zwar ganz dicht neben einander. Beim Graben soll er die starken, gewaltigen Schneidezähne thätig mit benutzen, indem er das Wurzelwerk durchnagt und auch die Erde, welche zwischen den Wurzeln liegt, zerkleinert. Die losgescharrte Erde wirft er mit dem Kopfe in die Höhe und schleudert sie dann mit den Vorder- und Hinterbeinen zurück. Er lebt ebensowenig gesellig, als der Maulwurf, viel häufiger aber in größerer Nähe mit anderen seiner Art zusammen. Um die Zeit der Paarung kommt er manchmal bei Tage auf die Oberfläche und sonnt sich dort in Gesellschaft seines Weibchens. Bei drohender Gefahr eilt er schleunigst wieder seinem Baue zu oder gräbt sich, wenn er nicht augenblick- lich die Mündung findet, mit überraschender Schnelligkeit in die Erde ein, im Nu den Blicken sich entziehend. Häufiger noch soll er am frühen Morgen und in der Nachtzeit aus seinen Gängen hervor- kommen.
Alle Bewegungen des merkwürdigen Geschöpfes sind auf der Erdoberfläche im höchsten Grade ungeschickt; unter der Erde dagegen schiebt es sich stoßweise fort, und zwar mit derselben Leichtigkeit nach vorn, wie nach hinten. Jedenfalls steht er hier an Schnelligkeit dem Maulwurfe nicht nach. Unter seinen Sinnen, welche sämmtlich wenig entwickelt sein dürften, scheint das Gehör eine hervor- ragende Rolle zu spielen. Man hat beobachtet, daß der Blindmoll gegen Geräusch sehr empfindlich ist, und durch den Gehörsinn hauptsächlich geleitet wird. Wenn er sich im Freien befindet, sitzt er mit emporgerichtetem Kopfe ruhig vor der Mündung eines seiner Gänge, und lauscht höchst aufmerk- sam nach allen Seiten hin. Bei dem geringsten Geräusch hebt er dann den Kopf noch höher und nimmt eine drohende Stellung an oder gräbt sich senkrecht in den Boden ein und verschwindet. -- Er ist ein böses, bissiges Thier, welches sich, plötzlich überrascht, muthig zur Wehre setzt und sich mit dem kräftigen Gebisse entschlossen vertheidigt. Jn der Wuth beißt er wie rasend herum und schnaubt dabei und knirscht mit den Zähnen, sonst hört man keinen Laut von ihm.
Der Blindmoll frißt Wurzeln und noch mehr Knollen; im Nothfalle benagt er die Rinde von Bäumen und Sträuchen. Gegen den Winter geht er tiefer in die Erde hinab, hält aber wahr- scheinlich keinen Winterschlaf, wenigstens gräbt er immer fort, solange der Boden nicht festgefroren ist. Wintervorräthe hat man in seinen Gängen noch nicht aufgefunden, wohl aber Nester, welche aus den feinsten Wurzeln zusammengebaut sind. Jn einem solchen Neste wirft das Weibchen im Som- mer seine zwei bis vier Jungen.
Unser Thier fügt den Menschen im ganzen geringen Schaden zu, obgleich ihm viel Böses nach- gesagt wird, ebensowenig aber bringt es irgend Nutzen. Die abergläubischen Russen sind der festen Ueberzeugung, daß der Blindmoll dem Menschen besondere Heilkräfte verleihen könne. Sie glauben, daß Derjenige, welcher Muth genug hat, das bissige Vieh auf seine bloße Hand zu setzen, sich beißen zu lassen und hierauf den Blindmoll durch Erdrücken langsam umzubringen, später befähigt wäre, durch bloses Auflegen der Hand Drüsengeschwülste aller Art zu heilen. Hierauf bezieht sich auch einer seiner Landesnamen, welcher soviel als "Drüsenarzt" bedeutet. Die Russen nennen ihn übrigens "Slapetz" oder den Blinden, in Galizien heißt er "Ziemni-bisak" und in Ungarn "Földi-kölök".
Eine Gruppe viel anmuthigerer Nager, als die vorstehend abgehandelten Wühler es sind, lernen wir in einer anderen Familie kennen. Die Bilche oder Schlafmäuse (Myoxi) sind niedliche, eichhornähnliche Geschöpfe von geringer Größe und angenehmen, in mancher Hinsicht merkwürdigen Sitten. Man würde diese Thiere sicherlich zu den Eichhörnchen stellen, zeigte der innere Leibes- bau beider Familien nicht erhebliche Unterschiede. Die Schläfer haben einen ziemlich schmalen, mehr mäuse- als eichhornähnlichen Kopf mit spitzer Schnauze und sehr großen Ohren, einen dichten und etwas buschig behaarten, durch die längeren Seitenhaare zweizeilig scheinenden Schwanz, vier Zehen und eine kurze Daumenwarze an den Vorderfüßen und fünf Zehen an den Hinterfüßen. Jm allge-
Die Bilche oder Schlafmäuſe.
zwar ganz dicht neben einander. Beim Graben ſoll er die ſtarken, gewaltigen Schneidezähne thätig mit benutzen, indem er das Wurzelwerk durchnagt und auch die Erde, welche zwiſchen den Wurzeln liegt, zerkleinert. Die losgeſcharrte Erde wirft er mit dem Kopfe in die Höhe und ſchleudert ſie dann mit den Vorder- und Hinterbeinen zurück. Er lebt ebenſowenig geſellig, als der Maulwurf, viel häufiger aber in größerer Nähe mit anderen ſeiner Art zuſammen. Um die Zeit der Paarung kommt er manchmal bei Tage auf die Oberfläche und ſonnt ſich dort in Geſellſchaft ſeines Weibchens. Bei drohender Gefahr eilt er ſchleunigſt wieder ſeinem Baue zu oder gräbt ſich, wenn er nicht augenblick- lich die Mündung findet, mit überraſchender Schnelligkeit in die Erde ein, im Nu den Blicken ſich entziehend. Häufiger noch ſoll er am frühen Morgen und in der Nachtzeit aus ſeinen Gängen hervor- kommen.
Alle Bewegungen des merkwürdigen Geſchöpfes ſind auf der Erdoberfläche im höchſten Grade ungeſchickt; unter der Erde dagegen ſchiebt es ſich ſtoßweiſe fort, und zwar mit derſelben Leichtigkeit nach vorn, wie nach hinten. Jedenfalls ſteht er hier an Schnelligkeit dem Maulwurfe nicht nach. Unter ſeinen Sinnen, welche ſämmtlich wenig entwickelt ſein dürften, ſcheint das Gehör eine hervor- ragende Rolle zu ſpielen. Man hat beobachtet, daß der Blindmoll gegen Geräuſch ſehr empfindlich iſt, und durch den Gehörſinn hauptſächlich geleitet wird. Wenn er ſich im Freien befindet, ſitzt er mit emporgerichtetem Kopfe ruhig vor der Mündung eines ſeiner Gänge, und lauſcht höchſt aufmerk- ſam nach allen Seiten hin. Bei dem geringſten Geräuſch hebt er dann den Kopf noch höher und nimmt eine drohende Stellung an oder gräbt ſich ſenkrecht in den Boden ein und verſchwindet. — Er iſt ein böſes, biſſiges Thier, welches ſich, plötzlich überraſcht, muthig zur Wehre ſetzt und ſich mit dem kräftigen Gebiſſe entſchloſſen vertheidigt. Jn der Wuth beißt er wie raſend herum und ſchnaubt dabei und knirſcht mit den Zähnen, ſonſt hört man keinen Laut von ihm.
Der Blindmoll frißt Wurzeln und noch mehr Knollen; im Nothfalle benagt er die Rinde von Bäumen und Sträuchen. Gegen den Winter geht er tiefer in die Erde hinab, hält aber wahr- ſcheinlich keinen Winterſchlaf, wenigſtens gräbt er immer fort, ſolange der Boden nicht feſtgefroren iſt. Wintervorräthe hat man in ſeinen Gängen noch nicht aufgefunden, wohl aber Neſter, welche aus den feinſten Wurzeln zuſammengebaut ſind. Jn einem ſolchen Neſte wirft das Weibchen im Som- mer ſeine zwei bis vier Jungen.
Unſer Thier fügt den Menſchen im ganzen geringen Schaden zu, obgleich ihm viel Böſes nach- geſagt wird, ebenſowenig aber bringt es irgend Nutzen. Die abergläubiſchen Ruſſen ſind der feſten Ueberzeugung, daß der Blindmoll dem Menſchen beſondere Heilkräfte verleihen könne. Sie glauben, daß Derjenige, welcher Muth genug hat, das biſſige Vieh auf ſeine bloße Hand zu ſetzen, ſich beißen zu laſſen und hierauf den Blindmoll durch Erdrücken langſam umzubringen, ſpäter befähigt wäre, durch bloſes Auflegen der Hand Drüſengeſchwülſte aller Art zu heilen. Hierauf bezieht ſich auch einer ſeiner Landesnamen, welcher ſoviel als „Drüſenarzt‟ bedeutet. Die Ruſſen nennen ihn übrigens „Slapetz‟ oder den Blinden, in Galizien heißt er „Ziemni-biſak‟ und in Ungarn „Földi-kölök‟.
Eine Gruppe viel anmuthigerer Nager, als die vorſtehend abgehandelten Wühler es ſind, lernen wir in einer anderen Familie kennen. Die Bilche oder Schlafmäuſe (Myoxi) ſind niedliche, eichhornähnliche Geſchöpfe von geringer Größe und angenehmen, in mancher Hinſicht merkwürdigen Sitten. Man würde dieſe Thiere ſicherlich zu den Eichhörnchen ſtellen, zeigte der innere Leibes- bau beider Familien nicht erhebliche Unterſchiede. Die Schläfer haben einen ziemlich ſchmalen, mehr mäuſe- als eichhornähnlichen Kopf mit ſpitzer Schnauze und ſehr großen Ohren, einen dichten und etwas buſchig behaarten, durch die längeren Seitenhaare zweizeilig ſcheinenden Schwanz, vier Zehen und eine kurze Daumenwarze an den Vorderfüßen und fünf Zehen an den Hinterfüßen. Jm allge-
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Die Bilche oder Schlafmäuſe.
zwar ganz dicht neben einander. Beim Graben ſoll er die ſtarken, gewaltigen Schneidezähne thätig
mit benutzen, indem er das Wurzelwerk durchnagt und auch die Erde, welche zwiſchen den Wurzeln
liegt, zerkleinert. Die losgeſcharrte Erde wirft er mit dem Kopfe in die Höhe und ſchleudert ſie dann
mit den Vorder- und Hinterbeinen zurück. Er lebt ebenſowenig geſellig, als der Maulwurf, viel
häufiger aber in größerer Nähe mit anderen ſeiner Art zuſammen. Um die Zeit der Paarung kommt
er manchmal bei Tage auf die Oberfläche und ſonnt ſich dort in Geſellſchaft ſeines Weibchens. Bei
drohender Gefahr eilt er ſchleunigſt wieder ſeinem Baue zu oder gräbt ſich, wenn er nicht augenblick-
lich die Mündung findet, mit überraſchender Schnelligkeit in die Erde ein, im Nu den Blicken ſich
entziehend. Häufiger noch ſoll er am frühen Morgen und in der Nachtzeit aus ſeinen Gängen hervor-
kommen.
Alle Bewegungen des merkwürdigen Geſchöpfes ſind auf der Erdoberfläche im höchſten Grade
ungeſchickt; unter der Erde dagegen ſchiebt es ſich ſtoßweiſe fort, und zwar mit derſelben Leichtigkeit
nach vorn, wie nach hinten. Jedenfalls ſteht er hier an Schnelligkeit dem Maulwurfe nicht nach.
Unter ſeinen Sinnen, welche ſämmtlich wenig entwickelt ſein dürften, ſcheint das Gehör eine hervor-
ragende Rolle zu ſpielen. Man hat beobachtet, daß der Blindmoll gegen Geräuſch ſehr empfindlich
iſt, und durch den Gehörſinn hauptſächlich geleitet wird. Wenn er ſich im Freien befindet, ſitzt er
mit emporgerichtetem Kopfe ruhig vor der Mündung eines ſeiner Gänge, und lauſcht höchſt aufmerk-
ſam nach allen Seiten hin. Bei dem geringſten Geräuſch hebt er dann den Kopf noch höher und
nimmt eine drohende Stellung an oder gräbt ſich ſenkrecht in den Boden ein und verſchwindet. —
Er iſt ein böſes, biſſiges Thier, welches ſich, plötzlich überraſcht, muthig zur Wehre ſetzt und ſich
mit dem kräftigen Gebiſſe entſchloſſen vertheidigt. Jn der Wuth beißt er wie raſend herum und
ſchnaubt dabei und knirſcht mit den Zähnen, ſonſt hört man keinen Laut von ihm.
Der Blindmoll frißt Wurzeln und noch mehr Knollen; im Nothfalle benagt er die Rinde
von Bäumen und Sträuchen. Gegen den Winter geht er tiefer in die Erde hinab, hält aber wahr-
ſcheinlich keinen Winterſchlaf, wenigſtens gräbt er immer fort, ſolange der Boden nicht feſtgefroren
iſt. Wintervorräthe hat man in ſeinen Gängen noch nicht aufgefunden, wohl aber Neſter, welche aus
den feinſten Wurzeln zuſammengebaut ſind. Jn einem ſolchen Neſte wirft das Weibchen im Som-
mer ſeine zwei bis vier Jungen.
Unſer Thier fügt den Menſchen im ganzen geringen Schaden zu, obgleich ihm viel Böſes nach-
geſagt wird, ebenſowenig aber bringt es irgend Nutzen. Die abergläubiſchen Ruſſen ſind der feſten
Ueberzeugung, daß der Blindmoll dem Menſchen beſondere Heilkräfte verleihen könne. Sie glauben,
daß Derjenige, welcher Muth genug hat, das biſſige Vieh auf ſeine bloße Hand zu ſetzen, ſich beißen
zu laſſen und hierauf den Blindmoll durch Erdrücken langſam umzubringen, ſpäter befähigt wäre,
durch bloſes Auflegen der Hand Drüſengeſchwülſte aller Art zu heilen. Hierauf bezieht ſich auch
einer ſeiner Landesnamen, welcher ſoviel als „Drüſenarzt‟ bedeutet. Die Ruſſen nennen ihn
übrigens „Slapetz‟ oder den Blinden, in Galizien heißt er „Ziemni-biſak‟ und in Ungarn
„Földi-kölök‟.
Eine Gruppe viel anmuthigerer Nager, als die vorſtehend abgehandelten Wühler es ſind, lernen
wir in einer anderen Familie kennen. Die Bilche oder Schlafmäuſe (Myoxi) ſind niedliche,
eichhornähnliche Geſchöpfe von geringer Größe und angenehmen, in mancher Hinſicht merkwürdigen
Sitten. Man würde dieſe Thiere ſicherlich zu den Eichhörnchen ſtellen, zeigte der innere Leibes-
bau beider Familien nicht erhebliche Unterſchiede. Die Schläfer haben einen ziemlich ſchmalen, mehr
mäuſe- als eichhornähnlichen Kopf mit ſpitzer Schnauze und ſehr großen Ohren, einen dichten und
etwas buſchig behaarten, durch die längeren Seitenhaare zweizeilig ſcheinenden Schwanz, vier Zehen
und eine kurze Daumenwarze an den Vorderfüßen und fünf Zehen an den Hinterfüßen. Jm allge-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/116>, abgerufen am 25.11.2024.
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