reicht sie bis Mittelnubien, woselbst der Verbreitungskreis einer andern ähnlichen Art beginnt. Ossene, trockene Ebenen, Steppen und Sandwüsten sind ihre Wohnplätze; sie bevölkert die dürrsten und traurigsten Landschaften, sie bewohnt Orte, welche kaum die Möglichkeit zum Leben zu bieten scheinen.
Auf jenen traurigen Flächen, welche mit dem scharfschneidigen Riedgrase, der Halfa (Poa cynosuroides) bedeckt sind, findet man sie zuweilen in größeren Gesellschaften. Sie theilt diese Orte mit dem Wüstenhuhn, der kleinen Wüstenlerche und dem isabellfarbenen Läufer, und man begreift kaum, daß auch sie dort Nahrung findet, wo jene, die neben dem Gesäme doch auch viele Kerbthiere fressen, sich nur dürftig ernähren. Jn dem harten Kiesboden gräbt sie sich viel verzweigte, aber ziemlich seichte Gänge, in welche sie sich bei der geringsten Gefahr zurückzieht. Nach den Ver- sicherungen der Araber arbeitet der ganze Trupp an dieser unterirdischen Wohnung. Die Thiere graben mit den scharfen Nägeln ihrer Vorderfüße und benutzen wohl auch die Nagezähne, wenn es gilt, den harten Kiesboden zu durchbrechen. Sie sollen hier und da selbst in dem Lehmgemäuer alter verlassener Gebäude ihre Wohnungen aufschlagen.
Trotz ihrer Häufigkeit gewahrt man die schmucken Geschöpfe ziemlich selten. Man kann nicht gerade sagen, daß sie sehr scheu wären, aber sie sind unruhig und furchtsam und eilen bei dem geringsten Geräusch und beim Anblick eines fremden Gegenstandes schleunigst nach ihren Löchern. Auch werden sie nur in geringer Entfernung wahrgenommen, weil ihre Färbung der des Sandes vollständig gleicht und man schon ziemlich nahe herankommen muß, ehe man sie bemerkt, während ihre scharfen Sinne ihnen die Ankunft des Menschen schon auf große Entfernungen hin wahrnehmen lassen. Man darf wohl sagen, daß es schwerlich ein anmuthigeres Geschöpf geben kann, als diese Springmaus. So sonderbar und scheinbar mißgestaltet sie aussehen, wenn man sie todt in der Hand hat oder regungslos sitzen sieht, so zierlich nehmen sie sich aus, wenn sie in Bewegung kommen. Erst dann zeigen sie sich als echte Kinder der Wüste; erst dann lassen sie ihre herrlichen Fähigkeiten erkennen. Sie scheinen förmlich zu Vögeln zu werden. Jhre Bewegungen erfolgen mit einer Schnelligkeit, die geradezu ans Unglaubliche grenzt. Bei ruhigem Gange setzen sie ein Bein vor das andere und laufen sehr rasch dahin; bei großer Eile jagen sie in Sprungschritten davon, welche sie so schnell fördern, daß ihre Bewegung dann dem Fluge eines Vogels gleicht; denn ein Sprung folgt so rasch auf den andern, daß man kaum den neuen Ansatz wahrnimmt. Dabei tragen die Spring- mäuse ihren Leib weniger nach vorn übergebogen, als sonst, die Hände mit den Krallen gegen ein- ander gelegt nach vorn vorgestreckt, den Schwanz aber zur Erhaltung des Gleichgewichts gerade nach hinten gerichtet. Sobald man das Thier aus einiger Entfernung laufen sieht, glaubt man einen pfeilartig durch die Luft schießenden Gegenstand zu gewahren. Kein Mensch ist im Stande, einer im vollen Laufe begriffenen Springmaus nachzukommen, ja, der sicherste Schütz muß sich gewaltig zusammennehmen, will er sie im Laufe erlegen. Sogar in einem eingeschlossenen Raume bewegt sich das zierliche Thierchen noch so schnell, daß ein Jagdhund es kaum einholen kann. Bruce erzählt, daß sein Windhund sich eine Viertelstunde abhetzen mußte, ehe er Herr über seinen gewandten und schnellen Gegner wurde.
Fühlt sich die Springmaus ungestört und sicher, so sitzt sie aufrecht auf dem Hintertheile wie ein Kängurn, oft auf den Schwanz gestützt, die Vorderpfoten an die Brust gelegt, ganz wie die Springbentelthiere es auch zu thun pflegen. Sie weidet in ähnlicher Weise wie die Kängurus; doch gräbt sie mehr nach Knollen und Wurzeln, welche wohl ihre Hauptnahrung zu bilden scheinen. Außerdem verzehrt sie mancherlei Blätter, Früchte und Samen, ja sie soll selbst Aas angehen oder wenigstens den Kerbthieren gierig nachstellen. Das behauptet ganz neuerdings wieder Heuglin, welcher als trefflicher Beobachter bekannt ist.
Obgleich die Wüstenmaus ein echtes Nachtthier ist und ihre Wanderung erst nach Sonnen- untergang beginnt, sieht man sie doch auch zuweilen im hellsten Sonnenschein, ja, selbst während der größten Hitze vor ihren Bauen sitzen und spielen. Sie zeigt dann eine Gleichgiltigkeit gegen die
Die egyptiſche Springmaus.
reicht ſie bis Mittelnubien, woſelbſt der Verbreitungskreis einer andern ähnlichen Art beginnt. Oſſene, trockene Ebenen, Steppen und Sandwüſten ſind ihre Wohnplätze; ſie bevölkert die dürrſten und traurigſten Landſchaften, ſie bewohnt Orte, welche kaum die Möglichkeit zum Leben zu bieten ſcheinen.
Auf jenen traurigen Flächen, welche mit dem ſcharfſchneidigen Riedgraſe, der Halfa (Poa cynosuroides) bedeckt ſind, findet man ſie zuweilen in größeren Geſellſchaften. Sie theilt dieſe Orte mit dem Wüſtenhuhn, der kleinen Wüſtenlerche und dem iſabellfarbenen Läufer, und man begreift kaum, daß auch ſie dort Nahrung findet, wo jene, die neben dem Geſäme doch auch viele Kerbthiere freſſen, ſich nur dürftig ernähren. Jn dem harten Kiesboden gräbt ſie ſich viel verzweigte, aber ziemlich ſeichte Gänge, in welche ſie ſich bei der geringſten Gefahr zurückzieht. Nach den Ver- ſicherungen der Araber arbeitet der ganze Trupp an dieſer unterirdiſchen Wohnung. Die Thiere graben mit den ſcharfen Nägeln ihrer Vorderfüße und benutzen wohl auch die Nagezähne, wenn es gilt, den harten Kiesboden zu durchbrechen. Sie ſollen hier und da ſelbſt in dem Lehmgemäuer alter verlaſſener Gebäude ihre Wohnungen aufſchlagen.
Trotz ihrer Häufigkeit gewahrt man die ſchmucken Geſchöpfe ziemlich ſelten. Man kann nicht gerade ſagen, daß ſie ſehr ſcheu wären, aber ſie ſind unruhig und furchtſam und eilen bei dem geringſten Geräuſch und beim Anblick eines fremden Gegenſtandes ſchleunigſt nach ihren Löchern. Auch werden ſie nur in geringer Entfernung wahrgenommen, weil ihre Färbung der des Sandes vollſtändig gleicht und man ſchon ziemlich nahe herankommen muß, ehe man ſie bemerkt, während ihre ſcharfen Sinne ihnen die Ankunft des Menſchen ſchon auf große Entfernungen hin wahrnehmen laſſen. Man darf wohl ſagen, daß es ſchwerlich ein anmuthigeres Geſchöpf geben kann, als dieſe Springmaus. So ſonderbar und ſcheinbar mißgeſtaltet ſie ausſehen, wenn man ſie todt in der Hand hat oder regungslos ſitzen ſieht, ſo zierlich nehmen ſie ſich aus, wenn ſie in Bewegung kommen. Erſt dann zeigen ſie ſich als echte Kinder der Wüſte; erſt dann laſſen ſie ihre herrlichen Fähigkeiten erkennen. Sie ſcheinen förmlich zu Vögeln zu werden. Jhre Bewegungen erfolgen mit einer Schnelligkeit, die geradezu ans Unglaubliche grenzt. Bei ruhigem Gange ſetzen ſie ein Bein vor das andere und laufen ſehr raſch dahin; bei großer Eile jagen ſie in Sprungſchritten davon, welche ſie ſo ſchnell fördern, daß ihre Bewegung dann dem Fluge eines Vogels gleicht; denn ein Sprung folgt ſo raſch auf den andern, daß man kaum den neuen Anſatz wahrnimmt. Dabei tragen die Spring- mäuſe ihren Leib weniger nach vorn übergebogen, als ſonſt, die Hände mit den Krallen gegen ein- ander gelegt nach vorn vorgeſtreckt, den Schwanz aber zur Erhaltung des Gleichgewichts gerade nach hinten gerichtet. Sobald man das Thier aus einiger Entfernung laufen ſieht, glaubt man einen pfeilartig durch die Luft ſchießenden Gegenſtand zu gewahren. Kein Menſch iſt im Stande, einer im vollen Laufe begriffenen Springmaus nachzukommen, ja, der ſicherſte Schütz muß ſich gewaltig zuſammennehmen, will er ſie im Laufe erlegen. Sogar in einem eingeſchloſſenen Raume bewegt ſich das zierliche Thierchen noch ſo ſchnell, daß ein Jagdhund es kaum einholen kann. Bruce erzählt, daß ſein Windhund ſich eine Viertelſtunde abhetzen mußte, ehe er Herr über ſeinen gewandten und ſchnellen Gegner wurde.
Fühlt ſich die Springmaus ungeſtört und ſicher, ſo ſitzt ſie aufrecht auf dem Hintertheile wie ein Kängurn, oft auf den Schwanz geſtützt, die Vorderpfoten an die Bruſt gelegt, ganz wie die Springbentelthiere es auch zu thun pflegen. Sie weidet in ähnlicher Weiſe wie die Kängurus; doch gräbt ſie mehr nach Knollen und Wurzeln, welche wohl ihre Hauptnahrung zu bilden ſcheinen. Außerdem verzehrt ſie mancherlei Blätter, Früchte und Samen, ja ſie ſoll ſelbſt Aas angehen oder wenigſtens den Kerbthieren gierig nachſtellen. Das behauptet ganz neuerdings wieder Heuglin, welcher als trefflicher Beobachter bekannt iſt.
Obgleich die Wüſtenmaus ein echtes Nachtthier iſt und ihre Wanderung erſt nach Sonnen- untergang beginnt, ſieht man ſie doch auch zuweilen im hellſten Sonnenſchein, ja, ſelbſt während der größten Hitze vor ihren Bauen ſitzen und ſpielen. Sie zeigt dann eine Gleichgiltigkeit gegen die
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[183/0199]
Die egyptiſche Springmaus.
reicht ſie bis Mittelnubien, woſelbſt der Verbreitungskreis einer andern ähnlichen Art beginnt.
Oſſene, trockene Ebenen, Steppen und Sandwüſten ſind ihre Wohnplätze; ſie bevölkert die dürrſten
und traurigſten Landſchaften, ſie bewohnt Orte, welche kaum die Möglichkeit zum Leben zu
bieten ſcheinen.
Auf jenen traurigen Flächen, welche mit dem ſcharfſchneidigen Riedgraſe, der Halfa (Poa
cynosuroides) bedeckt ſind, findet man ſie zuweilen in größeren Geſellſchaften. Sie theilt dieſe Orte
mit dem Wüſtenhuhn, der kleinen Wüſtenlerche und dem iſabellfarbenen Läufer, und man
begreift kaum, daß auch ſie dort Nahrung findet, wo jene, die neben dem Geſäme doch auch viele
Kerbthiere freſſen, ſich nur dürftig ernähren. Jn dem harten Kiesboden gräbt ſie ſich viel verzweigte,
aber ziemlich ſeichte Gänge, in welche ſie ſich bei der geringſten Gefahr zurückzieht. Nach den Ver-
ſicherungen der Araber arbeitet der ganze Trupp an dieſer unterirdiſchen Wohnung. Die Thiere
graben mit den ſcharfen Nägeln ihrer Vorderfüße und benutzen wohl auch die Nagezähne, wenn es
gilt, den harten Kiesboden zu durchbrechen. Sie ſollen hier und da ſelbſt in dem Lehmgemäuer alter
verlaſſener Gebäude ihre Wohnungen aufſchlagen.
Trotz ihrer Häufigkeit gewahrt man die ſchmucken Geſchöpfe ziemlich ſelten. Man kann nicht
gerade ſagen, daß ſie ſehr ſcheu wären, aber ſie ſind unruhig und furchtſam und eilen bei dem
geringſten Geräuſch und beim Anblick eines fremden Gegenſtandes ſchleunigſt nach ihren Löchern.
Auch werden ſie nur in geringer Entfernung wahrgenommen, weil ihre Färbung der des Sandes
vollſtändig gleicht und man ſchon ziemlich nahe herankommen muß, ehe man ſie bemerkt, während
ihre ſcharfen Sinne ihnen die Ankunft des Menſchen ſchon auf große Entfernungen hin wahrnehmen
laſſen. Man darf wohl ſagen, daß es ſchwerlich ein anmuthigeres Geſchöpf geben kann, als dieſe
Springmaus. So ſonderbar und ſcheinbar mißgeſtaltet ſie ausſehen, wenn man ſie todt in der Hand
hat oder regungslos ſitzen ſieht, ſo zierlich nehmen ſie ſich aus, wenn ſie in Bewegung kommen. Erſt
dann zeigen ſie ſich als echte Kinder der Wüſte; erſt dann laſſen ſie ihre herrlichen Fähigkeiten
erkennen. Sie ſcheinen förmlich zu Vögeln zu werden. Jhre Bewegungen erfolgen mit einer
Schnelligkeit, die geradezu ans Unglaubliche grenzt. Bei ruhigem Gange ſetzen ſie ein Bein vor das
andere und laufen ſehr raſch dahin; bei großer Eile jagen ſie in Sprungſchritten davon, welche ſie ſo
ſchnell fördern, daß ihre Bewegung dann dem Fluge eines Vogels gleicht; denn ein Sprung folgt ſo
raſch auf den andern, daß man kaum den neuen Anſatz wahrnimmt. Dabei tragen die Spring-
mäuſe ihren Leib weniger nach vorn übergebogen, als ſonſt, die Hände mit den Krallen gegen ein-
ander gelegt nach vorn vorgeſtreckt, den Schwanz aber zur Erhaltung des Gleichgewichts gerade nach
hinten gerichtet. Sobald man das Thier aus einiger Entfernung laufen ſieht, glaubt man einen
pfeilartig durch die Luft ſchießenden Gegenſtand zu gewahren. Kein Menſch iſt im Stande, einer
im vollen Laufe begriffenen Springmaus nachzukommen, ja, der ſicherſte Schütz muß ſich gewaltig
zuſammennehmen, will er ſie im Laufe erlegen. Sogar in einem eingeſchloſſenen Raume bewegt
ſich das zierliche Thierchen noch ſo ſchnell, daß ein Jagdhund es kaum einholen kann. Bruce erzählt,
daß ſein Windhund ſich eine Viertelſtunde abhetzen mußte, ehe er Herr über ſeinen gewandten und
ſchnellen Gegner wurde.
Fühlt ſich die Springmaus ungeſtört und ſicher, ſo ſitzt ſie aufrecht auf dem Hintertheile wie
ein Kängurn, oft auf den Schwanz geſtützt, die Vorderpfoten an die Bruſt gelegt, ganz wie die
Springbentelthiere es auch zu thun pflegen. Sie weidet in ähnlicher Weiſe wie die Kängurus; doch
gräbt ſie mehr nach Knollen und Wurzeln, welche wohl ihre Hauptnahrung zu bilden ſcheinen.
Außerdem verzehrt ſie mancherlei Blätter, Früchte und Samen, ja ſie ſoll ſelbſt Aas angehen oder
wenigſtens den Kerbthieren gierig nachſtellen. Das behauptet ganz neuerdings wieder Heuglin,
welcher als trefflicher Beobachter bekannt iſt.
Obgleich die Wüſtenmaus ein echtes Nachtthier iſt und ihre Wanderung erſt nach Sonnen-
untergang beginnt, ſieht man ſie doch auch zuweilen im hellſten Sonnenſchein, ja, ſelbſt während der
größten Hitze vor ihren Bauen ſitzen und ſpielen. Sie zeigt dann eine Gleichgiltigkeit gegen die
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/199>, abgerufen am 24.11.2024.
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