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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Wüstenspringmäuse. -- Die egyptische Springmaus.
Mittagsglut der afrikanischen Sonne, die wahrhaft bewunderungswürdig ist; denn man muß wissen,
daß kaum ein einziges anderes Thier um diese Zeit in der Wüste sich bewegt, weil die Glut auch den
eingeborenen Kindern jener erhabenen Landschaft geradezu unerträglich wird. Gegen die Kälte und
Nässe ist unser Thierchen im höchsten Grade empfindlich; es bleibt dann stets in seinem Baue ver-
borgen und verfällt wohl auch zeitweilig in eine Erstarrung, welche an den Winterschlaf der nördlichen
Thiere erinnert.

Ueber die Fortpflanzung der Wüstenmaus ist nichts Sicheres bekannt. Die Araber erzählten
mir, sie baue sich in einem tieferen Kessel ihrer Höhle ein Nest und kleide dasselbe wie die Kaninchen
mit Haaren ihres Unterleibes aus, und darin finde man zwei bis vier Junge: -- ob Dies richtig ist,
wage ich nicht zu behaupten; doch muß ich bemerken, daß jedenfalls die Araber diejenigen Leute sind,
welche das Thier noch am besten kennen. Sie stellen ihm, weil sie das Fleisch genießen und ziemlich
hoch schätzen, eifrig nach und fangen es ohne sonderliche Mühe lebendig, oder erschlagen es beim
Herauskommen aus den Bauen. Die Jagdweise jener Leute ist sehr einfach. Sie begeben sich mit
einem langen und starken Stock nach einer Ansiedelung der Springmäuse, verstopfen den größten
Theil der Röhren und graben nun einen Gang nach dem anderen auf, indem sie ihren starken Stock
in den Gang stecken und dessen Decke aufbrechen. Die geängstigten Wüstenmäuse drängen sich nach
dem innersten Kessel zurück oder fahren durch eine Fluchtröhre nach außen und dann in ein vorgestelltes
Netz oder selbst einfach in den Aermel des Obergewandes, welches die Araber vorgelegt haben. So
können zuweilen zehn bis zwanzig Stück auf ein Mal gefangen werden; wenigstens macht es gar keine
Mühe, eine solche Anzahl lebend zu erhalten. Die Araber bringen auf Verlangen soviel Spring-
mäuse, als man haben will.

Außer dem Menschen haben die Thiere wenig andere Feinde. Der Fennek und der Karakal
sind vielleicht die schlimmsten Räuber, welche dem harmlosen Geschöpfe auflauern. Wahrscheinlich ist
der ärgste und furchtbarste Feind der Springmäuse die egyptische Brillenschlange (Uraeus
Haye
), die bekannte Giftschlange Afrikas, welche auf allen egyptischen Tempeln sich zeigt, welche
schon Moses zu seinen Gaukeleien gebrauchte, wie sie die heutigen egyptischen Gaukler noch zu
allerlei Kunststückchen benutzen, neben der Puffotter (Echidna arietans) die furchtbarste Schlange
ganz Afrikas. Jene Giftnatter lebt ganz an ähnlichen Orten wie die Springmäuse und ist keines-
wegs selten, sondern in manchen Gegenden geradezu furchterweckend häufig. Sie dringt mit Leichtig-
keit in die Gänge ein, welche die Springmäuse sich graben, und tödtet natürlich mit einem einzigen
Bisse die wehrlosen Jnwohner der Höhlen. Es ist gar nicht unwahrscheinlich, daß dieses Thier, wie
die Klapperschlange in Nordamerika die Ansiedelungen des Prairiehundes, die Baue der Spring-
mäuse gänzlich entvölkert, so daß sie zuletzt alleiniger Bewohner derselben bleibt.

Die naturkundigen Europäer, welche in Egypten und Algerien wohnen, halten die Spring-
maus oft in der Gefangenschaft. Jch kann aus eigener Erfahrung versichern, daß das Thier im
Käfig oder im Zimmer viel Freude mache. Während meines Aufenthaltes in Afrika brachte man
mir oft 10 bis 12 Springmäuse auf ein Mal. Jch räumte solchen Gesellschaften dann eine große
Kammer ein, um ihre Bewegungen beobachten zu können. Vom ersten Augenblick an zeigten sich die
Springmäuse harmlos und zutraulich. Ohne Umstände ließen sie sich berühren; sie machten gar nicht
Miene, dem Menschen auszuweichen. Wenn man in ihrem Zimmer umherging, mußte man sich
in Acht nehmen, sie nicht zu treten, so ruhig blieben sie sitzen, wenn man auf sie zukam.

Unter sich sind die Springmäuse auch in der Gefangenschaft bewunderungswürdig friedlich und
gesellig. Sie schmiegen sich dicht an einander an und verschlingen sich förmlich zuweilen in einander,
namentlich wenn es am Morgen kühl ist; denn schon die geringste Abnahme der Wärme wird ihnen
auffallend und lästig. Trockne Körner, Reis, Möhren, Rüben, andere Wurzeln und manche Früchte
scheinen ihnen besonders zu behagen. Auch Kohl und Kraut, selbst Blumen-, z. B. Rosenblätter,
fressen sie gern; allein man kann sie mit ausschließlich saftigen Pflanzen nicht erhalten. Sie sind an
dürftige und dürre Kost gewöhnt. Wenn ihnen trockne Nahrung gänzlich fehlt, werden sie traurig

Die Wüſtenſpringmäuſe. — Die egyptiſche Springmaus.
Mittagsglut der afrikaniſchen Sonne, die wahrhaft bewunderungswürdig iſt; denn man muß wiſſen,
daß kaum ein einziges anderes Thier um dieſe Zeit in der Wüſte ſich bewegt, weil die Glut auch den
eingeborenen Kindern jener erhabenen Landſchaft geradezu unerträglich wird. Gegen die Kälte und
Näſſe iſt unſer Thierchen im höchſten Grade empfindlich; es bleibt dann ſtets in ſeinem Baue ver-
borgen und verfällt wohl auch zeitweilig in eine Erſtarrung, welche an den Winterſchlaf der nördlichen
Thiere erinnert.

Ueber die Fortpflanzung der Wüſtenmaus iſt nichts Sicheres bekannt. Die Araber erzählten
mir, ſie baue ſich in einem tieferen Keſſel ihrer Höhle ein Neſt und kleide daſſelbe wie die Kaninchen
mit Haaren ihres Unterleibes aus, und darin finde man zwei bis vier Junge: — ob Dies richtig iſt,
wage ich nicht zu behaupten; doch muß ich bemerken, daß jedenfalls die Araber diejenigen Leute ſind,
welche das Thier noch am beſten kennen. Sie ſtellen ihm, weil ſie das Fleiſch genießen und ziemlich
hoch ſchätzen, eifrig nach und fangen es ohne ſonderliche Mühe lebendig, oder erſchlagen es beim
Herauskommen aus den Bauen. Die Jagdweiſe jener Leute iſt ſehr einfach. Sie begeben ſich mit
einem langen und ſtarken Stock nach einer Anſiedelung der Springmäuſe, verſtopfen den größten
Theil der Röhren und graben nun einen Gang nach dem anderen auf, indem ſie ihren ſtarken Stock
in den Gang ſtecken und deſſen Decke aufbrechen. Die geängſtigten Wüſtenmäuſe drängen ſich nach
dem innerſten Keſſel zurück oder fahren durch eine Fluchtröhre nach außen und dann in ein vorgeſtelltes
Netz oder ſelbſt einfach in den Aermel des Obergewandes, welches die Araber vorgelegt haben. So
können zuweilen zehn bis zwanzig Stück auf ein Mal gefangen werden; wenigſtens macht es gar keine
Mühe, eine ſolche Anzahl lebend zu erhalten. Die Araber bringen auf Verlangen ſoviel Spring-
mäuſe, als man haben will.

Außer dem Menſchen haben die Thiere wenig andere Feinde. Der Fennek und der Karakal
ſind vielleicht die ſchlimmſten Räuber, welche dem harmloſen Geſchöpfe auflauern. Wahrſcheinlich iſt
der ärgſte und furchtbarſte Feind der Springmäuſe die egyptiſche Brillenſchlange (Uraeus
Haye
), die bekannte Giftſchlange Afrikas, welche auf allen egyptiſchen Tempeln ſich zeigt, welche
ſchon Moſes zu ſeinen Gaukeleien gebrauchte, wie ſie die heutigen egyptiſchen Gaukler noch zu
allerlei Kunſtſtückchen benutzen, neben der Puffotter (Echidna arietans) die furchtbarſte Schlange
ganz Afrikas. Jene Giftnatter lebt ganz an ähnlichen Orten wie die Springmäuſe und iſt keines-
wegs ſelten, ſondern in manchen Gegenden geradezu furchterweckend häufig. Sie dringt mit Leichtig-
keit in die Gänge ein, welche die Springmäuſe ſich graben, und tödtet natürlich mit einem einzigen
Biſſe die wehrloſen Jnwohner der Höhlen. Es iſt gar nicht unwahrſcheinlich, daß dieſes Thier, wie
die Klapperſchlange in Nordamerika die Anſiedelungen des Prairiehundes, die Baue der Spring-
mäuſe gänzlich entvölkert, ſo daß ſie zuletzt alleiniger Bewohner derſelben bleibt.

Die naturkundigen Europäer, welche in Egypten und Algerien wohnen, halten die Spring-
maus oft in der Gefangenſchaft. Jch kann aus eigener Erfahrung verſichern, daß das Thier im
Käfig oder im Zimmer viel Freude mache. Während meines Aufenthaltes in Afrika brachte man
mir oft 10 bis 12 Springmäuſe auf ein Mal. Jch räumte ſolchen Geſellſchaften dann eine große
Kammer ein, um ihre Bewegungen beobachten zu können. Vom erſten Augenblick an zeigten ſich die
Springmäuſe harmlos und zutraulich. Ohne Umſtände ließen ſie ſich berühren; ſie machten gar nicht
Miene, dem Menſchen auszuweichen. Wenn man in ihrem Zimmer umherging, mußte man ſich
in Acht nehmen, ſie nicht zu treten, ſo ruhig blieben ſie ſitzen, wenn man auf ſie zukam.

Unter ſich ſind die Springmäuſe auch in der Gefangenſchaft bewunderungswürdig friedlich und
geſellig. Sie ſchmiegen ſich dicht an einander an und verſchlingen ſich förmlich zuweilen in einander,
namentlich wenn es am Morgen kühl iſt; denn ſchon die geringſte Abnahme der Wärme wird ihnen
auffallend und läſtig. Trockne Körner, Reis, Möhren, Rüben, andere Wurzeln und manche Früchte
ſcheinen ihnen beſonders zu behagen. Auch Kohl und Kraut, ſelbſt Blumen-, z. B. Roſenblätter,
freſſen ſie gern; allein man kann ſie mit ausſchließlich ſaftigen Pflanzen nicht erhalten. Sie ſind an
dürftige und dürre Koſt gewöhnt. Wenn ihnen trockne Nahrung gänzlich fehlt, werden ſie traurig

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[184/0200] Die Wüſtenſpringmäuſe. — Die egyptiſche Springmaus. Mittagsglut der afrikaniſchen Sonne, die wahrhaft bewunderungswürdig iſt; denn man muß wiſſen, daß kaum ein einziges anderes Thier um dieſe Zeit in der Wüſte ſich bewegt, weil die Glut auch den eingeborenen Kindern jener erhabenen Landſchaft geradezu unerträglich wird. Gegen die Kälte und Näſſe iſt unſer Thierchen im höchſten Grade empfindlich; es bleibt dann ſtets in ſeinem Baue ver- borgen und verfällt wohl auch zeitweilig in eine Erſtarrung, welche an den Winterſchlaf der nördlichen Thiere erinnert. Ueber die Fortpflanzung der Wüſtenmaus iſt nichts Sicheres bekannt. Die Araber erzählten mir, ſie baue ſich in einem tieferen Keſſel ihrer Höhle ein Neſt und kleide daſſelbe wie die Kaninchen mit Haaren ihres Unterleibes aus, und darin finde man zwei bis vier Junge: — ob Dies richtig iſt, wage ich nicht zu behaupten; doch muß ich bemerken, daß jedenfalls die Araber diejenigen Leute ſind, welche das Thier noch am beſten kennen. Sie ſtellen ihm, weil ſie das Fleiſch genießen und ziemlich hoch ſchätzen, eifrig nach und fangen es ohne ſonderliche Mühe lebendig, oder erſchlagen es beim Herauskommen aus den Bauen. Die Jagdweiſe jener Leute iſt ſehr einfach. Sie begeben ſich mit einem langen und ſtarken Stock nach einer Anſiedelung der Springmäuſe, verſtopfen den größten Theil der Röhren und graben nun einen Gang nach dem anderen auf, indem ſie ihren ſtarken Stock in den Gang ſtecken und deſſen Decke aufbrechen. Die geängſtigten Wüſtenmäuſe drängen ſich nach dem innerſten Keſſel zurück oder fahren durch eine Fluchtröhre nach außen und dann in ein vorgeſtelltes Netz oder ſelbſt einfach in den Aermel des Obergewandes, welches die Araber vorgelegt haben. So können zuweilen zehn bis zwanzig Stück auf ein Mal gefangen werden; wenigſtens macht es gar keine Mühe, eine ſolche Anzahl lebend zu erhalten. Die Araber bringen auf Verlangen ſoviel Spring- mäuſe, als man haben will. Außer dem Menſchen haben die Thiere wenig andere Feinde. Der Fennek und der Karakal ſind vielleicht die ſchlimmſten Räuber, welche dem harmloſen Geſchöpfe auflauern. Wahrſcheinlich iſt der ärgſte und furchtbarſte Feind der Springmäuſe die egyptiſche Brillenſchlange (Uraeus Haye), die bekannte Giftſchlange Afrikas, welche auf allen egyptiſchen Tempeln ſich zeigt, welche ſchon Moſes zu ſeinen Gaukeleien gebrauchte, wie ſie die heutigen egyptiſchen Gaukler noch zu allerlei Kunſtſtückchen benutzen, neben der Puffotter (Echidna arietans) die furchtbarſte Schlange ganz Afrikas. Jene Giftnatter lebt ganz an ähnlichen Orten wie die Springmäuſe und iſt keines- wegs ſelten, ſondern in manchen Gegenden geradezu furchterweckend häufig. Sie dringt mit Leichtig- keit in die Gänge ein, welche die Springmäuſe ſich graben, und tödtet natürlich mit einem einzigen Biſſe die wehrloſen Jnwohner der Höhlen. Es iſt gar nicht unwahrſcheinlich, daß dieſes Thier, wie die Klapperſchlange in Nordamerika die Anſiedelungen des Prairiehundes, die Baue der Spring- mäuſe gänzlich entvölkert, ſo daß ſie zuletzt alleiniger Bewohner derſelben bleibt. Die naturkundigen Europäer, welche in Egypten und Algerien wohnen, halten die Spring- maus oft in der Gefangenſchaft. Jch kann aus eigener Erfahrung verſichern, daß das Thier im Käfig oder im Zimmer viel Freude mache. Während meines Aufenthaltes in Afrika brachte man mir oft 10 bis 12 Springmäuſe auf ein Mal. Jch räumte ſolchen Geſellſchaften dann eine große Kammer ein, um ihre Bewegungen beobachten zu können. Vom erſten Augenblick an zeigten ſich die Springmäuſe harmlos und zutraulich. Ohne Umſtände ließen ſie ſich berühren; ſie machten gar nicht Miene, dem Menſchen auszuweichen. Wenn man in ihrem Zimmer umherging, mußte man ſich in Acht nehmen, ſie nicht zu treten, ſo ruhig blieben ſie ſitzen, wenn man auf ſie zukam. Unter ſich ſind die Springmäuſe auch in der Gefangenſchaft bewunderungswürdig friedlich und geſellig. Sie ſchmiegen ſich dicht an einander an und verſchlingen ſich förmlich zuweilen in einander, namentlich wenn es am Morgen kühl iſt; denn ſchon die geringſte Abnahme der Wärme wird ihnen auffallend und läſtig. Trockne Körner, Reis, Möhren, Rüben, andere Wurzeln und manche Früchte ſcheinen ihnen beſonders zu behagen. Auch Kohl und Kraut, ſelbſt Blumen-, z. B. Roſenblätter, freſſen ſie gern; allein man kann ſie mit ausſchließlich ſaftigen Pflanzen nicht erhalten. Sie ſind an dürftige und dürre Koſt gewöhnt. Wenn ihnen trockne Nahrung gänzlich fehlt, werden ſie traurig

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/200>, abgerufen am 24.11.2024.