Schwanze versehen; die Farbe seines Pelzes ist gelblichweiß, die der nackten Theile aber dunkelviolett. Das Gesicht, die vier Hände, so weit sie behaart sind, und ein steifer Haarkamm, welcher über die Augen verläuft, sind schwarz; der kurze Bart dagegen ist gelblich.
Der Hulman nimmt einen der ersten Plätze unter den dreißig Millionen Gottheiten der Hindu ein und erfreut sich dieser Ehre schon seit undenklichen Zeiten. Der Riese Ravan, so berichtet die alte indische Sage, raubte Sita, die Gemahlin des Schri-Rama, und brachte sie nach seiner Woh- nung auf der Jnsel Ceylon. Der Affe aber befreite die Dame aus ihrer Gefangenschaft und führte sie zu ihrem Gemahle zurück. Seitdem gilt er als Held. Viel wird berichtet von der Stärke seines Geistes und von seiner Schnelligkeit. Eine der geschätztesten Früchte, die Mango, verdankt man ihm ebenfalls; er stahl sie aus dem Garten des Riesen. Zur Strafe für seinen Diebstahl wurde er zum Feuertode verurtheilt, -- von wem, wird nicht gesagt --; er löschte aber das Feuer aus und ver- brannte sich dabei Gesicht und Hände, welche seitdem schwarz blieben. Dies sind die Gründe, welche die Brahmanen bestimmten, ihn zu vergöttern.
Schon seit vielen, vielen Jahren kennt man diesen Affen in seinem Vaterlande: allein gerade des- halb sind wir am spätesten mit ihm bekannt geworden. Jedermann glaubte nämlich, daß ein so gemeines Thier auch oft nach Europa gebracht worden sein müsse, und verschmähte es daher, unsern Hulman auszustopfen und den Balg nach Europa zu senden. Hierzu kommt noch, daß es seine Schwierigkeiten oder vielmehr seine Gefahren hat, das heilige Thier zu tödten; denn blos die Mahratten erweisen ihm keine Achtung, während fast alle übrigen Jndier ihn hegen und pflegen, schützen und vertheidigen, wo sie nur können. Ein Europäer, welcher es wagt, das unverletzliche Thier anzugreifen, setzt sein Leben aufs Spiel, wenn er der einzige Weiße unter der leichterregbaren Menge ist. Der Affe gilt eben als Gott. Eine regierende Familie behauptet, von ihm abzustammen, und ihre Mitglieder führen den Titel "geschwänzte Rana", weil sie vorgeben, daß ihr Ahnherr mit dem uns unnöthig erscheinen- den Anhängsel begabt gewesen sei. Ein portugiesischer Vicekönig von Jndien, Constantino de Braganza, erbeutete einen Affenzahn aus dem Schatze eines Fürsten von Ceylon und erhielt bald darauf eine besondere Gesandtschaft des Königs von Pegu, welche ihm 300,000 Cruzaden anbieten ließ, wenn er ihr das kostbare Kleinod überlassen wolle. Solch eine hohe Summe ist wohl niemals für einen Zahn geboten worden; um so mehr aber ist es zu verwundern, daß jenes Gebot von den Europäern nicht angenommen wurde. Der Vicekönig versammelte seine Räthe, und die weltlichen suchten ihn natürlich zu überreden, diese bedeutende Summe anzunehmen; ein Geistlicher aber war dagegen und zwar aus dem Grunde, weil er behauptete, daß man durch solchen Handel dem heid- nischen Zauber- und andern Aberglauben nur Vorschub leisten würde, und da nun, wie bekannt, die Pfaffen schon seit undenklichen Zeiten selbst das Verrückteste durchzusetzen wußten, gelang es dem blinden Eiferer auch diesmal, seiner albernen Einwendung Gehör zu verschaffen. Jm Grunde könnte uns Dies zwar gleichgültig sein, wäre nicht dadurch ein Ueberbleibsel zerstört worden, welches für die Geschichte der indischen Götterlehre und auch für die Naturwissenschaft von Wichtigkeit ge- wesen sein würde. Man hätte nach diesem einzigen Zahne recht gut bestimmen können, welcher Affe der Träger des kostbaren Kleinods gewesen sei -- doch für den echten Pfaffen hat es ja niemals Wissenschaft und am allerwenigsten Naturwissenschaft gegeben!
Heut zu Tage noch ist die Achtung gegen das heilige Thier dieselbe, wie früher. Die Jndier lassen sich von dem unverschämten Gesellen ruhig ihre Gärten plündern und ihre Häuser ausstehlen, ohne irgend Etwas gegen ihn zu thun, und betrachten Jeden mit schelen Augen, der es wagt, den Gott zu beleidigen. Tavernier erzählt, daß ein junger Holländer, welcher erst kurz vorher aus Europa gekommen war, vom Fenster aus einen jener Affen erlegte; darüber entstand aber ein so großer Lärm unter den Eingeborenen, daß sie kaum beschwichtigt werden konnten. Sie kündigten dem Holländer sogleich ihre Dienste auf, weil sie der festen Meinung waren, daß der Fremdling und sie wohl mit ihm zu Grunde gehen müßten. Duvaucel berichtet, daß es im Anfang ihm unmöglich war, einen dieser Affen zu tödten, weil die Einwohner ihn stets daran hinderten. So oft sie den
Die Affen. Schlankaffen. — Hulman.
Schwanze verſehen; die Farbe ſeines Pelzes iſt gelblichweiß, die der nackten Theile aber dunkelviolett. Das Geſicht, die vier Hände, ſo weit ſie behaart ſind, und ein ſteifer Haarkamm, welcher über die Augen verläuft, ſind ſchwarz; der kurze Bart dagegen iſt gelblich.
Der Hulman nimmt einen der erſten Plätze unter den dreißig Millionen Gottheiten der Hindu ein und erfreut ſich dieſer Ehre ſchon ſeit undenklichen Zeiten. Der Rieſe Ravan, ſo berichtet die alte indiſche Sage, raubte Sita, die Gemahlin des Schri-Rama, und brachte ſie nach ſeiner Woh- nung auf der Jnſel Ceylon. Der Affe aber befreite die Dame aus ihrer Gefangenſchaft und führte ſie zu ihrem Gemahle zurück. Seitdem gilt er als Held. Viel wird berichtet von der Stärke ſeines Geiſtes und von ſeiner Schnelligkeit. Eine der geſchätzteſten Früchte, die Mango, verdankt man ihm ebenfalls; er ſtahl ſie aus dem Garten des Rieſen. Zur Strafe für ſeinen Diebſtahl wurde er zum Feuertode verurtheilt, — von wem, wird nicht geſagt —; er löſchte aber das Feuer aus und ver- brannte ſich dabei Geſicht und Hände, welche ſeitdem ſchwarz blieben. Dies ſind die Gründe, welche die Brahmanen beſtimmten, ihn zu vergöttern.
Schon ſeit vielen, vielen Jahren kennt man dieſen Affen in ſeinem Vaterlande: allein gerade des- halb ſind wir am ſpäteſten mit ihm bekannt geworden. Jedermann glaubte nämlich, daß ein ſo gemeines Thier auch oft nach Europa gebracht worden ſein müſſe, und verſchmähte es daher, unſern Hulman auszuſtopfen und den Balg nach Europa zu ſenden. Hierzu kommt noch, daß es ſeine Schwierigkeiten oder vielmehr ſeine Gefahren hat, das heilige Thier zu tödten; denn blos die Mahratten erweiſen ihm keine Achtung, während faſt alle übrigen Jndier ihn hegen und pflegen, ſchützen und vertheidigen, wo ſie nur können. Ein Europäer, welcher es wagt, das unverletzliche Thier anzugreifen, ſetzt ſein Leben aufs Spiel, wenn er der einzige Weiße unter der leichterregbaren Menge iſt. Der Affe gilt eben als Gott. Eine regierende Familie behauptet, von ihm abzuſtammen, und ihre Mitglieder führen den Titel „geſchwänzte Rana‟, weil ſie vorgeben, daß ihr Ahnherr mit dem uns unnöthig erſcheinen- den Anhängſel begabt geweſen ſei. Ein portugieſiſcher Vicekönig von Jndien, Conſtantino de Braganza, erbeutete einen Affenzahn aus dem Schatze eines Fürſten von Ceylon und erhielt bald darauf eine beſondere Geſandtſchaft des Königs von Pegu, welche ihm 300,000 Cruzaden anbieten ließ, wenn er ihr das koſtbare Kleinod überlaſſen wolle. Solch eine hohe Summe iſt wohl niemals für einen Zahn geboten worden; um ſo mehr aber iſt es zu verwundern, daß jenes Gebot von den Europäern nicht angenommen wurde. Der Vicekönig verſammelte ſeine Räthe, und die weltlichen ſuchten ihn natürlich zu überreden, dieſe bedeutende Summe anzunehmen; ein Geiſtlicher aber war dagegen und zwar aus dem Grunde, weil er behauptete, daß man durch ſolchen Handel dem heid- niſchen Zauber- und andern Aberglauben nur Vorſchub leiſten würde, und da nun, wie bekannt, die Pfaffen ſchon ſeit undenklichen Zeiten ſelbſt das Verrückteſte durchzuſetzen wußten, gelang es dem blinden Eiferer auch diesmal, ſeiner albernen Einwendung Gehör zu verſchaffen. Jm Grunde könnte uns Dies zwar gleichgültig ſein, wäre nicht dadurch ein Ueberbleibſel zerſtört worden, welches für die Geſchichte der indiſchen Götterlehre und auch für die Naturwiſſenſchaft von Wichtigkeit ge- weſen ſein würde. Man hätte nach dieſem einzigen Zahne recht gut beſtimmen können, welcher Affe der Träger des koſtbaren Kleinods geweſen ſei — doch für den echten Pfaffen hat es ja niemals Wiſſenſchaft und am allerwenigſten Naturwiſſenſchaft gegeben!
Heut zu Tage noch iſt die Achtung gegen das heilige Thier dieſelbe, wie früher. Die Jndier laſſen ſich von dem unverſchämten Geſellen ruhig ihre Gärten plündern und ihre Häuſer ausſtehlen, ohne irgend Etwas gegen ihn zu thun, und betrachten Jeden mit ſchelen Augen, der es wagt, den Gott zu beleidigen. Tavernier erzählt, daß ein junger Holländer, welcher erſt kurz vorher aus Europa gekommen war, vom Fenſter aus einen jener Affen erlegte; darüber entſtand aber ein ſo großer Lärm unter den Eingeborenen, daß ſie kaum beſchwichtigt werden konnten. Sie kündigten dem Holländer ſogleich ihre Dienſte auf, weil ſie der feſten Meinung waren, daß der Fremdling und ſie wohl mit ihm zu Grunde gehen müßten. Duvaucel berichtet, daß es im Anfang ihm unmöglich war, einen dieſer Affen zu tödten, weil die Einwohner ihn ſtets daran hinderten. So oft ſie den
<TEI><text><body><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0094"n="42"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Die Affen.</hi> Schlankaffen. —<hirendition="#g">Hulman.</hi></fw><lb/>
Schwanze verſehen; die Farbe ſeines Pelzes iſt gelblichweiß, die der nackten Theile aber dunkelviolett.<lb/>
Das Geſicht, die vier Hände, ſo weit ſie behaart ſind, und ein ſteifer Haarkamm, welcher über die<lb/>
Augen verläuft, ſind ſchwarz; der kurze Bart dagegen iſt gelblich.</p><lb/><p>Der <hirendition="#g">Hulman</hi> nimmt einen der erſten Plätze unter den dreißig Millionen Gottheiten der Hindu<lb/>
ein und erfreut ſich dieſer Ehre ſchon ſeit undenklichen Zeiten. Der Rieſe <hirendition="#g">Ravan,</hi>ſo berichtet die<lb/>
alte indiſche Sage, raubte <hirendition="#g">Sita,</hi> die Gemahlin des <hirendition="#g">Schri-Rama,</hi> und brachte ſie nach ſeiner Woh-<lb/>
nung auf der Jnſel Ceylon. Der Affe aber befreite die Dame aus ihrer Gefangenſchaft und führte ſie<lb/>
zu ihrem Gemahle zurück. Seitdem gilt er als Held. Viel wird berichtet von der Stärke ſeines<lb/>
Geiſtes und von ſeiner Schnelligkeit. Eine der geſchätzteſten Früchte, die <hirendition="#g">Mango,</hi> verdankt man ihm<lb/>
ebenfalls; er ſtahl ſie aus dem Garten des Rieſen. Zur Strafe für ſeinen Diebſtahl wurde er zum<lb/>
Feuertode verurtheilt, — von wem, wird nicht geſagt —; er löſchte aber das Feuer aus und ver-<lb/>
brannte ſich dabei Geſicht und Hände, welche ſeitdem ſchwarz blieben. Dies ſind die Gründe, welche<lb/>
die Brahmanen beſtimmten, ihn zu vergöttern.</p><lb/><p>Schon ſeit vielen, vielen Jahren kennt man dieſen Affen in ſeinem Vaterlande: allein gerade des-<lb/>
halb ſind wir am ſpäteſten mit ihm bekannt geworden. Jedermann glaubte nämlich, daß ein ſo gemeines<lb/>
Thier auch oft nach Europa gebracht worden ſein müſſe, und verſchmähte es daher, unſern <hirendition="#g">Hulman</hi><lb/>
auszuſtopfen und den Balg nach Europa zu ſenden. Hierzu kommt noch, daß es ſeine Schwierigkeiten<lb/>
oder vielmehr ſeine Gefahren hat, das heilige Thier zu tödten; denn blos die Mahratten erweiſen ihm<lb/>
keine Achtung, während faſt alle übrigen Jndier ihn hegen und pflegen, ſchützen und vertheidigen, wo<lb/>ſie nur können. Ein Europäer, welcher es wagt, das unverletzliche Thier anzugreifen, ſetzt ſein Leben<lb/>
aufs Spiel, wenn er der einzige Weiße unter der leichterregbaren Menge iſt. Der Affe gilt eben als<lb/>
Gott. Eine regierende Familie behauptet, von ihm abzuſtammen, und ihre Mitglieder führen den<lb/>
Titel „<hirendition="#g">geſchwänzte Rana</hi>‟, weil ſie vorgeben, daß ihr Ahnherr mit dem uns unnöthig erſcheinen-<lb/>
den Anhängſel begabt geweſen ſei. Ein portugieſiſcher Vicekönig von Jndien, <hirendition="#g">Conſtantino de<lb/>
Braganza,</hi> erbeutete einen Affenzahn aus dem Schatze eines Fürſten von Ceylon und erhielt bald<lb/>
darauf eine beſondere Geſandtſchaft des Königs von Pegu, welche ihm 300,000 Cruzaden anbieten<lb/>
ließ, wenn er ihr das koſtbare Kleinod überlaſſen wolle. Solch eine hohe Summe iſt wohl niemals<lb/>
für einen Zahn geboten worden; um ſo mehr aber iſt es zu verwundern, daß jenes Gebot von den<lb/>
Europäern nicht angenommen wurde. Der Vicekönig verſammelte ſeine Räthe, und die weltlichen<lb/>ſuchten ihn natürlich zu überreden, dieſe bedeutende Summe anzunehmen; ein Geiſtlicher aber war<lb/>
dagegen und zwar aus dem Grunde, weil er behauptete, daß man durch ſolchen Handel dem heid-<lb/>
niſchen Zauber- und andern Aberglauben nur Vorſchub leiſten würde, und da nun, wie bekannt,<lb/>
die Pfaffen ſchon ſeit undenklichen Zeiten ſelbſt das Verrückteſte durchzuſetzen wußten, gelang es dem<lb/>
blinden Eiferer auch diesmal, ſeiner albernen Einwendung Gehör zu verſchaffen. Jm Grunde könnte<lb/>
uns Dies zwar gleichgültig ſein, wäre nicht dadurch ein Ueberbleibſel zerſtört worden, welches<lb/>
für die Geſchichte der indiſchen Götterlehre und auch für die Naturwiſſenſchaft von Wichtigkeit ge-<lb/>
weſen ſein würde. Man hätte nach dieſem einzigen Zahne recht gut beſtimmen können, welcher Affe<lb/>
der Träger des koſtbaren Kleinods geweſen ſei — doch für den echten Pfaffen hat es ja niemals<lb/>
Wiſſenſchaft und am allerwenigſten Naturwiſſenſchaft gegeben!</p><lb/><p>Heut zu Tage noch iſt die Achtung gegen das heilige Thier dieſelbe, wie früher. Die Jndier<lb/>
laſſen ſich von dem unverſchämten Geſellen ruhig ihre Gärten plündern und ihre Häuſer ausſtehlen,<lb/>
ohne irgend Etwas gegen ihn zu thun, und betrachten Jeden mit ſchelen Augen, der es wagt, den<lb/>
Gott zu beleidigen. <hirendition="#g">Tavernier</hi> erzählt, daß ein junger Holländer, welcher erſt kurz vorher aus<lb/>
Europa gekommen war, vom Fenſter aus einen jener Affen erlegte; darüber entſtand aber ein ſo<lb/>
großer Lärm unter den Eingeborenen, daß ſie kaum beſchwichtigt werden konnten. Sie kündigten dem<lb/>
Holländer ſogleich ihre Dienſte auf, weil ſie der feſten Meinung waren, daß der Fremdling und ſie<lb/>
wohl mit ihm zu Grunde gehen müßten. <hirendition="#g">Duvaucel</hi> berichtet, daß es im Anfang ihm unmöglich<lb/>
war, einen dieſer Affen zu tödten, weil die Einwohner ihn ſtets daran hinderten. So oft ſie den<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[42/0094]
Die Affen. Schlankaffen. — Hulman.
Schwanze verſehen; die Farbe ſeines Pelzes iſt gelblichweiß, die der nackten Theile aber dunkelviolett.
Das Geſicht, die vier Hände, ſo weit ſie behaart ſind, und ein ſteifer Haarkamm, welcher über die
Augen verläuft, ſind ſchwarz; der kurze Bart dagegen iſt gelblich.
Der Hulman nimmt einen der erſten Plätze unter den dreißig Millionen Gottheiten der Hindu
ein und erfreut ſich dieſer Ehre ſchon ſeit undenklichen Zeiten. Der Rieſe Ravan, ſo berichtet die
alte indiſche Sage, raubte Sita, die Gemahlin des Schri-Rama, und brachte ſie nach ſeiner Woh-
nung auf der Jnſel Ceylon. Der Affe aber befreite die Dame aus ihrer Gefangenſchaft und führte ſie
zu ihrem Gemahle zurück. Seitdem gilt er als Held. Viel wird berichtet von der Stärke ſeines
Geiſtes und von ſeiner Schnelligkeit. Eine der geſchätzteſten Früchte, die Mango, verdankt man ihm
ebenfalls; er ſtahl ſie aus dem Garten des Rieſen. Zur Strafe für ſeinen Diebſtahl wurde er zum
Feuertode verurtheilt, — von wem, wird nicht geſagt —; er löſchte aber das Feuer aus und ver-
brannte ſich dabei Geſicht und Hände, welche ſeitdem ſchwarz blieben. Dies ſind die Gründe, welche
die Brahmanen beſtimmten, ihn zu vergöttern.
Schon ſeit vielen, vielen Jahren kennt man dieſen Affen in ſeinem Vaterlande: allein gerade des-
halb ſind wir am ſpäteſten mit ihm bekannt geworden. Jedermann glaubte nämlich, daß ein ſo gemeines
Thier auch oft nach Europa gebracht worden ſein müſſe, und verſchmähte es daher, unſern Hulman
auszuſtopfen und den Balg nach Europa zu ſenden. Hierzu kommt noch, daß es ſeine Schwierigkeiten
oder vielmehr ſeine Gefahren hat, das heilige Thier zu tödten; denn blos die Mahratten erweiſen ihm
keine Achtung, während faſt alle übrigen Jndier ihn hegen und pflegen, ſchützen und vertheidigen, wo
ſie nur können. Ein Europäer, welcher es wagt, das unverletzliche Thier anzugreifen, ſetzt ſein Leben
aufs Spiel, wenn er der einzige Weiße unter der leichterregbaren Menge iſt. Der Affe gilt eben als
Gott. Eine regierende Familie behauptet, von ihm abzuſtammen, und ihre Mitglieder führen den
Titel „geſchwänzte Rana‟, weil ſie vorgeben, daß ihr Ahnherr mit dem uns unnöthig erſcheinen-
den Anhängſel begabt geweſen ſei. Ein portugieſiſcher Vicekönig von Jndien, Conſtantino de
Braganza, erbeutete einen Affenzahn aus dem Schatze eines Fürſten von Ceylon und erhielt bald
darauf eine beſondere Geſandtſchaft des Königs von Pegu, welche ihm 300,000 Cruzaden anbieten
ließ, wenn er ihr das koſtbare Kleinod überlaſſen wolle. Solch eine hohe Summe iſt wohl niemals
für einen Zahn geboten worden; um ſo mehr aber iſt es zu verwundern, daß jenes Gebot von den
Europäern nicht angenommen wurde. Der Vicekönig verſammelte ſeine Räthe, und die weltlichen
ſuchten ihn natürlich zu überreden, dieſe bedeutende Summe anzunehmen; ein Geiſtlicher aber war
dagegen und zwar aus dem Grunde, weil er behauptete, daß man durch ſolchen Handel dem heid-
niſchen Zauber- und andern Aberglauben nur Vorſchub leiſten würde, und da nun, wie bekannt,
die Pfaffen ſchon ſeit undenklichen Zeiten ſelbſt das Verrückteſte durchzuſetzen wußten, gelang es dem
blinden Eiferer auch diesmal, ſeiner albernen Einwendung Gehör zu verſchaffen. Jm Grunde könnte
uns Dies zwar gleichgültig ſein, wäre nicht dadurch ein Ueberbleibſel zerſtört worden, welches
für die Geſchichte der indiſchen Götterlehre und auch für die Naturwiſſenſchaft von Wichtigkeit ge-
weſen ſein würde. Man hätte nach dieſem einzigen Zahne recht gut beſtimmen können, welcher Affe
der Träger des koſtbaren Kleinods geweſen ſei — doch für den echten Pfaffen hat es ja niemals
Wiſſenſchaft und am allerwenigſten Naturwiſſenſchaft gegeben!
Heut zu Tage noch iſt die Achtung gegen das heilige Thier dieſelbe, wie früher. Die Jndier
laſſen ſich von dem unverſchämten Geſellen ruhig ihre Gärten plündern und ihre Häuſer ausſtehlen,
ohne irgend Etwas gegen ihn zu thun, und betrachten Jeden mit ſchelen Augen, der es wagt, den
Gott zu beleidigen. Tavernier erzählt, daß ein junger Holländer, welcher erſt kurz vorher aus
Europa gekommen war, vom Fenſter aus einen jener Affen erlegte; darüber entſtand aber ein ſo
großer Lärm unter den Eingeborenen, daß ſie kaum beſchwichtigt werden konnten. Sie kündigten dem
Holländer ſogleich ihre Dienſte auf, weil ſie der feſten Meinung waren, daß der Fremdling und ſie
wohl mit ihm zu Grunde gehen müßten. Duvaucel berichtet, daß es im Anfang ihm unmöglich
war, einen dieſer Affen zu tödten, weil die Einwohner ihn ſtets daran hinderten. So oft ſie den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/94>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.