Fitzinger betrachtet die Rennmäuse (Meriones) als eine Sippe unserer Familie; andere Naturforscher sehen sie als besondere Familie an, obwohl sie zugestehen, daß sie sich den echten Mäusen in jeder Hinsicht innig anschließen. Jhr Leib ist eher untersetzt, als gestreckt, der Hals ist kurz und dick, ihr Kopf ziemlich kurz, hinten breit, nach vorn zu verschmälert, die Schnauze zugespitzt, der Schwanz fast von Körperlänge, regelmäßig dicht behaart, zuweilen sogar gepinselt, niemals nackt. Die hinteren Glieder sind etwas länger, als die vorderen, die Füße sind fünfzehig, doch ist der vordere Daumen eigentlich nur eine Warze mit glattem Nagel. Die Krallen der übrigen Zehen sind kurz, schwach gekrümmt und zugespitzt. Die Ohren und Augen sind sehr groß, der Pelz ist dicht, glatt an- liegend und weich, auf der Oberseite regelmäßig rostigbraun oder fahl, auf der Unterseite heller oder weiß, ohne daß sich jedoch diese Färbung scharf von der oberen absetzte. Jm Uebrigen ähneln die Renn- mäuse ihren Familienverwandten. Sie vertreten im Süden der alten Welt manche andere Sippen der Familie, welche dort nur in untergeordneter Weise vorkommen. Jhre Heimat beschränkt sich auf Afrika, das südliche Asien und das südöstliche Europa. Jn ihrer Lebensweise und dem Betragen zei- gen sie sich als echte Mäuse. Sie leben am liebsten in den angebauten Gegenden, finden sich aber auch in den dürrsten Ebenen und Steppen oft in außerordentlicher Menge. Manche Arten sind gesellig und vereinigen sich zu Schaaren, welche dann eben so schädlich werden, als unsere Feldmäuse. Die meisten graben sich ziemlich seichte, unterirdische Gänge, in welchen sie den Tag verbringen. Mit Einbruch der Dämmerung kommen sie hervor, um nach Nahrung auszugehen. Jhre Bewegungen sind außerordentlich rasch und lebhaft; Dies gilt zumal von ihrem Laufe, wie schon der Name andeutet. Einzelne sind im Stande, bedeutende Sätze zu machen: manche Berichterstatter behaupten, daß sie solche von 12 bis 15 Fuß ausführen könnten. Sie sind scheu und furchtsam, wie die übrigen Mäuse, und flüchten sich schon beim geringsten Geräusch eiligst nach ihren Löchern. Jhre Nahrung besteht in allerlei Samen und Wurzeln, namentlich auch in Getreide. Auf bebauten Feldern richten sie große Ver- wüstungen an; sie beißen dort die Aehren ab und schleppen sie nach ihrer Wohnung, wo sie dieselben ungestört und gemächlich abfressen oder ausdreschen, um die Körner für ungünstige Zeiten aufzuspeichern. Die Vorräthe, welche sie sich eintragen, sind so bedeutend, daß arme Leute durch Ausgraben derselben eine ziemlich reiche Ernte halten können; denn man findet oft in einem Umkreise von zwanzig Schritten mehr als einen Scheffel der schönsten Aehren unter der Erde verborgen. Wie unseren Ratten, ist den Rennmäusen aber auch thierische Nahrung willkommen; vorzüglich die Kerbthiere haben in ihnen arge Feinde. Es scheint, daß sie das Wasser ganz zu entbehren im Stande sind, wenigstens findet man sie nicht selten in dürren Ebenen, meilenweit von Bächen oder Brunnen entfernt, ohne daß man ihnen einen Mangel anmerken könnte.
Wegen der großen Verwüstungen, welche die Rennmäuse in den Feldern anrichten, werden sie von den Einwohnern ihrer Heimat ebenso gehaßt und verfolgt, wie unsere Ratten. Sie zu vertreiben, ist nicht möglich, so eifrig man ihnen auch nachstellen mag; denn ihre Vermehrung ist so bedeutend, daß alle Niederlagen, welche der Mensch etwa einer Art beibringen kann, sehr bald durch deren Fruchtbarkeit wieder ausgeglichen sind. Genaueres über ihre Fortpflanzung im Freien ist nicht be- kannt; man weiß nur, daß die Weibchen mehrmals im Jahre ziemlich zahlreiche Nachkommenschaft zur Welt bringen.
Von einigen Arten rühmt man ihr angenehmes Betragen in der Gefangenschaft. Sie sollen sich ebenso durch ihre große Beweglichkeit, als durch ihre Reinlichkeit, durch ihre Sanftmuth und Ver- träglichkeit auszeichnen, d. h. natürlich, so lange ihnen Nichts abgeht; denn, wenn mehrere beisammen sind und auch nur auf kurze Zeit Mangel leiden, streiten sie sich und beißen ohne Umstände einander die Schwänze ab.
Die feiste Rennmaus (Meriones-Psammomys-obesus) hat etwa die Größe unserer Wan- derratte, sie wird 12 Zoll lang, wovon der Schwanz 5 Zoll wegnimmt. Oben ist sie röthlich sand- farben, schwarz gesprenkelt, an den Seiten und unten lichtgelb. Die Wangen sind gelblich weiß, fein
Die eigentlichen Mäuſe.
Fitzinger betrachtet die Rennmäuſe (Meriones) als eine Sippe unſerer Familie; andere Naturforſcher ſehen ſie als beſondere Familie an, obwohl ſie zugeſtehen, daß ſie ſich den echten Mäuſen in jeder Hinſicht innig anſchließen. Jhr Leib iſt eher unterſetzt, als geſtreckt, der Hals iſt kurz und dick, ihr Kopf ziemlich kurz, hinten breit, nach vorn zu verſchmälert, die Schnauze zugeſpitzt, der Schwanz faſt von Körperlänge, regelmäßig dicht behaart, zuweilen ſogar gepinſelt, niemals nackt. Die hinteren Glieder ſind etwas länger, als die vorderen, die Füße ſind fünfzehig, doch iſt der vordere Daumen eigentlich nur eine Warze mit glattem Nagel. Die Krallen der übrigen Zehen ſind kurz, ſchwach gekrümmt und zugeſpitzt. Die Ohren und Augen ſind ſehr groß, der Pelz iſt dicht, glatt an- liegend und weich, auf der Oberſeite regelmäßig roſtigbraun oder fahl, auf der Unterſeite heller oder weiß, ohne daß ſich jedoch dieſe Färbung ſcharf von der oberen abſetzte. Jm Uebrigen ähneln die Renn- mäuſe ihren Familienverwandten. Sie vertreten im Süden der alten Welt manche andere Sippen der Familie, welche dort nur in untergeordneter Weiſe vorkommen. Jhre Heimat beſchränkt ſich auf Afrika, das ſüdliche Aſien und das ſüdöſtliche Europa. Jn ihrer Lebensweiſe und dem Betragen zei- gen ſie ſich als echte Mäuſe. Sie leben am liebſten in den angebauten Gegenden, finden ſich aber auch in den dürrſten Ebenen und Steppen oft in außerordentlicher Menge. Manche Arten ſind geſellig und vereinigen ſich zu Schaaren, welche dann eben ſo ſchädlich werden, als unſere Feldmäuſe. Die meiſten graben ſich ziemlich ſeichte, unterirdiſche Gänge, in welchen ſie den Tag verbringen. Mit Einbruch der Dämmerung kommen ſie hervor, um nach Nahrung auszugehen. Jhre Bewegungen ſind außerordentlich raſch und lebhaft; Dies gilt zumal von ihrem Laufe, wie ſchon der Name andeutet. Einzelne ſind im Stande, bedeutende Sätze zu machen: manche Berichterſtatter behaupten, daß ſie ſolche von 12 bis 15 Fuß ausführen könnten. Sie ſind ſcheu und furchtſam, wie die übrigen Mäuſe, und flüchten ſich ſchon beim geringſten Geräuſch eiligſt nach ihren Löchern. Jhre Nahrung beſteht in allerlei Samen und Wurzeln, namentlich auch in Getreide. Auf bebauten Feldern richten ſie große Ver- wüſtungen an; ſie beißen dort die Aehren ab und ſchleppen ſie nach ihrer Wohnung, wo ſie dieſelben ungeſtört und gemächlich abfreſſen oder ausdreſchen, um die Körner für ungünſtige Zeiten aufzuſpeichern. Die Vorräthe, welche ſie ſich eintragen, ſind ſo bedeutend, daß arme Leute durch Ausgraben derſelben eine ziemlich reiche Ernte halten können; denn man findet oft in einem Umkreiſe von zwanzig Schritten mehr als einen Scheffel der ſchönſten Aehren unter der Erde verborgen. Wie unſeren Ratten, iſt den Rennmäuſen aber auch thieriſche Nahrung willkommen; vorzüglich die Kerbthiere haben in ihnen arge Feinde. Es ſcheint, daß ſie das Waſſer ganz zu entbehren im Stande ſind, wenigſtens findet man ſie nicht ſelten in dürren Ebenen, meilenweit von Bächen oder Brunnen entfernt, ohne daß man ihnen einen Mangel anmerken könnte.
Wegen der großen Verwüſtungen, welche die Rennmäuſe in den Feldern anrichten, werden ſie von den Einwohnern ihrer Heimat ebenſo gehaßt und verfolgt, wie unſere Ratten. Sie zu vertreiben, iſt nicht möglich, ſo eifrig man ihnen auch nachſtellen mag; denn ihre Vermehrung iſt ſo bedeutend, daß alle Niederlagen, welche der Menſch etwa einer Art beibringen kann, ſehr bald durch deren Fruchtbarkeit wieder ausgeglichen ſind. Genaueres über ihre Fortpflanzung im Freien iſt nicht be- kannt; man weiß nur, daß die Weibchen mehrmals im Jahre ziemlich zahlreiche Nachkommenſchaft zur Welt bringen.
Von einigen Arten rühmt man ihr angenehmes Betragen in der Gefangenſchaft. Sie ſollen ſich ebenſo durch ihre große Beweglichkeit, als durch ihre Reinlichkeit, durch ihre Sanftmuth und Ver- träglichkeit auszeichnen, d. h. natürlich, ſo lange ihnen Nichts abgeht; denn, wenn mehrere beiſammen ſind und auch nur auf kurze Zeit Mangel leiden, ſtreiten ſie ſich und beißen ohne Umſtände einander die Schwänze ab.
Die feiſte Rennmaus (Meriones-Psammomys-obesus) hat etwa die Größe unſerer Wan- derratte, ſie wird 12 Zoll lang, wovon der Schwanz 5 Zoll wegnimmt. Oben iſt ſie röthlich ſand- farben, ſchwarz geſprenkelt, an den Seiten und unten lichtgelb. Die Wangen ſind gelblich weiß, fein
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Die eigentlichen Mäuſe.
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in jeder Hinſicht innig anſchließen. Jhr Leib iſt eher unterſetzt, als geſtreckt, der Hals iſt kurz und
dick, ihr Kopf ziemlich kurz, hinten breit, nach vorn zu verſchmälert, die Schnauze zugeſpitzt, der
Schwanz faſt von Körperlänge, regelmäßig dicht behaart, zuweilen ſogar gepinſelt, niemals nackt.
Die hinteren Glieder ſind etwas länger, als die vorderen, die Füße ſind fünfzehig, doch iſt der vordere
Daumen eigentlich nur eine Warze mit glattem Nagel. Die Krallen der übrigen Zehen ſind kurz,
ſchwach gekrümmt und zugeſpitzt. Die Ohren und Augen ſind ſehr groß, der Pelz iſt dicht, glatt an-
liegend und weich, auf der Oberſeite regelmäßig roſtigbraun oder fahl, auf der Unterſeite heller oder
weiß, ohne daß ſich jedoch dieſe Färbung ſcharf von der oberen abſetzte. Jm Uebrigen ähneln die Renn-
mäuſe ihren Familienverwandten. Sie vertreten im Süden der alten Welt manche andere Sippen der
Familie, welche dort nur in untergeordneter Weiſe vorkommen. Jhre Heimat beſchränkt ſich auf
Afrika, das ſüdliche Aſien und das ſüdöſtliche Europa. Jn ihrer Lebensweiſe und dem Betragen zei-
gen ſie ſich als echte Mäuſe. Sie leben am liebſten in den angebauten Gegenden, finden ſich aber auch
in den dürrſten Ebenen und Steppen oft in außerordentlicher Menge. Manche Arten ſind geſellig
und vereinigen ſich zu Schaaren, welche dann eben ſo ſchädlich werden, als unſere Feldmäuſe. Die
meiſten graben ſich ziemlich ſeichte, unterirdiſche Gänge, in welchen ſie den Tag verbringen. Mit
Einbruch der Dämmerung kommen ſie hervor, um nach Nahrung auszugehen. Jhre Bewegungen
ſind außerordentlich raſch und lebhaft; Dies gilt zumal von ihrem Laufe, wie ſchon der Name andeutet.
Einzelne ſind im Stande, bedeutende Sätze zu machen: manche Berichterſtatter behaupten, daß ſie ſolche
von 12 bis 15 Fuß ausführen könnten. Sie ſind ſcheu und furchtſam, wie die übrigen Mäuſe, und
flüchten ſich ſchon beim geringſten Geräuſch eiligſt nach ihren Löchern. Jhre Nahrung beſteht in allerlei
Samen und Wurzeln, namentlich auch in Getreide. Auf bebauten Feldern richten ſie große Ver-
wüſtungen an; ſie beißen dort die Aehren ab und ſchleppen ſie nach ihrer Wohnung, wo ſie dieſelben
ungeſtört und gemächlich abfreſſen oder ausdreſchen, um die Körner für ungünſtige Zeiten aufzuſpeichern.
Die Vorräthe, welche ſie ſich eintragen, ſind ſo bedeutend, daß arme Leute durch Ausgraben derſelben
eine ziemlich reiche Ernte halten können; denn man findet oft in einem Umkreiſe von zwanzig Schritten
mehr als einen Scheffel der ſchönſten Aehren unter der Erde verborgen. Wie unſeren Ratten, iſt den
Rennmäuſen aber auch thieriſche Nahrung willkommen; vorzüglich die Kerbthiere haben in ihnen
arge Feinde. Es ſcheint, daß ſie das Waſſer ganz zu entbehren im Stande ſind, wenigſtens findet
man ſie nicht ſelten in dürren Ebenen, meilenweit von Bächen oder Brunnen entfernt, ohne daß man
ihnen einen Mangel anmerken könnte.
Wegen der großen Verwüſtungen, welche die Rennmäuſe in den Feldern anrichten, werden ſie
von den Einwohnern ihrer Heimat ebenſo gehaßt und verfolgt, wie unſere Ratten. Sie zu vertreiben,
iſt nicht möglich, ſo eifrig man ihnen auch nachſtellen mag; denn ihre Vermehrung iſt ſo bedeutend,
daß alle Niederlagen, welche der Menſch etwa einer Art beibringen kann, ſehr bald durch deren
Fruchtbarkeit wieder ausgeglichen ſind. Genaueres über ihre Fortpflanzung im Freien iſt nicht be-
kannt; man weiß nur, daß die Weibchen mehrmals im Jahre ziemlich zahlreiche Nachkommenſchaft zur
Welt bringen.
Von einigen Arten rühmt man ihr angenehmes Betragen in der Gefangenſchaft. Sie ſollen ſich
ebenſo durch ihre große Beweglichkeit, als durch ihre Reinlichkeit, durch ihre Sanftmuth und Ver-
träglichkeit auszeichnen, d. h. natürlich, ſo lange ihnen Nichts abgeht; denn, wenn mehrere beiſammen
ſind und auch nur auf kurze Zeit Mangel leiden, ſtreiten ſie ſich und beißen ohne Umſtände einander
die Schwänze ab.
Die feiſte Rennmaus (Meriones-Psammomys-obesus) hat etwa die Größe unſerer Wan-
derratte, ſie wird 12 Zoll lang, wovon der Schwanz 5 Zoll wegnimmt. Oben iſt ſie röthlich ſand-
farben, ſchwarz geſprenkelt, an den Seiten und unten lichtgelb. Die Wangen ſind gelblich weiß, fein
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/128>, abgerufen am 26.11.2024.
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