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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Stachelschweine. -- Der merikanische Greifstachler.
Sie stecken so lose in der Haut, daß sie bei der geringsten Berührung ausfallen; wenn man mit der
Hand einmal über das Fell streicht, reißt man Dutzende aus, von denen regelmäßig einige in der
Hand stecken bleiben.

Ueber das Freileben der Greifstachler und aller übrigen Kletterstachelschweine sind die Nach-
richten sehr dürftig. Das Meiste wissen wir noch über eine nah verwandte Art, den Cuiy der Gua-
ranis: über ihn haben uns Azara, Rengger, Prinz von Wied und Burmeister Mittheilungen
gemacht. Er ist über ganz Brasilien und die südlich davon gelegenen Länder bis Paraguay, verbreitet,
aller Orten bekannt, jedoch nirgends gemein. Seinen Aufenthalt wählt er sich vorzugsweise in
hohen Waldungen; doch trifft man ihn auch in Gegenden an, welche mit Gestrüpp bewachsen sind.
Den größten Theil des Jahres lebt er allein und zwar in einem bestimmten Gebiete, immer auf
Bäumen, in deren Gezweig er sich geschickt bewegt. Während des Tages ruht er in zusammenge-
kugelter Stellung, in einer Astgabel sitzend, nachts schweift er umher, indem er langsam und bedächtig,
aber sicher klettert. Seine Stellung auf dem Baume ist eigenthümlich; er sitzt, wie ich an meinem

[Abbildung] Der merikanische Greifstachler (Sphiggurus novae hispanise).
Gefangenen sah, auf den Hinterfüßen, hält die Vorderfüße dicht neben diese, manchmal umgebogen,
so daß er mit den Handrücken sich stützt; der Kopf wird dabei senkrecht nach abwärts gerichtet, der
Schwanz gerade ausgestreckt, nach oben hakig umgebogen. Gewöhnlich versichert er sich durch den
Greifschwanz, welchen er um einen Ast schlägt, in seiner Lage. Er sitzt aber auch ohnedies sehr fest
auf den dünnsten Zweigen, weil die breiten, nach innen gewölbten Hände zu einem sicheren Anhalt
sehr geeignet sind. Jm Klettern drückt er die breiten fleischigen Sohlen fest an die Aeste und um-
klammert sie mit dem Handballen. Bei Tage bewegt er sich höchst ungern, ungestört wohl nie-
mals; bringt man ihn aber ins Freie, so läuft er schwankenden Ganges dem ersten besten Baume zu,
klettert an diesem rasch genug in die Höhe und wählt sich im Gezweig eine schattige Stelle aus, um
dort sich zu verbergen, beginnt auch wohl zu fressen. Wenn er von einem Aste zu einem zweiten, ent-
fernter stehenden gelangen will, hält er sich mit beiden Hinterfüßen und dem Schwanze fest, streckt den
Körper wagrecht vor sich und versucht mit den Vorderhänden, den ins Auge gefaßten Zweig zu
ergreifen. Jn dieser Stellung, welche eine große Kraft erfordert, kann er minutenlang verweilen,
sich auch mit ziemlicher Leichtigkeit seitlich hin und her bewegen. Sobald er den Ast mit den Vorder-

Die Stachelſchweine. — Der merikaniſche Greifſtachler.
Sie ſtecken ſo loſe in der Haut, daß ſie bei der geringſten Berührung ausfallen; wenn man mit der
Hand einmal über das Fell ſtreicht, reißt man Dutzende aus, von denen regelmäßig einige in der
Hand ſtecken bleiben.

Ueber das Freileben der Greifſtachler und aller übrigen Kletterſtachelſchweine ſind die Nach-
richten ſehr dürftig. Das Meiſte wiſſen wir noch über eine nah verwandte Art, den Cuiy der Gua-
ranis: über ihn haben uns Azara, Rengger, Prinz von Wied und Burmeiſter Mittheilungen
gemacht. Er iſt über ganz Braſilien und die ſüdlich davon gelegenen Länder bis Paraguay, verbreitet,
aller Orten bekannt, jedoch nirgends gemein. Seinen Aufenthalt wählt er ſich vorzugsweiſe in
hohen Waldungen; doch trifft man ihn auch in Gegenden an, welche mit Geſtrüpp bewachſen ſind.
Den größten Theil des Jahres lebt er allein und zwar in einem beſtimmten Gebiete, immer auf
Bäumen, in deren Gezweig er ſich geſchickt bewegt. Während des Tages ruht er in zuſammenge-
kugelter Stellung, in einer Aſtgabel ſitzend, nachts ſchweift er umher, indem er langſam und bedächtig,
aber ſicher klettert. Seine Stellung auf dem Baume iſt eigenthümlich; er ſitzt, wie ich an meinem

[Abbildung] Der merikaniſche Greifſtachler (Sphiggurus novae hispanise).
Gefangenen ſah, auf den Hinterfüßen, hält die Vorderfüße dicht neben dieſe, manchmal umgebogen,
ſo daß er mit den Handrücken ſich ſtützt; der Kopf wird dabei ſenkrecht nach abwärts gerichtet, der
Schwanz gerade ausgeſtreckt, nach oben hakig umgebogen. Gewöhnlich verſichert er ſich durch den
Greifſchwanz, welchen er um einen Aſt ſchlägt, in ſeiner Lage. Er ſitzt aber auch ohnedies ſehr feſt
auf den dünnſten Zweigen, weil die breiten, nach innen gewölbten Hände zu einem ſicheren Anhalt
ſehr geeignet ſind. Jm Klettern drückt er die breiten fleiſchigen Sohlen feſt an die Aeſte und um-
klammert ſie mit dem Handballen. Bei Tage bewegt er ſich höchſt ungern, ungeſtört wohl nie-
mals; bringt man ihn aber ins Freie, ſo läuft er ſchwankenden Ganges dem erſten beſten Baume zu,
klettert an dieſem raſch genug in die Höhe und wählt ſich im Gezweig eine ſchattige Stelle aus, um
dort ſich zu verbergen, beginnt auch wohl zu freſſen. Wenn er von einem Aſte zu einem zweiten, ent-
fernter ſtehenden gelangen will, hält er ſich mit beiden Hinterfüßen und dem Schwanze feſt, ſtreckt den
Körper wagrecht vor ſich und verſucht mit den Vorderhänden, den ins Auge gefaßten Zweig zu
ergreifen. Jn dieſer Stellung, welche eine große Kraft erfordert, kann er minutenlang verweilen,
ſich auch mit ziemlicher Leichtigkeit ſeitlich hin und her bewegen. Sobald er den Aſt mit den Vorder-

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[216/0234] Die Stachelſchweine. — Der merikaniſche Greifſtachler. Sie ſtecken ſo loſe in der Haut, daß ſie bei der geringſten Berührung ausfallen; wenn man mit der Hand einmal über das Fell ſtreicht, reißt man Dutzende aus, von denen regelmäßig einige in der Hand ſtecken bleiben. Ueber das Freileben der Greifſtachler und aller übrigen Kletterſtachelſchweine ſind die Nach- richten ſehr dürftig. Das Meiſte wiſſen wir noch über eine nah verwandte Art, den Cuiy der Gua- ranis: über ihn haben uns Azara, Rengger, Prinz von Wied und Burmeiſter Mittheilungen gemacht. Er iſt über ganz Braſilien und die ſüdlich davon gelegenen Länder bis Paraguay, verbreitet, aller Orten bekannt, jedoch nirgends gemein. Seinen Aufenthalt wählt er ſich vorzugsweiſe in hohen Waldungen; doch trifft man ihn auch in Gegenden an, welche mit Geſtrüpp bewachſen ſind. Den größten Theil des Jahres lebt er allein und zwar in einem beſtimmten Gebiete, immer auf Bäumen, in deren Gezweig er ſich geſchickt bewegt. Während des Tages ruht er in zuſammenge- kugelter Stellung, in einer Aſtgabel ſitzend, nachts ſchweift er umher, indem er langſam und bedächtig, aber ſicher klettert. Seine Stellung auf dem Baume iſt eigenthümlich; er ſitzt, wie ich an meinem [Abbildung Der merikaniſche Greifſtachler (Sphiggurus novae hispanise).] Gefangenen ſah, auf den Hinterfüßen, hält die Vorderfüße dicht neben dieſe, manchmal umgebogen, ſo daß er mit den Handrücken ſich ſtützt; der Kopf wird dabei ſenkrecht nach abwärts gerichtet, der Schwanz gerade ausgeſtreckt, nach oben hakig umgebogen. Gewöhnlich verſichert er ſich durch den Greifſchwanz, welchen er um einen Aſt ſchlägt, in ſeiner Lage. Er ſitzt aber auch ohnedies ſehr feſt auf den dünnſten Zweigen, weil die breiten, nach innen gewölbten Hände zu einem ſicheren Anhalt ſehr geeignet ſind. Jm Klettern drückt er die breiten fleiſchigen Sohlen feſt an die Aeſte und um- klammert ſie mit dem Handballen. Bei Tage bewegt er ſich höchſt ungern, ungeſtört wohl nie- mals; bringt man ihn aber ins Freie, ſo läuft er ſchwankenden Ganges dem erſten beſten Baume zu, klettert an dieſem raſch genug in die Höhe und wählt ſich im Gezweig eine ſchattige Stelle aus, um dort ſich zu verbergen, beginnt auch wohl zu freſſen. Wenn er von einem Aſte zu einem zweiten, ent- fernter ſtehenden gelangen will, hält er ſich mit beiden Hinterfüßen und dem Schwanze feſt, ſtreckt den Körper wagrecht vor ſich und verſucht mit den Vorderhänden, den ins Auge gefaßten Zweig zu ergreifen. Jn dieſer Stellung, welche eine große Kraft erfordert, kann er minutenlang verweilen, ſich auch mit ziemlicher Leichtigkeit ſeitlich hin und her bewegen. Sobald er den Aſt mit den Vorder-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/234>, abgerufen am 27.11.2024.