mehr als 50 Stück zusammen. Es ist wohl gethan, solche Scharen aus einiger Ferne zu beobachten. Sie erheben bei Ankunft des Menschen ein lautes Geschrei und springen unter entsetzlichem Lärm so wüthend in den Zweigen umher, daß sie oft starke Aeste von den absterbenden Bäumen brechen und somit herab auf ihre Verfolger schleudern."
"Der Budeng ist weniger ein Liebling der Eingeborenen, als der Lutung, ein jenem nah ver- wandter, aber rother Affe, vielleicht blos eine Abart. Wenn die Javanesen diesen einfangen, geben sie sich die größte Mühe, ihn zu zähmen und behandeln ihn mit vieler Liebe und Aufmerksamkeit. Der Budeng dagegen wird vernachlässigt und verachtet. Er verlangt viel Geduld in jeder Hinsicht, ehe er das mürrische Wesen ablegt, welches ihm eigenthümlich ist. Jn der Gefangenschaft bleibt er während vieler Monate ernst und murrköpfig, und weil er nun Nichts zum Vergnügen der Eingeborenen bei- trägt, findet man ihn denn auch selten in den Ortschaften. Dies geschieht nicht etwa aus Abneigung von Seiten der Javanesen gegen die Affen überhaupt; denn die gemeinste Art der Ordnung, welche auf der Jnsel vorkommt, wird sehr häufig gezähmt und nach der beliebten Sitte der Eingeborenen mit Pferden zusammen gehalten. Jn jedem Stall, vom prinzlichen an bis zu dem eines Mantry oder Schultheißen, findet man einen jener Affen: der Budeng aber gelangt niemals zu solcher Ehre."
"Gleichwohl wird unser Affe oft von den Eingeborenen gejagt, weil sie sein Fell benutzen. Bei diesen Jagden, welche gewöhnlich von den Häuptlingen angeordnet und befehligt werden, greift man die Thiere mit Schleuder und Stein an und vernichtet sie oft in großer Anzahl. Die Einge- borenen wissen die Felle auf einfache Weise, aber sehr gut zuzubereiten und verwenden sie dann, wie auch die Europäer thun, zu Satteldecken und allerlei Heerschmuck; namentlich werden jene geschätzt, welche ganz schwarz von Farbe sind und schöne, lange Seidenhaare besitzen."
"Jn der Jugend verzehrt der Budeng zarte Blätter von allerlei Pflanzen, im Alter wilde Früchte aller Art, welche in so großer Menge in seinen unbewohnten Wäldern sich finden."
Als ich den Budeng im Thiergarten von Amsterdam zum ersten Male lebend sah, erkannte ich ihn nicht. Horsfield hat ein trauriges Zerrbild des Thieres gegeben; Pöppig und Giebel haben es ihm nachgedruckt; die ausgestopften, welche ich in Museen fand, waren ebenfalls nur Schatten des lebenden Thieres: kurz, ich konnte, trotz aller Berichtigungen, welche ich den Mißge- stalten in Büchern und Museen hatte angedeihen lassen, unmöglich ein so schönes Thier vermuthen, als ich jetzt vor mir sah. Dieser Affe erregte die allgemeine Aufmerksamkeit aller Beschauer, obwohl er nicht das Geringste that, um die Blicke der Leute auf sich zu ziehen. Jch möchte sein stilles Wesen nicht so verdammen, wie Horsfield es gethan hat; denn ich glaube nicht, daß man ihn eigentlich "mürrisch" nennen kann. Er ist still und ruhig, aber nicht übellaunisch und ungemüthlich. Das Paar, welches in Amsterdam lebte, bielt stets treu zusammen. Gewöhnlich saßen Beide dicht an ein- ander gedrängt in sehr zusammen gekauerter Stellung, die Hände über der Brust gekreuzt, auf einer hohen Querstange ihres Käfigs und ließen die langen, schönen Schwänze schlaff herabhängen. Jhr ernsthaftes Aussehen wurde vermehrt durch die eigenthümliche Haarmütze, welche ihnen weit in das Gesicht hereinfällt. Wenn man ihnen Nahrung vorhielt, kamen sie langsam und vorsichtig herunter, um sie wegzunehmen, blieben dabei aber ruhig und bedächtig, wie immer. Der Gesichtsausdruck deu- tete entschieden auf große Klugheit hin; doch fehlte das Leben in den Augen.
Ganz eigenthümlich benahmen sich die Budengs zwei schwarzen Pavianen (Cynocephalus niger) gegenüber. Diese, wie alle ihre Verwandten, üppige, übermüthige Gesellen, machten sich ein wahres Vergnügen daraus, die armen Budengs zu foppen und zu quälen. Bei Tage wurden die ungezogenen Schwarzen gewöhnlich in das große Affenhaus gesteckt; dann hatten die harmlosen Java- nesen Ruhe und konnten sich ihres Lebens freuen; sobald aber ihre Nachtgenossen zu ihnen kamen, ging der Lärm und die Unruhe an. Beide Budengs krochen jetzt dicht zusammen und umklammerten sich gegenseitig mit ihren Händen. Die Paviane sprangen auf sie, ritten auf ihnen, maulschellirten sie, gaben ihnen Rippenstöße, zogen sie an dem Schwanze und machten sich ein besonderes Vergnügen daraus, ihre innige Vereinigung zu stören. Zu diesem Ende kletterten sie auf den armen Thieren
Aufenthalt. Lebensweiſe.
mehr als 50 Stück zuſammen. Es iſt wohl gethan, ſolche Scharen aus einiger Ferne zu beobachten. Sie erheben bei Ankunft des Menſchen ein lautes Geſchrei und ſpringen unter entſetzlichem Lärm ſo wüthend in den Zweigen umher, daß ſie oft ſtarke Aeſte von den abſterbenden Bäumen brechen und ſomit herab auf ihre Verfolger ſchleudern.‟
„Der Budeng iſt weniger ein Liebling der Eingeborenen, als der Lutung, ein jenem nah ver- wandter, aber rother Affe, vielleicht blos eine Abart. Wenn die Javaneſen dieſen einfangen, geben ſie ſich die größte Mühe, ihn zu zähmen und behandeln ihn mit vieler Liebe und Aufmerkſamkeit. Der Budeng dagegen wird vernachläſſigt und verachtet. Er verlangt viel Geduld in jeder Hinſicht, ehe er das mürriſche Weſen ablegt, welches ihm eigenthümlich iſt. Jn der Gefangenſchaft bleibt er während vieler Monate ernſt und murrköpfig, und weil er nun Nichts zum Vergnügen der Eingeborenen bei- trägt, findet man ihn denn auch ſelten in den Ortſchaften. Dies geſchieht nicht etwa aus Abneigung von Seiten der Javaneſen gegen die Affen überhaupt; denn die gemeinſte Art der Ordnung, welche auf der Jnſel vorkommt, wird ſehr häufig gezähmt und nach der beliebten Sitte der Eingeborenen mit Pferden zuſammen gehalten. Jn jedem Stall, vom prinzlichen an bis zu dem eines Mantry oder Schultheißen, findet man einen jener Affen: der Budeng aber gelangt niemals zu ſolcher Ehre.‟
„Gleichwohl wird unſer Affe oft von den Eingeborenen gejagt, weil ſie ſein Fell benutzen. Bei dieſen Jagden, welche gewöhnlich von den Häuptlingen angeordnet und befehligt werden, greift man die Thiere mit Schleuder und Stein an und vernichtet ſie oft in großer Anzahl. Die Einge- borenen wiſſen die Felle auf einfache Weiſe, aber ſehr gut zuzubereiten und verwenden ſie dann, wie auch die Europäer thun, zu Satteldecken und allerlei Heerſchmuck; namentlich werden jene geſchätzt, welche ganz ſchwarz von Farbe ſind und ſchöne, lange Seidenhaare beſitzen.‟
„Jn der Jugend verzehrt der Budeng zarte Blätter von allerlei Pflanzen, im Alter wilde Früchte aller Art, welche in ſo großer Menge in ſeinen unbewohnten Wäldern ſich finden.‟
Als ich den Budeng im Thiergarten von Amſterdam zum erſten Male lebend ſah, erkannte ich ihn nicht. Horsfield hat ein trauriges Zerrbild des Thieres gegeben; Pöppig und Giebel haben es ihm nachgedruckt; die ausgeſtopften, welche ich in Muſeen fand, waren ebenfalls nur Schatten des lebenden Thieres: kurz, ich konnte, trotz aller Berichtigungen, welche ich den Mißge- ſtalten in Büchern und Muſeen hatte angedeihen laſſen, unmöglich ein ſo ſchönes Thier vermuthen, als ich jetzt vor mir ſah. Dieſer Affe erregte die allgemeine Aufmerkſamkeit aller Beſchauer, obwohl er nicht das Geringſte that, um die Blicke der Leute auf ſich zu ziehen. Jch möchte ſein ſtilles Weſen nicht ſo verdammen, wie Horsfield es gethan hat; denn ich glaube nicht, daß man ihn eigentlich „mürriſch‟ nennen kann. Er iſt ſtill und ruhig, aber nicht übellauniſch und ungemüthlich. Das Paar, welches in Amſterdam lebte, bielt ſtets treu zuſammen. Gewöhnlich ſaßen Beide dicht an ein- ander gedrängt in ſehr zuſammen gekauerter Stellung, die Hände über der Bruſt gekreuzt, auf einer hohen Querſtange ihres Käfigs und ließen die langen, ſchönen Schwänze ſchlaff herabhängen. Jhr ernſthaftes Ausſehen wurde vermehrt durch die eigenthümliche Haarmütze, welche ihnen weit in das Geſicht hereinfällt. Wenn man ihnen Nahrung vorhielt, kamen ſie langſam und vorſichtig herunter, um ſie wegzunehmen, blieben dabei aber ruhig und bedächtig, wie immer. Der Geſichtsausdruck deu- tete entſchieden auf große Klugheit hin; doch fehlte das Leben in den Augen.
Ganz eigenthümlich benahmen ſich die Budengs zwei ſchwarzen Pavianen (Cynocephalus niger) gegenüber. Dieſe, wie alle ihre Verwandten, üppige, übermüthige Geſellen, machten ſich ein wahres Vergnügen daraus, die armen Budengs zu foppen und zu quälen. Bei Tage wurden die ungezogenen Schwarzen gewöhnlich in das große Affenhaus geſteckt; dann hatten die harmloſen Java- neſen Ruhe und konnten ſich ihres Lebens freuen; ſobald aber ihre Nachtgenoſſen zu ihnen kamen, ging der Lärm und die Unruhe an. Beide Budengs krochen jetzt dicht zuſammen und umklammerten ſich gegenſeitig mit ihren Händen. Die Paviane ſprangen auf ſie, ritten auf ihnen, maulſchellirten ſie, gaben ihnen Rippenſtöße, zogen ſie an dem Schwanze und machten ſich ein beſonderes Vergnügen daraus, ihre innige Vereinigung zu ſtören. Zu dieſem Ende kletterten ſie auf den armen Thieren
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Aufenthalt. Lebensweiſe.
mehr als 50 Stück zuſammen. Es iſt wohl gethan, ſolche Scharen aus einiger Ferne zu beobachten.
Sie erheben bei Ankunft des Menſchen ein lautes Geſchrei und ſpringen unter entſetzlichem Lärm ſo
wüthend in den Zweigen umher, daß ſie oft ſtarke Aeſte von den abſterbenden Bäumen brechen und
ſomit herab auf ihre Verfolger ſchleudern.‟
„Der Budeng iſt weniger ein Liebling der Eingeborenen, als der Lutung, ein jenem nah ver-
wandter, aber rother Affe, vielleicht blos eine Abart. Wenn die Javaneſen dieſen einfangen, geben
ſie ſich die größte Mühe, ihn zu zähmen und behandeln ihn mit vieler Liebe und Aufmerkſamkeit. Der
Budeng dagegen wird vernachläſſigt und verachtet. Er verlangt viel Geduld in jeder Hinſicht, ehe er
das mürriſche Weſen ablegt, welches ihm eigenthümlich iſt. Jn der Gefangenſchaft bleibt er während
vieler Monate ernſt und murrköpfig, und weil er nun Nichts zum Vergnügen der Eingeborenen bei-
trägt, findet man ihn denn auch ſelten in den Ortſchaften. Dies geſchieht nicht etwa aus Abneigung
von Seiten der Javaneſen gegen die Affen überhaupt; denn die gemeinſte Art der Ordnung, welche
auf der Jnſel vorkommt, wird ſehr häufig gezähmt und nach der beliebten Sitte der Eingeborenen
mit Pferden zuſammen gehalten. Jn jedem Stall, vom prinzlichen an bis zu dem eines Mantry
oder Schultheißen, findet man einen jener Affen: der Budeng aber gelangt niemals zu ſolcher Ehre.‟
„Gleichwohl wird unſer Affe oft von den Eingeborenen gejagt, weil ſie ſein Fell benutzen. Bei
dieſen Jagden, welche gewöhnlich von den Häuptlingen angeordnet und befehligt werden, greift
man die Thiere mit Schleuder und Stein an und vernichtet ſie oft in großer Anzahl. Die Einge-
borenen wiſſen die Felle auf einfache Weiſe, aber ſehr gut zuzubereiten und verwenden ſie dann, wie
auch die Europäer thun, zu Satteldecken und allerlei Heerſchmuck; namentlich werden jene geſchätzt,
welche ganz ſchwarz von Farbe ſind und ſchöne, lange Seidenhaare beſitzen.‟
„Jn der Jugend verzehrt der Budeng zarte Blätter von allerlei Pflanzen, im Alter wilde
Früchte aller Art, welche in ſo großer Menge in ſeinen unbewohnten Wäldern ſich finden.‟
Als ich den Budeng im Thiergarten von Amſterdam zum erſten Male lebend ſah, erkannte ich
ihn nicht. Horsfield hat ein trauriges Zerrbild des Thieres gegeben; Pöppig und Giebel
haben es ihm nachgedruckt; die ausgeſtopften, welche ich in Muſeen fand, waren ebenfalls nur
Schatten des lebenden Thieres: kurz, ich konnte, trotz aller Berichtigungen, welche ich den Mißge-
ſtalten in Büchern und Muſeen hatte angedeihen laſſen, unmöglich ein ſo ſchönes Thier vermuthen,
als ich jetzt vor mir ſah. Dieſer Affe erregte die allgemeine Aufmerkſamkeit aller Beſchauer, obwohl
er nicht das Geringſte that, um die Blicke der Leute auf ſich zu ziehen. Jch möchte ſein ſtilles Weſen
nicht ſo verdammen, wie Horsfield es gethan hat; denn ich glaube nicht, daß man ihn eigentlich
„mürriſch‟ nennen kann. Er iſt ſtill und ruhig, aber nicht übellauniſch und ungemüthlich. Das
Paar, welches in Amſterdam lebte, bielt ſtets treu zuſammen. Gewöhnlich ſaßen Beide dicht an ein-
ander gedrängt in ſehr zuſammen gekauerter Stellung, die Hände über der Bruſt gekreuzt, auf einer
hohen Querſtange ihres Käfigs und ließen die langen, ſchönen Schwänze ſchlaff herabhängen. Jhr
ernſthaftes Ausſehen wurde vermehrt durch die eigenthümliche Haarmütze, welche ihnen weit in das
Geſicht hereinfällt. Wenn man ihnen Nahrung vorhielt, kamen ſie langſam und vorſichtig herunter,
um ſie wegzunehmen, blieben dabei aber ruhig und bedächtig, wie immer. Der Geſichtsausdruck deu-
tete entſchieden auf große Klugheit hin; doch fehlte das Leben in den Augen.
Ganz eigenthümlich benahmen ſich die Budengs zwei ſchwarzen Pavianen (Cynocephalus
niger) gegenüber. Dieſe, wie alle ihre Verwandten, üppige, übermüthige Geſellen, machten ſich ein
wahres Vergnügen daraus, die armen Budengs zu foppen und zu quälen. Bei Tage wurden die
ungezogenen Schwarzen gewöhnlich in das große Affenhaus geſteckt; dann hatten die harmloſen Java-
neſen Ruhe und konnten ſich ihres Lebens freuen; ſobald aber ihre Nachtgenoſſen zu ihnen kamen,
ging der Lärm und die Unruhe an. Beide Budengs krochen jetzt dicht zuſammen und umklammerten
ſich gegenſeitig mit ihren Händen. Die Paviane ſprangen auf ſie, ritten auf ihnen, maulſchellirten ſie,
gaben ihnen Rippenſtöße, zogen ſie an dem Schwanze und machten ſich ein beſonderes Vergnügen
daraus, ihre innige Vereinigung zu ſtören. Zu dieſem Ende kletterten ſie auf den armen Thieren
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/97>, abgerufen am 25.11.2024.
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