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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Maulwürfe. -- Blinder und japanischer Maulwurf. Gemeiner Sternmull.

Der Maulwurf hat ebenfalls zu vielen fabelhaften Gerüchten Anlaß gegeben. Die Alten hielten
ihn für stumm und blind und schrieben seinem Fette, seinem Blute, seinen Eingeweiden, ja selbst dem
Felle wunderbare Heilkräfte zu. Heutigen Tages noch besteht an vielen Orten der Aberglaube, daß
man von dem Wechselfieber geheilt werde, wenn man einen Maulwurf auf der flachen Hand sterben
lasse, und manche alte Weiber sind fest überzeugt, daß sie Krankheiten durch bloses Auflegen der
Hand heilen könnten, wenn sie diese vorher durch einen auf ihr sterbenden Maulwurf geheiligt hätten.

Es ist ganz natürlich, daß ein Thier, welches in seinem Leben so wenig bekannt ist, dem ge-
wöhnlichen Menschen als wunderbar oder selbst heilig erscheinen muß: denn eben da, wo das Ver-
ständniß aufhört, fängt das Wunder an.



Unser Maulwurf hat nur sehr wenig Verwandte und unter ihnen zwei oder drei, welche mit
ihm zu ein und derselben Sippe gehören. Ein solcher ist der blinde Maulwurf (Talpa coeca),
welcher im Süden Europas und namentlich in Jtalien, Dalmatien und Griechenland, seltner in
Südfrankreich vorkommt. Seinen Namen erhielt er, weil eine feine, durchschimmernde Haut seine
verhältnißmäßig noch kleineren Augen überzieht. Sie ist dicht vor den Sternen von einer ganz feinen,
schrägen, nicht klaffenden Röhre durchbohrt, durch welche das Auge nicht sichtbar wird. Außerdem
unterscheidet sich das Thier nur sehr wenig von seinem nördlichen Vetter: hauptsächlich blos durch
den längern Rüssel, die breiteren Obervorderzähne und noch andere geringere Eigenthümlichkeiten
im Gebiß und die (anstatt grau-) weißbehaarten Lippen, die Füße und den Schwanz. Das dichte,
sammtähnliche Haar des Körpers ist dunkelgrauschwarz mit bräunlichschwarzen Haarspitzen. Jn der
Größe ist kaum ein Unterschied zu bemerken. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der blinde Maulwurf
schon den Alten bekannt gewesen ist. Aristoteles erwähnt ihn unter dem Namen Aspalax; denn
gerade die Beschreibung dieses vortrefflichen Naturforschers beweist, daß er unsern Maulwurf gar
nicht gekannt, sondern den südlichen vor sich gehabt habe. Jn der Neuzeit haben einige Forscher
behauptet, den blinden Maulwurf auch im äußersten Norden von Deutschland gefunden zu haben.

Dieses Thier legt sich weniger ausgedehnte Röhren an, als der gemeine Maulwurf und geht auch
nicht so tief unter die Oberfläche hinab, wie dieser, ganz wie es mit seinen heimatlichen Verhältnissen
im Zusammenhange steht. Das Nest für die Jungen legt er in seiner Wohnkammer an, im übrigen
aber ähnelt er seinem Vetter in jeder Hinsicht.

Nun giebt es noch einen echten Maulwurf (Talpa Wogura) auf Japan, welcher sich von
dem unsern außer durch die Färbung durch die Zahl seiner unteren Schneidezähne unterscheidet, aber
genau wie jener lebt. Andere Mitglieder dieser Sippe kennt man zur Zeit noch nicht.



Die nachstehenden Sippschaftsverwandten unsers Maulwurfs sind die Sternmaulwürfe
(Condylura -- Rhinaster, Astromyctes --), gleichsam die amerikanische Ausgabe der unsrigen.
Sie scheinen die echten Maulwürfe in verbesserter Form wiederzugeben, wenigstens würde darauf hin
der merkwürdig ausgebildete und durch einen strahligen, sternförmigen Kranz beweglicher Knorpel-
lappen sehr ausgezeichnete Rüssel hindeuten. Die Vorder- und Hinterfüße sind fünfzehig, die äußeren
Ohren fehlen, wie bei unserm Maulwurfe, dafür aber haben die Sternmaulwürfe einen langen
Schwanz (den längsten in der ganzen Familie), und somit in ihrer Nase und dem Schwanze Kenn-
zeichen, welche ihnen durchaus eigenthümlich sind.

Der gemeine Sternmull (Condylura cristata), ein Thier von etwa sechs Zoll Körperlänge,
wovon jedoch 13/4 Zoll auf den Schwanz kommen, ist beträchtlich kleiner, als unser Maulwurf, von

Die Raubthiere. Maulwürfe. — Blinder und japaniſcher Maulwurf. Gemeiner Sternmull.

Der Maulwurf hat ebenfalls zu vielen fabelhaften Gerüchten Anlaß gegeben. Die Alten hielten
ihn für ſtumm und blind und ſchrieben ſeinem Fette, ſeinem Blute, ſeinen Eingeweiden, ja ſelbſt dem
Felle wunderbare Heilkräfte zu. Heutigen Tages noch beſteht an vielen Orten der Aberglaube, daß
man von dem Wechſelfieber geheilt werde, wenn man einen Maulwurf auf der flachen Hand ſterben
laſſe, und manche alte Weiber ſind feſt überzeugt, daß ſie Krankheiten durch bloſes Auflegen der
Hand heilen könnten, wenn ſie dieſe vorher durch einen auf ihr ſterbenden Maulwurf geheiligt hätten.

Es iſt ganz natürlich, daß ein Thier, welches in ſeinem Leben ſo wenig bekannt iſt, dem ge-
wöhnlichen Menſchen als wunderbar oder ſelbſt heilig erſcheinen muß: denn eben da, wo das Ver-
ſtändniß aufhört, fängt das Wunder an.



Unſer Maulwurf hat nur ſehr wenig Verwandte und unter ihnen zwei oder drei, welche mit
ihm zu ein und derſelben Sippe gehören. Ein ſolcher iſt der blinde Maulwurf (Talpa coeca),
welcher im Süden Europas und namentlich in Jtalien, Dalmatien und Griechenland, ſeltner in
Südfrankreich vorkommt. Seinen Namen erhielt er, weil eine feine, durchſchimmernde Haut ſeine
verhältnißmäßig noch kleineren Augen überzieht. Sie iſt dicht vor den Sternen von einer ganz feinen,
ſchrägen, nicht klaffenden Röhre durchbohrt, durch welche das Auge nicht ſichtbar wird. Außerdem
unterſcheidet ſich das Thier nur ſehr wenig von ſeinem nördlichen Vetter: hauptſächlich blos durch
den längern Rüſſel, die breiteren Obervorderzähne und noch andere geringere Eigenthümlichkeiten
im Gebiß und die (anſtatt grau-) weißbehaarten Lippen, die Füße und den Schwanz. Das dichte,
ſammtähnliche Haar des Körpers iſt dunkelgrauſchwarz mit bräunlichſchwarzen Haarſpitzen. Jn der
Größe iſt kaum ein Unterſchied zu bemerken. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der blinde Maulwurf
ſchon den Alten bekannt geweſen iſt. Ariſtoteles erwähnt ihn unter dem Namen Aspalax; denn
gerade die Beſchreibung dieſes vortrefflichen Naturforſchers beweiſt, daß er unſern Maulwurf gar
nicht gekannt, ſondern den ſüdlichen vor ſich gehabt habe. Jn der Neuzeit haben einige Forſcher
behauptet, den blinden Maulwurf auch im äußerſten Norden von Deutſchland gefunden zu haben.

Dieſes Thier legt ſich weniger ausgedehnte Röhren an, als der gemeine Maulwurf und geht auch
nicht ſo tief unter die Oberfläche hinab, wie dieſer, ganz wie es mit ſeinen heimatlichen Verhältniſſen
im Zuſammenhange ſteht. Das Neſt für die Jungen legt er in ſeiner Wohnkammer an, im übrigen
aber ähnelt er ſeinem Vetter in jeder Hinſicht.

Nun giebt es noch einen echten Maulwurf (Talpa Wogura) auf Japan, welcher ſich von
dem unſern außer durch die Färbung durch die Zahl ſeiner unteren Schneidezähne unterſcheidet, aber
genau wie jener lebt. Andere Mitglieder dieſer Sippe kennt man zur Zeit noch nicht.



Die nachſtehenden Sippſchaftsverwandten unſers Maulwurfs ſind die Sternmaulwürfe
(Condylura — Rhinaster, Astromyctes —), gleichſam die amerikaniſche Ausgabe der unſrigen.
Sie ſcheinen die echten Maulwürfe in verbeſſerter Form wiederzugeben, wenigſtens würde darauf hin
der merkwürdig ausgebildete und durch einen ſtrahligen, ſternförmigen Kranz beweglicher Knorpel-
lappen ſehr ausgezeichnete Rüſſel hindeuten. Die Vorder- und Hinterfüße ſind fünfzehig, die äußeren
Ohren fehlen, wie bei unſerm Maulwurfe, dafür aber haben die Sternmaulwürfe einen langen
Schwanz (den längſten in der ganzen Familie), und ſomit in ihrer Naſe und dem Schwanze Kenn-
zeichen, welche ihnen durchaus eigenthümlich ſind.

Der gemeine Sternmull (Condylura cristata), ein Thier von etwa ſechs Zoll Körperlänge,
wovon jedoch 1¾ Zoll auf den Schwanz kommen, iſt beträchtlich kleiner, als unſer Maulwurf, von

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[692/0770] Die Raubthiere. Maulwürfe. — Blinder und japaniſcher Maulwurf. Gemeiner Sternmull. Der Maulwurf hat ebenfalls zu vielen fabelhaften Gerüchten Anlaß gegeben. Die Alten hielten ihn für ſtumm und blind und ſchrieben ſeinem Fette, ſeinem Blute, ſeinen Eingeweiden, ja ſelbſt dem Felle wunderbare Heilkräfte zu. Heutigen Tages noch beſteht an vielen Orten der Aberglaube, daß man von dem Wechſelfieber geheilt werde, wenn man einen Maulwurf auf der flachen Hand ſterben laſſe, und manche alte Weiber ſind feſt überzeugt, daß ſie Krankheiten durch bloſes Auflegen der Hand heilen könnten, wenn ſie dieſe vorher durch einen auf ihr ſterbenden Maulwurf geheiligt hätten. Es iſt ganz natürlich, daß ein Thier, welches in ſeinem Leben ſo wenig bekannt iſt, dem ge- wöhnlichen Menſchen als wunderbar oder ſelbſt heilig erſcheinen muß: denn eben da, wo das Ver- ſtändniß aufhört, fängt das Wunder an. Unſer Maulwurf hat nur ſehr wenig Verwandte und unter ihnen zwei oder drei, welche mit ihm zu ein und derſelben Sippe gehören. Ein ſolcher iſt der blinde Maulwurf (Talpa coeca), welcher im Süden Europas und namentlich in Jtalien, Dalmatien und Griechenland, ſeltner in Südfrankreich vorkommt. Seinen Namen erhielt er, weil eine feine, durchſchimmernde Haut ſeine verhältnißmäßig noch kleineren Augen überzieht. Sie iſt dicht vor den Sternen von einer ganz feinen, ſchrägen, nicht klaffenden Röhre durchbohrt, durch welche das Auge nicht ſichtbar wird. Außerdem unterſcheidet ſich das Thier nur ſehr wenig von ſeinem nördlichen Vetter: hauptſächlich blos durch den längern Rüſſel, die breiteren Obervorderzähne und noch andere geringere Eigenthümlichkeiten im Gebiß und die (anſtatt grau-) weißbehaarten Lippen, die Füße und den Schwanz. Das dichte, ſammtähnliche Haar des Körpers iſt dunkelgrauſchwarz mit bräunlichſchwarzen Haarſpitzen. Jn der Größe iſt kaum ein Unterſchied zu bemerken. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der blinde Maulwurf ſchon den Alten bekannt geweſen iſt. Ariſtoteles erwähnt ihn unter dem Namen Aspalax; denn gerade die Beſchreibung dieſes vortrefflichen Naturforſchers beweiſt, daß er unſern Maulwurf gar nicht gekannt, ſondern den ſüdlichen vor ſich gehabt habe. Jn der Neuzeit haben einige Forſcher behauptet, den blinden Maulwurf auch im äußerſten Norden von Deutſchland gefunden zu haben. Dieſes Thier legt ſich weniger ausgedehnte Röhren an, als der gemeine Maulwurf und geht auch nicht ſo tief unter die Oberfläche hinab, wie dieſer, ganz wie es mit ſeinen heimatlichen Verhältniſſen im Zuſammenhange ſteht. Das Neſt für die Jungen legt er in ſeiner Wohnkammer an, im übrigen aber ähnelt er ſeinem Vetter in jeder Hinſicht. Nun giebt es noch einen echten Maulwurf (Talpa Wogura) auf Japan, welcher ſich von dem unſern außer durch die Färbung durch die Zahl ſeiner unteren Schneidezähne unterſcheidet, aber genau wie jener lebt. Andere Mitglieder dieſer Sippe kennt man zur Zeit noch nicht. Die nachſtehenden Sippſchaftsverwandten unſers Maulwurfs ſind die Sternmaulwürfe (Condylura — Rhinaster, Astromyctes —), gleichſam die amerikaniſche Ausgabe der unſrigen. Sie ſcheinen die echten Maulwürfe in verbeſſerter Form wiederzugeben, wenigſtens würde darauf hin der merkwürdig ausgebildete und durch einen ſtrahligen, ſternförmigen Kranz beweglicher Knorpel- lappen ſehr ausgezeichnete Rüſſel hindeuten. Die Vorder- und Hinterfüße ſind fünfzehig, die äußeren Ohren fehlen, wie bei unſerm Maulwurfe, dafür aber haben die Sternmaulwürfe einen langen Schwanz (den längſten in der ganzen Familie), und ſomit in ihrer Naſe und dem Schwanze Kenn- zeichen, welche ihnen durchaus eigenthümlich ſind. Der gemeine Sternmull (Condylura cristata), ein Thier von etwa ſechs Zoll Körperlänge, wovon jedoch 1¾ Zoll auf den Schwanz kommen, iſt beträchtlich kleiner, als unſer Maulwurf, von

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 692. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/770>, abgerufen am 24.11.2024.