und es dann mit Leichtigkeit forttragen, wenn er sich nur einigermaßen vorsieht. Freilich biegt es sich, wenn man herankommt, mit dem Kopfe zurück, hebt die Stacheln des Rückens vorwärts und rennt auch ein paar Schritte auf den Gegner los, allein ein vorgehaltener Stock wehrt die Lanzen des anrennenden Thieres leicht ab, und ein einziges großes Tuch genügt, um es zu entwaffnen. Jn der äußersten Noth rollt sich das Stachelschwein wie ein Jgel zusammen, und dann ist es allerdings schwierig, es aufzuheben. Jm allgemeinen aber kann man sagen, daß es, so furchtbar bewehrt es auch scheint, jedem geschickten Feinde erliegt. Die Leoparden z. B. verstehen es, wie ich oben be- reits mittheilte, meisterhaft, ohne sich den geringsten Schaden zuzufügen, mit einem einzigen Tatzen- schlag auf den Kopf, den armen Stachelhelden zu tödten.
Die geistigen Eigenschaften unseres Stachelschweins sind ebenso gering, als die seiner Ver- wandten; man kann kaum von Verstand reden, obgleich gewisse Begabung sich nicht verkennen läßt. Unter den Sinnen dürfte der Geruch der entwickeltste sein; Gesicht und Gehör sind stumpf.
Nach dem verschiedenen Klima der Heimatsorte ändert sich auch die Zeit der Paarung. Man kann annehmen, daß sie überall in den Anfang des Frühlings fällt; in Nordafrika in den Januar, in Südeuropa in den April. Um diese Zeit suchen die Männchen ihre Weibchen auf und beide leben meh- rere Tage zusammen. Sechzig bis siebzig Tage nach der Begattung wirft das Weibchen in seiner Höhle zwei bis vier Junge, auf ein ziemlich weiches und mit Blättern, Wurzeln und Kräutern aus- gepolstertes Nest. Die Thierchen kommen mit offenen Augen und kurzen, weichen, eng an den Körper anliegenden Stacheln zur Welt. Diese erhärten aber sehr bald und wachsen außerordentlich rasch, wenn sie auch ihre wahre Größe erst mit dem höheren Alter erreichen. Sowie die Jungen nur einigermaßen fähig sind, sich ihre Nahrung zu erwerben, verlassen sie die Mutter und machen sich selbständig.
Man kann eigentlich nicht sagen, daß das Stachelschwein dem Menschen Schaden bringt; denn es ist nirgends häufig, und die Verwüstungen, die es zeitweilig in den seiner Höhle nahe gelegenen Gärten anrichtet, kommen kaum in Betracht. Da, wo es lebt, hält es sich soviel als möglich fern von den Menschen, in den Einöden, und selten nur wird es deshalb lästig. Gleichwohl wird es eifrig verfolgt. Die Stacheln finden vielfache Anwendung, und auch das Fleisch wird hier und da benutzt. Man fängt den ungeschickten Wanderer entweder in Schlagfallen, die man vor seiner Höhle aufstellt, oder läßt ihn durch eingeübte Hunde bei seinen nächtlichen Ausgängen fest machen und nimmt das verblüffte Thier dann einfach vom Boden auf, oder tödtet es vorher mit einem Schlage auf die Nase. Jn der römischen Campagna gilt die Jagd des Stachelschweins als ein besonderes Vergnügen, und es läßt sich auch gar nicht leugnen, daß die Art und Weise, wie man hier dem Thiere nachstellt, etwas ganz Absonderliches und Anziehendes hat. Das Stachelschwein legt dort seine Höhlen am liebsten in den tiefen Gräben an, welche die Campagna durchziehen, und wenn es zur Nachtzeit aus- geht, streift es selten weiter, als eben in der unmittelbarsten Nähe seiner Höhlen umher. Jn dunk- ler Nacht nun zieht man mit gut abgerichteten Hunden zur Jagd hinaus, bringt diese auf die Fährte des Thieres und läßt sie suchen. Ein lautes, zorniges Bellen kündet, daß die Hunde einem der Stachelhelden auf den Leib gerückt sind und zeigt zugleich die Gegend an, in welcher der Kampf zwischen beiden stattfindet -- falls man überhaupt von Kampf reden kann. Jetzt zünden alle Jäger bereit gehaltene Fackeln an und nähern sich damit dem Schauplatz. Sobald die Hunde die Ankunft ihrer Herren bemerken, heulen sie laut vor Freude und gehen immer wüthender auf ihr Wildpret los. Das Stachelschwein seinerseits sucht sie zurückzutreiben, indem es in allen Tonarten rasselt, grunzt und knurrt und sich soviel wie möglich durch seine, nach allen Seiten abstehenden Speere zu schützen sucht. Schließlich bildet die Jagdgenossenschaft einen Kreis um das Thier und seine Verfol- ger, und bei der grellen Beleuchtung der Fackeln wird es leicht, die Stachelschweine in der vorher- angegebenen Weise zu bewältigen und entweder zu tödten, oder lebend mit nach Hause zu nehmen.
Viele Jtaliener ziehen mit solchen gezähmten Thieren von Dorf zu Dorf, wie die Savoyarden mit den Murmelthieren, zeigen das auffallende Geschöpf dort für Geld, sich hierdurch freilich
Das gemeine Stachelſchwein.
und es dann mit Leichtigkeit forttragen, wenn er ſich nur einigermaßen vorſieht. Freilich biegt es ſich, wenn man herankommt, mit dem Kopfe zurück, hebt die Stacheln des Rückens vorwärts und rennt auch ein paar Schritte auf den Gegner los, allein ein vorgehaltener Stock wehrt die Lanzen des anrennenden Thieres leicht ab, und ein einziges großes Tuch genügt, um es zu entwaffnen. Jn der äußerſten Noth rollt ſich das Stachelſchwein wie ein Jgel zuſammen, und dann iſt es allerdings ſchwierig, es aufzuheben. Jm allgemeinen aber kann man ſagen, daß es, ſo furchtbar bewehrt es auch ſcheint, jedem geſchickten Feinde erliegt. Die Leoparden z. B. verſtehen es, wie ich oben be- reits mittheilte, meiſterhaft, ohne ſich den geringſten Schaden zuzufügen, mit einem einzigen Tatzen- ſchlag auf den Kopf, den armen Stachelhelden zu tödten.
Die geiſtigen Eigenſchaften unſeres Stachelſchweins ſind ebenſo gering, als die ſeiner Ver- wandten; man kann kaum von Verſtand reden, obgleich gewiſſe Begabung ſich nicht verkennen läßt. Unter den Sinnen dürfte der Geruch der entwickeltſte ſein; Geſicht und Gehör ſind ſtumpf.
Nach dem verſchiedenen Klima der Heimatsorte ändert ſich auch die Zeit der Paarung. Man kann annehmen, daß ſie überall in den Anfang des Frühlings fällt; in Nordafrika in den Januar, in Südeuropa in den April. Um dieſe Zeit ſuchen die Männchen ihre Weibchen auf und beide leben meh- rere Tage zuſammen. Sechzig bis ſiebzig Tage nach der Begattung wirft das Weibchen in ſeiner Höhle zwei bis vier Junge, auf ein ziemlich weiches und mit Blättern, Wurzeln und Kräutern aus- gepolſtertes Neſt. Die Thierchen kommen mit offenen Augen und kurzen, weichen, eng an den Körper anliegenden Stacheln zur Welt. Dieſe erhärten aber ſehr bald und wachſen außerordentlich raſch, wenn ſie auch ihre wahre Größe erſt mit dem höheren Alter erreichen. Sowie die Jungen nur einigermaßen fähig ſind, ſich ihre Nahrung zu erwerben, verlaſſen ſie die Mutter und machen ſich ſelbſtändig.
Man kann eigentlich nicht ſagen, daß das Stachelſchwein dem Menſchen Schaden bringt; denn es iſt nirgends häufig, und die Verwüſtungen, die es zeitweilig in den ſeiner Höhle nahe gelegenen Gärten anrichtet, kommen kaum in Betracht. Da, wo es lebt, hält es ſich ſoviel als möglich fern von den Menſchen, in den Einöden, und ſelten nur wird es deshalb läſtig. Gleichwohl wird es eifrig verfolgt. Die Stacheln finden vielfache Anwendung, und auch das Fleiſch wird hier und da benutzt. Man fängt den ungeſchickten Wanderer entweder in Schlagfallen, die man vor ſeiner Höhle aufſtellt, oder läßt ihn durch eingeübte Hunde bei ſeinen nächtlichen Ausgängen feſt machen und nimmt das verblüffte Thier dann einfach vom Boden auf, oder tödtet es vorher mit einem Schlage auf die Naſe. Jn der römiſchen Campagna gilt die Jagd des Stachelſchweins als ein beſonderes Vergnügen, und es läßt ſich auch gar nicht leugnen, daß die Art und Weiſe, wie man hier dem Thiere nachſtellt, etwas ganz Abſonderliches und Anziehendes hat. Das Stachelſchwein legt dort ſeine Höhlen am liebſten in den tiefen Gräben an, welche die Campagna durchziehen, und wenn es zur Nachtzeit aus- geht, ſtreift es ſelten weiter, als eben in der unmittelbarſten Nähe ſeiner Höhlen umher. Jn dunk- ler Nacht nun zieht man mit gut abgerichteten Hunden zur Jagd hinaus, bringt dieſe auf die Fährte des Thieres und läßt ſie ſuchen. Ein lautes, zorniges Bellen kündet, daß die Hunde einem der Stachelhelden auf den Leib gerückt ſind und zeigt zugleich die Gegend an, in welcher der Kampf zwiſchen beiden ſtattfindet — falls man überhaupt von Kampf reden kann. Jetzt zünden alle Jäger bereit gehaltene Fackeln an und nähern ſich damit dem Schauplatz. Sobald die Hunde die Ankunft ihrer Herren bemerken, heulen ſie laut vor Freude und gehen immer wüthender auf ihr Wildpret los. Das Stachelſchwein ſeinerſeits ſucht ſie zurückzutreiben, indem es in allen Tonarten raſſelt, grunzt und knurrt und ſich ſoviel wie möglich durch ſeine, nach allen Seiten abſtehenden Speere zu ſchützen ſucht. Schließlich bildet die Jagdgenoſſenſchaft einen Kreis um das Thier und ſeine Verfol- ger, und bei der grellen Beleuchtung der Fackeln wird es leicht, die Stachelſchweine in der vorher- angegebenen Weiſe zu bewältigen und entweder zu tödten, oder lebend mit nach Hauſe zu nehmen.
Viele Jtaliener ziehen mit ſolchen gezähmten Thieren von Dorf zu Dorf, wie die Savoyarden mit den Murmelthieren, zeigen das auffallende Geſchöpf dort für Geld, ſich hierdurch freilich
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[229/0247]
Das gemeine Stachelſchwein.
und es dann mit Leichtigkeit forttragen, wenn er ſich nur einigermaßen vorſieht. Freilich biegt es
ſich, wenn man herankommt, mit dem Kopfe zurück, hebt die Stacheln des Rückens vorwärts und
rennt auch ein paar Schritte auf den Gegner los, allein ein vorgehaltener Stock wehrt die Lanzen des
anrennenden Thieres leicht ab, und ein einziges großes Tuch genügt, um es zu entwaffnen. Jn der
äußerſten Noth rollt ſich das Stachelſchwein wie ein Jgel zuſammen, und dann iſt es allerdings
ſchwierig, es aufzuheben. Jm allgemeinen aber kann man ſagen, daß es, ſo furchtbar bewehrt es
auch ſcheint, jedem geſchickten Feinde erliegt. Die Leoparden z. B. verſtehen es, wie ich oben be-
reits mittheilte, meiſterhaft, ohne ſich den geringſten Schaden zuzufügen, mit einem einzigen Tatzen-
ſchlag auf den Kopf, den armen Stachelhelden zu tödten.
Die geiſtigen Eigenſchaften unſeres Stachelſchweins ſind ebenſo gering, als die ſeiner Ver-
wandten; man kann kaum von Verſtand reden, obgleich gewiſſe Begabung ſich nicht verkennen läßt.
Unter den Sinnen dürfte der Geruch der entwickeltſte ſein; Geſicht und Gehör ſind ſtumpf.
Nach dem verſchiedenen Klima der Heimatsorte ändert ſich auch die Zeit der Paarung. Man kann
annehmen, daß ſie überall in den Anfang des Frühlings fällt; in Nordafrika in den Januar, in
Südeuropa in den April. Um dieſe Zeit ſuchen die Männchen ihre Weibchen auf und beide leben meh-
rere Tage zuſammen. Sechzig bis ſiebzig Tage nach der Begattung wirft das Weibchen in ſeiner
Höhle zwei bis vier Junge, auf ein ziemlich weiches und mit Blättern, Wurzeln und Kräutern aus-
gepolſtertes Neſt. Die Thierchen kommen mit offenen Augen und kurzen, weichen, eng an den
Körper anliegenden Stacheln zur Welt. Dieſe erhärten aber ſehr bald und wachſen außerordentlich
raſch, wenn ſie auch ihre wahre Größe erſt mit dem höheren Alter erreichen. Sowie die Jungen
nur einigermaßen fähig ſind, ſich ihre Nahrung zu erwerben, verlaſſen ſie die Mutter und machen
ſich ſelbſtändig.
Man kann eigentlich nicht ſagen, daß das Stachelſchwein dem Menſchen Schaden bringt; denn
es iſt nirgends häufig, und die Verwüſtungen, die es zeitweilig in den ſeiner Höhle nahe gelegenen
Gärten anrichtet, kommen kaum in Betracht. Da, wo es lebt, hält es ſich ſoviel als möglich fern
von den Menſchen, in den Einöden, und ſelten nur wird es deshalb läſtig. Gleichwohl wird es
eifrig verfolgt. Die Stacheln finden vielfache Anwendung, und auch das Fleiſch wird hier und da
benutzt. Man fängt den ungeſchickten Wanderer entweder in Schlagfallen, die man vor ſeiner Höhle
aufſtellt, oder läßt ihn durch eingeübte Hunde bei ſeinen nächtlichen Ausgängen feſt machen und nimmt
das verblüffte Thier dann einfach vom Boden auf, oder tödtet es vorher mit einem Schlage auf die
Naſe. Jn der römiſchen Campagna gilt die Jagd des Stachelſchweins als ein beſonderes Vergnügen,
und es läßt ſich auch gar nicht leugnen, daß die Art und Weiſe, wie man hier dem Thiere nachſtellt,
etwas ganz Abſonderliches und Anziehendes hat. Das Stachelſchwein legt dort ſeine Höhlen am
liebſten in den tiefen Gräben an, welche die Campagna durchziehen, und wenn es zur Nachtzeit aus-
geht, ſtreift es ſelten weiter, als eben in der unmittelbarſten Nähe ſeiner Höhlen umher. Jn dunk-
ler Nacht nun zieht man mit gut abgerichteten Hunden zur Jagd hinaus, bringt dieſe auf die Fährte
des Thieres und läßt ſie ſuchen. Ein lautes, zorniges Bellen kündet, daß die Hunde einem der
Stachelhelden auf den Leib gerückt ſind und zeigt zugleich die Gegend an, in welcher der Kampf
zwiſchen beiden ſtattfindet — falls man überhaupt von Kampf reden kann. Jetzt zünden alle Jäger
bereit gehaltene Fackeln an und nähern ſich damit dem Schauplatz. Sobald die Hunde die Ankunft
ihrer Herren bemerken, heulen ſie laut vor Freude und gehen immer wüthender auf ihr Wildpret
los. Das Stachelſchwein ſeinerſeits ſucht ſie zurückzutreiben, indem es in allen Tonarten raſſelt,
grunzt und knurrt und ſich ſoviel wie möglich durch ſeine, nach allen Seiten abſtehenden Speere zu
ſchützen ſucht. Schließlich bildet die Jagdgenoſſenſchaft einen Kreis um das Thier und ſeine Verfol-
ger, und bei der grellen Beleuchtung der Fackeln wird es leicht, die Stachelſchweine in der vorher-
angegebenen Weiſe zu bewältigen und entweder zu tödten, oder lebend mit nach Hauſe zu nehmen.
Viele Jtaliener ziehen mit ſolchen gezähmten Thieren von Dorf zu Dorf, wie die Savoyarden
mit den Murmelthieren, zeigen das auffallende Geſchöpf dort für Geld, ſich hierdurch freilich
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/247>, abgerufen am 27.11.2024.
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