewegt er ſich in ganz kurzen, langſamen Sprüngen, wenn ihm daran liegt, ſchnell fortzukommen, in ſehr großen Sätzen. Hierbei bemerkt man zuweilen, daß er mit den Vorderläufen ein paar Schritte rückwärts thut. Beim Entfliehen hat er die Eigenthümlichkeit, daß er ohne beſonderen Grund in einiger Entfernung von ſeinem Lager einen Kegel macht d. h. die Stellung eines aufrecht ſitzenden Hundes annimmt; iſt er dem ihm nachjagenden Hunde ein Stück voraus, ſo ſtellt er ſich nicht nur auf die vollſtändig ausgeſtreckten Hinterläufe, ſondern geht auch wohl ſo ein paar Schritte vorwärts und dreht ſich nach allen Seiten um. Gewöhnlich gibt er nur dann einen Laut von ſich, wenn er ſich in Gefahr ſieht. Dieſes Ge- ſchrei ähnelt dem kleiner Kinder und wird mit „Klagen‟ bezeichnet. Unter den Sinnen des Hafen iſt das Gehör, wie ſchon die großen Löſſel ſchließen laſſen, am beſten ausgebildet. Der Geruch iſt recht leidlich, das Geſicht aber ſehr ſchwach. Unter ſeinen geiſtigen Eigenſchaften ſteht eine außerordentliche Vorſicht und Aufmerkſamkeit oben an. Der leiſeſte Laut, den er vernimmt, der Wind, welcher durch die Blätter ſäuſelt, ein rauſchendes Blatt genügt, um ihn, wenn er ſchläft, zu erwecken und im hohen Grade aufmerkſam zu machen. Eine Eidechſe, ja ſelbſt das Quaken eines Froſches kann ihn von ſeinem Lager ver- ſcheuchen, und ſelbſt wenn er im vollſten Lauf iſt, genügt ein leiſes Pfeifen, um ihn aufzuhalten. Die berühmte Harmloſigkeit des Haſen iſt nicht ſoweit her. Dietrich aus dem Winckell ſagt ge- radezu, daß das größte Laſter des Haſen ſeine Bosheit ſei, nicht weil er dieſelbe durch Kratzen und Beißen äußere, ſondern weil der Satzhaſe durch Verleugnen der elterlichen Liebe, der Rammler aber durch Grauſamkeit gegen junge Häschen, dieſelbe in der empörendſten Weiſe bethätige. Die Rammelzeit beginnt nach harten Wintern anfangs März, bei gelinderen ſchon Ende Fe- bruars. Jm allgemeinen kann man ſagen, daß ſie um ſo eher eintritt, je mehr der Haſe Nahrung hat. „Zu Anfange der Begattungszeit,‟ ſagt unſer Gewährsmann, „ſchwärmen unaufhörlich Ramm- ler, Häſinnen ſuchend, umher und folgen der Spur derſelben, gleich den Hunden, mit zur Erde ge- ſenkter Naſe. Sobald ein Paar ſich zuſammenfindet, beginnt die verliebte Neckerei durch Kreis- laufen und Kegelſchlagen, wobei anfangs der Satzhaſe immer der vorderſte iſt. Aber nicht lange dauert es, ſo fährt dieſer von der Seite, und ehe der Rammler es verſieht, gibt ihm die äußerſt

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/271>, abgerufen am 18.07.2024.