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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Raubbeutelthiere.
geburt wohl zusammenhängen. Nach Owen's, Leining's und Weinland's Beobachtungen geht
nun die Geburt ungefähr in folgender Weise vor sich:

Nach einer sehr kurzen Tragzeit im Fruchthalter wirft das Beutelthier sein Junges, welches noch
ganz unausgebildet ist, nimmt es mit dem Maule auf, bringt es in den Beutel und legt es dort an
eine Zitze an, wo es sich festsaugt. Hier bleibt es hängen, bis sich seine Sinneswerkzeuge und Glied-
maßen entwickelt haben, und der Beutel ist so lange nicht blos Nest und Zufluchtsort, sondern auch
gleichsam ein zweiter Fruchthalter: noch einmal der Mutterleib. Von hieraus macht das Thierchen
später größere und immer größere Ausflüge; seine ganze Kindheit aber verbringt es in dem Beutel,
und bei mehr als einem Mitgliede dieser merkwürdigen Ordnung, welche blos einen Monat oder
etwas darüber in dem wirklichen Fruchthalter ausgetragen wurde, währt die Tragzeit im Beutel
sechs bis acht Monate. Von dem Tage der Empfängniß bis zu dem, wo das Junge seinen Kopf
aus dem Beutel steckt, vergehen bei dem Riesenkänguru ungefähr sieben Monate, von dieser
Zeit bis dahin, wo es den Beutel zum ersten Male verläßt, noch etwa neun Wochen, und ebenso-
lange lebt dann das junge Geschöpf noch theils in dem Beutel, theils außerhalb desselben.

Die Zahl der Jungen schwankt zwischen Eins und Vierzehn.

Jn ihrer Lebensweise zeigen die Beutelthiere so große Verschiedenheiten, daß an eine allgemeine
Schilderung nicht gedacht werden kann. Man muß nur immer festhalten, daß sie ebensogut Raub-
thiere wie Nager sind, daß sie sich ebensowohl auf dem festen Boden, als theilweise unter dem
Wasser, wie auf den Bäumen herumtreiben, daß sie ebensogut bei Nacht, als bei Tage ihren Ge-
schäften nachgehen. Sie nähren sich von Blättern, Wurzeln, Früchten, Kerbthieren, Würmern und
Wirbelthieren; die raubgierigsten und stärksten wagen sich sogar an die Hausthiere, z. B. an die
Schafe. Die größere Mehrzahl liebt waldige und buschige Gegenden und zieht sie wenigstens
offenen, freien Ebenen vor.

Die Sinnesfähigkeiten der Beutelthiere sind sehr ungleich entwickelt. Gesicht und Geruch, sowie
das Gehör scheinen auch bei ihnen durchschnittlich am meisten ausgebildet zu sein. Jhr geistiges Wesen
steht mit ihrer Lebensweise und mit ihrem Gewerbe im Einklange. Die Raubbeutler sind listig,
bösartig und bissig, die pflanzenfressenden Beutler dumm, gutmüthig und sanft.

Gegenwärtig sind die Beutelthiere auf Amerika und Neuholland beschränkt. Australien mit
seinen Jnseln ist das eigentliche Vaterland derselben, und, wie wir oben sahen, besteht bei weitem
der größte Theil aller Säugethiere dieses merkwürdigen Erdtheils aus Beutlern. Jn früheren
Schöpfungszeiten bewohnten diese Thiere auch unser Europa, zumal Frankreich und England, aber
schon in der Diluvialzeit sind sie von hier verschwunden.

Für den menschlichen Haushalt ist weder der Nutzen noch der Schaden, den die Beutelthiere
gewähren, von erheblichem Belang. Man benutzt das Fleisch und das Fell, erfreut sich an der
Jagd u. s. w. und wird dafür von anderen, welche Herden und Gehöfte bestehlen, gebrandschatzt.



Nach ihrer Nahrung theilt man die Ordnung der Beutelthiere in zwei ungefähr gleichwerthige
Abtheilungen ein, welche von Einigen in zwei, von Anderen, namentlich von Fitzinger, in sechs
Familien geschieden werden. Der letzteren Eintheilung können auch wir uns anschließen.

Die erste Familie enthält die Raubbeutelthiere oder Beutelmarder (Dasyuri).

Sie haben ganz das Gepräge der Raubthiere, sowohl was den äußerlichen, wie den innerlichen
Bau anlangt. Namentlich ihr Gebiß ist sehr vollständig und besitzt in beiden Kiefern lange und
starke Reißzähne. Die oberen Backenzähne sind spitzzackig, die unteren schneidig. Gegenwärtig
sind sie blos noch in Australien zu finden. Jn der Vorzeit bewohnten sie als die ersten Säuge-
thiere mehrere Länder Europa's.

Die Raubbeutelthiere halten sich ebensowohl in Wäldern als in felsigen Gegenden oder an den
Ufern des Meeres auf und leben hier entweder in tiefen Erdhöhlen und Erdlöchern, unter Baum-

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Die Raubbeutelthiere.
geburt wohl zuſammenhängen. Nach Owen’s, Leining’s und Weinland’s Beobachtungen geht
nun die Geburt ungefähr in folgender Weiſe vor ſich:

Nach einer ſehr kurzen Tragzeit im Fruchthalter wirft das Beutelthier ſein Junges, welches noch
ganz unausgebildet iſt, nimmt es mit dem Maule auf, bringt es in den Beutel und legt es dort an
eine Zitze an, wo es ſich feſtſaugt. Hier bleibt es hängen, bis ſich ſeine Sinneswerkzeuge und Glied-
maßen entwickelt haben, und der Beutel iſt ſo lange nicht blos Neſt und Zufluchtsort, ſondern auch
gleichſam ein zweiter Fruchthalter: noch einmal der Mutterleib. Von hieraus macht das Thierchen
ſpäter größere und immer größere Ausflüge; ſeine ganze Kindheit aber verbringt es in dem Beutel,
und bei mehr als einem Mitgliede dieſer merkwürdigen Ordnung, welche blos einen Monat oder
etwas darüber in dem wirklichen Fruchthalter ausgetragen wurde, währt die Tragzeit im Beutel
ſechs bis acht Monate. Von dem Tage der Empfängniß bis zu dem, wo das Junge ſeinen Kopf
aus dem Beutel ſteckt, vergehen bei dem Rieſenkänguru ungefähr ſieben Monate, von dieſer
Zeit bis dahin, wo es den Beutel zum erſten Male verläßt, noch etwa neun Wochen, und ebenſo-
lange lebt dann das junge Geſchöpf noch theils in dem Beutel, theils außerhalb deſſelben.

Die Zahl der Jungen ſchwankt zwiſchen Eins und Vierzehn.

Jn ihrer Lebensweiſe zeigen die Beutelthiere ſo große Verſchiedenheiten, daß an eine allgemeine
Schilderung nicht gedacht werden kann. Man muß nur immer feſthalten, daß ſie ebenſogut Raub-
thiere wie Nager ſind, daß ſie ſich ebenſowohl auf dem feſten Boden, als theilweiſe unter dem
Waſſer, wie auf den Bäumen herumtreiben, daß ſie ebenſogut bei Nacht, als bei Tage ihren Ge-
ſchäften nachgehen. Sie nähren ſich von Blättern, Wurzeln, Früchten, Kerbthieren, Würmern und
Wirbelthieren; die raubgierigſten und ſtärkſten wagen ſich ſogar an die Hausthiere, z. B. an die
Schafe. Die größere Mehrzahl liebt waldige und buſchige Gegenden und zieht ſie wenigſtens
offenen, freien Ebenen vor.

Die Sinnesfähigkeiten der Beutelthiere ſind ſehr ungleich entwickelt. Geſicht und Geruch, ſowie
das Gehör ſcheinen auch bei ihnen durchſchnittlich am meiſten ausgebildet zu ſein. Jhr geiſtiges Weſen
ſteht mit ihrer Lebensweiſe und mit ihrem Gewerbe im Einklange. Die Raubbeutler ſind liſtig,
bösartig und biſſig, die pflanzenfreſſenden Beutler dumm, gutmüthig und ſanft.

Gegenwärtig ſind die Beutelthiere auf Amerika und Neuholland beſchränkt. Auſtralien mit
ſeinen Jnſeln iſt das eigentliche Vaterland derſelben, und, wie wir oben ſahen, beſteht bei weitem
der größte Theil aller Säugethiere dieſes merkwürdigen Erdtheils aus Beutlern. Jn früheren
Schöpfungszeiten bewohnten dieſe Thiere auch unſer Europa, zumal Frankreich und England, aber
ſchon in der Diluvialzeit ſind ſie von hier verſchwunden.

Für den menſchlichen Haushalt iſt weder der Nutzen noch der Schaden, den die Beutelthiere
gewähren, von erheblichem Belang. Man benutzt das Fleiſch und das Fell, erfreut ſich an der
Jagd u. ſ. w. und wird dafür von anderen, welche Herden und Gehöfte beſtehlen, gebrandſchatzt.



Nach ihrer Nahrung theilt man die Ordnung der Beutelthiere in zwei ungefähr gleichwerthige
Abtheilungen ein, welche von Einigen in zwei, von Anderen, namentlich von Fitzinger, in ſechs
Familien geſchieden werden. Der letzteren Eintheilung können auch wir uns anſchließen.

Die erſte Familie enthält die Raubbeutelthiere oder Beutelmarder (Dasyuri).

Sie haben ganz das Gepräge der Raubthiere, ſowohl was den äußerlichen, wie den innerlichen
Bau anlangt. Namentlich ihr Gebiß iſt ſehr vollſtändig und beſitzt in beiden Kiefern lange und
ſtarke Reißzähne. Die oberen Backenzähne ſind ſpitzzackig, die unteren ſchneidig. Gegenwärtig
ſind ſie blos noch in Auſtralien zu finden. Jn der Vorzeit bewohnten ſie als die erſten Säuge-
thiere mehrere Länder Europa’s.

Die Raubbeutelthiere halten ſich ebenſowohl in Wäldern als in felſigen Gegenden oder an den
Ufern des Meeres auf und leben hier entweder in tiefen Erdhöhlen und Erdlöchern, unter Baum-

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[3/0015] Die Raubbeutelthiere. geburt wohl zuſammenhängen. Nach Owen’s, Leining’s und Weinland’s Beobachtungen geht nun die Geburt ungefähr in folgender Weiſe vor ſich: Nach einer ſehr kurzen Tragzeit im Fruchthalter wirft das Beutelthier ſein Junges, welches noch ganz unausgebildet iſt, nimmt es mit dem Maule auf, bringt es in den Beutel und legt es dort an eine Zitze an, wo es ſich feſtſaugt. Hier bleibt es hängen, bis ſich ſeine Sinneswerkzeuge und Glied- maßen entwickelt haben, und der Beutel iſt ſo lange nicht blos Neſt und Zufluchtsort, ſondern auch gleichſam ein zweiter Fruchthalter: noch einmal der Mutterleib. Von hieraus macht das Thierchen ſpäter größere und immer größere Ausflüge; ſeine ganze Kindheit aber verbringt es in dem Beutel, und bei mehr als einem Mitgliede dieſer merkwürdigen Ordnung, welche blos einen Monat oder etwas darüber in dem wirklichen Fruchthalter ausgetragen wurde, währt die Tragzeit im Beutel ſechs bis acht Monate. Von dem Tage der Empfängniß bis zu dem, wo das Junge ſeinen Kopf aus dem Beutel ſteckt, vergehen bei dem Rieſenkänguru ungefähr ſieben Monate, von dieſer Zeit bis dahin, wo es den Beutel zum erſten Male verläßt, noch etwa neun Wochen, und ebenſo- lange lebt dann das junge Geſchöpf noch theils in dem Beutel, theils außerhalb deſſelben. Die Zahl der Jungen ſchwankt zwiſchen Eins und Vierzehn. Jn ihrer Lebensweiſe zeigen die Beutelthiere ſo große Verſchiedenheiten, daß an eine allgemeine Schilderung nicht gedacht werden kann. Man muß nur immer feſthalten, daß ſie ebenſogut Raub- thiere wie Nager ſind, daß ſie ſich ebenſowohl auf dem feſten Boden, als theilweiſe unter dem Waſſer, wie auf den Bäumen herumtreiben, daß ſie ebenſogut bei Nacht, als bei Tage ihren Ge- ſchäften nachgehen. Sie nähren ſich von Blättern, Wurzeln, Früchten, Kerbthieren, Würmern und Wirbelthieren; die raubgierigſten und ſtärkſten wagen ſich ſogar an die Hausthiere, z. B. an die Schafe. Die größere Mehrzahl liebt waldige und buſchige Gegenden und zieht ſie wenigſtens offenen, freien Ebenen vor. Die Sinnesfähigkeiten der Beutelthiere ſind ſehr ungleich entwickelt. Geſicht und Geruch, ſowie das Gehör ſcheinen auch bei ihnen durchſchnittlich am meiſten ausgebildet zu ſein. Jhr geiſtiges Weſen ſteht mit ihrer Lebensweiſe und mit ihrem Gewerbe im Einklange. Die Raubbeutler ſind liſtig, bösartig und biſſig, die pflanzenfreſſenden Beutler dumm, gutmüthig und ſanft. Gegenwärtig ſind die Beutelthiere auf Amerika und Neuholland beſchränkt. Auſtralien mit ſeinen Jnſeln iſt das eigentliche Vaterland derſelben, und, wie wir oben ſahen, beſteht bei weitem der größte Theil aller Säugethiere dieſes merkwürdigen Erdtheils aus Beutlern. Jn früheren Schöpfungszeiten bewohnten dieſe Thiere auch unſer Europa, zumal Frankreich und England, aber ſchon in der Diluvialzeit ſind ſie von hier verſchwunden. Für den menſchlichen Haushalt iſt weder der Nutzen noch der Schaden, den die Beutelthiere gewähren, von erheblichem Belang. Man benutzt das Fleiſch und das Fell, erfreut ſich an der Jagd u. ſ. w. und wird dafür von anderen, welche Herden und Gehöfte beſtehlen, gebrandſchatzt. Nach ihrer Nahrung theilt man die Ordnung der Beutelthiere in zwei ungefähr gleichwerthige Abtheilungen ein, welche von Einigen in zwei, von Anderen, namentlich von Fitzinger, in ſechs Familien geſchieden werden. Der letzteren Eintheilung können auch wir uns anſchließen. Die erſte Familie enthält die Raubbeutelthiere oder Beutelmarder (Dasyuri). Sie haben ganz das Gepräge der Raubthiere, ſowohl was den äußerlichen, wie den innerlichen Bau anlangt. Namentlich ihr Gebiß iſt ſehr vollſtändig und beſitzt in beiden Kiefern lange und ſtarke Reißzähne. Die oberen Backenzähne ſind ſpitzzackig, die unteren ſchneidig. Gegenwärtig ſind ſie blos noch in Auſtralien zu finden. Jn der Vorzeit bewohnten ſie als die erſten Säuge- thiere mehrere Länder Europa’s. Die Raubbeutelthiere halten ſich ebenſowohl in Wäldern als in felſigen Gegenden oder an den Ufern des Meeres auf und leben hier entweder in tiefen Erdhöhlen und Erdlöchern, unter Baum- 1 *

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/15>, abgerufen am 23.11.2024.