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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Murmelthiere.
der Oberseite ist lichtröthlichbraun, grau und schwärzlich gemischt, die der Unterseite schmuzigweiß.
Der kurze Schwanz ist an der Spitze braun gebändert.

Die ausgedehnten Ansiedelungen des Prairiehundes, welche man ihrer Größe wegen "Dörfer"
nennt, finden sich regelmäßig in etwas vertieften, fruchtbaren Wiesen, auf denen das niedlichste Gras
Nordamerikas (Sesleria dactyloides) einen wunderschönen Rasenteppich bildet und ihnen zugleich
bequeme Nahrung gewährt. "Zu welcher unglaublichen Ausdehnung die Ansiedelungen dieser fried-
lichen Erdbewohner herangewachsen sind," sagt Balduin Möllhausen, "davon kann man sich am
besten überzeugen, wenn man ununterbrochen Tage lang zwischen kleinen Hügeln hinzieht, deren jeder
eine Wohnung zweier oder mehrerer solcher Thiere bezeichnet."

"Die einzelnen Wohnungen sind gewöhnlich 15 bis 20 Fuß von einander entfernt, und
jeder kleine Hügel, der sich vor dem Eingange in derselben erhebt, mag aus einer guten Wagenladung
Erde bestehen, die allmählich von den Bewohnern aus den unterirdischen Gängen ans Tageslicht be-
fördert worden ist. Manche haben einen, andere dagegen zwei Eingänge. Ein festgetretener Pfad
führt von einer Wohnung zur andern, bei deren Anblick die Vermuthung rege wird, daß eine innige
Freundschaft unter diesen lebhaften, kleinen Thieren herrschen muß. Bei der Wahl einer Stelle zur
Anlage ihrer Stätte scheint ein kurzes, krauses Gras sie zu bestimmen, welches besonders auf höheren
Ebenen gedeiht und nebst einer Wurzel die einzige Nahrung dieser Thierchen ausmacht. Sogar auf
den Hochebenen von Neu-Mexiko, wo viele Meilen im Umkreise kein Tropfen Wasser zu finden ist,
gibt es sehr bevölkerte Freistaaten dieser Art, und da in dortiger Gegend mehrere Monate hindurch
kein Regen fällt und man, um Grundwasser zu erreichen, über 100 Fuß in die Tiefe graben müßte,
so ist fast anzunehmen, daß die Prairiehunde keines Wassers bedürfen, sondern sich mit der Feuchtig-
keit begnügen, welche zeitweise ein starker Thau auf den feinen Grashalmen zurückläßt. Daß diese
Thierchen ihren Winterschlaf halten, ist wohl nicht zu bezweifeln, denn sie legen keinen Futtervorrath
für den Winter an; das Gras um ihre Höhlen vertrocknet im Herbste gänzlich, und der Frost macht
den Boden so hart, daß es unmöglich für sie sein würde, auf gewöhnlichem Wege sich Nahrung zu
verschaffen. Wenn der Prairiehund die Annäherung seiner Schlafzeit fühlt, welches gewöhnlich in
den letzten Tagen des Oktobers geschieht, so schließt er alle Ausgänge seiner Wohnung, um sich gegen
die kalte Winterluft zu schützen, und übergibt sich dann dem Schlafe, um nicht eher wieder auf der
Oberwelt zu erscheinen, als bis die warmen Frühlingstage ihn zu neuem, fröhlichen Leben erwecken.
Den Aussagen der Jndianer gemäß, öffnet der Prairiehund manchmal bei noch kalter Witterung die
Thüren seiner Behausung. Dies ist alsdann aber als sicheres Zeichen anzusehen, daß bald warme
Tage zu erwarten sind."

"Einen merkwürdigen Anblick gewährt eine solche Ansiedlung, wenn es glückt, von den Wachen
unbeachtet in ihre Nähe zu gelangen. So weit das Auge nur reicht, herrscht ein reges Leben und
Treiben: fast auf jedem Hügel sitzt aufrecht, wie ein Eichhörnchen, das kleine gelbbraune Murmel-
thier; das aufwärts stehende Schwänzchen ist in immerwährender Bewegung, und zu einem förmlichen
Summen vereinigen sich die feinen, bellenden Stimmchen der vielen Tausende. Nähert sich der Be-
schauer um einige Schritte, so vernimmt und unterscheidet er die tieferen Stimmen älterer und erfah-
rener Häupter, aber bald, wie durch Zauberschlag, ist alles Leben von der Oberfläche verschwunden.
Nur hin und wieder ragt aus der Oeffnung einer Höhle der Kopf eines Kundschafters hervor, der
durch anhaltend herausforderndes Bellen seine Angehörigen vor der gefährlichen Nähe eines Menschen
warnt. Legt man sich alsdann nieder und beobachtet bewegungslos und geduldig die nächste Um-
gebung, so wird in kurzer Zeit der Wachtposten den Platz auf dem Hügel vor seiner Thür einnehmen
und durch unausgesetztes Bellen seine Gefährten von dem Verschwinden der Gefahr in Kenntniß
setzen. Er lockt dadurch einen nach dem andern aus den dunklen Gängen auf die Oberfläche, wo als-
bald das harmlose Treiben dieser geselligen Thiere von neuem beginnt. Ein älteres Mitglied von
sehr gesetztem Aeußeren stattet dann wohl einen Besuch bei dem Nachbar ab, der ihn auf seinem Hügel
in aufrechter Stellung mit wedelndem Schwänzchen erwartet und dem Besucher an seiner Seite Platz

Die Murmelthiere.
der Oberſeite iſt lichtröthlichbraun, grau und ſchwärzlich gemiſcht, die der Unterſeite ſchmuzigweiß.
Der kurze Schwanz iſt an der Spitze braun gebändert.

Die ausgedehnten Anſiedelungen des Prairiehundes, welche man ihrer Größe wegen „Dörfer
nennt, finden ſich regelmäßig in etwas vertieften, fruchtbaren Wieſen, auf denen das niedlichſte Gras
Nordamerikas (Sesleria dactyloides) einen wunderſchönen Raſenteppich bildet und ihnen zugleich
bequeme Nahrung gewährt. „Zu welcher unglaublichen Ausdehnung die Anſiedelungen dieſer fried-
lichen Erdbewohner herangewachſen ſind,‟ ſagt Balduin Möllhauſen, „davon kann man ſich am
beſten überzeugen, wenn man ununterbrochen Tage lang zwiſchen kleinen Hügeln hinzieht, deren jeder
eine Wohnung zweier oder mehrerer ſolcher Thiere bezeichnet.‟

„Die einzelnen Wohnungen ſind gewöhnlich 15 bis 20 Fuß von einander entfernt, und
jeder kleine Hügel, der ſich vor dem Eingange in derſelben erhebt, mag aus einer guten Wagenladung
Erde beſtehen, die allmählich von den Bewohnern aus den unterirdiſchen Gängen ans Tageslicht be-
fördert worden iſt. Manche haben einen, andere dagegen zwei Eingänge. Ein feſtgetretener Pfad
führt von einer Wohnung zur andern, bei deren Anblick die Vermuthung rege wird, daß eine innige
Freundſchaft unter dieſen lebhaften, kleinen Thieren herrſchen muß. Bei der Wahl einer Stelle zur
Anlage ihrer Stätte ſcheint ein kurzes, krauſes Gras ſie zu beſtimmen, welches beſonders auf höheren
Ebenen gedeiht und nebſt einer Wurzel die einzige Nahrung dieſer Thierchen ausmacht. Sogar auf
den Hochebenen von Neu-Mexiko, wo viele Meilen im Umkreiſe kein Tropfen Waſſer zu finden iſt,
gibt es ſehr bevölkerte Freiſtaaten dieſer Art, und da in dortiger Gegend mehrere Monate hindurch
kein Regen fällt und man, um Grundwaſſer zu erreichen, über 100 Fuß in die Tiefe graben müßte,
ſo iſt faſt anzunehmen, daß die Prairiehunde keines Waſſers bedürfen, ſondern ſich mit der Feuchtig-
keit begnügen, welche zeitweiſe ein ſtarker Thau auf den feinen Grashalmen zurückläßt. Daß dieſe
Thierchen ihren Winterſchlaf halten, iſt wohl nicht zu bezweifeln, denn ſie legen keinen Futtervorrath
für den Winter an; das Gras um ihre Höhlen vertrocknet im Herbſte gänzlich, und der Froſt macht
den Boden ſo hart, daß es unmöglich für ſie ſein würde, auf gewöhnlichem Wege ſich Nahrung zu
verſchaffen. Wenn der Prairiehund die Annäherung ſeiner Schlafzeit fühlt, welches gewöhnlich in
den letzten Tagen des Oktobers geſchieht, ſo ſchließt er alle Ausgänge ſeiner Wohnung, um ſich gegen
die kalte Winterluft zu ſchützen, und übergibt ſich dann dem Schlafe, um nicht eher wieder auf der
Oberwelt zu erſcheinen, als bis die warmen Frühlingstage ihn zu neuem, fröhlichen Leben erwecken.
Den Ausſagen der Jndianer gemäß, öffnet der Prairiehund manchmal bei noch kalter Witterung die
Thüren ſeiner Behauſung. Dies iſt alsdann aber als ſicheres Zeichen anzuſehen, daß bald warme
Tage zu erwarten ſind.‟

„Einen merkwürdigen Anblick gewährt eine ſolche Anſiedlung, wenn es glückt, von den Wachen
unbeachtet in ihre Nähe zu gelangen. So weit das Auge nur reicht, herrſcht ein reges Leben und
Treiben: faſt auf jedem Hügel ſitzt aufrecht, wie ein Eichhörnchen, das kleine gelbbraune Murmel-
thier; das aufwärts ſtehende Schwänzchen iſt in immerwährender Bewegung, und zu einem förmlichen
Summen vereinigen ſich die feinen, bellenden Stimmchen der vielen Tauſende. Nähert ſich der Be-
ſchauer um einige Schritte, ſo vernimmt und unterſcheidet er die tieferen Stimmen älterer und erfah-
rener Häupter, aber bald, wie durch Zauberſchlag, iſt alles Leben von der Oberfläche verſchwunden.
Nur hin und wieder ragt aus der Oeffnung einer Höhle der Kopf eines Kundſchafters hervor, der
durch anhaltend herausforderndes Bellen ſeine Angehörigen vor der gefährlichen Nähe eines Menſchen
warnt. Legt man ſich alsdann nieder und beobachtet bewegungslos und geduldig die nächſte Um-
gebung, ſo wird in kurzer Zeit der Wachtpoſten den Platz auf dem Hügel vor ſeiner Thür einnehmen
und durch unausgeſetztes Bellen ſeine Gefährten von dem Verſchwinden der Gefahr in Kenntniß
ſetzen. Er lockt dadurch einen nach dem andern aus den dunklen Gängen auf die Oberfläche, wo als-
bald das harmloſe Treiben dieſer geſelligen Thiere von neuem beginnt. Ein älteres Mitglied von
ſehr geſetztem Aeußeren ſtattet dann wohl einen Beſuch bei dem Nachbar ab, der ihn auf ſeinem Hügel
in aufrechter Stellung mit wedelndem Schwänzchen erwartet und dem Beſucher an ſeiner Seite Platz

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[88/0102] Die Murmelthiere. der Oberſeite iſt lichtröthlichbraun, grau und ſchwärzlich gemiſcht, die der Unterſeite ſchmuzigweiß. Der kurze Schwanz iſt an der Spitze braun gebändert. Die ausgedehnten Anſiedelungen des Prairiehundes, welche man ihrer Größe wegen „Dörfer‟ nennt, finden ſich regelmäßig in etwas vertieften, fruchtbaren Wieſen, auf denen das niedlichſte Gras Nordamerikas (Sesleria dactyloides) einen wunderſchönen Raſenteppich bildet und ihnen zugleich bequeme Nahrung gewährt. „Zu welcher unglaublichen Ausdehnung die Anſiedelungen dieſer fried- lichen Erdbewohner herangewachſen ſind,‟ ſagt Balduin Möllhauſen, „davon kann man ſich am beſten überzeugen, wenn man ununterbrochen Tage lang zwiſchen kleinen Hügeln hinzieht, deren jeder eine Wohnung zweier oder mehrerer ſolcher Thiere bezeichnet.‟ „Die einzelnen Wohnungen ſind gewöhnlich 15 bis 20 Fuß von einander entfernt, und jeder kleine Hügel, der ſich vor dem Eingange in derſelben erhebt, mag aus einer guten Wagenladung Erde beſtehen, die allmählich von den Bewohnern aus den unterirdiſchen Gängen ans Tageslicht be- fördert worden iſt. Manche haben einen, andere dagegen zwei Eingänge. Ein feſtgetretener Pfad führt von einer Wohnung zur andern, bei deren Anblick die Vermuthung rege wird, daß eine innige Freundſchaft unter dieſen lebhaften, kleinen Thieren herrſchen muß. Bei der Wahl einer Stelle zur Anlage ihrer Stätte ſcheint ein kurzes, krauſes Gras ſie zu beſtimmen, welches beſonders auf höheren Ebenen gedeiht und nebſt einer Wurzel die einzige Nahrung dieſer Thierchen ausmacht. Sogar auf den Hochebenen von Neu-Mexiko, wo viele Meilen im Umkreiſe kein Tropfen Waſſer zu finden iſt, gibt es ſehr bevölkerte Freiſtaaten dieſer Art, und da in dortiger Gegend mehrere Monate hindurch kein Regen fällt und man, um Grundwaſſer zu erreichen, über 100 Fuß in die Tiefe graben müßte, ſo iſt faſt anzunehmen, daß die Prairiehunde keines Waſſers bedürfen, ſondern ſich mit der Feuchtig- keit begnügen, welche zeitweiſe ein ſtarker Thau auf den feinen Grashalmen zurückläßt. Daß dieſe Thierchen ihren Winterſchlaf halten, iſt wohl nicht zu bezweifeln, denn ſie legen keinen Futtervorrath für den Winter an; das Gras um ihre Höhlen vertrocknet im Herbſte gänzlich, und der Froſt macht den Boden ſo hart, daß es unmöglich für ſie ſein würde, auf gewöhnlichem Wege ſich Nahrung zu verſchaffen. Wenn der Prairiehund die Annäherung ſeiner Schlafzeit fühlt, welches gewöhnlich in den letzten Tagen des Oktobers geſchieht, ſo ſchließt er alle Ausgänge ſeiner Wohnung, um ſich gegen die kalte Winterluft zu ſchützen, und übergibt ſich dann dem Schlafe, um nicht eher wieder auf der Oberwelt zu erſcheinen, als bis die warmen Frühlingstage ihn zu neuem, fröhlichen Leben erwecken. Den Ausſagen der Jndianer gemäß, öffnet der Prairiehund manchmal bei noch kalter Witterung die Thüren ſeiner Behauſung. Dies iſt alsdann aber als ſicheres Zeichen anzuſehen, daß bald warme Tage zu erwarten ſind.‟ „Einen merkwürdigen Anblick gewährt eine ſolche Anſiedlung, wenn es glückt, von den Wachen unbeachtet in ihre Nähe zu gelangen. So weit das Auge nur reicht, herrſcht ein reges Leben und Treiben: faſt auf jedem Hügel ſitzt aufrecht, wie ein Eichhörnchen, das kleine gelbbraune Murmel- thier; das aufwärts ſtehende Schwänzchen iſt in immerwährender Bewegung, und zu einem förmlichen Summen vereinigen ſich die feinen, bellenden Stimmchen der vielen Tauſende. Nähert ſich der Be- ſchauer um einige Schritte, ſo vernimmt und unterſcheidet er die tieferen Stimmen älterer und erfah- rener Häupter, aber bald, wie durch Zauberſchlag, iſt alles Leben von der Oberfläche verſchwunden. Nur hin und wieder ragt aus der Oeffnung einer Höhle der Kopf eines Kundſchafters hervor, der durch anhaltend herausforderndes Bellen ſeine Angehörigen vor der gefährlichen Nähe eines Menſchen warnt. Legt man ſich alsdann nieder und beobachtet bewegungslos und geduldig die nächſte Um- gebung, ſo wird in kurzer Zeit der Wachtpoſten den Platz auf dem Hügel vor ſeiner Thür einnehmen und durch unausgeſetztes Bellen ſeine Gefährten von dem Verſchwinden der Gefahr in Kenntniß ſetzen. Er lockt dadurch einen nach dem andern aus den dunklen Gängen auf die Oberfläche, wo als- bald das harmloſe Treiben dieſer geſelligen Thiere von neuem beginnt. Ein älteres Mitglied von ſehr geſetztem Aeußeren ſtattet dann wohl einen Beſuch bei dem Nachbar ab, der ihn auf ſeinem Hügel in aufrechter Stellung mit wedelndem Schwänzchen erwartet und dem Beſucher an ſeiner Seite Platz

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/102>, abgerufen am 23.11.2024.