streift er umher. Mit Sonnenuntergang geht er auf Nahrung aus und dann verweilt er bei guter Witterung die ganze Nacht auf seinen Streifzügen. Er hat, wie Rengger berichtet, die Gewohn- heit, seinen Aufenthaltsort mehrmals zu verlassen, und wieder dahin zurückzukehren; hierdurch ent- steht ein schmaler, oft 300 Fuß langer Fußweg, welcher die Lage des Wohnortes verräth, Bringt man einen Hund auf diese Fährte, so gelingt es, falls das Lager sich nicht im Dickicht befindet. fast regelmäßig des Thieres habhaft zu werden. Die Hunde verbellen ihr Wild, und man kann es dann aus seiner Höhle vorziehen oder ausgraben. Wird der Aguti aber die Ankunft der Hunde zeitig gewahr, so entfernt er sich augenblicklich, und seine Gewandtheit, sein schneller Lauf bringt ihn dann bald aus dem Bereiche seiner Verfolger. Das erste beste Dickicht nimmt ihn auf und schützt ihn sicher vor dem ihm nachsetzenden Feinde.
Der Aguti ist ein ganz harmloses, ängstliches Thierchen und deshalb vielen Gefahren preisge- geben, so daß ihn eigentlich nur die außerordentliche Gewandtheit seiner Bewegungen und die scharfen Sinne vor dem Untergange retten können. Jm Springen erinnert der Goldhase sehr an ge- wisse kleine Antilopen und Moschusthiere. Sein Lauf besteht aus Sprungschritten, welche aber so schnell auf einander folgen, daß es aussieht, als laufe das Thier im gestreckten Galopp dahin. Der ruhige Gang ist ein ziemlich langsamer Schritt. Unter den Sinnen ist der Geruch am schärfsten entwickelt und auch das Gehör sehr ausgebildet. Das Gesicht aber scheint ziemlich blöde zu sein, und der Geschmack ist keineswegs besonders gut. Die geistigen Fähigkeiten sind sehr gering. Nur ein gewisser Ortssinn macht sich bemerklich.
Die Nahrung besteht in den verschiedenartigsten Kräutern und Pflanzen, von den Wurzeln an bis zur Blüthe oder zum Korn hinauf. Seinen scharfen Nagezähnen widersteht so leicht kein Pflanzenstoff; er zerbricht selbst die härtesten Nüsse. Jn bebauten Gegenden wird er durch seine Be- suche in den Zuckerrohranpflanzungen und Gemüsegärten sehr lästig. Doch nur da, wo er sehr häufig ist, richtet er fühlbaren Schaden an.
Ueber die Fortpflanzung der freilebenden Agutis fehlen noch genaue Nachrichten. Man weiß, daß sich das Thier ziemlich stark vermehrt, daß die Weibchen in allen Monaten des Jahres trächtig werden, und eine ziemliche Anzahl von Jungen zur Welt bringen können. Ein und dasselbe Thier soll zweimal im Jahre werfen, gewöhnlich im Oktober, d. h. zu Anfang der Regenzeit oder des Frühjahrs, das zweite Mal einige Monate später, doch noch vor Eintritt der Dürre. Zu dieser Zeit sucht das Männchen ein Weibchen auf und jagt ihm nach unter Pfeifen und Grunzen, bis es die anfänglich sehr Spröde seinem Willen geneigt gemacht hat. Jm entgegengesetzten Falle versucht es das Ziel seiner Wünsche mit Gewalt zu erreichen; so schließe ich wenigstens aus einer Beobachtung, welche ich an Gefangenen machte. Ein Weibchen, welches ich zu zwei Männchen setzte, wurde von diesen so abgetrieben und derart zusammengebissen, daß ich es entfernen mußte; es würde seinen Peinigern erlegen sein. Erst nach Wochen heilten die Wunden, welche die ungestümen Liebhaber ihm beigebracht hatten. -- Bald nach der Begattung lebt jedes Geschlecht einzeln für sich. Das Weibchen bezieht sein altes Lager wieder und richtet es zur Aufnahme der Jungen ein, d. h. polstert es möglichst dicht mit Blättern, Wurzeln und Haaren aus, bringt auf diesem weichen Lager die Jungen zur Welt, säugt sie mehrere Wochen mit großer Zärtlichkeit und führt sie schließlich noch einige Zeit mit herum, um sie bei den ersten Weidegängen zu unterrichten und zu beschützen. Gefangene Agutis haben sich bereits mehrmals fortgepflanzt. Schon Rengger erzählt, daß ein Pärchen, welches Parlet besaß, nach langem Werben und Versagen sich begattete, und daß das Weibchen nach sechswöchentlicher Trag- zeit zwei, leider todte Junge warf. Jn London und Amsterdam hat man ebenfalls Junge gezüchtet, neuerdings aber auch in Köln: und hierüber kann ich, Dank der Güte des Vorstehers dieses Gartens, ausführlicher berichten. "Zwei Mal," sagt Bodinus, "haben wir schon Junge von unseren Agutis gezogen: das erste Mal zwei, das zweite Mal nur eins. Jch hatte dabei Gelegenheit, zu beob- achten, daß das Weibchen kein großes Zutrauen zu der Kinderliebe des Vaters hat. Die kleinen Thierchen liefen, obwohl etwas schwach auf den Füßen, bald nach der Geburt umher, ähnlich wie die
Die Ferkelhaſen oder Hufpfötler. — Der Goldhaſe.
ſtreift er umher. Mit Sonnenuntergang geht er auf Nahrung aus und dann verweilt er bei guter Witterung die ganze Nacht auf ſeinen Streifzügen. Er hat, wie Rengger berichtet, die Gewohn- heit, ſeinen Aufenthaltsort mehrmals zu verlaſſen, und wieder dahin zurückzukehren; hierdurch ent- ſteht ein ſchmaler, oft 300 Fuß langer Fußweg, welcher die Lage des Wohnortes verräth, Bringt man einen Hund auf dieſe Fährte, ſo gelingt es, falls das Lager ſich nicht im Dickicht befindet. faſt regelmäßig des Thieres habhaft zu werden. Die Hunde verbellen ihr Wild, und man kann es dann aus ſeiner Höhle vorziehen oder ausgraben. Wird der Aguti aber die Ankunft der Hunde zeitig gewahr, ſo entfernt er ſich augenblicklich, und ſeine Gewandtheit, ſein ſchneller Lauf bringt ihn dann bald aus dem Bereiche ſeiner Verfolger. Das erſte beſte Dickicht nimmt ihn auf und ſchützt ihn ſicher vor dem ihm nachſetzenden Feinde.
Der Aguti iſt ein ganz harmloſes, ängſtliches Thierchen und deshalb vielen Gefahren preisge- geben, ſo daß ihn eigentlich nur die außerordentliche Gewandtheit ſeiner Bewegungen und die ſcharfen Sinne vor dem Untergange retten können. Jm Springen erinnert der Goldhaſe ſehr an ge- wiſſe kleine Antilopen und Moſchusthiere. Sein Lauf beſteht aus Sprungſchritten, welche aber ſo ſchnell auf einander folgen, daß es ausſieht, als laufe das Thier im geſtreckten Galopp dahin. Der ruhige Gang iſt ein ziemlich langſamer Schritt. Unter den Sinnen iſt der Geruch am ſchärfſten entwickelt und auch das Gehör ſehr ausgebildet. Das Geſicht aber ſcheint ziemlich blöde zu ſein, und der Geſchmack iſt keineswegs beſonders gut. Die geiſtigen Fähigkeiten ſind ſehr gering. Nur ein gewiſſer Ortsſinn macht ſich bemerklich.
Die Nahrung beſteht in den verſchiedenartigſten Kräutern und Pflanzen, von den Wurzeln an bis zur Blüthe oder zum Korn hinauf. Seinen ſcharfen Nagezähnen widerſteht ſo leicht kein Pflanzenſtoff; er zerbricht ſelbſt die härteſten Nüſſe. Jn bebauten Gegenden wird er durch ſeine Be- ſuche in den Zuckerrohranpflanzungen und Gemüſegärten ſehr läſtig. Doch nur da, wo er ſehr häufig iſt, richtet er fühlbaren Schaden an.
Ueber die Fortpflanzung der freilebenden Agutis fehlen noch genaue Nachrichten. Man weiß, daß ſich das Thier ziemlich ſtark vermehrt, daß die Weibchen in allen Monaten des Jahres trächtig werden, und eine ziemliche Anzahl von Jungen zur Welt bringen können. Ein und daſſelbe Thier ſoll zweimal im Jahre werfen, gewöhnlich im Oktober, d. h. zu Anfang der Regenzeit oder des Frühjahrs, das zweite Mal einige Monate ſpäter, doch noch vor Eintritt der Dürre. Zu dieſer Zeit ſucht das Männchen ein Weibchen auf und jagt ihm nach unter Pfeifen und Grunzen, bis es die anfänglich ſehr Spröde ſeinem Willen geneigt gemacht hat. Jm entgegengeſetzten Falle verſucht es das Ziel ſeiner Wünſche mit Gewalt zu erreichen; ſo ſchließe ich wenigſtens aus einer Beobachtung, welche ich an Gefangenen machte. Ein Weibchen, welches ich zu zwei Männchen ſetzte, wurde von dieſen ſo abgetrieben und derart zuſammengebiſſen, daß ich es entfernen mußte; es würde ſeinen Peinigern erlegen ſein. Erſt nach Wochen heilten die Wunden, welche die ungeſtümen Liebhaber ihm beigebracht hatten. — Bald nach der Begattung lebt jedes Geſchlecht einzeln für ſich. Das Weibchen bezieht ſein altes Lager wieder und richtet es zur Aufnahme der Jungen ein, d. h. polſtert es möglichſt dicht mit Blättern, Wurzeln und Haaren aus, bringt auf dieſem weichen Lager die Jungen zur Welt, ſäugt ſie mehrere Wochen mit großer Zärtlichkeit und führt ſie ſchließlich noch einige Zeit mit herum, um ſie bei den erſten Weidegängen zu unterrichten und zu beſchützen. Gefangene Agutis haben ſich bereits mehrmals fortgepflanzt. Schon Rengger erzählt, daß ein Pärchen, welches Parlet beſaß, nach langem Werben und Verſagen ſich begattete, und daß das Weibchen nach ſechswöchentlicher Trag- zeit zwei, leider todte Junge warf. Jn London und Amſterdam hat man ebenfalls Junge gezüchtet, neuerdings aber auch in Köln: und hierüber kann ich, Dank der Güte des Vorſtehers dieſes Gartens, ausführlicher berichten. „Zwei Mal,‟ ſagt Bodinus, „haben wir ſchon Junge von unſeren Agutis gezogen: das erſte Mal zwei, das zweite Mal nur eins. Jch hatte dabei Gelegenheit, zu beob- achten, daß das Weibchen kein großes Zutrauen zu der Kinderliebe des Vaters hat. Die kleinen Thierchen liefen, obwohl etwas ſchwach auf den Füßen, bald nach der Geburt umher, ähnlich wie die
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[240/0258]
Die Ferkelhaſen oder Hufpfötler. — Der Goldhaſe.
ſtreift er umher. Mit Sonnenuntergang geht er auf Nahrung aus und dann verweilt er bei guter
Witterung die ganze Nacht auf ſeinen Streifzügen. Er hat, wie Rengger berichtet, die Gewohn-
heit, ſeinen Aufenthaltsort mehrmals zu verlaſſen, und wieder dahin zurückzukehren; hierdurch ent-
ſteht ein ſchmaler, oft 300 Fuß langer Fußweg, welcher die Lage des Wohnortes verräth,
Bringt man einen Hund auf dieſe Fährte, ſo gelingt es, falls das Lager ſich nicht im Dickicht befindet.
faſt regelmäßig des Thieres habhaft zu werden. Die Hunde verbellen ihr Wild, und man kann es
dann aus ſeiner Höhle vorziehen oder ausgraben. Wird der Aguti aber die Ankunft der Hunde zeitig
gewahr, ſo entfernt er ſich augenblicklich, und ſeine Gewandtheit, ſein ſchneller Lauf bringt ihn dann
bald aus dem Bereiche ſeiner Verfolger. Das erſte beſte Dickicht nimmt ihn auf und ſchützt ihn ſicher
vor dem ihm nachſetzenden Feinde.
Der Aguti iſt ein ganz harmloſes, ängſtliches Thierchen und deshalb vielen Gefahren preisge-
geben, ſo daß ihn eigentlich nur die außerordentliche Gewandtheit ſeiner Bewegungen und die
ſcharfen Sinne vor dem Untergange retten können. Jm Springen erinnert der Goldhaſe ſehr an ge-
wiſſe kleine Antilopen und Moſchusthiere. Sein Lauf beſteht aus Sprungſchritten, welche
aber ſo ſchnell auf einander folgen, daß es ausſieht, als laufe das Thier im geſtreckten Galopp dahin.
Der ruhige Gang iſt ein ziemlich langſamer Schritt. Unter den Sinnen iſt der Geruch am ſchärfſten
entwickelt und auch das Gehör ſehr ausgebildet. Das Geſicht aber ſcheint ziemlich blöde zu ſein, und
der Geſchmack iſt keineswegs beſonders gut. Die geiſtigen Fähigkeiten ſind ſehr gering. Nur ein
gewiſſer Ortsſinn macht ſich bemerklich.
Die Nahrung beſteht in den verſchiedenartigſten Kräutern und Pflanzen, von den Wurzeln
an bis zur Blüthe oder zum Korn hinauf. Seinen ſcharfen Nagezähnen widerſteht ſo leicht kein
Pflanzenſtoff; er zerbricht ſelbſt die härteſten Nüſſe. Jn bebauten Gegenden wird er durch ſeine Be-
ſuche in den Zuckerrohranpflanzungen und Gemüſegärten ſehr läſtig. Doch nur da, wo er ſehr häufig
iſt, richtet er fühlbaren Schaden an.
Ueber die Fortpflanzung der freilebenden Agutis fehlen noch genaue Nachrichten. Man weiß,
daß ſich das Thier ziemlich ſtark vermehrt, daß die Weibchen in allen Monaten des Jahres trächtig
werden, und eine ziemliche Anzahl von Jungen zur Welt bringen können. Ein und daſſelbe Thier
ſoll zweimal im Jahre werfen, gewöhnlich im Oktober, d. h. zu Anfang der Regenzeit oder des
Frühjahrs, das zweite Mal einige Monate ſpäter, doch noch vor Eintritt der Dürre. Zu dieſer
Zeit ſucht das Männchen ein Weibchen auf und jagt ihm nach unter Pfeifen und Grunzen, bis es
die anfänglich ſehr Spröde ſeinem Willen geneigt gemacht hat. Jm entgegengeſetzten Falle verſucht
es das Ziel ſeiner Wünſche mit Gewalt zu erreichen; ſo ſchließe ich wenigſtens aus einer Beobachtung,
welche ich an Gefangenen machte. Ein Weibchen, welches ich zu zwei Männchen ſetzte, wurde von
dieſen ſo abgetrieben und derart zuſammengebiſſen, daß ich es entfernen mußte; es würde ſeinen
Peinigern erlegen ſein. Erſt nach Wochen heilten die Wunden, welche die ungeſtümen Liebhaber ihm
beigebracht hatten. — Bald nach der Begattung lebt jedes Geſchlecht einzeln für ſich. Das Weibchen
bezieht ſein altes Lager wieder und richtet es zur Aufnahme der Jungen ein, d. h. polſtert es möglichſt
dicht mit Blättern, Wurzeln und Haaren aus, bringt auf dieſem weichen Lager die Jungen zur Welt,
ſäugt ſie mehrere Wochen mit großer Zärtlichkeit und führt ſie ſchließlich noch einige Zeit mit herum,
um ſie bei den erſten Weidegängen zu unterrichten und zu beſchützen. Gefangene Agutis haben ſich
bereits mehrmals fortgepflanzt. Schon Rengger erzählt, daß ein Pärchen, welches Parlet beſaß,
nach langem Werben und Verſagen ſich begattete, und daß das Weibchen nach ſechswöchentlicher Trag-
zeit zwei, leider todte Junge warf. Jn London und Amſterdam hat man ebenfalls Junge gezüchtet,
neuerdings aber auch in Köln: und hierüber kann ich, Dank der Güte des Vorſtehers dieſes Gartens,
ausführlicher berichten. „Zwei Mal,‟ ſagt Bodinus, „haben wir ſchon Junge von unſeren Agutis
gezogen: das erſte Mal zwei, das zweite Mal nur eins. Jch hatte dabei Gelegenheit, zu beob-
achten, daß das Weibchen kein großes Zutrauen zu der Kinderliebe des Vaters hat. Die kleinen
Thierchen liefen, obwohl etwas ſchwach auf den Füßen, bald nach der Geburt umher, ähnlich wie die
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/258>, abgerufen am 23.11.2024.
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