weiß, indem die Nässe in das Jnnere der Wohnung dringt und mit der Kälte im Verein dann rasch den Tod für die gemüthlichen Geschöpfe herbeiführt.
Der Ziesel ist nicht eben schwer zu fangen. Die alten Männchen sind zwar achtsam und warnen ihre ganze Gesellschaft durch einen lauten Pfiff, sobald sich irgend etwas Verdächtiges zeigt, und auf einen einzigen solchen Pfiff hin stürzt sich auch sofort das ganze, lustig vor dem Eingang seiner Woh- nungen spielende Rudel in die Tiefe der unterirdischen Höhlen: aber der Spaten bringt die Versteckten leicht an das Tageslicht, oder die tückisch vor den Eingang gestellte Falle kerkert sie beim Wiederheraus- kommen ein. Da benimmt sich nun der Ziesel höchst liebenswürdig. Er ergibt sich gefaßt in sein Schicksal und befreundet sich merkwürdig schnell mit seinem neuen Gewaltherrn. Ein einziger Tag genügt, einen Ziesel, und zwar einen alten sogut als einen jungen, an die Gesellschaft des Menschen zu gewöhnen. Junge Thiere werden schon nach wenigen Stunden zahm, und blos die alten Weibchen zeigen manchmal die Tücken der Nager und beißen tüchtig zu. Bei guter Behandlung erträgt der Ziesel mehrere Jahre hindurch die Gefangenschaft, und nächst dem Eichhörnchen ist er wohl eins der lieblichsten Stubenthiere, welches man sich denken kann. Jeder Besitzer muß seine große Freude haben an dem schmucken Geschöpfe, welches sich gar zierlich bewegt und bald so große Anhänglichkeit an den Wärter zeigt, wenn auch der Verstand des kleinen Geschöpfes nicht eben bedeutend genannt werden
[Abbildung]
Der Leopardenziesel (Spermophilus Hoodil).
kann. Ganz besonders empfiehlt den Ziesel aber seine große Reinlichkeit. Die Art und Weise seines beständigen Putzens, Waschens und Kämmens gewährt dem Beobachter ungemeines Vergnügen. Mit Getreide, Obst und Brod erhält man den Gefangenen leicht, Fleisch verschmäht er auch nicht, und Milch ist ihm ein wahrer Leckerbissen.
Außer den Sibiriern und Zigeunern essen blos arme Leute das fette Fleisch des Ziesel, und auch das Fell findet nur eine geringe Benutzung zu Unterfutter, zu Verbrämungen oder zu Geld- und Ta- baksbeuteln. Dagegen werden die Eingeweide als Heilmittel vielfach angewendet, selbstverständlich ohne den geringsten Erfolg.
Von den vielen Arten der Sippe will ich noch eines Nordamerikaners Erwähnung thun, des Leopardenziesels (Spermophilus Hoodii). Das schmucke Thier findet sich hauptsächlich am Mis- souri und St. Peterflusse, besonders in den offenen Ebenen um das Fort Union am Missouri, von wo aus es sich bis gegen Arkansas verbreitet. Flache, sandige Gegenden beherbergen ihn in großer Menge. Jn seiner Lebensweise ähnelt er dem gemeinen Ziesel; doch sind seine Baue weniger aus- gedehnt und flach. Jm Anfang des Herbstes zieht er sich in etwas tiefere Höhlen zurück und schläft hier, bis ihn die Frühlingswärme wieder erweckt. Jm Mai bringt das Weibchen seine fünf bis zehn Junge zur Welt, und während des Sommers herrscht nun ganz das rege Leben unseres Ziesels in
Die Murmelthiere.
weiß, indem die Näſſe in das Jnnere der Wohnung dringt und mit der Kälte im Verein dann raſch den Tod für die gemüthlichen Geſchöpfe herbeiführt.
Der Zieſel iſt nicht eben ſchwer zu fangen. Die alten Männchen ſind zwar achtſam und warnen ihre ganze Geſellſchaft durch einen lauten Pfiff, ſobald ſich irgend etwas Verdächtiges zeigt, und auf einen einzigen ſolchen Pfiff hin ſtürzt ſich auch ſofort das ganze, luſtig vor dem Eingang ſeiner Woh- nungen ſpielende Rudel in die Tiefe der unterirdiſchen Höhlen: aber der Spaten bringt die Verſteckten leicht an das Tageslicht, oder die tückiſch vor den Eingang geſtellte Falle kerkert ſie beim Wiederheraus- kommen ein. Da benimmt ſich nun der Zieſel höchſt liebenswürdig. Er ergibt ſich gefaßt in ſein Schickſal und befreundet ſich merkwürdig ſchnell mit ſeinem neuen Gewaltherrn. Ein einziger Tag genügt, einen Zieſel, und zwar einen alten ſogut als einen jungen, an die Geſellſchaft des Menſchen zu gewöhnen. Junge Thiere werden ſchon nach wenigen Stunden zahm, und blos die alten Weibchen zeigen manchmal die Tücken der Nager und beißen tüchtig zu. Bei guter Behandlung erträgt der Zieſel mehrere Jahre hindurch die Gefangenſchaft, und nächſt dem Eichhörnchen iſt er wohl eins der lieblichſten Stubenthiere, welches man ſich denken kann. Jeder Beſitzer muß ſeine große Freude haben an dem ſchmucken Geſchöpfe, welches ſich gar zierlich bewegt und bald ſo große Anhänglichkeit an den Wärter zeigt, wenn auch der Verſtand des kleinen Geſchöpfes nicht eben bedeutend genannt werden
[Abbildung]
Der Leopardenzieſel (Spermophilus Hoodil).
kann. Ganz beſonders empfiehlt den Zieſel aber ſeine große Reinlichkeit. Die Art und Weiſe ſeines beſtändigen Putzens, Waſchens und Kämmens gewährt dem Beobachter ungemeines Vergnügen. Mit Getreide, Obſt und Brod erhält man den Gefangenen leicht, Fleiſch verſchmäht er auch nicht, und Milch iſt ihm ein wahrer Leckerbiſſen.
Außer den Sibiriern und Zigeunern eſſen blos arme Leute das fette Fleiſch des Zieſel, und auch das Fell findet nur eine geringe Benutzung zu Unterfutter, zu Verbrämungen oder zu Geld- und Ta- baksbeuteln. Dagegen werden die Eingeweide als Heilmittel vielfach angewendet, ſelbſtverſtändlich ohne den geringſten Erfolg.
Von den vielen Arten der Sippe will ich noch eines Nordamerikaners Erwähnung thun, des Leopardenzieſels (Spermophilus Hoodii). Das ſchmucke Thier findet ſich hauptſächlich am Miſ- ſouri und St. Peterfluſſe, beſonders in den offenen Ebenen um das Fort Union am Miſſouri, von wo aus es ſich bis gegen Arkanſas verbreitet. Flache, ſandige Gegenden beherbergen ihn in großer Menge. Jn ſeiner Lebensweiſe ähnelt er dem gemeinen Zieſel; doch ſind ſeine Baue weniger aus- gedehnt und flach. Jm Anfang des Herbſtes zieht er ſich in etwas tiefere Höhlen zurück und ſchläft hier, bis ihn die Frühlingswärme wieder erweckt. Jm Mai bringt das Weibchen ſeine fünf bis zehn Junge zur Welt, und während des Sommers herrſcht nun ganz das rege Leben unſeres Zieſels in
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0100"n="86"/><fwplace="top"type="header">Die Murmelthiere.</fw><lb/>
weiß, indem die Näſſe in das Jnnere der Wohnung dringt und mit der Kälte im Verein dann raſch<lb/>
den Tod für die gemüthlichen Geſchöpfe herbeiführt.</p><lb/><p>Der Zieſel iſt nicht eben ſchwer zu fangen. Die alten Männchen ſind zwar achtſam und warnen<lb/>
ihre ganze Geſellſchaft durch einen lauten Pfiff, ſobald ſich irgend etwas Verdächtiges zeigt, und auf<lb/>
einen einzigen ſolchen Pfiff hin ſtürzt ſich auch ſofort das ganze, luſtig vor dem Eingang ſeiner Woh-<lb/>
nungen ſpielende Rudel in die Tiefe der unterirdiſchen Höhlen: aber der Spaten bringt die Verſteckten<lb/>
leicht an das Tageslicht, oder die tückiſch vor den Eingang geſtellte Falle kerkert ſie beim Wiederheraus-<lb/>
kommen ein. Da benimmt ſich nun der Zieſel höchſt liebenswürdig. Er ergibt ſich gefaßt in ſein<lb/>
Schickſal und befreundet ſich merkwürdig ſchnell mit ſeinem neuen Gewaltherrn. Ein einziger Tag<lb/>
genügt, einen Zieſel, und zwar einen alten ſogut als einen jungen, an die Geſellſchaft des Menſchen<lb/>
zu gewöhnen. Junge Thiere werden ſchon nach wenigen Stunden zahm, und blos die alten Weibchen<lb/>
zeigen manchmal die Tücken der Nager und beißen tüchtig zu. Bei guter Behandlung erträgt der<lb/>
Zieſel mehrere Jahre hindurch die Gefangenſchaft, und nächſt dem Eichhörnchen iſt er wohl eins der<lb/>
lieblichſten Stubenthiere, welches man ſich denken kann. Jeder Beſitzer muß ſeine große Freude haben<lb/>
an dem ſchmucken Geſchöpfe, welches ſich gar zierlich bewegt und bald ſo große Anhänglichkeit an den<lb/>
Wärter zeigt, wenn auch der Verſtand des kleinen Geſchöpfes nicht eben bedeutend genannt werden<lb/><figure><head><hirendition="#c"><hirendition="#g">Der Leopardenzieſel</hi> (<hirendition="#aq">Spermophilus Hoodil</hi>).</hi></head></figure><lb/>
kann. Ganz beſonders empfiehlt den Zieſel aber ſeine große Reinlichkeit. Die Art und Weiſe ſeines<lb/>
beſtändigen Putzens, Waſchens und Kämmens gewährt dem Beobachter ungemeines Vergnügen. Mit<lb/>
Getreide, Obſt und Brod erhält man den Gefangenen leicht, Fleiſch verſchmäht er auch nicht, und<lb/>
Milch iſt ihm ein wahrer Leckerbiſſen.</p><lb/><p>Außer den Sibiriern und Zigeunern eſſen blos arme Leute das fette Fleiſch des Zieſel, und auch<lb/>
das Fell findet nur eine geringe Benutzung zu Unterfutter, zu Verbrämungen oder zu Geld- und Ta-<lb/>
baksbeuteln. Dagegen werden die Eingeweide als Heilmittel vielfach angewendet, ſelbſtverſtändlich<lb/>
ohne den geringſten Erfolg.</p><lb/><p>Von den vielen Arten der Sippe will ich noch eines Nordamerikaners Erwähnung thun, des<lb/><hirendition="#g">Leopardenzieſels</hi> (<hirendition="#aq">Spermophilus Hoodii</hi>). Das ſchmucke Thier findet ſich hauptſächlich am Miſ-<lb/>ſouri und St. Peterfluſſe, beſonders in den offenen Ebenen um das Fort Union am Miſſouri, von<lb/>
wo aus es ſich bis gegen Arkanſas verbreitet. Flache, ſandige Gegenden beherbergen ihn in großer<lb/>
Menge. Jn ſeiner Lebensweiſe ähnelt er dem gemeinen Zieſel; doch ſind ſeine Baue weniger aus-<lb/>
gedehnt und flach. Jm Anfang des Herbſtes zieht er ſich in etwas tiefere Höhlen zurück und ſchläft<lb/>
hier, bis ihn die Frühlingswärme wieder erweckt. Jm Mai bringt das Weibchen ſeine fünf bis zehn<lb/>
Junge zur Welt, und während des Sommers herrſcht nun ganz das rege Leben unſeres Zieſels in<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[86/0100]
Die Murmelthiere.
weiß, indem die Näſſe in das Jnnere der Wohnung dringt und mit der Kälte im Verein dann raſch
den Tod für die gemüthlichen Geſchöpfe herbeiführt.
Der Zieſel iſt nicht eben ſchwer zu fangen. Die alten Männchen ſind zwar achtſam und warnen
ihre ganze Geſellſchaft durch einen lauten Pfiff, ſobald ſich irgend etwas Verdächtiges zeigt, und auf
einen einzigen ſolchen Pfiff hin ſtürzt ſich auch ſofort das ganze, luſtig vor dem Eingang ſeiner Woh-
nungen ſpielende Rudel in die Tiefe der unterirdiſchen Höhlen: aber der Spaten bringt die Verſteckten
leicht an das Tageslicht, oder die tückiſch vor den Eingang geſtellte Falle kerkert ſie beim Wiederheraus-
kommen ein. Da benimmt ſich nun der Zieſel höchſt liebenswürdig. Er ergibt ſich gefaßt in ſein
Schickſal und befreundet ſich merkwürdig ſchnell mit ſeinem neuen Gewaltherrn. Ein einziger Tag
genügt, einen Zieſel, und zwar einen alten ſogut als einen jungen, an die Geſellſchaft des Menſchen
zu gewöhnen. Junge Thiere werden ſchon nach wenigen Stunden zahm, und blos die alten Weibchen
zeigen manchmal die Tücken der Nager und beißen tüchtig zu. Bei guter Behandlung erträgt der
Zieſel mehrere Jahre hindurch die Gefangenſchaft, und nächſt dem Eichhörnchen iſt er wohl eins der
lieblichſten Stubenthiere, welches man ſich denken kann. Jeder Beſitzer muß ſeine große Freude haben
an dem ſchmucken Geſchöpfe, welches ſich gar zierlich bewegt und bald ſo große Anhänglichkeit an den
Wärter zeigt, wenn auch der Verſtand des kleinen Geſchöpfes nicht eben bedeutend genannt werden
[Abbildung Der Leopardenzieſel (Spermophilus Hoodil).]
kann. Ganz beſonders empfiehlt den Zieſel aber ſeine große Reinlichkeit. Die Art und Weiſe ſeines
beſtändigen Putzens, Waſchens und Kämmens gewährt dem Beobachter ungemeines Vergnügen. Mit
Getreide, Obſt und Brod erhält man den Gefangenen leicht, Fleiſch verſchmäht er auch nicht, und
Milch iſt ihm ein wahrer Leckerbiſſen.
Außer den Sibiriern und Zigeunern eſſen blos arme Leute das fette Fleiſch des Zieſel, und auch
das Fell findet nur eine geringe Benutzung zu Unterfutter, zu Verbrämungen oder zu Geld- und Ta-
baksbeuteln. Dagegen werden die Eingeweide als Heilmittel vielfach angewendet, ſelbſtverſtändlich
ohne den geringſten Erfolg.
Von den vielen Arten der Sippe will ich noch eines Nordamerikaners Erwähnung thun, des
Leopardenzieſels (Spermophilus Hoodii). Das ſchmucke Thier findet ſich hauptſächlich am Miſ-
ſouri und St. Peterfluſſe, beſonders in den offenen Ebenen um das Fort Union am Miſſouri, von
wo aus es ſich bis gegen Arkanſas verbreitet. Flache, ſandige Gegenden beherbergen ihn in großer
Menge. Jn ſeiner Lebensweiſe ähnelt er dem gemeinen Zieſel; doch ſind ſeine Baue weniger aus-
gedehnt und flach. Jm Anfang des Herbſtes zieht er ſich in etwas tiefere Höhlen zurück und ſchläft
hier, bis ihn die Frühlingswärme wieder erweckt. Jm Mai bringt das Weibchen ſeine fünf bis zehn
Junge zur Welt, und während des Sommers herrſcht nun ganz das rege Leben unſeres Zieſels in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/100>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.