eingesperrte Maus für ein reizendes Säugethier erklären wird, und selbst die Frauen, welche ge- wöhnlich einen zwar vollkommen ungerechtfertigten, aber dennoch gewaltigen Schrecken empfinden, wenn in der Küche oder im Keller eine Maus ihnen über den Weg läuft, müssen eine gefangene Maus für ein hübsches Geschöpfchen erklären. Aber freilich, die spitzen Ragezähne und die Lecker- haftigkeit der Mäuse sind zwei Dinge, welche auch ein zartes Frauenherz mit Jngrimm und Zorn erfüllen können. Es ist gar zu unangenehm, für Alles, was der Mensch bedarf, beständig fürchten zu müssen, selbst, wenn es unter Schloß und Riegel liegt; es ist gar zu empörend, eigentlich keinen Ort im Hause zu haben, wo man allein Herr sein darf, wo man von den zudringlichen, kleinen Gästen nicht belästigt wird. Und weil nun die Mäuse sich überall einzudrängen wissen und sich selbst an Orten einfinden, die den Ratten unzugänglich sind, haben sie gegen sich einen Verfolgungskrieg heraufbeschworen, welcher schwerlich jemals enden wird.
[Abbildung]
Die Hausmaus (Mus Musculus).
Jn Deutschland leben vier echte Mäuse; es sind dies die Haus-, Wald-, Feld- und Zwergmaus. Namentlich die erstere und die letztere verdienen eine ausführlichere Beschreibung, obgleich die Feldmaus und auch die Waldmaus nur zu oft dem Menschen ins Gehege kommen, und ihre Kenntniß für diesen deshalb nothwendig ist. Die drei ersteren werden überall ziemlich schonungs- los verfolgt; die letzte aber hat, solange sie sich nicht unmittelbar dem Menschen aufdrängt, wegen ihrer ungemein zierlichen Gestalt, ihrer Anmuth und ihrer eigenthümlichen Lebensweise Gnade vor seinen Augen gefunden.
Die Hausmaus (Mus Musculus) hat in ihrer Gestalt noch immer einige Aehnlichkeit mit der Hausratte, obgleich sie weit zarter und ebenmäßiger gebaut ist und dieser auch an Größe bedeutend nachsteht. Jhre Gesammtlänge beträgt ungefähr 7 Zoll, davon kommen 31/2 Zoll auf den Körper. Der Schwanz hat 180 Schuppenringe. Sie ist einfarbig: die gelblichgrauschwarze Oberseite des
Die eigentlichen Mäuſe.
eingeſperrte Maus für ein reizendes Säugethier erklären wird, und ſelbſt die Frauen, welche ge- wöhnlich einen zwar vollkommen ungerechtfertigten, aber dennoch gewaltigen Schrecken empfinden, wenn in der Küche oder im Keller eine Maus ihnen über den Weg läuft, müſſen eine gefangene Maus für ein hübſches Geſchöpfchen erklären. Aber freilich, die ſpitzen Ragezähne und die Lecker- haftigkeit der Mäuſe ſind zwei Dinge, welche auch ein zartes Frauenherz mit Jngrimm und Zorn erfüllen können. Es iſt gar zu unangenehm, für Alles, was der Menſch bedarf, beſtändig fürchten zu müſſen, ſelbſt, wenn es unter Schloß und Riegel liegt; es iſt gar zu empörend, eigentlich keinen Ort im Hauſe zu haben, wo man allein Herr ſein darf, wo man von den zudringlichen, kleinen Gäſten nicht beläſtigt wird. Und weil nun die Mäuſe ſich überall einzudrängen wiſſen und ſich ſelbſt an Orten einfinden, die den Ratten unzugänglich ſind, haben ſie gegen ſich einen Verfolgungskrieg heraufbeſchworen, welcher ſchwerlich jemals enden wird.
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Die Hausmaus (Mus Musculus).
Jn Deutſchland leben vier echte Mäuſe; es ſind dies die Haus-, Wald-, Feld- und Zwergmaus. Namentlich die erſtere und die letztere verdienen eine ausführlichere Beſchreibung, obgleich die Feldmaus und auch die Waldmaus nur zu oft dem Menſchen ins Gehege kommen, und ihre Kenntniß für dieſen deshalb nothwendig iſt. Die drei erſteren werden überall ziemlich ſchonungs- los verfolgt; die letzte aber hat, ſolange ſie ſich nicht unmittelbar dem Menſchen aufdrängt, wegen ihrer ungemein zierlichen Geſtalt, ihrer Anmuth und ihrer eigenthümlichen Lebensweiſe Gnade vor ſeinen Augen gefunden.
Die Hausmaus (Mus Musculus) hat in ihrer Geſtalt noch immer einige Aehnlichkeit mit der Hausratte, obgleich ſie weit zarter und ebenmäßiger gebaut iſt und dieſer auch an Größe bedeutend nachſteht. Jhre Geſammtlänge beträgt ungefähr 7 Zoll, davon kommen 3½ Zoll auf den Körper. Der Schwanz hat 180 Schuppenringe. Sie iſt einfarbig: die gelblichgrauſchwarze Oberſeite des
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Die eigentlichen Mäuſe.
eingeſperrte Maus für ein reizendes Säugethier erklären wird, und ſelbſt die Frauen, welche ge-
wöhnlich einen zwar vollkommen ungerechtfertigten, aber dennoch gewaltigen Schrecken empfinden,
wenn in der Küche oder im Keller eine Maus ihnen über den Weg läuft, müſſen eine gefangene
Maus für ein hübſches Geſchöpfchen erklären. Aber freilich, die ſpitzen Ragezähne und die Lecker-
haftigkeit der Mäuſe ſind zwei Dinge, welche auch ein zartes Frauenherz mit Jngrimm und Zorn
erfüllen können. Es iſt gar zu unangenehm, für Alles, was der Menſch bedarf, beſtändig fürchten
zu müſſen, ſelbſt, wenn es unter Schloß und Riegel liegt; es iſt gar zu empörend, eigentlich keinen
Ort im Hauſe zu haben, wo man allein Herr ſein darf, wo man von den zudringlichen, kleinen
Gäſten nicht beläſtigt wird. Und weil nun die Mäuſe ſich überall einzudrängen wiſſen und ſich ſelbſt
an Orten einfinden, die den Ratten unzugänglich ſind, haben ſie gegen ſich einen Verfolgungskrieg
heraufbeſchworen, welcher ſchwerlich jemals enden wird.
[Abbildung Die Hausmaus (Mus Musculus).]
Jn Deutſchland leben vier echte Mäuſe; es ſind dies die Haus-, Wald-, Feld- und
Zwergmaus. Namentlich die erſtere und die letztere verdienen eine ausführlichere Beſchreibung,
obgleich die Feldmaus und auch die Waldmaus nur zu oft dem Menſchen ins Gehege kommen, und
ihre Kenntniß für dieſen deshalb nothwendig iſt. Die drei erſteren werden überall ziemlich ſchonungs-
los verfolgt; die letzte aber hat, ſolange ſie ſich nicht unmittelbar dem Menſchen aufdrängt, wegen
ihrer ungemein zierlichen Geſtalt, ihrer Anmuth und ihrer eigenthümlichen Lebensweiſe Gnade vor
ſeinen Augen gefunden.
Die Hausmaus (Mus Musculus) hat in ihrer Geſtalt noch immer einige Aehnlichkeit mit der
Hausratte, obgleich ſie weit zarter und ebenmäßiger gebaut iſt und dieſer auch an Größe bedeutend
nachſteht. Jhre Geſammtlänge beträgt ungefähr 7 Zoll, davon kommen 3½ Zoll auf den Körper.
Der Schwanz hat 180 Schuppenringe. Sie iſt einfarbig: die gelblichgrauſchwarze Oberſeite des
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/144>, abgerufen am 27.11.2024.
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