gering, obgleich sich eine gewisse Schlauheit nicht leugnen läßt; namentlich verstehen sie es gut, Fallen aller Art zu vermeiden. Jhre Nahrung besteht in kleinen Säugethieren, Vögeln und deren Eiern, auch wohl in kleinen Lurchen, in Kerbthieren und deren Larven und in Würmern; im Nothfalle fressen sie auch Früchte. Die im Wasser lebenden Schwimmbeutler verzehren hauptsächlich Fische, die größeren Arten besuchen die Wohngebäude des Menschen und würgen hier alle Thiere ab, deren sie habhaft werden können, laben sich an deren Blute und berauschen sich förmlich darin. Jhre Stimme lassen sie blos dann ertönen, wann sie gemißhandelt werden; sie besteht in eigenthümlich zischenden Lauten. Bei Verfolgung setzen sie sich niemals zur Wehr, und die meisten haben die Eigen- thümlichkeit, sich zu verstellen, wenn sie sich nicht mehr verbergen können. Jn der Angst verbreiten sie einen starken, widrigen, fast knoblauchähnlichen Geruch. Sie sind sehr fruchtbar; denn die Zahl ihrer Jungen beträgt zwischen Vier und Sechszehn. Diese Jungen kommen bei den meisten in einem Zustande zur Welt, welcher selbst unter den Beutelthieren ohne Gleichen dazustehen scheint. Die Arten, bei denen die Weibchen einen vollkommenen Beutel haben, tragen ihre Jungen in diesem lange Zeit mit sich herum; die übrigen nehmen sie, sobald sie einigermaßen erwachsen sind, auf den Rücken, und die kleine Gesellschaft befestigt sich hier entweder mit den Krallen im Felle oder, was noch häufiger ist, mit ihrem Schwanze an den Schwanz der Mutter.
Die großen Arten sind sehr schädliche Thiere, während die kleineren vollkommen harmlos sind; gleichwohl werden alle ihres widrigen Aussehens halber und der Sünden wegen, die sich die größeren Verwandten zu Schulden kommen lassen, aufs eifrigste gehaßt und verfolgt. Nach Burmeister fängt man sie in Brasilien, indem man ihnen an einer geeigneten Stelle Branntwein vorsetzt. Sie trinken denselben leidenschaftlich gern und werden bald nach dem Genusse trunken und wehrlos. Die Neger essen das Fleisch der Erbeuteten, und von einer einzigen Art spinnt man das Haar, da der Pelz sonst nicht zu gebrauchen ist, sondern vielmehr gewöhnlich aussieht, als wäre er von den Motten zer- fressen. An die Gefangenschaft gewöhnt sich die größere Mehrzahl leicht und schnell, doch erfreuen sie ihren Besitzer sehr wenig. Jhre ganze Thätigkeit beschränkt sich auf das Fressen und Schlafen.
Wir können die eigentlichen Beutelratten (Didelphys) zuerst betrachten, schon aus dem Grunde, weil sie am bekanntesten geworden sind. Jn vielen Arten über ganz Amerika verbreitet, haben sie in tüchtigen Naturforschern eifrige und sorgfältige Beobachter gefunden, und das Haupt- sächlichste, was wir über die Fortpflanzung der Beutelthiere überhaupt, zumal über die Entwickelung der Jungen wissen, beruht auf den Beobachtungen der gedachten Gelehrten. Meine Leser werden bemerkt und mir Recht gegeben haben, daß ich stets mit besonderer Vorliebe meinen Beschreibungen die Schilderung Rengger's zu Grunde gelegt habe. Dieser ausgezeichnete Naturforscher nun hat auch über die Beutelratten Beobachtungen gemacht, und deshalb kann man sicher sein, daß wir im Folgenden die Lebensgeschichte der Beutelratten ziemlich erschöpfend behandelt sehen werden.
"Jn der Mitte des Winters," sagt Rengger von den in Paraguay lebenden Arten der Beutel- ratten, "im Augustmonat nämlich, scheint bei ihnen die Begattungszeit einzutreten; wenigstens trifft man in diesem Monate häufig die beiden Geschlechter bei einander an und findet im darauffolgenden Monat trächtige Weibchen. Diese werfen nur einmal im Jahre. Die Zahl ihrer Jungen ist weder bei den Arten, noch bei den verschiedenen Weibchen einer Art dieselbe. Jch fand bei einer Art bis vierzehn Junge, oft aber nur acht oder vier und einmal blos ein einziges. Die Tragzeit dauert etwas mehr als drei Wochen. Anfang des Weinmonats kommen die Jungen zur Welt und treten sogleich unter den Beutel oder unter die Hautfalten am Bauche der Mutter, wo sie sich an den Zitzen ansaugen und so lange in dem Zustande bleiben, bis sie ihre vollkommene Ausbildung erreicht haben. Dies geschieht nach funfzig und einigen Tagen. Alsdann verlassen sie den Beutel, nicht aber die Mutter, indem sie sich, auch wenn sie schon fressen können, in dem Pelze derselben festhalten und so von ihr noch einige Zeit herumgetragen werden."
Rengger berichtet nun, daß er blos über eine Art Beobachtungen machen konnte, von dieser
Die Beutelratten.
gering, obgleich ſich eine gewiſſe Schlauheit nicht leugnen läßt; namentlich verſtehen ſie es gut, Fallen aller Art zu vermeiden. Jhre Nahrung beſteht in kleinen Säugethieren, Vögeln und deren Eiern, auch wohl in kleinen Lurchen, in Kerbthieren und deren Larven und in Würmern; im Nothfalle freſſen ſie auch Früchte. Die im Waſſer lebenden Schwimmbeutler verzehren hauptſächlich Fiſche, die größeren Arten beſuchen die Wohngebäude des Menſchen und würgen hier alle Thiere ab, deren ſie habhaft werden können, laben ſich an deren Blute und berauſchen ſich förmlich darin. Jhre Stimme laſſen ſie blos dann ertönen, wann ſie gemißhandelt werden; ſie beſteht in eigenthümlich ziſchenden Lauten. Bei Verfolgung ſetzen ſie ſich niemals zur Wehr, und die meiſten haben die Eigen- thümlichkeit, ſich zu verſtellen, wenn ſie ſich nicht mehr verbergen können. Jn der Angſt verbreiten ſie einen ſtarken, widrigen, faſt knoblauchähnlichen Geruch. Sie ſind ſehr fruchtbar; denn die Zahl ihrer Jungen beträgt zwiſchen Vier und Sechszehn. Dieſe Jungen kommen bei den meiſten in einem Zuſtande zur Welt, welcher ſelbſt unter den Beutelthieren ohne Gleichen dazuſtehen ſcheint. Die Arten, bei denen die Weibchen einen vollkommenen Beutel haben, tragen ihre Jungen in dieſem lange Zeit mit ſich herum; die übrigen nehmen ſie, ſobald ſie einigermaßen erwachſen ſind, auf den Rücken, und die kleine Geſellſchaft befeſtigt ſich hier entweder mit den Krallen im Felle oder, was noch häufiger iſt, mit ihrem Schwanze an den Schwanz der Mutter.
Die großen Arten ſind ſehr ſchädliche Thiere, während die kleineren vollkommen harmlos ſind; gleichwohl werden alle ihres widrigen Ausſehens halber und der Sünden wegen, die ſich die größeren Verwandten zu Schulden kommen laſſen, aufs eifrigſte gehaßt und verfolgt. Nach Burmeiſter fängt man ſie in Braſilien, indem man ihnen an einer geeigneten Stelle Branntwein vorſetzt. Sie trinken denſelben leidenſchaftlich gern und werden bald nach dem Genuſſe trunken und wehrlos. Die Neger eſſen das Fleiſch der Erbeuteten, und von einer einzigen Art ſpinnt man das Haar, da der Pelz ſonſt nicht zu gebrauchen iſt, ſondern vielmehr gewöhnlich ausſieht, als wäre er von den Motten zer- freſſen. An die Gefangenſchaft gewöhnt ſich die größere Mehrzahl leicht und ſchnell, doch erfreuen ſie ihren Beſitzer ſehr wenig. Jhre ganze Thätigkeit beſchränkt ſich auf das Freſſen und Schlafen.
Wir können die eigentlichen Beutelratten (Didelphys) zuerſt betrachten, ſchon aus dem Grunde, weil ſie am bekannteſten geworden ſind. Jn vielen Arten über ganz Amerika verbreitet, haben ſie in tüchtigen Naturforſchern eifrige und ſorgfältige Beobachter gefunden, und das Haupt- ſächlichſte, was wir über die Fortpflanzung der Beutelthiere überhaupt, zumal über die Entwickelung der Jungen wiſſen, beruht auf den Beobachtungen der gedachten Gelehrten. Meine Leſer werden bemerkt und mir Recht gegeben haben, daß ich ſtets mit beſonderer Vorliebe meinen Beſchreibungen die Schilderung Rengger’s zu Grunde gelegt habe. Dieſer ausgezeichnete Naturforſcher nun hat auch über die Beutelratten Beobachtungen gemacht, und deshalb kann man ſicher ſein, daß wir im Folgenden die Lebensgeſchichte der Beutelratten ziemlich erſchöpfend behandelt ſehen werden.
„Jn der Mitte des Winters,‟ ſagt Rengger von den in Paraguay lebenden Arten der Beutel- ratten, „im Auguſtmonat nämlich, ſcheint bei ihnen die Begattungszeit einzutreten; wenigſtens trifft man in dieſem Monate häufig die beiden Geſchlechter bei einander an und findet im darauffolgenden Monat trächtige Weibchen. Dieſe werfen nur einmal im Jahre. Die Zahl ihrer Jungen iſt weder bei den Arten, noch bei den verſchiedenen Weibchen einer Art dieſelbe. Jch fand bei einer Art bis vierzehn Junge, oft aber nur acht oder vier und einmal blos ein einziges. Die Tragzeit dauert etwas mehr als drei Wochen. Anfang des Weinmonats kommen die Jungen zur Welt und treten ſogleich unter den Beutel oder unter die Hautfalten am Bauche der Mutter, wo ſie ſich an den Zitzen anſaugen und ſo lange in dem Zuſtande bleiben, bis ſie ihre vollkommene Ausbildung erreicht haben. Dies geſchieht nach funfzig und einigen Tagen. Alsdann verlaſſen ſie den Beutel, nicht aber die Mutter, indem ſie ſich, auch wenn ſie ſchon freſſen können, in dem Pelze derſelben feſthalten und ſo von ihr noch einige Zeit herumgetragen werden.‟
Rengger berichtet nun, daß er blos über eine Art Beobachtungen machen konnte, von dieſer
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[15/0027]
Die Beutelratten.
gering, obgleich ſich eine gewiſſe Schlauheit nicht leugnen läßt; namentlich verſtehen ſie es gut, Fallen
aller Art zu vermeiden. Jhre Nahrung beſteht in kleinen Säugethieren, Vögeln und deren Eiern,
auch wohl in kleinen Lurchen, in Kerbthieren und deren Larven und in Würmern; im Nothfalle
freſſen ſie auch Früchte. Die im Waſſer lebenden Schwimmbeutler verzehren hauptſächlich Fiſche,
die größeren Arten beſuchen die Wohngebäude des Menſchen und würgen hier alle Thiere ab,
deren ſie habhaft werden können, laben ſich an deren Blute und berauſchen ſich förmlich darin. Jhre
Stimme laſſen ſie blos dann ertönen, wann ſie gemißhandelt werden; ſie beſteht in eigenthümlich
ziſchenden Lauten. Bei Verfolgung ſetzen ſie ſich niemals zur Wehr, und die meiſten haben die Eigen-
thümlichkeit, ſich zu verſtellen, wenn ſie ſich nicht mehr verbergen können. Jn der Angſt verbreiten
ſie einen ſtarken, widrigen, faſt knoblauchähnlichen Geruch. Sie ſind ſehr fruchtbar; denn die Zahl
ihrer Jungen beträgt zwiſchen Vier und Sechszehn. Dieſe Jungen kommen bei den meiſten in
einem Zuſtande zur Welt, welcher ſelbſt unter den Beutelthieren ohne Gleichen dazuſtehen ſcheint.
Die Arten, bei denen die Weibchen einen vollkommenen Beutel haben, tragen ihre Jungen in dieſem
lange Zeit mit ſich herum; die übrigen nehmen ſie, ſobald ſie einigermaßen erwachſen ſind, auf den
Rücken, und die kleine Geſellſchaft befeſtigt ſich hier entweder mit den Krallen im Felle oder, was
noch häufiger iſt, mit ihrem Schwanze an den Schwanz der Mutter.
Die großen Arten ſind ſehr ſchädliche Thiere, während die kleineren vollkommen harmlos ſind;
gleichwohl werden alle ihres widrigen Ausſehens halber und der Sünden wegen, die ſich die größeren
Verwandten zu Schulden kommen laſſen, aufs eifrigſte gehaßt und verfolgt. Nach Burmeiſter
fängt man ſie in Braſilien, indem man ihnen an einer geeigneten Stelle Branntwein vorſetzt. Sie
trinken denſelben leidenſchaftlich gern und werden bald nach dem Genuſſe trunken und wehrlos. Die
Neger eſſen das Fleiſch der Erbeuteten, und von einer einzigen Art ſpinnt man das Haar, da der Pelz
ſonſt nicht zu gebrauchen iſt, ſondern vielmehr gewöhnlich ausſieht, als wäre er von den Motten zer-
freſſen. An die Gefangenſchaft gewöhnt ſich die größere Mehrzahl leicht und ſchnell, doch erfreuen
ſie ihren Beſitzer ſehr wenig. Jhre ganze Thätigkeit beſchränkt ſich auf das Freſſen und Schlafen.
Wir können die eigentlichen Beutelratten (Didelphys) zuerſt betrachten, ſchon aus dem
Grunde, weil ſie am bekannteſten geworden ſind. Jn vielen Arten über ganz Amerika verbreitet,
haben ſie in tüchtigen Naturforſchern eifrige und ſorgfältige Beobachter gefunden, und das Haupt-
ſächlichſte, was wir über die Fortpflanzung der Beutelthiere überhaupt, zumal über die Entwickelung
der Jungen wiſſen, beruht auf den Beobachtungen der gedachten Gelehrten. Meine Leſer werden
bemerkt und mir Recht gegeben haben, daß ich ſtets mit beſonderer Vorliebe meinen Beſchreibungen
die Schilderung Rengger’s zu Grunde gelegt habe. Dieſer ausgezeichnete Naturforſcher nun hat
auch über die Beutelratten Beobachtungen gemacht, und deshalb kann man ſicher ſein, daß wir im
Folgenden die Lebensgeſchichte der Beutelratten ziemlich erſchöpfend behandelt ſehen werden.
„Jn der Mitte des Winters,‟ ſagt Rengger von den in Paraguay lebenden Arten der Beutel-
ratten, „im Auguſtmonat nämlich, ſcheint bei ihnen die Begattungszeit einzutreten; wenigſtens trifft
man in dieſem Monate häufig die beiden Geſchlechter bei einander an und findet im darauffolgenden
Monat trächtige Weibchen. Dieſe werfen nur einmal im Jahre. Die Zahl ihrer Jungen iſt weder
bei den Arten, noch bei den verſchiedenen Weibchen einer Art dieſelbe. Jch fand bei einer Art bis
vierzehn Junge, oft aber nur acht oder vier und einmal blos ein einziges. Die Tragzeit dauert
etwas mehr als drei Wochen. Anfang des Weinmonats kommen die Jungen zur Welt und treten
ſogleich unter den Beutel oder unter die Hautfalten am Bauche der Mutter, wo ſie ſich an den Zitzen
anſaugen und ſo lange in dem Zuſtande bleiben, bis ſie ihre vollkommene Ausbildung erreicht haben.
Dies geſchieht nach funfzig und einigen Tagen. Alsdann verlaſſen ſie den Beutel, nicht aber die
Mutter, indem ſie ſich, auch wenn ſie ſchon freſſen können, in dem Pelze derſelben feſthalten und ſo
von ihr noch einige Zeit herumgetragen werden.‟
Rengger berichtet nun, daß er blos über eine Art Beobachtungen machen konnte, von dieſer
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/27>, abgerufen am 16.07.2024.
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